Skip to main content

Full text of "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur"

See other formats


Beiträge  zur 
Geschichte  der 
deutschen 

Sprache  und 
Literatur 


Wilhelm  Braune, 
Hermann  Paul, 
Eduard  Sievers 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


Ein  blatt  ;ius  Notkers  Psalter.    Von  E.  Steinmeyer 
Airs,  tflosütui  zur  Vita  Cuthberti.    Voll  «1  em  sc  Iben 
Märchen  im  hürischeii  eno«..    Von  <i.  Ehrismann  . 

Beiträge  /ur  wertgen&aiiischeii  gremmatik.  Von  H.  Weyhe  .  . 

( A.  Zur  Vertretung  von  urtrrrm.  -:/*•  im  westgenimniseheu. 
x.  .V>.  —  B.  Zur  lifhamllunir  von  we*tirenn.  -J)l-  MCfc  kürze 
im  altenirlischen,  s.  f>7.  —  <  Anglisch  -weard  (-tnt  nh  neben 
•tcurä  {•Word);  hiirff  neben  /<//</-.  s.  7<;.  D.  Zur  gynkope 
uach  kurzer  tonsUbe  im  alteiigliaelien.  s.  M4j. 

Zur  Stilistik  der  ftltenehsi.«.chen  (ieuesis.    Von  F.  Pauls     -    .  . 

Ein  bnlirarisrher  Oeilipus.    V«»n  0.  Behaghel  

Nhd.  itrkihi  und  die  anderen  nehenfnrmen  von  ttrtiUcrif  Von 
W.  Horn  

( ireiizscbreiber.    Vwn  O.  Behaghel  ...   

Tolpatsch.    Von  A.  K 1  uy  ver  > 

Zu  BeHr.29t3l7.  Von  E.  H.  Rod&kiewicx  .  .  . 


Zur  nachrichf ! 

Es  wird  gebeten,  alle  auf  die  redaction  der  *  Kt 
liehen  Zuschriften  und  Sendungen  au  Professor  I 
in  Leipzig-Gohli.s  (Pdlitestrasse  26)  zu  richte 


<3 


BEITRÄGE 

ZUK 

GESCHICHTE  DER  DEUTSCHEN  SPRACHE 

UND  LITERATUR 

UNTER    MITWIRKUNG  VON 
HERMANN  PAUL  UND  WILHELM  BRAUNE 

HERAUSGEGEBEN 
VON 

EDUARD  BIETERS. 


XXX.  BAND. 


HALLE  a.  S. 

MAX  NIEMEYER 

17/78  GR.  8TEIN8TRA88K 

1905 


.  .  • 

.  .  .  -  . 

* 


»  •  •  •  • 


•  •••« 


••v.v 

•  >  • 

•  •  • 

•  .  • 

•  •  • 

•  •  • 

•  •  • 

•  •  • 


•  •  •  •  • 


.  .  .  . 


•  •  ••  • 

• I  •  •  •  • 

■  •  ••  • 

•  •••• 

:> 

•  •••  • 

•  •  • 


•  •  • 

•  •  • 

•  •  • 

••••  • 


•  •  •  •  • 


. . . . . 


•••• 
*  *  •  • 


*  •  •  • 


>v  ;.v;. 


Digitized  by  Google 


INHALT 


Sehe 


Ein  blatt  aus  Notkers  Psalter.   Von  E.  Steinmeyer    ....  1 

Ags.  glossen  zur  Vita  Cuthberti.    Von  demselben   6 

Märchen  im  höfischen  epos.   Von  G.  Ehrismann   14 

Beiträge  zur  westgermanischen  grammatik.   Von  H.Weyhe  .   .  55 


(A.  Zur  Vertretung  von  urgcrm.  -zn-  im  westgermanischen, 
s.  55.  —  B.  Zur  behandlung  von  westgerm.  -JA-  nach  kürze 
im  alteuglischeu,  s.  67.  —  C.  Anglisch  -wtard  (-ward)  neben 
•tcard  (tcord):  hildi-  neben  hild-,  s.  7G.  —  I).  Zur  synkope 
nach  kurzer  tonsilbe  im  altenglischen,  s.  84). 

Zur  Stilistik  der  altaächsischen  Genesis.   Von  F.Pauls     .   .   .  142 


Ein  bulgarischer  Oedipus.   Von  0.  Behaghel   21)7 

Nhd.  arkeki  und  die  anderen  nebenformen  von  artdlerie.  Von 

W.Horn   208 

o 

Grenzschreiber.   Von  0.  Behaghel   211 

^             Tolpatsch.   Von  A.  Kluyver   211 

Zu  Beitr.  29, 317.   Von  E.  H.  Rodakie wicz   212 

Grammatisches.   Von  W.  van  Helten   213 


(LXIV.  Zur  entwickelung  germanischer  langer  cousonanz  aus 
kurzem  cousonanten  -f-  n-,  8.213.  —  LXV.  Zur  Vorgeschichte 
von  germ.  stimmloser  spirans  -f-  tenuis  und  von  s(s)  aus  U, 
s.  232.  —  LXVI.  Zu  ahd.  (und  altmittelfrk.)  as.  altostnfrk. 
•o  aus  -ffa  und  verwantes,  s.  235.  —  LXV1I.  Zur  entwicke- 
lung von  altgenn.  jj  und  icu;  s.  24().  —  LXVIII.  Zu  germ. 
-nj-  (woraus  -»inj-)  aus  -»i  -f-  t  (oder  daraus  entstandenem 
dental)  -f-  j-,  s.  248). 

Bemerkungen  zum  gotischen  Wortschatz.   Von  C.  C,  Uhlenbeck  252 

Germanisch  *hüniz  'schwarz'.   Von  K.  Helm   328 

Ans  der  geschichte  des  adverbs.    Von  J.  Franck   334 

'Weg  mit  dem  Schriftbild'.    Von  E.  Sievers   344 


Digitized  by  Google 


INHALT. 

Seit« 

Die  adjectiva  im  Beowalfepos  als  darstellungsmittel.   Von  M. 

Scheinert  345 

Zur  technik  der  mittelhochdeutschen  dichtung.  Von  0.  Behaghel  431 

Zwei  conjectnren  zu  Walther.    Von  E.  Hoffmann-Krayer  .   .  564 

Althochdeutsches.   Von  J.Schatz  565 

(1.  Irmindeot,  s.  565.  —  2.  Adalporo,  s.  566.  —  3.  Hard,  s.  567. 

—  4.  Garteiti,  s.  508). 

Zu  Beiträge  30,  334.   Von  H.  Paul  569 

Zu  Salman  und  Morolf.   Von  L.  Schmidt  571 


Digitized  by  Google 


EIN  BLATT  AUS  NOTKERS  PSALTER. 

Als  Anton  Chroust  in  den  letztverwichenen  osterferien  den 
handschriftenbestand  der  Aschaffenburger  Stiftsbibliothek  für 
die  zwecke  seiner  Monumenta  palaeographica  durchmusterte, 
nahm  er  auf  dem  innern  rückendeckel  des  codex  53  ein  per- 
gamentblatt  wahr,  das  einer  altern  deutschen  psalmenversion 
angehört  hatte.  Aus  seiner  mir  freundlichst  mitgeteilten  ab- 
schrift  ersah  ich  alsbald,  dass  ein  bruchstück  des  28.  psalms 
in  Notkers  Verdeutschung  vorlag.  Daraufhin  betraute  mich 
Chroust  mit  der  publicatiou  seines  fundes,  während  der  vorstand 
der  Stiftsadministration  in  Aschaffenburg,  herr  regierungsrat 
Scholz,  nicht  nur  meinem  ansuchen  um  Übersendung  der  hs. 
unverzüglich  entsprach,  sondern  auch  bereitwilligst  gestattete, 
dass  das  blatt  von  dem  rückendeckel  losgelöst  werden  durfte. 
Beiden  hier  zu  danken  ist  mir  angenehme  pflicht. 

Das  folioms.  53  (29  cm  hoch,  21  breit)  besteht  aus  34,  am 
ende  regelmässig  mit  einem  custos  signierten  lagen.  3  der- 
selben (die  24.  29.  und  32.)  befassen  je  10,  die  restierenden  31 
je  12  blätter;  doch  fehlen  der  letzten  (34.)  die  leeren  6  schluss- 
blätter.  Voran  geht  ein  einzelblatt,  das  nur  auf  seiner  Vorder- 
seite mehrere  schwer  lesbare  notizen  verschiedener  bände  (z.  b. 
den  durchstrichenen  besitzervermerk  Liber  mei  Johänis  Wimpfen, 
den  eintrag  Dominus  Johannes  Schincke  Cantor  legavit  und  die 
bibliotheksbezeichnung  Lampartica  historia  \  Ad  librariam  . . . 
ffnburgensem  ...  1506  ...)  aufweist.  Diese  397  ungezählten  papier- 
"blätter,  denen  als  Wasserzeichen  teils  ein  ochsenkopf  oder  ein 
ochse,  teils  eine  Vignette,  gelegentlich  auch  eine  traube  dient, 
sind  in  zwei  spalten  zu  je  22  cm  höhe,  7  cm  breite,  welche  von 
zwei  wagerechten  und  vier  senkrechten,  stets  bis  zu  den  seiten- 
enden  reichenden  tintenstrichen  begrenzt  werden,  ohne  vor- 
gezogene linien  mit  allmählich  steigender  Zeilenzahl  (35 — 19) 

Beiträge  nir  geschichte  der  deutschen  spräche.   XXX.  1 

Digitized  by  Google 


2  STEIN  MET  ER 

durch  verschiedene  hände  beschrieben.  Den  inhalt  bildet  die 
Legenda  aurea  mit  dem  hl.  Kilian  an  vorletzter  stelle  (vor 
der  dedicatio  ecclesiae):  bl.  2a  Intytulatur  Legenda  aurea  rel 
passionale  nouum  de  sanctis  Magistri  Jacobi  de  Yoragine.  Die 
namen  der  jeweils  behandelten  heiligen  stehen  rot  am  köpf  der 
meisten  Seiten.  Vollendet  wurde  der  codex  am  26.  September 
1429:  bl.  396b2  (R397  ist  leer)  Sub  anno  M'CCCC'XXIX  feria 
secunda  ante  festum  Sancti  Michahelis. 

Zum  einband  verwendet  sind  zwei  holzdeckeL  deren  aussen- 
seiten  graues  papier  umhüllt.  Der  vorderen  innenseite  der 
breite  nach  eingeklebt  ist  eine  rechts  nnd  unten  stark  be- 
schnittene pergamenturkunde  vom  11.  märz  {feria  Quinta  pro- 
xima  post  dominicam  Oculi)  1423,  in  welcher  der  decan  Hein- 
ricus  Brunonis  und  die  capitelsmitglieder  des  damals  zur  diöcese 
Mainz  ressortierenden  Taubergaus  ihre  testamentsexecutoren 
bestellen:  dass  derartige  massnahmen  in  den  competenzbereich 
der  landcapitel  fielen,  zeigt  Hinschius,  Kirchenrecht  2  (1878),  276. 
Dem  schütz  der  rückwärtigen  innenseite  diente  das  28  cm  hohe, 
20  bez.  unter  einrechnung  eines  vor  die  34.  läge  sich  vor- 
schiebenden falzstreifens  22 — 22, 5  cm  breite  Notkerblatt.  Es 
enthält  auf  einer  beschriebenen  fläche  von  20, 5  cm  höhe,  14  cm 
breite  vorn  und  rückwärts  je  29  Zeilen,  welche  nicht  vorgeritzt 
gewesen  zu  sein  scheinen.  Die  schöne,  gleichmässig  deutliche 
schrift  entstammt  spätestens  der  mitte  des  12.  jh.'s.  In  dem 
folgenden  zeilengetreuen  abdruck,  der  nur  darin  von  dem 
original  abweicht,  dass  die  langen  s  mit  kurzen  vertauscht 
wurden,  sind  die  rot  geschriebenen  buchstaben  und  worte 
durch  fette  typen  gekennzeichnet.  Das  A  der  z.  5  nimmt  den 
räum  von  5  Zeilen  ein,  reicht  also  von  z.  4—8,  das  A  der  z.  15 
steht  vor  der  zeile.  Rote  Verzierung  ferner  zeigen  alle  grossen 
anfangsbuchstaben  ausser  dem  0  von  Übe  z.  23  und  dem  V 
von  Vnde  z.51  (daher  auch  FFERTE  z.  5),  sodann  das  b  von 
breitint  z.  14,  das  o  von  Vox  z.  16.  27,  das  s  von  Bs  z.  19,  das 
ox  von  Vox  z.  25.  47.  55,  das  /  von  Et  z.  32.  35.  40.  50.  58,  das 
/*  von  halb  z.  47;  in  gleicher  weise  sind  angemalt  die  buch- 
staben ho  von  Also  z.  52  und  vazz  r  von  uvai*ir  ebenda. 
Accente  begegnen  zur  Unterscheidung  von  i  und  u  nur  in 
Uute  z.  18,  diu  z.  39,  iudin  z.  43,  fiür  z.  45,  sonst  bloss  bei  die 
z.  27,  si  z.  29.   Ich  bemerke  noch,  dass  der  rubricator  z.  27 


Digitized  by  Google 


EIN  BLATT  AU8  NOTKERS  PSALTER. 


3 


das  erste  a  von  gelossint  durch  untergesetzten  punkt  getilgt 
zu  haben  scheint,  indem  er  das  wort  misverständlich  zum 
verbum  gelosen  zog,  dass  z.  34  nach  gestigin  ein  e  radiert  ist 
und  dass  neben  z.  5.  6  am  beschnittenen  rande  von  einer  hand 
des  13.  jh.'s  eingetragen  steht:  Alse  ez  zevil  geregei  [1.  geregent]  \ 
so  sprich  disen  salm  de  [1.  daz]  \  ez  got  bechere  (mit  drei  punkten 
und  einem  komma  dahinter).  Analoge  gebrauchsanweisungen 
für  diesen  psalm  finden  sich  Germ.  27, 341.  346.  348. 

Notkers  psalm  28  liegt  bisher  nur  in  dem  Sangaller  text 
=  SG  (denn  der  abdruck  seiner  zwillingshs.  bei  Schilter  bietet 
kaum  irgendwelche  Varianten)  und  dem  Wiener  =  WN  vor. 
Von  beiden  weicht  unser  blatt  =  A  an  folgenden  stellen  ab: 
nach  z.  3  fehlt  Uox  prophete  ad  fideles  in  ecclesia  mit  den 
glossen  stimmet,  ze  gloübigen  SG  =  Diz  ist  diu  stimma  des 
uuissagen  ze  den  gloubegen  in  dero  ecclesia  WN;  z.  10  fone 
diu  —  pe  diu  SG,  pe  diu  WN;  z.  22  rouuin  —  penitentiam 
[riüuua]  tuen  SG,  die  riuuua  tuon  WN;  z.  34  f.  in  dir  uuerlte 
—  in  uuerlte  SG,  in  uuerlte  WN;  z.  37  sinis  fatir  —  patri  SG, 
demo  uater  WN;  z.  41  quemadmodum  —  sicut  SG,  WN;  z.  58 
die  da  uueide  —  die  dia  uueida  SG,  die  die  uueidi  WN.  Auch 
sonst  mangelt  es  A  nicht  an  versehen:  dahin  gehören  z.  6 
brigint  st.  bringint,  z.  24  f.  pdunde  st.  pdiunde,  z.  39  uuahsint 
st.  sint,  z.  56  der  zusatz  von  pedes,  ferner  die  graphisch  leicht 
begreiflichen  fehler  z.  44  f.  seeidin  st.  seeidintin,  z.  55  steinin 
st.  stein.  Dass  im  übrigen  A,  von  seiner  durchweg  jüngern 
spräche,  namentlich  dem  «  der  flexions-  und  ableitungssilben 
und  dem  charakteristischen  i  der  artikelformen  (Dir  55,  dis  9, 
dime  3,  dir  7.  35.  43.  54)  abgesehen,  näher  zu  SG  als  zu  WN 
sich  stellt,  liegt  auf  der  hand.  Trifft  A  mit  WN  in  der  gleich- 
massigen  Verdeutschung  mehrere  ausdrücke  zusammen,  die  SG 
lateinisch  bietet  (uuidere  A  10  f.,  uuideri  WN  —  arictes  SG; 
pdunde  A  24  f.,  predigento  WN  —  predicando  SG;  iüdin  A  43, 
iudeni  WN  —  iudeorum  SG),  so  wird  man  darauf  schon  des- 
halb kein  sonderliches  gewicht  legen  dürfen,  weil  A  manchmal 
mit  SG  den  lateinischen  ausdruck  beibehält,  wo  WN  deutsche 
widergabe  bevorzugt  (apostolorum  A8,  SG  —  dero  poteno  WN; 
cedros  A  31,  SG  —  hirza  WN;  libani  A  38,  lybani  SG  —  des 
siduualdes  NW).  Auch  wenn  SG  lateinischer  Wendungen  mit 
deutschen  interlinearglossen  sich  bedient,  während  A  und  WN 

1* 


Digitizöd  by  Google 


4 


STEHs'MEYEB 


in  einer  andern  deutseben  version  übereinkommen  (uuidir  dime 
thuuile  A  3.  uuidiri  demo  tiufifo  WS  —  contra  diabolum  [uuider 
ntderrise]  SG;  Offir  A  37.  Opfer  WX  —  Yictima  [friscinch]  SG, 
wogegen  unmittelbar  nachher  A,  statt  das  gleiche  wort  zu 
widerholen,  ein  also  setzt;  in  die  uroste  dir  diele  A  54,  in  die 
uuosti  dero  dittc  WX  —  in  desertum  gentium  [in  uuosti  tieto] 
SG),  liegt  grund  zum  zweifei  vor.  ob  auf  nähern  Zusammen- 
hang zwischen  WN  und  A  geschlossen  werden  darf:  denn 
gegenüber  .t.  superbos  [die  uforuuän]  SG  hat  WN  daz  sint  die 
uhermuoten,  während  A  31 1  dm  ist  die  hoffertigin  steht  Wol 
aber  spricht  für  einen  solchen  nähern  Zusammenhang,  mit 
andern  Worten  dafür,  dass  zwischen  SG  bez.  der  originalen 
Überlieferung  und  WN  mittelglieder  existiert  haben,  auf  deren 
eines  auch  A  zurückgeht,  der  gemeinsame  fortfall  des  artikels 
A  17  f.  ubir  uuazzir,  WN  über  uuazzcr  —  SG  über  diu  uuazzer\ 
A  43,  WN  intercedentis  —  SG  und  Tulg.  intercidentis;  A  53, 
\VN  der  Singular  scrift  —  SG  scripturas  [serifte];  vielleicht 
auch  A  40  geuuedint,  WN  geuueidinot  —  SG  geuueidot  und 
A  9  Si  sint  leitare  dis  cortirs,  WN  leitari  des  quartires  sint 
sie  —  SG  Duces  gregis  sint  sie. 

[Vorderseite.] 

[1]  Diz  ist  daz  sanc  der  P§  DD  cösnniniacionis  tabnaculi. 

folletanin  herberge.  daz  quit  eccle.  in  der  hie 
ze  fehtinne  ist  uuidir  dime  thuuile. 

[Eine  zeile  leer.] 
5   AFFEKTE  domino  filii  deL  afferte  dno 

filios  arietum.  Gotis  chint  brigint  [sie]  trohtine 
bringint  ime  du  chint  dir  uuidiro  daz 
quit  apJorü.  Ir  chint  bint  ir.  iuh  seibin 
bringint  imo.  Si  sint  leitare  dis  cortirs.  daz  quit 

10   si  uuisint  den  lut.  fone  diu  heizzint  si  uuide 

re.  [2]  Afferte  domino  glam  et  honore.  bringint  imo 
uuole  uuirchindo  guolliche  unde  ere.  afferte 
domino  glam  nomini  eius.  bringint  goulliche 
sinimo  namin.  breitint  sinin  namin  ubir  al. 

15   Adorate  dominum  in  aula  sca  eius.  Betont  in 
sinir  pfallice.  daz  sint  uvueru  herein.  [3]  Vox  do 
mini  sup  aquas.  Sin  stimme  scillit  ubir  uuaz 


Digitized  by  Google 


EIN  BLATT  AUS  NOTKERS  PSALTER. 


5 


zir.  daz  quit  ubir  die  Hute,  dien  er  chundit 
sina  ea.  Ds  magestatis  intonuit.  Got  der  ma 

20   gin  crefte  ir  donrota.  Der  mahtige  xpc  gebiu 
tit  brutliche  uzzir  demo  uuolchine  sinis  Ii 
chamin  daz  uuir  rouuin.  Dominus  super  aqu 
as  multas.  Obe  manigin  uuazzirn  sizzit  er.  Ma 
nige  sint  sin  sez.  uuander  an  in  buit.  so  er  si  pd 

25   unde  becherit.  [4]  Yox  domini  in  uirtute.  Sin  stim 
me  ist  in  crefte.  uuande  si  gemac  filo.  un  getut 
mahtige  die.  die  ir  gelossint.  Vox  domini  in  ma 
gnificencia.  Sin  stimme  ist  in  michil  uuerchun 
ge.  Si  becherit  si.  in  michilu  uuerc.  [5]  Vox  domini 

[Rückseite.] 

30   confringentis  cedros.  Sin  stimme,  diu  ist  stimme 
des  prehchindin  die  cedros.  daz  ist  die  hofferti 
gin.  Et  confringet  dominus  cedros  libani.  Vffi 
n  libano  dem  berge  uuerdint  die  hohistin  ce 
dri  die  brichit  er.  Die  hohist  gestigin  sint  in 

35   dir  uuerlte.  die  gedeumutit  er.  [6]  Et  comminuet 
eos  tamqua  uitulü  libani.  Vnde  gedeumutit 
si  nah  imo  selbemo.  Offir  uuas  er  sinis  fatir.  al 
so  uuerdint  si  imo.  Vitulus  libani  uuas  er.  uu 
ander  ir  uuelit  chalb  uuas.  solih.  diu  uuahsint 

40   diu  uffin  libano  geuuedint  uuerdint.  Et  dilec 
t9  queadmodü  filius  unicornium.  Vnde  des  fat 
ir  trut  uuirdit  mennischo.  un  ir  stirbit  also  ei 
nir  dir  iüdin.  Vox  domini  intercedentis.  ide 
diuidentis  flammä  ignis.  Sin  stimme  ist  des  sce 

45   idin  daz  nur.  daz  quit  die  uvoutigin.  den  filo 
heiz  zu  imo  uuas.  uvande  halb  nam  er  si  zu  si 
ch.  halb  firuvarf  er  si.  [7]  Vox  domini  concucient 
is  solitudine.  Sin  stimme  ist  des  irscutindin  da 
z  einote.  daz  quit  der  herein  die  an  got  uuarin 

50   tuot  si  sih  ir  comin.  Et  commouebit  dominus 
desertum  cades.  Vnde  er  iruuegit  die  uuoste 
cades.  Also  er  in  cades  tete  rinnin  uvazzir  uz 
zir  steine,  so  tout  er  fon  imo  chomene  scrift  ri 
nnin  in  die  uvoste  dir  diete.  Er  ist  selbe  der 

55   steinin.  alsiz  quit.  Dir  stein  uuas  crist.  [8]  Vox  dorn 


Digitized  by  Google 


6 


STEINMEYER 


ini  preparantis  ceruos.  hoc  est  ueloces  pedes  ad  I 
tellectum.  Sin  stimme  ist  des.  der  sih  der  hirze 
geuvarnot.  die  da  uueide  niezin  suln.  Et  reue 

ERLANGEN,  juni  1904.  E.  STEINMEYER. 


AGS.  GLOSSEN  ZUR  VITA  CUTHBERTI. 

Tm  glossar  seines  Codex  legvm  antiqvarvm  (1613)  citierte 
Friedrieh  Lindenbrog  zwei  deutsche  gll.  zu  Bedas  Vita  Cuth- 
berti,  welche  H.  Hoffmann  (Ahd.  gll.  s.  XXXIX,  §  87)  für  ahd. 
ansprach.  Beide  nahm  ich  demgemäss  in  den  2.  band  der 
Ahd.  gll.  (no.  DL)  auf.  Später  warf  J.  Zupitza,  Zs.  fda.  33,  238 
die  frage  hin,  ob  ihnen  nicht  vielmehr  ags.  Ursprung  zukomme. 
Sein  apercu  bestätigte  sich,  als  ich  Ahd.  gll.  4, 683  aus  ab- 
schriften  Eckharts,  Dietrichs  von  Stade  sowie  Lindenbrogs 
selbst  nahezu  drei  dutzend  ags.  Cuthbertgll.,  unter  denen 
wenigstens  eine  der  zwei  von  Lindenbrog  angeführten  sich 
befand,  mitteilen  konnte.  Bei  der  minderwertigkeit  dieser 
copien  musste  jedoch  die  widerauf findung  des  Originals  recht 
erwünscht  sein.  Vor  jähr  und  tag  las  ich  nun  zufällig  in 
Chr.Bruuns  Aarsberetninger  og  meddelelser  fra  det  störe  konge- 
lige  bibliothek  3  (1890),  56  f.  von  einem  alten  Kopenhagner 
codex  der  Vita  Cuthberti  mit  ags.  gll.  Da  derselbe  der 
Gottorper  bibliothek  entstammte,  deren  Vorsteher  geraume  zeit 
Friedrichs  bruder  Heinrich  war  und  in  welche  mehrere  hss. 
Friedrichs  übergegangen  sind  (E.  C.  AVerlauff,  Historiske  efter- 
retninger  om  det  störe  kongelige  bibliothek  1844,  s.159,  anm.  n), 
so  drängte  sich  mir  alsbald  die  Vermutung  auf,  dass  in  ihm 
die  seit  drei  jahrhunderten  verschollene  vorläge  des  Hamburger 
gelehrten  zu  suchen  sei.  Nachdem  ich  mir  kürzlich  die  hs. 
hatte  kommen  lassen,  erwies  sich  meine  mutmassung  als  richtig. 

So  vollständig  allerdings,  wie  Lindenbrog  sie  kannte,  be- 
sitzen wir  die  gll.  nicht  mehr.  Denn  die  Kopenhagner  hs. 
Gl.  kgl.  samling  no.  2034,  4to  (20  cm  hoch,  14  breit)  saec.  X  be- 
steht nur  noch  aus  18  bll.  mit  je  25  vorgeritzten  Zeilen  auf 


Digitized  by  Google 


AGS.  GLOSSEN  ZUR  VITA  CUTHBERTI. 


7 


der  seite.  Diese  bll.  hat  eine  hand  des  15.  jh.'s  mit  den  Ziffern 
9 — 17.  19—26.  18  versehen.  Von  ihnen  bilden  9—15  einen 
ternio,  dem  das  einzelbl.  10  eingeklebt  ist,  einen  ebensolchen 
19—26  mit  den  eingehefteten  bll.  21  und  24.  16.  17  und  das 
von  dem  hersteiler  des  jetzigen  einbands  fälschlich  hinter  statt 
vor  den  ternio  19—26  placierte  bl.  18  sind  gleichfalls  einzelbll. 
Lagensignaturen  fehlen.  Bl.  9  a  beginnt  mit  cap.  XIII  v.  10 
der  Tita  Cuthberti:  Non  leti  commune  genus.  sed  demonis  atri.*) 
Die  Vita  schliesst  auf  bl.  22  b  mit  XL  VI,  36  Vita  manens  castis 
lumenque  salusque  per  euum.  Dann  steht  rot:  Bede  famvli 
christi.  et  presbiteri  explicit  \  Uber  de  virhtibus  sancti  Cvtberti 
Lindis  \  farnensis  aecclesie  episcopi.  \  Q :  :  scr  \ps\t  :•:[::.(. 
:t  q  :  :  [80  für  q :  •:  *]  l.g.t  l:t:t:  :r.  \  Incipit  libellvs  cvivsdam 
sapientis.  et  vt  fertur  \  beati.  Colvmbani,  wonach  die  zuletzt  von 
KDümmler.  MG.  Poetae  1, 275 — 281  herausgegebenen  und  zwei- 
felnd dem  Alcuin  zugeschriebenen  Monosticha  bis  bl.  26  b  Ex- 
plicit Uber  Colrmbani.  I)eo  Gratias  folgen.  Im  15.  jh.  gieng  also 
dem  bl.  9  noch  ein  quaternio  voran,  der  gerade  räum  für  den 
jetzt  fehlenden  anfang  des  gedichtes  bot:  rechnet  man  die 
capitelüberschriften  zu  je  zwei  Zeilen,  so  machen  das  poetische 
Vorwort  und  cap.  I— XIII,  9  bei  Giles  genau  375  Zeilen  =  7,/2  bl. 
aus:  la  nahm  dann  der  prosaprolog  ein.  Diese  läge  war  aber 
noch  vorhanden,  als  Lindenbrog  die  hs.  benutzte:  denn  unter  den 
a.  a.  o.  von  mir  aus  modernen  abschriften  publicierten  gll.  kann 
eine,  Caballum  hyrs  683, 31,  nur  zu  VI,  6  gehört,  somit  nur  auf 
bl.  5  a  gestanden  haben.  Wann  der  quaternio  verloren  gieng, 
ob  er  überhaupt  bei  der  Überführung  der  Gottorper  bibliothek 
1749  nach  Kopenhagen  gelangte,  lässt  sich  nicht  sagen.  Viel- 
leicht war  damals  der  codex  noch  ungebunden,  denn  auf  bl.  22b 
steht  neben  Q  :  : .  scr  \ps  \t  u.s.  w.  (s.  oben)  sehr  verblasst  von 
einer  hand  des  17.  jh.'s  am  stark  beschnittenen  rande  . . .  uocales 
per  |  mcta  notati  \  unt:  jedesfalls  rührt  der  derzeitige  halb- 
franzband erst  aus  der  zeit  Christians  VII.  (1766—1808)  her: 
das  beweisen  die  goldpressungen  seiner  Schmalseite,  nämlich 
ein  ligiertes  C  7,  über  dem  die  königskrone  schwebt,  und  vier 
medaillons  mit  den  drei  gekrönten  dänischen  leoparden. 


')  Ich  citiere  nach  bd.  1  der  ausgäbe  von  Giles  und  zähle  die  verse 
seiner  capitel.   Abbreviaturen  wurden  aufgelöst. 


Digitized  by  Google 


STEINMEYER 


Der  Vita  Cuthberti  sind  von  zwei  händen  gll.  beigefügt: 
interlinear  lateinische  von  einer  hand,  welche  dunkle  tinte 
gebrauchte;  zumeist  interlinear  und  nur  dort  (ohne  verweis- 
zeichen)  marginal,  wo  der  räum  zwischen  den  zeilen  schon 
durch  eintrage  der  ersten  hand  besetzt  war,  angelsächsische 
neben  spärlichen  lateinischen  von  einer  jiingern  mit  hellerer 
tinte,  die  sich  der  charakteristischen  ags.  formen  des  f  g,  r 
und  der  wen-rune  (bezeichnet  im  folgenden  durch  tc)  bediente. 
Die  gll.  dieser  zweiten  hand  sind  nicht  original,  sondern  einem 
andern  codex  entlehnt.  Das  darf  man  zwar  nicht  folgern  aus 
unvollständigen  wort  teilen  wie  81  onbu  st.  onbugan,  97  weorni 
st.  iceorniende,  139  ateli  st.  atelicum  und  79  prymwealden  st. 
prymicealdende,  wol  aber  aus  folgenden  umständen:  1)  an  drei 
stellen  setzt  die  glossierung  einen  richtigeren  lat.  text  voraus 
als  ihn  unsere  hs.  enthält:  41  hu  oft  passt  zu  quotics,  nicht 
zu  dem  corrupten  quodsies  (quod  abbreviert),  113  ne  scean 
zu  renitebat  (so  Migne),  nicht  zu  retincbat,  114  su  a  ic  gemunde 
zu  memorabar,  nicht  zu  mcmorabor;  2)  sie  weist  eine  reihe 
von  fehlem  auf.  Als  sicher  falsch  müssen  angesehen  werden 
7  gcscyrte  st.  gcscyrpte,  25  getibode  st,  getipodc,  33  fexende 
st.  fexede  bez.  fexedne,  35  onicinnedum  st.  onwinnendum,  83  ascap 
st.  asccecp,  sowie  nach  Sievers'  Vorschlag  104  sceauegum  st. 
sccaücgum  =  sceawuncgum  und  109  fence  st.  fencge.  Falsch 
bedünken  mich  ferner  12  wyrtcendlicum  st.  wyrpendlicum  und 
20  gecuemre  st.  gecucmne;  denn  masculinische  form  gegenüber 
der  femininischen  des  lateins  und  des  zu  supplierenden  ags. 
Substantivs  zeigt  ebenso  56  geweordmne,  das  änderung  in  ge- 
tcordenne  verlangt.  Auch  mit  16  ttince  weiss  ich  nichts  an- 
zufangen, wenn  es  nicht  aus  dicce  verderbt  ist;  3)  die  nrn.  33 
(koman).  138  (hu).  139.  140  begegnen  auch  unter  den  Cuthbert- 
gll.  des  Harl.526  (Zs.fda.33,238),  während  mit  den  von  A.Napier, 
Old  english  glosses  no.  32,  p.  199  edierten  kein  Zusammenhang 
besteht.  Die  punkte  bei  1 10  wasron.  g .  yte,  132  g .  fr .  gde  scheinen 
mir  nicht  kryptographisch  sein,  sondern  auslassung  einzelner 
buchstaben  oder  silben  andeuten  zu  sollen;  man  könnte  denken 
an  geyte  (von  ftan)  und  yctvlitig(o)de  (Sievers  zieht  gcrcgnode 
vor).  Die  formen  (30  onihude,  70  gehidc  muss  man  wol,  im 
sinne  meiner  1898  ausgesprochenen  Vermutung,  für  entstellt 
aus  onhigude,  gehigude  betrachten. 


Digitized  by  Google 


AOS.  GLOSSEN  ZUR  VITA  CUTHBERTT.  9 

Der  abdruck  befolgt  die  normen  der  Ahd.  glossen.  Runde 
klammem  um  lat.  worte  weisen  also  darauf  hin,  dass  ihre 
glossen  am  rande  stehen;  eckige  klammern  kennzeichnen  solche 
worte,  welche  behufs  leichteren  Verständnisses  aus  dem  Zu- 
sammenhang mitausgehoben  wurden,  oder  nehmen,  wo  sie  nur 
Ziffern  umschliessen,  bezug  auf  die  Zeilenzahlen  meiner  früheren 
teilausgabe  der  glossatur.  Mit  Ed.  ist  der  text  von  Giles  ge- 
meint; seine  capitelnummern  bleiben  stets  um  eine  stelle  hinter 
denen  von  Mignes  Patrol.  94  zurück. 

(9  a)  (Diris)  unfaela  —  XIII,  11 
([vesano  —  furore]  Pressam)  manful  —  XIII,  16 
Suspicio  wena  —  XIII,  16 
Anchorissem  a?neclif  —  XIV  Überschrift 
5   (9b)  (Exors)  orhlite  —  XIV,  2 
(Fit)  7  hegewer}>  —  XIV,  7 
Acuaerit  gescyrte  [29]  —  XIV,  16 
(Laruaribus  —  flabris)  deoflicü  gasta  —  XV,  3 
(Arcebat)  forbead  —  XV,  4 
10   Oonsortia  gemanan  [28]  —  XV,  4 

(10a)  Terrestri  [aggere]  eordlicü  aeccere  —  XV,  8 
Misilibus  wyrwendlicü  —  XV,  13 
Saxis  stanü  —  XV,  13 

(Iille  sed  —  Sufficeren t)  set  sufficiebat  acmihte  —  XV,  15  f. 
15   Seges  aecer  —  XVIL4 

Ampla  dince  —  XVII,  4 

(10b)  Sin  alias  .s.  eles}>aenne  —  XVII,  13 

Regebat  friede  [26]  —  XVII,  18 

(IIa)  Casulam  cytan  1  cot  [25]  —  XIX, 4 
20   Aptam  gecuemre  —  XIX,  4 

(Citat)  ontihte  —  XX,  1 


2  Ueber  ductor  der  zeile  13  Soluitur  in  lacrimas  ductor,  welche  nach 
z.  18  im  codex  steht,  aber  durch  zeichen  an  den  richtigen  ort  verwiesen  ist, 
hat  die  glossenhand  i.  hilnurr  geschrieben:  dieser  uanie  wurde  Bedas  pro- 
saischer legende  des  heiligen  c.  15  entnommen.  4  anachoresim  Ed. 
5  e.rsors  Ed.  7  actiarit  =  Ed.  bot  auch  ursprünglich  unser  codex; 
die  schleife  des  t  fügte  der  glossator  hinzu.  8  larcah'bus  Ed.  12  mis- 
silibux  Ed.  14  Iille]  I  rot,  •  schwarz.  Ille  —  Sufficeret  Ed.  Das  o 
der  glosse  hat  eigentümliche  gestalt,  es  scheint  aus  t'c  oder  u  corrigiert. 


Digitized  by  Google 


10 


STEINMEYER 


(IIb)  Cetus  weredes  [24]  —  XX, 24 
(Restabat)  belaf  —  XX,  26 

(12a)  (Altiloquo  —  ore)  deop)>anculü  muj>e  —  XX,  30 
25   (Annuit)  ge^afode  l  getibode  [22]  —  XXI,  8 

Progreditur  for]>stop  —  XXI,  9 

Ergo  forJ>i  —  XXI,  13 

(12  b)  (Nacto)  begitenon  —  XXI,  29 

Culmine  hrofe  [19]  —  XXI,  29 
30   Licet  oblatum  peah  j?e  geboden  —  XXI,  32 

Transacto  forJ>aurnenü  [20]  —  XXI,  40 

Curriculo  ymbrene  —  XXI,  41 

(13a)  Iubar  alticomum  heah  fexende  leoman  [17]  —  XXI,  50 

Pictorum  piohta  —  XXI,  55 
35   Infesto  onwinnedü  [15]  —  XXI,  55 

Scottorum  scotta  —  XXI,  57 

(Spirabat)  oroJ>ode  —  XXI,  58 

Tyrio  [in  ostro]  ontyriscü  —  XXI,  öl 

Tractat  herecj»  —  XXI,  62 
40   (13  b)  (Lirico  [plectro]  getaenigenda)  hearplicü  siege  — 
XXII,  8 

(14b)  Quodsies  huoft  —  XXVIII,  2 

Peresos  fornumene  [14]  —  XXVIII,  2 

Egestas  waedliende  [13]  —  XXVIII,  5 

Per  deuia  |wh  westena  [59]  —  XXVIII,  7 
45   Fugerit  fleah  [60]  —  XXVIII,  7 

Horror  ogha  [61]  —  XXVIII,  7 

Absentis  aefwyrdan  —  XXVIII,  10 

(Certam)  ic  biege  —  XXVIII,  11 

Pictorum  piohta  —  XXIX,  1 
50   (Decretum)  gedemed  —  XXIX,  7 

(15  a)  (Non  multi)  na  welmaenie  —  XXIX,  13 


24  ore  mit  einschal  testrich  Ubergeschrieben.  27  forfii]  der  untere 
schaft  des  f  erloschen.  32  Curriculo]  das  erste  r  übergeschrieben. 
36  Scotorum  Ed.  37  Spirabat]  i  von  späterer  haud  in  e  corrigiert. 
38  das  deutsche  wort  untergeschrieben.  40  plectro]  r  mit  einschalte- 
zeichen  Uber  der  zeile.  plecto  Ed.  fehlerhaft.  Die  scheinbare  randglosse 
bl.  14  a  neben  XXV,  8  ist  nur  ein  spiegelabdruck  von  hearplicü  8  bl.  13b. 
41  quoties  Ed.  lieber  hu  steht  vielleicht  hoch  oben  ein  circumflex. 
43  peressos  hs.,  das  erste  s  mit  punkt  darüber  und  darunter. 


Digitized  by  Google 


AGS.  GLOSSEN  ZUR  VITA  CUTHBERTI. 


11 


Fluxere  fleowon  —  XXIX,  13 

Dira  rej?e  —  XXIX,  13 

Necem  cwale  —  XXIX,  14 
55   Caneret  bodude  —  XXIX,  14 

(Confectam)  geweordenne  —  XXIX,  15 

Absentem  aefwerd  —  XXIX,  16 

Creuerat  geseah  —  XXIX,  16 

Mutua  gemaene  [57]  —  XXX,  13 
60   (15b)  Incubuit  onihude  [55]  —  XXX,  24 

Potitum  brucende  [62]  —  XXX,  26 

(16a)  Cono  helme  [58]  —  XXXI,  17 

(Deciduum)  hrurulne  —  XXXI,  18 

Solutis  tolysedü  —  XXXI,  18 
65   (16b)  Ingenito  onacennedü  —  XXXIII, 2 

Sensim  lytlan  7  lytlan  —  XXXIII,  2 

Dolore  sare  [54]  —  XXXIII,  2 

Castris  ceastrfl  wicum  [53J  —  XXXIII,  4 

Blandiloquis  geswaeslaehtü  [50]  —  XXXIII.  6 
70   Studuit  gehide  [50]  —  XXXIII,  6 

Retinacula  gegrinu  —  XXXIII,  7 

Gazas  welan  —  XXXIII,  8 

(Pendit)  hangad  —  XXXIII,  9 

Stamine  stede  —  XXXIII,  10 
75   (17  a)  Dvm  )>a)>a  —  XXXIV,  1 

Iteraret  eft  —  XXXIV,  1 

([ac]  Impetrant)  7  hibegetan  —  XXXIV,  6 

[et]  Superaddit  7  togeihte  —  XXXIV,  7 

Altithronum  p  J>rywealden  —  XXXIV,  8 
80    Regnum  rite  —  XXXIV,  8 

Cedere  onbu  [56]  —  XXXIV,  9 

Fraudetur  paeht  —  XXXIV,  11 

(Quatit)  ascaej>.  oppe  tobryt  [48]  —  XXXIV,  13 

Primeuo  a  flore  fral>äfryj>elican  blosme  —  XXXIV,  14 
85   Dolos  sar  [44]  —  XXXIV,  16 

Transacti  temporis  forf>gewitenre  tide  [46]  —  XXXIV,  16 


68  wicum  unter  ceastrü.  71  Retinacula]  nach  c  rasur  von  c. 
73  pendet  Ed.  78  Superaddit]  u  auf  rasur.  85  Dolos  mit  Dolor 
verwechselt. 


Digitized  by  Google 


12 


Cum  \>on  —  XXXIV.  18 
Alimenta  bileofan  [43]  —  XXXIV.  18 
Canit  bodaf>  [42]  —  XXXIV,  21 
90   ()  Larem  haeto  1  fyr 
()  Axi  su^daele 

(17  b)  (Turbo)  hreohnes  [34]  -  XXXIV,  24 
Expedit  framaf>  —  XXXIV,  29 
Depincxit  amearcode  [41]  —  XXXIV.  31 
95   (Debita  soluam)  agilde  neadgild  [33]  —  XXXIV.  41 
Condat  p  he  —  XXXV,  2 
(18a)  Tabida  weorni  —  XXXV,  9 
(Inopina  salus)  faercu  menhael  —  XXXV,  13 
Regebat  adreah  —  XXXV,  18 

100  (Expendit)  aspende  —  XXXVI,  5 

(18  b)  [Christique]  Munit  7  trymede  —  XXXVI,  9 
[animamque]  Indidit  7  onsette  —  XXXVI,  11 
Querula  sub  laude  underceoriendülofe  —  XXXVII,  3 
E  speculis  ofbesceauegti  —  XXXVII,  10 
105   Nocturne  [laudis]  nihtlices  —  XXXVII,  12 
(Suspecta)  forwened  —  XXXVII,  15 
(19  a)  Sedato  turbine  alegenre  hreohnesse  [34]  — 

xxxvn,  24 

Lirico  hearplicü  —  XXXVII,  26 
Gremio  fence  [32J  —  XXXVIII,  4 

110   (Promuntur)  waeron.  g.  yte  —  XXXVIII,  14 
(19b)  Ceu  swylce  —  XXXVÜI,  16 
(Eximie  [vestis])  healices  —  XXXVIII,  19 
[nee]  Retinebat  nescean  —  XXXVIII,  19 
Memorabor  ut  swa  ic  gemunde  —  XXXf X,  2 

115   Placidum  gecwemne  —  XXXIX,  4 
Desuper  wijmfan  —  XXXIX,  6 

(20a)  Patroni  mundboran  —  XL,  10 

 —  .  ..    .   ^ «   

81)  Canit]  n,  uncial  mit  roter  anmalung,  konnte  bei  flüchtiger  ansieht 
leicht  für  p  genommen  werden,  cavit  Ed.  90.  91  neben  v.  2t.  Auch 
die  lat.  worte  rühren  vom  glossator  her;  aus  welcher  schriftfsie  stammen, 
wein«  ich  nicht.  98  Inopina]  das  zweite  n  mit  einschaltezeiehen  über- 
geschrieben.      102  onsette]  das  erste  t  sehr  zweifelhaft,  sieht  wie  c  aus. 

101  die  nrilposition  e  mit  accent.  108  Lirico]  ri  mit  einschaltezeiehen 
Übergeschrieben.        114  memorabar  Ed. 


Digitized  by  Google 


AOS.  GLOSSEN  ZUR  VITA  CUTH BERTI.' 

Ipsam  [partem]  p  —  XL,  11 
Morbigeni  adlies  —  XLL,  1 

120   Camini  ofnes  —  XLI,  1 

Patroni  mundboran  —  XLI,  4 
Consortia  gemanan  —  XLII,  1 
(20  b)  (Oraria)  heafodhraegel  —  XLII,4 
Deserti  alsetene  —  XLIII,  10 

125   Erigit  underwrif>ode  —  XLLU,  11 
Matutinas  mergenlice  —  XLIII,  12 
Persoluere  agifan  —  XLIII,  12 
Prisco  [vigore]  f>ereaerran  —  XLIII,  13 
Uacuatur  aemtod  1  bedaeled  —  XLIV,  1 

130   (21a)  Stellantibus  gliteniendü  —  XLIV,  5 
[EJquiperant  efenlaecaj?  —  XLIV,  6 
(Redimita)  g.  w.  gde  —  XLIV,  6 
Anglum  engliscan  —  XLIV,  8 
.    Boree  noiteasternes  windes  —  XLIV,  9 

135   Prolapsa  forJ>  broht  —  XLV,  7 

(21b)  Cateruas  preatas  —  XLV,  17 
Sceptra  cynedomas  —  XLV,  23 
Vt  fuerat  hu  waes  —  XLV,  30 
(22  a)  Informi  ateli  —  XL  VI,  3 

140   Tumore  geswelle  —  XL  VI,  3 
Squalens  fuliende  —  XL  VI,  4 

131   initiale  radiert  oder  erloscheu. 


ERLANGEN,  juli  1904. 


E.  STEINMEYER. 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS.  0 


Wenn  man  den  Stoff  eines  Artusromans  in  die  ursprüng- 
lichen bestandteile  zerlegt,  so  findet  man  eine  reihe  typisch 
widerkehrender  züge,  die  dem  ganzen  romangebäude  mehr 
oder  weniger  einheitlich  angepasst  sind,  immer  aber  sich  leicht 
als  einzelne  episoden  ausscheiden  lassen.  Man  kann  deshalb 
einen  solchen  aufbau  mit  Saran  (Beitr.  21, 290)  episodenhaft 
nennen.  Wenn  man  ferner  diese  episoden  auf  ihre  keime 
zurückführt  und  auf  einfache  formein  zu  bringen  versucht,  so 
wird  man  für  die  meisten  bekannte  märchen-  und  sagenmotive 
nachweisen  können.  Das  sind  nun  in  erster  linie  diejenigen 
stoffteile,  welche  den  stärksten  vorstellungsgehalt  haben  und 
also  in  einer  eindrucksvollen  handlung  bestehen,  d.  h.  die 
'heroischen  partien'.  Ihnen  gegenüber  können  die  sogenannten 
'höfischen  partien'  ausser  betracht  bleiben  —  d.h.  also  jene 
Schilderungen  von  festen  und  turnieren  u.  dgl.,  die  zum  costüm 
dienen  und  welche  der  erzählung  ihr  eigenartiges  colorit,  jene 
bestimmte  ritterlich -romantische  färbung  verleihen,  da  diese 
ja  keinerlei  sagenhafte  bestandteile  enthalten. 

*)  Der  aufsatz  ist  die  erweiterung  eines  auf  der  philologenversammlung 
zu  Halle  im  october  1903  gehaltenen  Vortrags.  —  Mit  märchen  siud  hier 
auch  solche  erzählungen  bezeichnet,  welchen  volkssagen  zu  gründe  liegen. 
Für  die  auffassung  der  höfischen  dichter  besassen  diese  Stoffe  nichts  mehr 
von  dem  realen  werte,  welcher  der  volkssage  insofern  anhaftet,  als  sie 
Schöpfung  und  ausdruck  eines  bestimmten  Volkstums  ist.  Für  sie  waren 
es  nur  mehr  freie  phantasiegebilde,  poetische  motive,  lediglich  literarische 
formein.  Speciell  für  Chrcstien  sind  es  ästhetische  bilder,  in  welche  er  eine 
bestimmte,  vorher  coneipierte,  sittliche  idee  einkleidete.  Denn  dass  Chrestien 
zuvörderst  die  idee  hatte  und  dafür  erst  die  gestaltnng  suchte,  geht  aus  der 
entstchung  seiner  romane  hervor,  die  gleichsam  sinnbildliche  darstelluugen 
für  die  liebestheorien  sind,  über  welche  am  hofe  von  Champagne  verhandelt 
wurde. 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


15 


Die  Untersuchung  ist  an  den  fünf  ältesten  Artusepen  zu 
führen,  die  die  Vorbilder  für  die  spätem  geworden  sind.  Dabei 
muss  von  Zazikhovens  Lanzelet  ausgegangen  werden,  denn  in 
ihm  ist  der  rohstoff  noch  am  wenigsten  künstlerisch  verarbeitet, 
hier  stehen  die  episoden  noch  deutlich  isoliert  nebeneinander, 
hier  herscht  noch  die  freude  vor  an  den  bunten  bildern  und 
noch  ist  die  materie  nicht  nach  einer  einheitlichen  idee  um- 
gebildet. Nächst  dem  Lanzelet  hat  der  Wigalois  den  sagen- 
stoff  am  reinsten  bewahrt,  darauf  erst  können  die  durch- 
geistigten, weit  über  die  ursprünglichen,  naiven  fabeleien  er- 
hobenen Schöpfungen  Chrestiens,  der  Erec,  Iwein  und  Parzival, 
auf  den  Ursprung  ihrer  einzelnen  bestandteile  hin  zergliedert 
werden. 

Wer  nun  weiterhin  den  versuch  macht,  die  einzelnen  den 
heroischen  partien  zu  gründe  liegenden  motive  auf  ihre  her- 
kunft  hin  zu  prüfen,  wird  bei  der  matiere  de  Bretagne  vor 
allem  auf  den  keltischen  sagenschatz  sein  augenmerk  richten. 
Die  beziehungen  der  Artusromane  zu  der  sagenhaften  geschichte 
der  Briten  sind  denn  auch  schon  längst  gegenständ  der  forschung 
geworden.  Aber  diese  liefert  fast  nur  die  allgemeinen  umrisse 
der  literarischen  Artussage,  gerade  über  die  einzelnen  züge, 
die  oft  deutlich  märchenhaften  Charakter  tragen,  gibt  sie  keinen 
aufschluss.  Und  die  späteren  bretonischen,  wallisischen,  schot- 
tischen und  irischen  Volksmärchen,  die  z.  b.  auch  Alfred  Nutt 
in  seinem  vielfach  verdienstvollen  buch  Studies  on  the  Legend 
of  the  Holy  Grail  stark  berücksichtigt  (vgl.  dazu  Zimmer,  Gott, 
gel.  anz.  1890, 1, 488  ff.  Nutt,  Kevue  celtique  12, 181  ff.),  müssen, 
wie  die  sog.  Mabinogion,  immer  dem  verdacht  unterliegen, 
secundäre  und  abgeleitete  quellen  zu  sein.  Die  irische 
heldensage  dagegen  reicht  in  ein  sehr  hohes  alter  zurück, 
und  die  zwei  wichtigsten  mittelirischen  sammelhandschriften, 
der  Lebor  na  hUidre  vom  anfang,  das  Buch  von  Leinster1) 
von  der  mitte  des  12.jh.'s  bilden  sicher  eine  vor  Chrestiens 


*)  Auf  diesen  beiden  quellen  beruht  auch  im  wesentlichen  die  abhand- 
Inng  von  Arthur  C.  L.  Brown:  Iwain.  A  Study  in  the  Origins  of  Arthurian 
Romance,  in  den  Studies  and  Notes  in  Philology  and  Literature  (Harvard 
l'niversity)  8, 1—147.  Diese  bahnbrechende  Untersuchung  ist  für  das  Ver- 
ständnis der  Vorgeschichte  des  Stoffes  der  Artusromane  von  grosser  bedeutung. 
Sie  kam  mir  erat  kurz  vor  abschluss  dieses  Vortrags  zu. 


it.- 


'^l-  H  ^  *^ 

C-^ 

=1  las-i  _         t     ***■  ">  -•  ~  irc^f  ...  7*  iii,"  nun 


hebe  **U 


r.r       *^er  r  ^  e-v,    ^  *Zch  .      '  oder 

ii....,  Det*ozö**  r  .«'-^  fe.*.i    «wie  — 


*•    tat  ,  !"«<4  Ä00 


Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


17 


zur  hilfe  gegen  ihre  feinde,  2)  um  ihm  dann  ihre  liebe  zu 
schenken.  Die  botin  in  den  höfischen  romanen  ist,  wie  G.  Paris, 
Romania  10, 476  f.  gezeigt  hat,  ursprünglich  überhaupt  nur  als 
dienerin  einer  fee  denkbar  und  eine  echt  keltische  sagenfigur. 
Jene  ausgeprägt  irische  form  des  Verlockungsmotivs,  die  be- 
nutzung  des  beiden  gegen  den  feind  der  fee,  treffen  wir  im 
Wigalois,  im  ersten  teil  von  Ulrielis  Lanzelet  und  in  dem 
Verhältnis  von  Orgeluse  zu  Gawan  im  Parzival.  —  Die  Ver- 
lockungsgeschichte kann  nun  eine  weitere  entwicklung  nehmen: 
der  mann  wird  der  fee  untreu,  er  wendet  sich  zu  einer  irdischen 
frau  (motiv  des  verlassen»),  dann  muss  die  fee,  die  nixe,  in  ihr 
element  zurückkehren,  wie  Undine,  oder  wie  Fand,  da  Ouchulinn 
sie  preisgibt,  mit  ihrem  gatten  Manannan  über  die  wogen  ver- 
schwindet. Aber  die  untreue  wird  dem  früher  geliebten  zum 
verderben,  er  stirbt  (Staufenberger),  oder  sein  verstand  wird 
verwirrt  (Ouchulinn),  oder  aber:  er  kehrt  zu  dem  dämonischen 
weibe  zurück,  wie  Tannhäuser  in  den  Venusberg. 

2)  Das  zweite  hauptmotiv  können  wir  das  befrei ungs- 
mot  iv  nennen.  Die  einfachste  formel  für  dieses  ist:  eine  jung- 
frau  ist  in  der  gefangenschaft  eines  Ungeheuers,  eines  drachen, 
eines  riesen  oder  irgend  eines  feindes,  ein  held  besiegt  ihren 
hüter  und  befreit  sie  (Perseus,  Sigfrid);  oder  der  erretter  muss 
zur  befreiung  eine  andere  mutige  tat  vollbringen  (Sigfrid 
durchdringt  die  waberlohe);  oder  der  eigene  vater  hält  die 
tochter  in  gewahrsam,  er  will  sie  keinem  manne  geben  —  oft 
deshalb,  weil  er  sie  selbst  später  heiraten  will  (vgl.  Panzer, 
Hilde  -  Gudrun  s.  218)  — ,  dann  steht  die  tochter  auf  der  seite 
des  jünglings,  der  um  sie  kämpfen  muss  (dazu  vgl.  unten  s.  21)). 
Eine  ausgesprochen  irische  fassung  des  befreiungsniotivs  hängt 
mit  der  sage  vom  menschentribut  zusammen.  Sie  ist  enthalten 
in  einer  episode  von  Tochmarc  Emere  (Zimmer,  Zs.fda.  32. 240 f.): 
Ouchulinn  trifft  ein  klagendes  mädchen,  das  als  tribut  den 
Fomore,  das  sind  riesen,  gegeben  werden  soll.  Er  befreit  die 
jungfrau,  indem  er  die  drei  Fomore,  die  sie  in  ihre  bürg  ab- 
holen wollen,  tötet.  Diese  speciell  irische  abart  des  motivs, 
den  menschentribut,  enthalten  die  abenteuer  von  Brandigau 
im  Erec,  vom  schloss  des  schlimmen  abenteuers  im  Iwein,  von 
Schastel  marveil  im  Parzival.  Eine  andere  arbeit  ist  die  be- 
freiung der  entführten  frau  aus  der  unterweit  (Orpheus  und 

Beitrage  zur  geschieht«  der  deuttchen  spräche.  XXX.  2 


18 


ET1RISMANN 


Enrydike;  raub  der  Proserpina  durch  Pluto;  raub  und  befreiung 
der  Ginover). 

Das  weib,  das  den  jüngling  mit  dämonischer  macht  an 
sich  fesselt,  der  held,  der  der  gefangenen  frau  die  freiheit 
erkämpft  das  sind  die  leitenden  ideen  dieses  vielverschlungenen 
fabelwerks.  Noch  ein  zug  ist  häufig  beigegeben,  der  aber 
nicht  in  dem  masse  den  gang  der  erzählung  bestimmt,  das  ist 
die  tapferkeitsprobe:  eine  jungfrau  nimmt  nur  den  tapfersten 
zum  mann,  der  alle  andern  freier  besiegt.  In  dieser  einfachen 
form  allein  erscheint  dieses  motiv  in  unsern  fünf  epen  nichts 
doch  liegt  der  gedanke  'nur  der  tapferste  erringt  die  frau' 
eigentlich  schon  in  den  beiden  hauptmotiven  eingeschlossen, 
denn  der  fee  kann  nur  ein  trefflicher  gefallen  (Verlockung) 
und  nur  einem  starken  kann  die  befreiung  gelingen  (befreiung). 
Bei  einigen  episoden  der  Artusromane  tritt  jedoch  diese  auf- 
fassung  der  heldentat  als  mutprobe  stärker  in  den  Vordergrund. 

Endlich  sei  noch  die  bekannte  dümmlingssage  erwähnt. 
Der  jüngling  wächst  in  einsamke.it  und  einfalt  auf,  zieht  in 
die  weit  aus,  erweist  sich  als  trefflicher  held  und  erringt  die 
braut,  und  lebt  dann  bis  an  sein  ende  glücklich  und  in  ehren. 
Das  ist  das  thema  derjenigen  romane,  die  wir  biographische 
nennen,  wie  von  Ulrichs  Lanzelet,  vom  Parzival,  auch,  aber 
mehr  verwischt,  vom  Wigalois.  Auch  von  der  Sigfridssage, 
nur  dass  hier  der  ausgang  tragisch  ist;  aber  das  ende  dieses 
beiden  wird  überhaupt  nicht  reine  erfindung  frei  schaffender 
Phantasie  sein,  sondern  beruht  wol  auf  einer  geschichtlichen 
tatsache. 

Im  vorhergehenden  habe  ich  versucht,  die  zwei  wichtigsten 
motive  der  Artusromane,  das  Verlockungsmotiv  und  das  be- 
freiungsmotiv,  herauszuheben  und  ihnen  beiden  irische  sagen 
als  gegenstücke  gegenüber  zu  stellen.  Es  gelangen  aber  diese 
irischen  sagen  zu  vollem  Verständnis  erst,  wenn  wir  auf  ihren 
Untergrund  zurückgehen,  das  ist  der  irische  Volksglaube,  das 
ist  der  irische  niythus.  Hier  treffen  wir,  entsprechend  unsern 
zwei  grundmotiven,  dem  von  der  Verlockung  und  dem  von  der 
befreiung,  eine  zweiheit  von  Vorstellungen,  wir  treffen  zweierlei 
dämonenreiche.  Es  gab  zweierlei  übernatürliche  wesen  in  der 
mvthenwelt  der  christianisierten  Iren,  d.  h.  die  christlichen 
Iren  hatten  die  abgesetzten  götter  ihrer  heidnischen  vorfahren 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


19 


in  zwei  dämonengruppen  umgebildet:  die  einen  sind  die  Side, 
das  sind  die  den  menseben  freundlich  gesinnten  gottheiten,  sie 
wohnen  entweder  in  hügeln  unter  der  erde  (hünengräber)  oder 
auf  wunderbaren,  wonnevollen  eilanden  weit  im  westen  des 
oceans.  Die  weiblichen  Side,  das  sind  die  schönen  frauen,  die 
wir  als  feen  kennen,  sie  verlieben  sich  in  sterbliche  helden 
und  verlocken  sie  in  ihr  Wunderland.  Die  dagegen  den  menschen 
feindseligen  dämonen,  die  als  riesen  gedacht  werden,  sind  die 
Fomore,  sie  wohnen  auf  einer  bürg  auf  der  insel  Torinis  (Tory), 
die  der  nördlichen  küste  Irlands  gegenüber  liegt.  Alljährlich 
am  sommerende  wird  ihnen  von  den  bewohuern  Irlands  ein 
tribut  dargebracht,  bei  dem  ausser  getreide  und  milch  kinder 
und  auch  jungfrauen  eingeliefert  werden  (vgl.  Zimmer,  Zs.  fda. 
32, 240  ff.  33,274ff.  Nennius  vindicatus  s.223).  Innerhalb  dieser 
dämonenweit,  die  also  aus  den  gütigen  geistern,  den  Side,  und 
aus  den  feindlich  gesinnten,  den  Fomore,  besteht,  spielen  die 
irischen  sagen,  welche  jenen  beiden  hauptmotiven,  dem  ver- 
luckungs-  und  dem  befreiungsmotiv,  zu  gründe  liegen.  Beide 
mythischen  Vorstellungen,  die  von  den  Side  und  die  von  den 
Fomore,  setzen  den  glauben  voraus,  dass  es  gewissen  sterb- 
lichen vergönnt  ist,  in  das  reich  der  dämonen,  in  die  andere 
weit  einzudringen  (über  den  mythus  vom  hinabsteigen  eines 
gottes  in  die  unterweit  bei  den  Kelten  vgl.  Zimmer,  Zs.  fda. 
32, 253  f.  330  ff.).  Und  diese  erzählung  vom  eindringen  eines 
helden  in  die  andere  weit  bildet  gleichsam  den  angelpunkt,  um 
den  sich  die  handlung  dreht  sowol  beim  Verlockungsmotiv  als 
beim  befreiungsmotiv,  und  somit  bei  den  hervorstechendsten 
abenteuern  der  Artusepen. 

Die  doppelheit  der  motive,  deren  eines  also  auf  dem  glauben 
an  die  gütigen  Side,  das  andere  auf  dem  an  die  feindlichen 
riesischen  Fomore  beruht,  kommt  endlich  auch  in  der  scenerie, 
in  der  landschaftlichen  Umgebung  zum  ausdruck.  Die  Side 
wohnen  in  wonnevollen  gefilden,  es  sind  die  inseln  der  seligen, 
es  ist  die  andere  weit,  die  angenehme  ebene,  das  land  der 
lebenden,  der  jungfrauen,  der  verheissung,  terra  repromissionis 
(San  Marte,  Gottfr.  v.  Monmouth  425  ff.  Zimmer,  Zs.fda.  33,257. 
269.  274.  325.  35,  48.  D'Arbois  de  Jubainville,  L'epopee  celtique 
en  Irlande  bd.  2  passim.  Rh£s,  Studies  in  the  Arthurian  Legend 
348  ff.  U.Ö.  F.Lot,Romania27,529ff.  Alfred  Nutt  inTheVoyage 

2* 


Digitized  by  Google 


20 


ETTRTSMANN 


of  Bran  Son  of  Febal  von  Kuno  Meyer  und  Alfred  Nutt  bd.  1 
u.  2  passim,  dazu  die  bemerkungen  von  Martin,  Anz.  fda.  23, 109. 
25, 20<5.  Brown,  Iwain  82  ff.  u.  ö.),  die  Fomore  dagegen  hausen 
zwar  ebenfalls  auf  inseln,  aber  in  einer  uneinnehmbaren  Zwing- 
burg. Beide  inseln  sind  ursprünglich  in  der  heidnischen  mytho- 
logie  als  der  aufenthalt  der  toten  gedacht.  Auf  einer  barke 
oder  auf  einer  gefährlichen  brücke  gelangt  man  dahin.  Die 
guten  kommen  in  die  seligen  gefilde,  die  bösen  an  den  ort  der 
strafe,  welche  Scheidung  aber  in  der  uns  überlieferten  irischen 
sage  nicht  gemacht  ist,  jedoch  durch  die  irischen  legenden  von 
Patricius,  Brandanus,  Tnugdalus  durchgeht,  wo  sie  mit  den 
christlichen  Vorstellungen  vom  paradies,  fegefeuer  und  hölle 
zusammenfällt.  So  ist  die  Schönheit  der  glücklichen  insel  den 
Schrecknissen  im  lande  der  finsternis  entgegengesetzt  in  Bran- 
dans  meerfahrt  ed.  Schröder  v.  428  ff.,  dazu  v.  557  ff.,  gegen 
v.  515  ff.,  im  Tnugdalus  lat,  ed.  Wagner  s.  30, 15  [ista  via  ducit 
ad  mortem]  gegen  den  camjms  htitiae  s.  41, 1  ff.;  über  das  'toten- 
reich' vgl.  G.  Paris,  Romania  12,  508. 

In  dieselbe  Umgebung  sind  nun  auch  die  entsprechenden 
scenen  der  Artusepen  versetzt.  Liebliche  inseln  oder  wunder- 
same gärten  sind  die  reiche  der  gefeierten  schönen,  in  mäch- 
tigen bürgen  dagegen  sind  die  gefangenen  eingeschlossen.  So 
liegt  noch  ein  abglanz  der  Schönheit  jener  seligen  gefilde  auf 
der  Schilderung  vom  frauenland,  von  Behforet  und  von  Vals 
Ible  im  Lanzelet  204  ff.  3939  ff.  und  4072  ff.,  von  dem  freuden- 
reichen land  im  Wigalois21,17  oder  von  der  hofesfreude  im  Erec 
7888  ff.  Und  desgleichen  werden  gerade  die  märchenburgen 
mit  Vorliebe  in  reicher  ausmalung  beschrieben,  wobei  immer 
ausdrücklich  hervorgehoben  wird,  dass  sie  von  wasser  umgeben 
sind  und  eine  brücke  hinüber  führt,  oder  dass  der  fels,  auf 
dem  sie  erbaut  sind,  gedreht  ist1)  'wie  eine  kerze',  Lanz.  7122, 
auch  210,  Erec  7833,  vgl.  auch  Parzival  220, 15  (dazu  Heinzel, 
Ueber  Wolframs  von  Eschenbach  Parzival  s.  92),  wie  ferner 
Iwerets  schloss  und  die  unheimlichen  zauberburgen  des  Mabuz 
(Schatel  le  mort),  Malducs,  Falerins  3535.  4091.  5036.  7155.  7359 
im  Lanzelet,  Korentin  im  Wigalois  181,35,  und  die  wunder- 


*)  Die  ursprüngliche  Vorstellung  ist  die,  dass  sich  das  schloss  oder  der 
fels  dreht,  vgl.  u.  a.  Friedwagner,  Meraugis  von  Portlesguez  s.  lxxxviii  f. 


Digitized  by  GooqI 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


21 


baren  zwingfesten,  wo  die  gefangenen  frauen  ihrer  erlösung 
entgegenharren  wie  Brandigan  im  Erec  7831,  Schastel  marveil 
im  Parzival  564, 27,  oder  wie  die  verzauberte  gralsburg,  Par- 
zival  226, 12. 

Ulrichs  um  Zazikhoven  Lanzelet. 

Zazikhovens  Lanzeletroman  zerfällt  in  drei  abschnitte. 
Die  beiden  ersten  enthalten  zwei  in  sich  abgeschlossene  erzäh- 
lungen,  denen  zwei  von  einander  ganz  unabhängige  Sagenkreise 
zu  gründe  liegen,  während  der  dritte  teil,  fast  ganz  ohne 
heroischen  stoff,  wesentlich  zur  erweiterung  angefügt  ist  und 
um  zugleich  dem  ganzen  einen  abschluss  in  höfischem  geschmack 
zu  geben. 

Die  erste  Lanzeletgeschichte  geht  von  v.  1—4959,  sie 
lässt  sich  auf  folgende  grundform  zurückführen:  ein  knabe  wird 
fern  von  der  weit  und  ohne  kenntnis  des  weltlebens  erzogen, 
herangewachsen  zieht  er  ins  leben  aus,  vollbringt  tapfere 
taten  und  erringt  zum  schluss  die  braut.  Es  ist  also  ein 
lebensgang  wie  vieler  märchenhelden,  ein  echter  märchenstoff, 
es  ist  die  bekannte  dümmlingssage,  wie  die  vom  jungen  Par- 
zival. Aber  im  Lanzelet  ist  diese  dümmlingssage  eingekleidet 
in  irische  Vorstellungen  und  lautet,  in  diese  auffassung  über- 
tragen: eine  fee  hat  den  knaben  aus  einem  bestimmten  gründe 
geraubt,  nämlich  damit  er  dereinst,  zum  beiden  herangewachsen, 
ihren  gegner  (Iweret)  besiege.  Das  ist  also  unser  erstes  haupt- 
motiv,  die  Verlockung,  mit  dem  bestimmten  zweck  der  hilfe- 
leistung  gegen  den  feind. 

Betrachten  wir  nun  die  einzelnen  scenen,  in  welchen  sich 
dieses  lebensbild  entfaltet,  so  finden  wir,  dass  ihnen  lauter 
sagen-  oder  märchenmotive  zu  gründe  liegen. 

Zunächst  Lanzelets  auszug  ins  blaue  hinein.  Mit  dieser 
ausfahrt  ist  er  in  die  reihe  der  abenteuernden  ritter  getreten 
und  wir  kommen  zur  erklärung  dieser  typischen  heldenfigur 
der  Artusromane.  Der  fahrende  ritter  ist  keineswegs  eine 
historische,  d.  h.  eine  der  Wirklichkeit  entnommene  gestalt,  als 
ob  etwa  eine  wirklich  existierende  abart  des  ritterstandes  das 
muster  dazu  abgegeben  hätte,  vielmehr  ist  umgekehrt  die  in 
der  poesie  so  vieler  Völker  beliebte  person  des  jünglings,  der 
aus  blossem  tatendrang  oder  in  der  absieht  sein  glück  zu 


22 


EHRISMANN 


machen  oder  um  einen  verlorenen,  etwa  den  vater,  zu  suchen, 
das  heimathaus  verlässt,  hier  in  die  ideenweit  des  höfischen 
rittertums  übertragen.  Der  abenteuernde  ritter  ist  also  eine 
märchenfigur.  Derartige  existenzen,  die  so  vollkommen  plan- 
und  kopflos  des  Sports  wegen  in  der  weit  herumziehen,  waren 
doch  im  mittelalter  unmöglich.  Wenn  ein  armer  junker  oder 
ein  vasall  die  heimat  verliess.  um  sein  dasein  durchzuschlagen, 
so  begab  er  sich  in  die  dienste  eines  grossen  (vgl.  Ruodlieb), 
der  ihn  dann  unterhielt,  denn  allein  auf  seine  eigene  faust 
angewiesen,  konnte  er  es  nicht  weit  bringen;  ein  reicher  herr 
oder  gar  ein  königssohn  aber  würde  sich  auf  so  zweifelhafte 
Unternehmungen  überhaupt  nicht  eingelassen  haben.  Der 
abenteuernde  ritter  ist  also  ursprünglich  eine  märchenfigur 
ähnlich  wie  Herakles,  Thesen«  oder  Perseus  in  der  griechischen 
mythologie  (vgl.  Scherer,  Gesch.  d.  d.  lit.6  s.  158),  wie  Cuchulinn 
und  seine  genossen,  die  wegen  des  Streites  um  das  heldenstück 
ausziehen,  in  der  irischen  sage  (vgl.  u.  a.  Zimmer,  Gött.  gel.  anz. 
1890,  1,  518  f.),  wie  Sigfrid  in  der  deutschen. 

Das  erste  erlebnis,  das  dem  jungen  helden  auf  seiner  irr- 
fahrt  zustösst,  ist  das  zusammentreffen  mit  dem  zwerg,  der 
ihn  mit  der  geissei  schlägt.  Gerade  so  beginnen  die  Verwick- 
lungen im  Erec.  Zwerge,  die  mit  der  geissei  schlagen,  kennt 
auch  der  deutsche  Volksglaube  (E.  H.  Meyer,  Germ,  mythologie 
92.  127;  Mythologie  d.  Germanen  155.  173.  Rosenhagen,  Unter- 
suchungen über  Daniel  s.  75  f.).  Ein  für  die  entwicklung  der 
handlung  notwendiges  glied  bilden  die  streiche,  welche  die 
bot  innen  der  Fand  dem  Cuchulinn  mit  dem  pferdestachel  ver- 
setzen in  der  erzählung  von  Cuchulinns  krankheit. 

Dann  beginnt  die  abenteuerreihe  der  ersten  Lanzelet- 
geschichte,  die  klar  schematisiert  ist,  indem  sie  aus  drei 
kampfscenen  besteht,  die  eine  Steigerung  ein  und  desselben 
motivs  bilden.  Die  drei  kämpfe  sind  Variationen  des  themas: 
ein  held  erringt  eine  jungfrau  dadurch,  dass  er  den  vom  vater, 
der  sie  in  strenger  zucht  hält  und  keinem  manne  geben  will 
ihm  aufgezwungenen  kämpf  besteht  und  den  vater  erschlägt, 
wozu  als  weiterer  zug  kommt,  dass  die  jungfrau  dem  helden 
günstig  gesinnt  ist.  Auch  hier  bekannte  märchentypen:  der 
vater,  der  seine  tochter  keinem  manne  geben  will,  die  tochter, 
die  es  mit  dem  feinde  hält;  nur  ist  die  lösung  des  conflicts  im 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


23 


Lanzelet  gewaltsamer,  indem  nicht  die  tochter  mit  dem  helden 
entflieht  (Ariadne,  Medea,  Hilde,  K.  Rother,  Ortnit  n.  a.),  son- 
dern dass  der  vater  getötet  wird  (in  der  Thesenssage  tötet 
Skylla  sogar  selbst  ihren  vater  aus  liebe  zu  dem  feindlichen 
helden). 

Die  erste  der  drei  Varianten,  der  kämpf  mit  Galagandreiz, 
ist  nun  durch  mitwirken  der  typischen  dreizahl  noch  besonders 
kenntlich  ins  märchencostüm  gekleidet,  denn  es  ist  die  bekannte 
geschieht e  von  dreien,  die  ausziehen,  um  ein  schwieriges  werk 
zu  vollbringen,  wobei  die  beiden  älteren  und  erfahrenem  nichts 
ausrichten,  während  der  jüngste  in  seiner  Sorglosigkeit  kühn 
drauf  losgeht  und  das  glück  erringt  (ähnlich  irisch:  drei  helden 
ziehen  aus,  von  denen  bei  einer  vorprobe  zwei  ausgeschieden 
werden,  Zimmer,  Zs.  fda.  32, 333):  der  jugendliche  Lanzelet,  der 
nicht  einmal  einen  namen  hat,  trifft  zwei  ritter,  Kuraus  mit 
dem  kühnen  herzen  und  Orfilet  den  schönen,  welche  beide 
schon  an  ihren  prunkenden  beinamen  als  erprobte  cavaliere 
zu  erkennen  sind,  die  tochter  des  Galagandreiz  trägt  zuvörderst 
den  beiden  älteren,  dem  kühnen  und  dem  schönen,  ihre  liebe 
an,  aber  erst  Lanzelet,  'der  kindesche  man',  wagt  es  mit  ihr 
aufzunehmen.  Den  abschluss  dieses  ersten  abenteuers  bildet 
wider  ein  weitverbreiteter  zug,  das  motiv  des  verlassens  der 
geliebten:  Lanzelet  zieht  nach  einiger  zeit  ohne  weiteres  wider 
von  dannen.  Er  findet  drei  Strassen  und  gelangt  zu  seinem 
zweiten  abenteuer,  dem  kämpf  mit  Limors,  das  insofern  eine 
Steigerung  des  ersten  mit  Galagandreiz  bildet,  als  jetzt  schwie- 
rigere tapferkeitsproben  auferlegt  werden.  Die  dritte  Variante 
aber,  die  den  schlusseffect  und  die  entscheidung  der  ganzen 
ersten  Lanzeletgeschichte  bringt,  der  kämpf  mit  Iweret,  ist 
über  die  beiden  vorhergehenden  noch  durch  eine  reichere  aus- 
gestaltung  erhoben,  indem  eine  ausgedehnte  Vorgeschichte 
vorangeschickt  wird:  zunächst  Lanzelets  Verzauberung  in  einen 
tatlosen  feigling  durch  Mabuz  den  blöden  und  seine  gefangen- 
schaft  auf  Schatel  le  mort,  dem  schloss  des  todes.  Heide 
punkte  beruhen  auf  mythologischen  Vorstellungen:  Mabuz  ist 
ein  zauberer,  der  söhn  der  meerfrau,  elfen  aber  rauben  den 
menschen  den  verstand  nach  germanischem  Volksglauben,  und 
in  der  irischen  sage  verfällt  Cuchulinn  in  eine  ähnliche 
körperliche  und  geistige  energielosigkeit  durch  den  zauber  der 


24 


EHRISMANN 


Fand.  Dieses  sichselbstverlieren  des  lielden  begegnet  dann 
auch  in  allen  den  vier  folgenden  epen:  Wigalois'  Ohnmacht, 
Erecs  verliefen  und  Scheintod,  Iweins  Wahnsinn,  Parzivals 
geistesabwesenheit  angesichts  der  drei  blutstropfen  im  schnee, 
Gawans  bewusstlosigkeit  auf  Schastel  marveil;  die  gründe  sind 
verschieden:  Verzauberung  im  Lanzelet,  liebeskrankheit  bei 
Erec,  Iwein  und  Parzival,  schwere  Verwundung  bei  Wigalois, 
Erec,  Gawan.  Der  begriff  des  totenschlosses,  der  bürg  des 
Zauberers,  ist  dem  keltischen  glauben  an  das  totenreich  ent- 
nommen. —  Darauf  folgt  der  besuch  des  klösterleins  zum 
jämmerlichen  urbor,  wo  der  begräbnisplatz  für  die  von  Iweret 
erschlagenen  beiden  ist  und  dessen  abt  Lanzelet  aufschluss 
über  das  zu  bestehende  abenteuer  gibt,  um  ihn  zugleich  vor 
dem  gefährlichen  wagnis  zu  warnen.  Die  scenerie  des  kirch- 
hofs  (vgl.  Heinzel,  Ueber  die  franz.  gralromane  s.  23  anm.),  die 
in  Chrestiens  Karrenritter  eine  wichtigere  stelle  einnimmt 
(v.  1841  ff.),  ist  ebenfalls  im  keltischen  totencult  begründet; 
und  in  dem  abt,  der  als  Wegweiser  und  zugleich  als  warner 
sich  gibt,  tritt  eine  neue  stereotype  figur  der  Artusromane  auf 
(s.  unten).  Das  so  vorbereitete  letzte  abenteuer,  der  kämpf  mit 
Iweret,  entfernt  sich  nun  weiter  von  der  eingangs  festgesetzten 
einfachen  märchenformel,  indem  hier  die  quellengeschichte  aus 
dem  Iwein  hineinverwoben  ist,  welche  nun  den  landschaftlichen 
hintergrund  vorstellt,  wodurch  die  darstellung  gleichsam  keltisch 
stilisiert  ist. 

Damit  ist  die  erste  Lanzeletgeschichte  abgeschlossen,  denn 
durch  Iwerets  besiegung  ist  die  bedingung,  welche  die  meer- 
fee  gestellt  hat,  erfüllt.  Nun  ist  aber  im  ursprünglichen  plan 
v.  320—344  nicht  gesagt,  dass  Lanzelet  ausser  zu  der  kenntuis 
seines  namens  auch  noch  zu  einem  schönen  weihe  (Iblis)  ge- 
langen soll.  Dieser  zweite  zug  taucht  erst  im  laufe  der  ent- 
wicklung  auf,  ja  er  hat  stellenweise  den  ersten  in  Vergessen- 
heit gedrängt,  so  4460,  da  Lanzelet  auf  die  frage  Iwerets  nu 
waz  weit  ir  hie  bejayen?  antwortet  ein  schaue  wi}>  und  inner 
laut.  Der  grund  zur  erringung  des  weibes  liegt  in  der  ursprüng- 
lichen beschaffenheit  des  kampfmotivs,  in  welchem  ja  die  er- 
ringung der  braut  von  vornherein  inbegriffen  ist.  Diese  be- 
dingung gehört  aber  zugleich  auch  zu  jener  erweiterten  irischen 
form  der  Verlockung  (kämpf  gegen  den  feind  der  fee  und 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


25 


gewinnung  ihrer  hand).  Die  Vereinigung  der  beiden  züge.  die 
erlangung  des  namens  und  der  braut,  gibt  also  in  eine  forme] 
gebracht  das  märchenthema :  ein  unbekannter  jüngling  ohne 
hab  und  gut  erkämpft  eine  prinzessin  und  erfährt  zugleich 
seine  hohe  herkunft  aus  königsgeschlecht. 

Es  folgt  nun  die  zweite  Lanzeletgeschichte,  von  v.  4960 
—7817,  die  einen  von  der  ersten  ganz  unabhängigen  Vorwurf 
behandelt  und  Chrestiens  Karrenritter  entspricht.   Das  thema 
ist  hier  die  befreiung  der  königin  Ginover  aus  der  gewalt  des 
Falerin,  des  herrn  vom  Yenvorrenen  tann,  der  bei  Chrestien, 
Meleaganz  genannt,  söhn  des  Bademagus  ist,  des  königs  von 
Gorre  und  herrn  über  das  land,  von  dem  niemand  widerkehrt. 
Das  ist  widerum  das  totenreich,  vgl.  G.  Paris,  Romania  12, 508. 
Martens,  Roman.  Studien  5,621.  Heinzel,  Ueber  die  franz.  gral- 
romane  s.  23.   Dieses  kemmotiv  des  zweiten  teils  steht  aber 
auch  nicht  bloss  einmal,  sondern  es  wird,  wie  in  Chrestiens 
Karrenritter,  widerholt:  zweimal  raubt  Falerin  die  königin, 
zweimal  wird  er  besiegt  und  zweimal  wird  die  entführte 
zurückgewonnen.   Also  auch  hier  wie  im  ersten  teil  wird  der 
grundstock  gebildet  durch  das  beliebte  kunstmittel  der  Variation, 
und  auch  hier  ist  die  zweite  Variante  eine  Steigerung  der 
ersten.   Beide  unterscheiden  sich  im  inhalt  und  in  der  aus- 
führung  wesentlich.   Die  erste  fassung  ist  ein  einfacher  regel- 
rechter Zweikampf  zwischen  Lanzelet  und  Falerin,  wobei  letz- 
terer nach  seiner  besiegung  die  königin  der  bedingung  ent- 
sprechend zurückgibt.    Das  ist  ein  ganz  höfischer  Vorgang  in 
höfischer  auffassung.   Die  zweite  befreiung  der  frau  dagegen 
ist  sagenhaften  Ursprungs  und  besteht  auch  nicht  aus  einem 
einmaligen  acte,  sondern  es  ist  eine  gross  angelegte  Unter- 
nehmung mit  lang  ausgeführten  einleitenden  und  hemmenden 
nioinenten.   Hier  bildet  das  eindringen  in  das  land  ohne  wider- 
kehr und  das  herausholen  der  geraubten  königin  den  mittel- 
punkt.   Der  held  aber,  der  befreier,  ist  ganz  offenkundig  nicht 
Lanzelet,  sondern  Artus,  denn  dieser  leitet  den  zug  gegen 
Falerin  und  er  bringt  sein  weib  zurück,  nicht  Lanzelet.  Das 
ist  überhaupt  die  ursprüngliche  fassung  dieser  befreiung  (Ti- 
novers: der  gatte,  also  Artus,  holt  sich  sein  geraubtes  weib 
wider,  nicht  ein  fremder.  Lanzelet.   Zazikhovens  Version  lässt 
also  jene  echte  fassung  des  mythus  noch  deutlich  erkennen, 


26 


EHKISMANN 


welche  G.  Paris  aus  der  Vita  Gildae  erschlossen  hat  (Romania 
12,511)  und  ist  auch  in  diesem  punkte  altertümlicher  als 
Chrestiens  Karrenritter. 

Erweitert  ist  dieses  thema  von  der  befreiung  der  Ginover 
durch  einen  zweiten  sagenzug,  nämlich  sie  kann  nur  geschehen 
mit  hilfe  des  Zauberers  Malduc,  der  Falerin,  die  ihn  schützenden 
ungetüme  und  seine  leute  im  schloss  einschläfert.  Zu  diesem 
wirren  zauberwesen  gibt  die  umgebende  natur  einen  wirksamen 
hintergrund  ab.  Wir  werden  in  eine  düstere  landschaft  ver- 
setzt. Das  land  ohne  widerkehr,  der  Verworrene  tann,  ist  von 
nebel  umhüllt,  von  würmen  bewacht,  zu  des  Zauberers  bürg 
führt  keine  Strasse  und  unheimliche  stellen  muss  passieren, 
wer  dahin  gelangen  will:  das  schreiende  moos,  von  dessen 
geschrei  die  tiere  sterben,  den  stiebenden  steg,  vor  dessen 
wogenschäumen  man  den  pferden  die  ohren  verbinden  muss, 
den  genibelten  see,  in  welchem  die  bürg  Malducs  liegt,  zu  der 
eine  brücke  hinüber  führt,  die  ohne  seinen  willen  niemanden 
sichtbar  ist.  So  wirkt  die  naturschilderung  mit,  um  das 
grausenvolle  des  aufenthaltes  der  dem  leben  entrafften  im 
land  ohne  widerkehr  stärker  auszumalen.  Die  merkwürdigen 
naturerscheinungen  in  der  wasserlandschaft  um  Malducs  feste 
scheinen  ebenfalls  auf  den  erfindungen  keltischer  phantasie 
zu  beruhen,  sie  sind  nämlich  wol  den  wundern  der  irischen 
Schiffahrtssagen  (Imram)  nachgebildet  (über  den  einfluss  der 
Imram  auf  die  Artusromane  s.  Brown,  bes.  s.  56  und  82  ff.), 
wofür  auch  das  erscheinen  des  wilden  Dodines  (Dodiniaus  Ii 
sauvayes,  Chrest.  Erec  1700)  spricht.  Denn  dieser  begegnet 
dem  heereszug  des  Artus,  auf  seinem  pferd  über  das  schreiende 
moos  weggleitend  •),  in  das  sonst  jeder  versinkt,  gerade  wie 
Manannan,  der  gott  des  oceans,  dem  Seefahrer  Bran  und  seineu 
leuten  entgegen  kommt,  indem  er  in  seinem  wagen  über  die 
wogen  fährt  (Kuno  Meyer,  Imram  Brain,  bei  K.  Meyer  und 
A.  Nutt,  The  voyage  of  Bran  1. 16  f.  und  20  f.,  ein  anderes  bei- 
spiel  s.  bei  Zimmer,  Zs.  fda.  33,  193).    Der  genannte  Dodines 


•)  Guillaume  le  Olere  berichtet  solches  im  Fergiis  von  den  pferden  in 
Schottland:  Et  sacies  bien  cerlahincmcnt  (t>nc  la  costume  en  est  ittUs  El 
pais  de  pluisaors  cerals  Qu'il  rorent  plus  dclivremcnt  Sor  le  marois  qui 
vaä  hocent  Qut  ne  feroit  nus  hom  a  pie,  ed.  Martin  lfi,  33  ff. 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EP08. 


27 


also  erfüllt  im  zweiten  Lanzeletteil  die  rolle  des  Wegweisers 
nach  dem  totenreich. 

Der  zweite  teil  des  Lanzeletromans  ist  weniger  einheitlich 
aufgebaut  als  der  erste,  in  welchem  immerhin  die  entwicklung 
folgerichtig  der  lösung  zustrebt.  Hier  sind  vielmehr  um  den 
mittelpunkt,  die  befreiung  der  Ginover,  eine  anzahl  neben- 
motive  gruppiert,  die  mit  jener  grunderzählung  in  keinem  Zu- 
sammenhang stehen.  So  ist  die  bekannte  mantelprobe  ein- 
geschoben, ferner  die  liebesgesehichte  Lanzelets  mit  der  königin 
von  Pluris,  das  gewöhnliche  motiv  von  der  Verlockung  durch 
die  fee  und  dem  widerentweichen  des  helden.  Auch  einzelne 
kürzere  sagenhafte  züge  sind  eingestreut:  der  ehrenstein,  der 
nur  den  ehrenhaften  trägt,  die  stummheit  des  Gilimar,  der 
einem  verbot  (gess)  seiner  dame  folgend  nicht  spricht,  das 
schnelle  Wachstum  des  Esealt,  der  nach  seiner  geburt  täglich 
eine  spanne  zunimmt  (wie  Wigalois  36,  2  und  wie  Eochaid 
Bress  in  der  irischen  erzählung  von  der  zweiten  sehlacht  von 
Mag  Tured,  Revue  celtique  12, 62,  no.  23). 

Mit  der  befreiung  der  königin  ist  die  zweite  Lanzelet- 
gesehichte  abgeschlossen  und  in  Ulrichs  gedieht  ist  auch  hier 
wider  deutlich  ein  abschnitt  gezeichnet  mit  dem  ruhmespreis 
Lanzelets  in  den  versen  7798—7816.  Was  noch  folgt,  ist  nur 
eigentlich  ein  anhang  in  höfischem  Stil.  Ganz  ausser  Zusammen- 
hang mit  dem  vorhergehenden  wird  dem  helden  hier  nochmals 
eine  grosstat  zugedacht,  nämlich  die  erlösung  der  in  einen 
drachen  verzauberten  jungfrau  durch  einen  kuss  —  jenes  auch 
in  unsern  Volksmärchen  so  geläufigen  entzauberungsmittels 
{le  fier  baiser),  das  hier  zum  ersten  mal  in  der  deutschen 
literatur  begegnet,  vgl.  J.Grimm,  Myth.  s.922.  G.Paris,  Komania 
20, 301.  Philipot,  ebda.  26, 303  f.  Den  grössten  räum  in  diesem 
anhang,  diesem  dritten  teil,  nimmt  die  lange  beschreibung  von 
Lanzelets  besitznahme  der  ihm  zugefallenen  lande  ein,  die  noch 
mit  einigen  märchenhaften  details  ausgestattet  ist  (ein  gegos- 
senes bild,  das  so  schwer  ist,  dass  niemand  es  vom  boden  heben 
kann  8126,  wozu  die  grabtafel  in  Chrestiens  Karrenritter  1895 ff. 
zu  vergleichen;  die  kostbaren  geschenke  der  gesanten  von 
Dodone). 

Das  ende  ist  wider  ganz  im  märchentone  gehalten,  im 
stile  formelhafter  märchenschlüsse:  Lanzelet  lässt  seine  mutter 


28 

zu  sich  kommen  rwiderveranigung  der  familie*  Petsch,  Formel- 
hafte Schlüsse  in  v,lk>märchen  s.  10);  Lanzelet  und  seine  frao, 
Iblis.  gacunnen  htssamm  hnt  93<>9.  und  weiter  er  gelepte  mit 
ganin  tugent,  das  <,«  s6  heb,  geschart,  das  er  siner  kinde  leint 
(jtsaeh  mtt  tcahsa.der  werdekeit  9416  ff.  fkinder':  Petsch  s  37V 
und  ende  gut  alles  gut:  mm  was  Urne  iu  nier  geseit,  tean  das 
IN  got  so  wol  M,  dal  Ulis  und  Langd*  mit  grösen  eren 
Kurden  alt  und  stürbe*,  ah  uns  ist  gesalt,  beidiu  sampt  an 
einte  tage:  endlich  noch  die  Versicherung  des  dichters.  nichts 
weiteres  zu  wissen  (Petech  s.  44):  Swa*  iu  anders  ieman  sage 
von  in,  des  hau  ich  niht  rrrnomen. 

Auf  zwei  momente  mochte  ich  noch  zurückkommen,  die 
wesentlich  dazu  beitragen,  der  äussern  handlung  eine  gewisse 
Stimmung  und  ein  eigenartiges  ethos  zu  verleihen,  das  ist  die 
umgebende  natur  und  der  Charakter  des  helden. 

Dass  die  natnrschilderungen  ausserordentlich  wirkungsvoll 
in  die  erzähhmg  der  abentener  verflochten  sind,  hat  sich  schon 
mehrfach  an  beispielen  zeigen  lassen.  Die  natur  fühlt  gleichsam 
mit.  Der  grund  für  diese  künstlerisch  stilvolle  anpassung  des 
naturlebens  an  das  nienscheuleben  liegt  schon  in  dem  keltischen 
mythus  von  den  glückseligen  inseln.  von  der  uneinnehmbaren 
Komoreburg  und  den  schiffersagen  von  den  gefährlichen  wun- 
dern des  meeres.  Da  finden  sich  nun  Übereinstimmungen  selbst 
bis  in  einzelheiten,  so  z.  b.  war  Behforet  oder  Vals  Ible  sommer 
und  winter  grün,  die  bäume  trugen  das  ganze  jähr  hindurch 
obst,  dieses  heilte  alle  wunden,  bei  jedem  wetter  war  der  wald 
alle:  sumcrlich  gcstalt,  wer  in  sorgen  war,  vergass  alle  traurig- 
keit:  lauter  eigenschaften.  welche  dem  keltischen  gefilde  der 
Wonnen,  den  inseln  der  seligen  entnommen  sind.  So  sieht  die 
landschaft  des  märchens  aus.  Nun  aber  gibt  es  auch  eine 
landschaft  in  hötisch-romantischem  stile.  das  ist  jene,  welche 
die  minnesänger  scliildern  im  eingang  ihrer  lieder,  und  auch 
solche  nat Urbilder  stellt  uns  der  dichter  des  Lanzelet  vor; 
allerdings  mehr  skizzenhaft,  wie  sich  ja  auch  die  naturschilde- 
rungen  der  mhd.  lyriker  nur  in  einem  beschränkten  anschauungs- 
gebiet  bewegen,  das  in  bestimmte  formein  gefasst  ist.  Diese 
naturauffassung  gehört  den  hütischen  partien  an  und  besteht 
in  den  bekannten  formelhaften  Wendungen,  wie  z.  b.  v.  9047  ff. 
es  wären  lichte  tagt,  harte  tcünncclich  nach  sage,  weder  st 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


29 


heiz  noch  ze  halt  Diu  heide  und  der  grüene  walt  und 
dar  zuo  guot  geselleschaft,  diu  machten  alle  richc  kraft  engegen 
ff  ougentceide  ...  In  dirre  wünne  riten  sie.  Wir  finden 
also  im  Lanzelet  neben  einander  die  keltische  märchenland- 
schaft und  die  landschaft  der  wirklichen  weit,  beide  natürlich 
nicht  individuell  erfasst,  sondern  typisch  in  der  entsprechenden 
Stilisierung. 

Das  ethos  des  romans  liegt  in  der  seele  des  helden  be- 
gründet, und  es  ist  nicht  schwer  zu  erkennen,  wes  geistes  kind 
Lanzelet  ist.  Seine  handlungen  kennzeichnen  ihn,  ja  der  dichter 
selbst  gibt  da  und  dort  treffende  hinweise  auf  seinen  Charakter: 
der  junge  ritter  het  ein  heil,  daz  im  liitzel  ieman  was  gehaz  820, 
so  ist  daz  ein  hübscher  site,  er  enweiz  niht  tvaz  truren  ist  1340, 
oder  endlich  ein  vralich  gemüet  er  truoc  heisst  es  von  ihm 
ganz  harmlos,  nachdem  er  Iweret  den  köpf  abgeschlagen  45.r)8. 
Ein  frischer,  liebenswürdiger  bursche,  der  überall  keck  zugreift, 
sich  über  nichts  schwere  gedanken  macht,  dem  das  glück  in 
den  schoss  fällt:  so  ist  Lanzelet  der  echte  typus  des  in  die 
weit  hinausziehenden  glückskindes  im  märchen.  Das  ist  aber 
nicht  mehr  die  heroische  natur  des  helden  der  keltischen  oder 
irgend  welcher  volkssage:  diese  beimischung  von  frohlaune 
und  kindlicher  Sorglosigkeit  gehört  nicht  zu  den  eigenschaften 
eines  recken  der  heldensage,  Lanzelets  Charakter  ist  also  nicht 
mehr  der  ursprüngliche  eines  —  irischen  oder  bretonisehen  — 
nationalhelden,  sondern  auf  diese  gestalt  ist  etwas  von  der 
leichtfertigen  moral  des  spielmanns  übertragen.  Jene  unser 
empfinden  so  verletzende  heirat  eines  mädchens  mit  dem  mörder 
ihres  vaters,  jene  frivolen  liebschaften  des  wipsceligen  Lanzelet 
sind  Überreste  der  früheren,  vor  der  höfischen  romandichtung 
gelegenen  stufe,  da  die  pflege  dieser  stoft'e  noch  in  den  bänden 
der  fahrenden,  der  conteurs,  lag.  Ein  alter  märchenstoff  wurde 
von  ihnen  aufgegriffen,  vielleicht  auch  teilweise  umgebildet, 
und  unter  dem  gesichtspunkt  des  märchens  ist  das  motiv  jener 
heirat  auch  noch  in  Ulrichs  roman  zu  beurteilen.  Der  vater 
ist  gedacht  als  tyrann,  als  heimtückischer  Wüterich  —  und 
diese  eigenschaft  blickt  auch  noch  in  der  darstellung  des  romans 
durch:  so  wird  Galagandreiz  schalch  genannt  v.  1179,  derha  nde 
ein  ursprinc  738,  der  ie  grimmekheite  wielt  1203,  Linier  bcgimc 
ein  karkeit  1819,  Iweret  truoc  ein  grimmic  herze  4453.  Mit 


30 


ETTRTSMANN 


dem  massstab  der  moral  darf  aber  das  märchen  überhaupt 
nicht  gemessen  werden,  die  sittlichen  Vorstellungen  sind  hier 
nicht  fein  abgestuft  und  nur  die  einfachsten  formen  werden 
unterschieden:  es  gibt  gute  oder  böse  menschen,  die  guten 
werden  belohnt,  die  bösen  bestraft,  und  gegen  die  bösen  kennt 
es  kein  mitleid.  So  ist  es  nach  dem  ganzen  wesen  dieser 
naiven  dichtungsart  nicht  unerhört-,  dass  selbst  der  vater,  wenn 
er  eben  ein  böser  mensch  ist,  auch  mitleidlos  behandelt  und 
bestraft  wird.  Er  vertritt  in  diesem  motiv  überhaupt  die 
stelle  des  ungetüms,  das  die  gefangene  bewacht,  wie  in  dem 
märchen  von  der  befreiung  der  jungfrau,  also  etwa  wie  der 
d räche  die  Kriemhild  (s.  oben  s.  17).  Die  sittlichen  Schroffheiten 
erklären  sich  also  aus  der  natur  dieser  episode,  die  als  märchen 
bestand  und  von  den  spielleuten  in  die  epische  dichtung  über- 
führt wurde.  Der  französische  Urheber  des  romans  aber  ist 
noch  nicht  ganz  über  den  Standpunkt  der  spielmannskunst 
hinausgekommen  und  hat  die  anhänge  einer  tiefer  stehenden 
cultur  noch  nicht  auf  die  höhe  der  verfeinerten  höfischen  bildung 
erheben  können. 

Wigalois. 

Auch  im  Wigalois  liegt  der  ursprüngliche  erzählungsstoff 
noch  vielfach  erkennbar  zu  tage,  doch  sind  die  grundzüge  nicht 
mehr  so  leicht  herauszufinden  wie  im  Lanzelet,  da  die  hand- 
lung  verwickelter  ist. 

Den  kern  der  erzählung  bildet  die  geschiente  von  Amena, 
welche  durch  ihre  botin  Nereja  den  Wigalois  gegen  ihren  feind 
Roaz  von  Glois,  der  ihr  land  in  besitz  genommen,  zu  hilfe 
rufen  lässt,  dafür  sie  ihm  ihre  tochter  Larie  zum  weihe  gibt 
Das  ist  das  Verlockungsmotiv,  mit  der  änderung,  dass  die  dame 
nicht  sich  selbst,  sondern  ihre  tochter  dem  befreier  hingibt 
Die  hauptpunkte  decken  sich  mit  der  irischen  sage  von  der 
krankheit  Cuchulinns,  auch  die  personell  lassen  sich  gleich- 
stellen: Amena  und  Larie,  welche  ursprünglich  eine  person 
ausmachten,  entsprechen  der  göttin  Fand,  ihre  botin  Nereja  ist 
Liban,  Wigalois  ist  Cuchulinn,  Roaz  vertritt  die  stelle  des 
feindes.  Es  lassen  sich  noch  engere  beziehungen,  auch  in 
nebenzügen,  herstellen:  im  WTigalois  und  noch  mehr  im  fran- 
zösischen Chevalier  du  Papegau  ist  die  botin  unfreundlich 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  nö  FISCHEN  EPOS. 


31 


gegen  den  helden,  weil  sie  statt  des  unbekannten  jünglings 
einen  erprobten  käinpfer  als  helfer  gewünscht  hätte  und  sie 
behandelt  darum  den  Wigalois  schlecht:  —  in  Serglige  Concu- 
laind  ist  die  botin  Liban  ärgerlich  darüber,  dass  zuerst  nur 
Loeg,  der  wagenlenker  Cuchulinns,  an  seines  herren  statt  ihr 
ins  land  der  Side  folgt,  und  es  entsteht  eine  gereizte  Unter- 
haltung zwischen  ihnen.  Dann  wäre  ferner  auf  die  ähnlich- 
keit  der  namensformen  der  helden  hinzuweisen:  altir.  Cüchu- 
lainn  und  afranz.  Guiglain  (dies  ist  nach  Zimmer,  Zs.  f.  franz. 
spräche  13,  17  f.  [vgl.  auch  Freymond  ebda.  17, 50,  anm.  2J  ur- 
sprünglicher als  Guinglain),  doch  müssten  die  keltologen  ent- 
scheiden, ob  eine  solche  herübernahme  eines  heldennamens  aus 
dem  irischen  in  den  Artuskreis  möglich  war.  Vereinzelt  stünde, 
so  viel  ich  sehe,  der  fall  nicht. 

Der  feind  der  Fand  ist  in  der  irischen  sage  nicht  näher 
beschrieben  (es  sind  zwei  verbündete,  Eochaid  Iuil  und  Senach 
Siabortha),  hier  blieb  also  für  den  bearbeiter  dieses  Stoffes  ein 
freies  feld  zur  nachdichtung.  Der  Verfasser  des  afranz.  Origi- 
nals hat  dafür  folgendes  motiv  eingesetzt:  ein  ungetreuer 
vasall  erschlägt  seinen  herrn,  bemächtigt  sich  der  regierung 
und  bedrängt  frau  und  tochter  des  getöteten  (vgl.  Saran,  Beitr. 
21, 364  ff.).  Diese  geschiente  von  der  ermordung  des  guten 
königs  durch  seinen  treulosen  günstliug  zusammt  dem  umgehen 
der  armen  seele,  die  ihrem  erlöser  den  weg  zu  dem  mörder 
weist,  ist  ganz  anderer  herkunft  als  das  irische  grundmotiv 
von  der  Verlockung  des  Wigalois  durch  Amena.  Es  ist  eine 
sage,  die  auf  reale,  historische  bedingungen  zurückgeht,  die 
also  etwa  folgenden  ereignissen  entspricht:  ein  grosser  des 
reichs  ermordet  den  fursten  und  reisst  die  herschaft  an  sich. 
Mit  dieser  sage  ist  dann  der  bekannte  aberglaube  verbunden 
worden,  dass  die  seele  des  ermordeten  umgehen  muss  bis  sie 
an  dem  täter  gerächt  ist,  und  ferner  der  glaube,  dass  solche 
grandiose  Verbrecher  ein  bündnis  mit  dem  teufel  geschlossen 
haben  müssen  (Wig.  90,  32  ff.).  Damit  nun  ist  schon  der  Über- 
gang auf  das  religiöse  gebiet  gemacht  :  die  arme  seele  soll  von 
ihrer  pein  erlöst  werden,  damit  sie  zur  ewigen  ruhe  eingehe; 
der  mörder,  der  teufelsbündler,  ist  der  Widersacher  gottes  und 
deshalb  wird  er  zum  beiden  gestempelt,  womit  dann  weiterhin 
die  orientalischen  beziehungen  in  dem  gedichte  zusammenhängen; 


32 


EHR  IS  MANN 


seine  werke  sind  die  werke  des  teufels,  gegen  höllenspuk  aber 
und  zauberwesen  schützt  gebet  und  segen,  die  ja  Wigalois 
mehrfach  anwendet  :  kurz  der  grund  zu  der  religiösen  Stimmung, 
die  das  gedieht  durchzieht  und  die  gerade  in  jenem  kämpfe 
mit  Roaz  so  stark  hervortritt"),  stellt  in  Zusammenhang  mit 
der  aufnähme  dieser  sage.  Dieses  zweite  motiv  ist  also 
eine  volkstümliche  gespenstersage,  die  in  ihrem  kerne  mit  der 
Hamletsage  ähnlichkeit  hat.  Auch  die  naturstimmung  ist  in 
dem  stil  einer  gespenstergeschichte  gehalten:  nebel  steigt  aus 
dem  moor  173,  22,  der  niond  bricht  plötzlich  durch  die  wölken 
und  wirft  einen  fahlen  schein  auf  das  zauberschloss  181,  31. 

Auch  im  Wigalois  wird  der  abschluss  lang  gedehnt  durch 
die  Schilderung  höfischer  festlichkeiten  und  anderer  Vorgänge 
modern  höfischen  stils.  Dagegen  haben  die  lehren,  die  Gawein 
am  ende,  2^*3, 17  ff.,  seinem  söhne,  dem  nunmehr  könig  gewor- 
denen Wigalois,  gibt,  ebenfalls  eine  parallele  in  Serglige  Con- 
culaind.  Dort  ist  nämlich  ein  stück  eingeschaltet,  das  die 
lehren  enthält,  die  Cuchulinn  seinem  pflegesohn,  dem  zum  ober- 
könig  von  Irland  erwählten  Lugaid,  erteilt  (LU.  25  f.  Windisch, 
Altir.  texte  1,  213  f.  Zimmer,  Zs.  f.  vgl.  spracht  28,  G12  f.).  Bei 
der  Verschiedenheit  der  sitten  und  lebeusanschauungen  der 
höfischen  gesellschaft  und  des  irischen  heldentums  kann  frei- 
lich keine  nahe  Übereinstimmung  zwischen  beiden  teilen  erwartet 
werden  und  andrerseits  können  auch  die  vorhandenen  gleichungen 
keinen  Zusammenhang  zwischen  dem  französischen  roman  und 
der  irischen  sage  beweisen.  Doch  ist  überhaupt  schon  die  tat- 
sache,  dass  solche  lehren  auch  in  den  text  von  Cuchulinns 
krankheit  eingeschaltet  sind,  immerhin  erwähnenswert,  Es 
sind,  wie  die  lehren  des  Guruemanz  im  Parzival,  allgemeine 
erfahrungssätze,  die  auf  Weltkenntnis  und  lebensklugheit  be- 
ruhen, und  bilden  eine  mehr  oder  weniger  vollkommene  standes- 
moral.   Dem  gegenüber  sind  die  wirren  sprüche,  die  Herzeloide 


')  Indem  Wigalois  dem  beiden  Roaz  gegenübergestellt  wird,  ist  ein 
ansatz  dazu  gemacht,  dem  Artusritter  zugleich  den  Charakter  des  christ- 
lichen ritters  zu  verleihen.  Hierin  wie  Uberhaupt  in  der  beimischung  des 
religiösen  dementes  kommt  der  Wigaloisroman  überein  mit  dem  afranz. 
roman  von  Durmart  le  Galois  (vgl.  zu  diesem  Stengel  in  seiner  ausgäbe 
s.  fiOOft".  Kirchrath,  Li  Romans  de  Durmart  le  Galois  u.s.  w.,  Ausgaben  n. 
abhandlungen  21, 7  fF.). 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


33 


dem  scheidenden  söhne  mit  auf  den  weg  gibt,  ohne  innern  Zu- 
sammenhang und  zum  teil  ganz  nichtssagend.  Eigentlich  sind 
diese  lehren  der  mutter  auch  mehr  ein  technisches  mittel  für 
den  aufbau  der  erzählung  als  durch  sich  selbst  wirkende 
lebenswahrheiten  und  dienen  dazu,  um  den  rahmen  zu  bilden 
für  die  kommenden  ereignisse,  in  welcher  beziehung  sie  auf 
der  stufe  der  Ruodlieblehren  stehen,  wie  Singer  nachgewiesen 
hat  (Abhandlungen  zur  germ.  philol.,  festgabe  für  Heinzel,  s.359. 
Heinzel,  Gralromane  s.  23). 

Die  Widersprüche  in  der  Vorgeschichte  hat  Saran  a.a.O. 
s.  325  ff.  auf  ihre  entstehung  zurückgeführt.  Zwei  erzählungen 
sind  verschmolzen,  die  von  Joram-  [Florie]  -  Gawein  und  die  von 
Gawein-Florie. 

1)  Das  Joram-motiv.  Joram  ist  herscher  eines  feenlandes, 
das  als  höchst  liebliche  gegend  geschildert  wird  (21,  14  ff.), 
von  wasser  umgeben  wie  die  inseln  der  seligen;  seine  nichte, 
Florie,  ist  eine  fee.  Sie  liebt  Gawein,  er  wird  in  ihr  reich 
gezogen,  aber  er  sehnt  sich  in  die  weit  zurück  und  verlässt 
sie.  Hier  also  liegen  wider  die  beiden  motive  der  Verlockung 
und  des  verlassens  vor.  Joram  ist  eine  figur  des  verlockungs- 
motivs,  er  tritt  ausser  tätigkeit,  sobald  er  seine  aufgäbe,  Gawein 
der  fee,  seiner  nichte,  zuzuführen,  vollbracht  hat,  und  ver- 
schwindet aus  der  erzählung. 

2)  Das  Gawein-Florie-motiv.  Den  verlauf  hat  Sarau  a.a.O. 
dargestellt.  Auf  einer  abenteuerfahrt  kommt  Gawein  auf  das 
schloss  der  Florie,  die  liebenden  zeugen  einen  söhn,  Gawein 
verlässt  die  geliebte  (s.  326  ff.).  Der  söhn,  herangewachsen, 
fragt  die  mutter  nach  seinem  vater,  die  aber  kann  ihm  nur 
wenig  auskunft  geben.  Da  zieht  er  in  die  weite  weit,  um 
selbst  seinen  vater  zu  suchen.  Möglicherweise  liegt  in  der 
eigentümlichen  abstammung  des  Wigalois  ein  nachklang  an 
Cuchulinns  geburt,  von  der  zwei  verworrene  berichte  über- 
liefert sind  (Compert  Conculaind,  Windisch  1,  134  ff.),  die 
darin  übereinstimmen,  dass  Setanta - Cuchulinn  von  den  Side 
stammt,  also  wie  Wigalois  aus  dem  reiche  Jorams,  dem  feen- 
lande.  Aehnlicher  aber  sind  die  umstände  bei  der  geburt 
Maelduins  (Zimmer,  Zs.  fda.  33, 150  ff.):  Ailill,  ein  krieger,  tut 
auf  einem  plünderungszuge  einer  nonne  gewalt  an.   Sie  fragt 

Beiträge  im  geschiente  der  deutschen  spräche.   XXX,  3 


mm 


MANN 


ihn  nach  namen  und  familie  und  sie  trennen  sich.  Kurze  zeit 
(Ini  auf  wird  Ailill  von  Seefahrern  erschlagen.  Beider  söhn  ist 
Maelduin.  Er  wird  von  einer  pflegerin  erzogen,  ohne  seinen 
namen  zu  kennen.  Nachdem  er  herangewachsen,  erfragt  er 
ihn  von  seiner  mutter,  die  ihn  nur  widerstrebend  nennt  Dann 
zieht  er  aus.  um  seinen  vater  an  den  Seeräubern  zu  rächen. 

Die  erziehung  des  Wigalois.  Wigalois  wird  einer  mäch- 
tigen königin  übergeben  (auch  Maelduin  wird  nicht  von  der 
mutter,  sondern  von  einer  pflegerin  erzogen)  und  erhält  eine 
sorgfältige  erziehung  von  den  besten  rittern:  36.13  si  lertenz 
(das  kind)  riten  unde  gen,  mit  zühten  sprechen  unde  sten  . . . 
aller  hande  riter  spil  lerten  in  die  riter  vil:  ebenso  wird  die 
treffliehe  erziehung  Ouchulinns  auffallend  stark  hervorgehoben, 
er  erhält  die  besten  männer  im  reich  zu  lehrern  sowol  in 
spnielie  und  wolredenheit  als  in  den  künsten  des  krieges  (auf 
die  ausführliche  behandlung  der  erziehung  des  jugendlichen 
Alexander,  Vor.  hs.  103  ff.  Strassbg.  hs.  191  ff.  sei  ebenfalls  ver- 
wiesen). Durch  diese  ritterliche  erziehung  unter  männern 
unterscheidet  sich  die  jugendgeschichte  Wigalois'  von  der 
Lanzelots  und  Parzivals,  die  gerade  umgekehrt  von  allem 
kriegsspiel  ferngehalten  werden  und  die  waffenkünste  erst 
nach  Ihrem  auszog  aus  dem  jugendlande  lernen:  in  nach- 
ahmung  davon  erhält  dann  auch  Wigalois,  zum  zweiten  mal 
(vgl.  Sarau  s.  828),  an  Artus'  hofe  von  Gawein  die  lehren  des 
rittertunis.  Hin  motiv  aus  der  jugendgeschichte  Lanzelets  ist 
es  endlich  auch,  wenn  Wigalois  frauenerziehung  neben  der 
durch  die  rit  t  er  geniesst:  streun  in  die  riter  liezen,  so  namen 
in  die  froutven  wider  80,35,  und  dies  ist  wider  ein  Überrest 
davon,  dass  das  land,  wo  er  aufwächst,  das  frauenland,  d.h. 
ein  feenreich  ist,  In  der  darstellung  von  Wigalois'  erziehung 
sind  also  drei  züge  aus  verschiedenen  quellen  zusammengeflossen: 
l)  die  vortreffliche  erziehung  durch  männer  in  künsten  des 
friodens  und  krieges  wie  in  der  Ouchulinn-  [und  Alexander-] 
sage;  2)  die  frauenerziehung  wie  im  Lanzelet;  —  3)  die 
zweite  ausbildung  in  den  ritterkünsten  aus  der  Lanzelet- 
Pnrzival-sage. 

Hei  den  romanen  Chrestiens,  dem  Erec,  Iwein  und  Parzival, 
sind  die  Urformen  nicht  so  deutlich  zu  erkennen,  weil  der 
dichter  den  gegebenen  stoff   mit   selbständig  gestaltender 


Digitized  by  Googl 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


35 


Phantasie  zu  höheren  gebilden  umgeschaffen  hat.  Am  meisten 
verwischt  ist  das  märchenhafte  element  im  Erec. 

Erec. 

Als  constituierende  factoren  dürften  wol  folgende  zwei 
glieder  der  erzählung  herauszuheben  sein:  1)  der  so  stark  be- 
tonte Standesunterschied  zwischen  Erec  und  Enite,  und  2)  das 
verbot  des  redens.  Setzt  man  diese  beiden  festen  punkte  zu 
einem  märchenthema  zusammen,  so  bekommt  man  am  ehesten 
folgendes  bild:  ein  held  hohen  Standes  heiratet  ein  armes 
inädchen,  legt  ihr  aber  das  verbot  auf  (gess),  sie  dürfe  nicht 
reden,  was  auch  von  seltsamem  sie  an  ihm  sehen  werde.  Sie 
bricht  dieses  gebot,  indem  sie  in  klagen  sich  ergeht  über  sein 
verliegen,  das  ihr  seltsam  an  ihm  vorkommt,  und  damit  ist  das 
erregende  moment  gegeben  für  die  folgenden  abenteuer,  bei 
denen  sich  die  Verletzung  des  Verbotes  jedesmal  widerholt.  Tn 
den  bereich  der  mythischen  Vorstellungen  übertragen  heisst 
das:  ein  held  von  göttergeschlecht  vermählt  sich  ein  irdisches 
weib  und  legt  ihr  das  verbot  auf  zu  reden,  wenn  sie  etwas 
auffallendes  an  ihm  bemerke.  Das  ist  ein  Schema  ähnlich  der 
schwanrittersage  und  somit  auch  der  irischen,  jedoch  erst  in 
einer  hs.  des  14.jh.'s  überlieferten  sage  von  Bress  in  der  er- 
zählung von  der  schlacht  von  Mag  Tured.  —  Die  eigentliche 
erzählung  beginnt  schon  wie  ein  märchen:  ein  königssohn 
kommt  in  die  hütte  eines  armen  mannes  und  verlangt  dessen 
tochter  zur  frau,  aus  bettelhafter  dürftigkeit  wird  die  arme 
plötzlich  in  glänz  und  reichtum  erhoben.1)  Dabei  nichts  von 
jenen  selbstverständlichen  höfischen  ceremonien  wie  huldigung 
und  minne werben,  ja  von  liebe  ist  nicht  einmal  die  rede,  un- 
höfisch sogar  die  anspräche  an  die  verlobte  guot  frou  magt  803. 
Und  so  ist  dann  überhaupt  das  ganze  Verhältnis  zwischen  dem 
mann  und  der  frau  umgekehrt  von  der  höfischen  sitte:  wie  im 
heimischen  minnesang  ist  der  mann  auch  der  herre,  die  frau 


»)  Die  verlöbnisscene,  bei  Chrestien  v.  658  ff.,  bei  Hartmann  v.  498  ff., 
ist  in  den  details  der  Wirklichkeit  nachgebildet:  Erec  wirbt  beim  vater 
um  die  braut,  das  mädchen  selbst  wird  nicht  gefragt,  der  vater  übergibt 
ihm  die  tochter  zugleich  mit  seinen  waffen,  Erec  verspricht  ihm  als  kauf- 
preis  die  kröne  seines  reiches;  dazu  bei  Hartmann  das  formelhafte  gerne 
nrmen  v.  569  beim  eheversprechen,  vgl.  M.  Helmbrecht  1514  ff. 

3* 


Digitized  by  Google 


EHRISMANN 


die  sich  unterordnende,  dienende.  Wir  können  auch  versuchen, 
historisch  zu  ergründen,  weshalb  der  dichter,  worauf  G.  Paris, 
Rom.  20, 162  aufmerksam  macht,  die  gefühle  Erecs  in  einem 
mysteriösen  dunkel  gelassen  hat,  während  Enite  die  ihrigen 
bei  jedem  neuen  Umschwung  äussert  u.s.  w.,  indem  wir  von 
dem  begriffe  des  gess  ausgehen:  derjenige,  der  das  gess  ver- 
hängt, bleibt  in  starrer  gleichmässigkeit,  seine  gefühle  werden 
auch  durch  den  bruch  des  Verbotes  nicht  gesteigert,  umgekehrt 
hat  der  dem  gess  unterworfene  durch  Verletzung  des  gebotes 
aufs  empfindlichste  zu  leiden.  Allerdings  mag  noch  ein  künst- 
lerischer beweggrund  mitwirken,  dass  Chrestien  Enites  seelen- 
schmerz  so  stark  hervortreten  lässt:  er  will  das  wesen  der 
weiblichen  seele  zeichnen  und  verweilt  deshalb  vornehmlich 
bei  den  empfindungen  der  heldin. 

Auf  sagenhaftem  hintergmnd  baut  sich  dann  wider  der 
schluss  des  gedichtes  auf,  die  doppelepisode  von  Brandigan  und 
Joie  de  la  curt,  die  mit  dem  hauptthema  vom  Zerwürfnis  und 
der  widerversöhnung  der  gatten  nichts  zu  tun  hat  (G.  Paris, 
Rom.  20, 152  ff.).  Die  ausgangspunkte  für  die  deutung,  die  sich 
aus  Chrestiens  darstellung  selbst  ergeben  —  wobei  besonders 
die  örtlichkeiten  wider  die  sichersten  merkmale  bilden  — ,  sind 
folgende:  1)  schloss  Brandigan  ist  das  totenreich,  denn  dort 
sind  die  freudelosen  frouwcn  eingeschlossen,  die  bürg  ist  ein 
Fomore-schloss;  —  2)  Joie  de  la  curt  dagegen  ist,  wie  schon 
längst  erkannt,  ein  feenland,  die  herrin  eine  fee.  Das  weitere 
ist  verdunkelt,  und  hier  müssen  zur  auslösung  der  ferneren 
grundzüge  verwante  scenen  anderer  epen  zum  vergleich  bei- 
gezogen werden  (eine  vielfach  andere  auslegung  gibt  E.  Phi- 
lipot,  Rom.  25, 258  ff.).  Die  Schwierigkeit  liegt  darin,  dass  zwei 
ursprünglich  getrennte  märchentypen  in  einander  verschlungen 
sind,  und  diese  entstehungsart,  aus  typenvermischung,  ist  auch 
der  grund  zu  der  von  G.  Paris,  Rom.  20, 154  f.  gerügten  wider- 
spruchsvollen und  unklaren  darstellung  Chrestiens.  1)  Die 
grundlage  für  die  erzählung  von  Brandigan  ist  das  befreiungs- 
motiv.  Wir  haben  die  bürg,  das  ist  das  schloss  der  toten,  die 
gefangenen  frauen  und  ihre  befreiung,  aber  der  räuber  und 
Wächter  der  gefangenen  des  totenreiches  tritt  in  der  scene 
selbst  nicht  auf.  Es  ist  Mabonagrin,  der  hüter  des  feengartens 
Joie  de  la  curt,  denn  er  hat  die  frauen  durch  erschlagung 


Digitized  by  Goo 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


37 


ihrer  männer  zu  gefangenen  gemacht  und  durch  seine  besie- 
gung werden  sie  wider  erlöst.  Diese  figur  erscheint  also  nicht 
in  der  Brandiganscene,  sondern  sie  ist  an  die  von  Joie  de  la 
curt  vergeben.  —  2)  Die  hofesfreude  ist,  wie  erwähnt,  ein 
feenland,  aber  das  motiv,  das  sonst  mit  den  feen  verknüpft 
ist,  das  der  Verlockung,  fehlt  hier  und  die  tragende  idee  ist 
allein  die  erprobung  der  tapferkeit. l)  Im  hintergrund  liegt 
allerdings  die  geschiente  von  der  fee,  die  einen  sterblichen 
neiden  an  sich  zieht  und  in  gefährliche  kämpfe  verwickelt 
(Chrestien  war  mehrfach  genötigt,  um  die  erzählung  dem  plane 
seines  romans  anzupassen,  die  ursprüngliche  form  des  themas 
zu  verlassen.  Als  erklärung  für  das  abenteuerliche  unter- 
nehmen der  beiden  ehegatten  hat  er  die  liebeslaune  der  dame 
eingeführt,  auch  musste  der  schluss  geändert  werden:  Erec 
konnte  die  fee  nicht  heiraten,  da  er  schon  an  Enite  vergeben 
war;  in  folge  davon  konnte  der  dichter  den  Mabonagrin  am 
leben  lassen  und  dadurch  seinen  helden  Erec  aufs  neue  mit 
einem  schönen  zug  von  grossmut  ausstatten).  —  Derjenige 
also,  an  dem  der  held  in  der  Joie  de  la  curt-episode  seinen 
mut  zu  erproben  hat,  Mabonagrin,  ist  hüter  des  gartens. 
Weshalb  ist  dieser  gegenspieler  in  der  mutprobe  gerade  ein 

*)  Die  episode  von  der  hofesfreude  stellt  in  naher  beziehung  zu  dem 
abentener  dea  Bians  desconneus  bei  der  fee  Weisshand,  wie  Philipot  a.a.O. 
erwiesen  hat  (doch  ist  dazu  die  benierkung  von  G.  Paris  am  Schlüsse  des 
aufsatzes  s.  294  zu  berücksichtigen).  Dieser  roman  zeichnet  sich  durch  eine 
klare  disposition  aus:  Erste  geschichte,  A:  a)  die  dame  mit  den  weissen 
händen  lässt  den  unbekannten  durch  eine  botin  holen,  er  besteht  die  tapfer- 
keitsprobe  und  besiegt  den  Wächter  des  gartens,  0)  aber  der  held  zieht 
wider  in  die  weit  zurück,  kann  jedoch  die  fee  nicht  vergessen,  kehrt  wider 
zu  ihr  zurück  und  wird  nach  schweren  prüfungen  wider  von  ihr  auf- 
genommen. Der  erste  teil,  a,  ist  =  der  episode  von  Joie  de  la  curt,  die 
ganze  erzählung,  Aß  und  Aß,  hat  das  nämliche  schema  wie  der  Iwein. 
An  die  erste  geschichte,  A,  die  die  grundlage  bildet  (anders  Saran,  Bcitr. 
21,294)  ist  eine  zweite,  B,  angeschlossen,  welche  mit  jener  ursprünglich 
gar  nichts  zu  tun  hatte.  Es  ist  die  erlösung  einer  in  eine  schlänge  ver- 
zauberten jnngfrau  durch  den  kühnen  kuss.  Die  zweite,  secundäre  ge- 
schichte ist  zum  teil  in  die  erste  hineingeschoben,  wodurch  viele  Ungereimt- 
heiten entstehen.  Die  wahre  absenderin  der  botin  ist  die  fee  (Hippean 
v.4893),  nicht  die  verzauberte  schlänge  (v.  8285).  Die  fassung  des  afranz. 
gedichts  ist  ursprünglicher  als  die  des  englischen  und  die  des  italienischen 
Carduino,  welche  A  an  bedeutung  unter  B  zu  einer  blossen  episode  herunter- 
drücken. 


38 


EHRISMANN 


Wächter?  Woher  stammt  der  begriff  des  Wächters?  Das 
land  der  glückseligkeit,  wo  die  feen  wohnen,  hat  keinen 
Wächter  und  nicht  mit  kämpf  dringt  man  dort  ein,  sondern 
durch  Verführung:  der  Wächter  stammt  aus  dem  befreiungs- 
motiv,  dort  hat  er  seinen  platz  und  so  nähert  sich  überhaupt 
die  scene  von  Joie  de  la  curt,  wo  eine  dame  in  einem  unnah- 
baren garten  von  einem  riesigen  ritter  bewacht  wird,  der  form 
einer  befreiungsgeschichte.  Mabonagrin,  der  Wächter,  ist  ein 
riese,  wie  die  Fomore  des  totenreichs,  und  entspricht  dem  Me- 
leaganz  im  Karrenritter,  der  den  kämpf  gegen  die  in  das  land 
ohne  widerkehr  eindringenden  befreier  der  Ginover  führt;  ja 
selbst  der  raub  dieser  königin  durch  Meleaganz  klingt  nach, 
denn  Mabonagrin  hat  seine  geliebte  hierher  zu  seinem  oheim 
in  die  hofesfreude  entführt,  Chrest. 6281.  Hartm. 9479.  Damit 
aber,  dass  Mabonagrin  dublette  des  Meleaganz  ist,  ist  weiter 
gegeben,  dass  er  zum  gatten  der  entführten  dame  gemacht 
wurde,  denn  Meleaganz  ist  gemahl  der  geraubten  Ginover  und 
war  ja  schon  früher  ihr  Verlobter.  —  Es  sind  also  in  der  ge- 
schiente von  Brandigan-Joie  de  la  curt  die  zwei  irischen  dämonen- 
reiche  neben  einander  gestellt,  die  Fomoreburg  und  das  feen- 
land,  und  dasselbe  ist  der  fall  im  Lanzelet  (Iwerets  bürg  und 
Vals  Ible),  im  Iwein  (Ascalons  bürg  und  die  landschaft  mit 
dem  brunnen,  die  bürg  des  schlimmen  abenteuers  und  der 
baumgarten),  im  Parzival  (Schastel  marveil  uud  Gramoflanz' 
garten). 

Endlich  erscheint  in  dieser  Schlussepisode  des  Erec  noch 
eine  weitere  person,  die  eigentlich  keine  ausgesprochene  funetion 
hat,  das  ist  der  könig  Evrains  von  Brandigan,  ein  verschwom- 
mener Charakter,  ein  milder  aber  schwacher  mann,  der,  ob- 
gleich herr  des  landes,  doch  nicht  verhindern  kann,  dass  die 
Unternehmer  des  abenteuers  von  Joie  de  la  curt  ins  Unglück 
rennen.  Auch  über  diesen  mitspielet'  gibt  der  Karrenritter- 
roman aufhellung.  Entspricht  der  wilde  Mabonagrin  dem 
Meleaganz,  so  ist  Evrains,  der  oheim  des  Mabonagrin,  gleich 
Bademagus,  dem  vater  des  Meleaganz.  Es  sind  dieselben 
Charaktere,  auch  Bademagus  eine  versöhnliche  natur,  der  seineu 
söhn  von  gewaltsamkeiten  abzuhalten  sucht  und  dem  fremd 
ankommenden,  dem  Lancelot,  freundlich  gesinnt  ist  wie  Evrains 
dem  Erec. 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  nöFISCHEN  EPOS. 


39 


Diese  nebenfigur  im  totenreiche,  ein  könig  Bademagus- 
EvTains  neben  dem  eigentlichen  zwingherrn  Meleaganz-Mabo- 
nagrin,  muss  ihren  Ursprung  in  der  sage  haben,  denn  sonst 
wäre  sie,  überflüssig  wie  sie  ist,  in  den  epen  nicht  mitgeführt 
worden.  —  Im  Erec  ist  auf  Eyrains  die  rolle  des  warners 
übertragen,  welche  auch  das  volk  der  Stadt  gegenüber  Erec 
zu  vertreten  hat  (Chrestien  5704  ff.  Hartm.  8085  ff.). 

Jene  in  der  summe  der  sittlichen  kräfte  so  stark  betonte 
ritterpflicht:  'du  sollst  dich  nicht  verliegen',  die  ja  ganz  der 
lebensanschauung  des  rittertums  der  blütezeit  entspricht,  be- 
gegnet doch  ebenso  schon  in  Serglige  Conculaind:  Emer,  Cuehu- 
linns  frau,  tritt  an  das  lager  des  liebeskranken,  der  sich  in  sehnen 
um  die  fee  verzehrt,  und  spricht  zu  ihm:  'schäme  dich,  dich 
wegen  frauenliebe  hinzulegen'  (is  mcbul  duit  laigi  fri  bangrdd, 
Windisch  1,  216,  10.  Thurneysen,  Sagen  aus  dem  alten  Irland 
s.  92).  Also  ist  das  sichverliegen  aus  minne  keineswegs  ein 
für  das  rittertum  allein  charakteristischer  gedanke  und  kann 
nicht  als  französische  erfindung  geltend  gemacht  werden. 

Ausmalende  oder  beiläufig  eingestreute  nebenzüge,  die  sich 
ebenfalls  auf  keltische  Überlieferung  zurückführen  lassen,  sind 
folgende: 

In  Joie  de  la  curt  ist  ein  ring  von  eichenpfählen  gezogen, 
auf  welchem  die  köpfe  der  von  Mabonagrin  besiegten  zwei- 
kämpfer stecken  (Chrestien  5780.  Hartm.  8768).  Es  war  aber 
irische  sitte,  den  feinden  die  köpfe  abzuschneiden  und  sie  als 
Siegeszeichen  im  hause  aufzubewahren  oder  auch  auf  Stangen 
zu  stecken.  So  sind  abgeschnittene  köpfe  auf  einem  gitter 
angebracht,  das  die  bürg  des  Scath  (land  des  Schattens)  um- 
gibt, Zs.  f  da.  32,  253.  Heinzel,  Gralromane  s.  23;  übrigens  be- 
gegnet diese  sitte  öfter  bei  Völkern  primitiver  cultur,  vgl.  Phi- 
lipot  a.  a.  o.  s.  260  anm.  —  Die  Schilderung  der  macht  der  fee 
Morgan,  Chrest.  4216.  Hartm.  5155.  —  Maeloas,  der  herr  der 
gläsernen  insel,  Chrest.  1946.  Hartm.  1918  (=  Meleaganz;  er 
ist  im  Parzival  in  zwei  personeu  gespalten,  Meljanz  und  Mel- 
jacanz),  vgl.  G.  Paris,  Rom.  10, 488  ff.  Rhys,  Arthurian  Legend 
s.  51  u.ö.  —  Guingomars,  herr  der  insel  Avalon,  der  held  des 
lais  gleichen  namens,  freund  der  fee  Morgan,  Chrest.  1954. 
Hartm.  1929  (Gimoers).  —  Die  brüder  Bilis  und  Brien,  jener 
der  kleinste,  dieser  der  grösste  aller  menschen,  Chrest,  1994  ff. 


Digitized  by  Google 


40 


EHRISMANN 


Hartm.  208G,  sind  die  britischen  bruderkönige  Belinus  und 
Brennius,  vgl.  u.  a.  Gottfrid  v.  Monmouth  3,  1  ff.;  sie  kommen 
auch  in  der  Krone  2341  f.  und  2896  f.  und  sonst  oft  in  den 
Artusepen  vor.  —  Keltisch  ist  auch  die  nähere  bestimmung 
des  Personennamens  durch  den  namen  des  vaters,  wie  Erec  fils 
du  roi  Lac,  vgl.  Manannan  mac  Lir. 


Den  kern  der  handlung  bildet  die  quellengeschichte.  In 
diesem  abenteuer  kehren  die  hauptsächlichsten  ereignisse  von 
Joie  de  la  curt  zugleich  mit  den  bezüglichen  personen  wider: 
Laudine  steht  an  stelle  der  fee  der  hofesfreude,  ihr  gatte 
Ascalon  als  hüter  des  reichs  an  der  Mabonagrins,  der  sieger 
Iwein  entspricht  dem  sieger  Erec.  Die  Weiterbildung  der  er- 
zählung,  die  im  Erec  abgebrochen  ist,  nimmt  im  Iwein  den 
folgerichtigen  verlauf:  tütung  des  gegners  und  erringung  der 
dame;  ausserdem  ist  die  ausstattung  hier  viel  reicher  als  in 
jener  anhangsepisode  des  Erec.  Zunächst  tritt  die  gestalt  der 
Lunete  hinzu.  Diese  hat  die  aufgäbe,  den  beiden  mit  der 
dame  zusammen  zu  bringen,  spielt  also  die  rolle,  welche  sonst 
der  botin  im  Verlockungsmotiv  zufällt,  und  tatsächlich  ist  sie 
im  englischen  Morte  d'Arthur  eine  botin  der  dame  Liones.  Sie 
stammt  also  aus  dem  verlockungsmotiv  und  nimmt  dieselbe 
stelle  ein  wie  Liban.  die  abgesante  der  Fand,  in  der  erzählnng 
von  Cnchulinns  krankheit.  Endlich  vertritt  auch  Kalogreant 
eine  gestalt  jener  sage,  nämlich  den  wagenlenker  Loeg,  der 
zuerst  statt  seines  herrn  dem  rufe  der  fee  folgt  und  ihm  be- 
richt  über  das  Wunderland  erstattet.  Selbst  die  weiter  zurück- 
tretenden mitspieler,  der  ritter  mit  dem  Sperber  und  der  wald- 
mensch, sind  von  dem  dichter  nicht  lediglich  selbst  erfunden, 
sondern  es  sind  die  typen  des  warners  und  Wegweisers,  denen 
die  rolle  zugeteilt  ist,  den  beiden  zum  besuch  des  däinonen- 
landes  hinzulenken  —  denn  der  warner  kann  ebensowol  auch 
ein  förderer  des  bedenklichen  Unternehmens  sein,  da  die  Vor- 
stellung der  gefahren  für  den  abenteuerdurstigen  sinn  des  helden 
nur  ein  reizmittel  mehr  sein  musste  sie  aufzusuchen  (diese 
nebenwirkung  beiseite  gelassen  hat  die  figur  des  warners  der 
Artusromane  ein  gegenstück  an  dem  getreuen  Eckart  vor  dem 
berg  der  frau  Venus).   Auch  die  örtliche  Umgebung  stammt 


Iwein. 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS.  41 

aus  der  keltischen  sage,  so  der  herrliche  wald  Breziljan,  daz 
ander  paradise  687  (=  Erec  954)  mit  dem  brunnen;  davor 
lagern  wilde  tiere,  welche  der  waldmensch  einschläfert,  wie 
Malduc  die  drachen  vor  Falerins  bürg  in  schlaf  versenkt,  um 
Artus  und  seinem  beer  den  weg  zu  bahnen;  die  in  Ascalons 
schloss  führende  brücke  bedeutet,  wie  auch  sonst  jene  gefähr- 
lichen brücken  in  den  verwanten  romanen,  den  Übergang  in 
die  andere  weit. 

Die  urfabel  für  die  sage  von  Laudine  lautet  also,  unter 
steter  vergleichung  mit  der  Schilderung  von  Joie  de  la  curt: 
Laudine  ist  eine  quellnymphe  (die  fee  von  Joie  de  la  curt 
ist  ein  Sideweib  und  herrin  eines  wonnelandes),  zur  Verteidi- 
gung der  quelle  hat  sie  einen  hüter  angestellt  (Ascalon  = 
Mabonagrin),  der  held,  der  diesen  besiegt  (Iwein  =  Erec) 
erringt  sie  zum  weibe  (fehlt  in  Joie  de  la  curt).  Hier  sind 
sichtlich  schon  zwei  ursprünglich  getrennte  motive  zusammen- 
geflochten: 1)  die  fee  liebt  einen  sterblichen  und  sucht  diesen 
an  sich  zu  locken  (figur  der  Lunete,  Verlockung,  fehlt  in  Joie 
de  la  curt),  und  —  2)  der  held  kann  die  fee  nur  erringen 
durch  besiegung  des  Wächters  (mutprobe,  =  Joie  de  la  curt). 
Dazu  kommt  dann  als  drittes  moment  eine  specialisierung  da- 
durch, dass  der  Wächter  zum  gatten  der  fee  gemacht  wird 
(Ascalon  =  Mabonagrin),  der  erschlagen  wird  (während  er  in 
Joie  de  la  curt  am  leben  bleibt),  und  diese  benutzt  der  dichter, 
um  der  äusseren  handlung  ein  starkes  ethisches  interesse  bei- 
zumischen. Damit  aber  ist  die  letzte,  dramatische  Zuspitzung 
einer  sagenentwicklung  erreicht,  die  folgende  stufen  durch- 
läuft: 1)  einfachste  form,  die  Lanval-Gralantsage  (s.  s.  16):  ein 
ritter  trifft  eine  quellenfee  im  walde,  sie  selbst,  die  ihn  liebt, 
ist  die  veranlasserin  des  Zusammentreffens  (Verlockung,  nur 
die  minne  bildet  die  treibende  kraft  in  dieser  scene);  —  2a)  zu 
der  Verlockung  tritt  die  tapferkeitsprobe:  Biaus  desconneus 
(neben  die  minne  tritt  das  heldentum  als  treibende  kraft);  — 
2  b)  eine  Verwicklung  ist  angebahnt  in  Joie  de  la  curt  dadurch, 
dass  der  Wächter,  das  object  der  tapferkeitsprobe,  zum  gatten 
der  fee  gemacht  wird  (der  aber  nicht  getötet  wird);  — 
3)  consequente  durchführung  von  2  b):  das  object  der  tapfer- 
keitsprobe ist  der  gatte,  er  wird  erschlagen:  Laudine  — 
Iwein.  Hier  setzt  nun  das  motiv  von  der  treulosen  witwe  ein. 


Digitized  by  Google 


42 


EHRISMANN 


Es  konnte  sich  auf  dem  geschilderten  wege,  zumal  wenn  man 
hinzudenkt,  dass  in  Sergl.  Conc.  die  fee  Fand  ihrem  galten 
Manannan  untreu  wird  (s.  nachher),  aus  Vorstellungen,  inner- 
halb derer  sich  die  matiere  de  Bretagne  bewegt  selbst  ent- 
wickeln (s.  oben  bei  Mabonagrin  s.  37  f.),  ohne  Zuziehung  von 
weiter  hergeholten,  etwa  antiken  elementen  (matrone  von 
Kphesus);  aber  man  wird  doch  bei  dem  grossen  reiz,  den  die 
classische  literatur  auf  die  phantasie  der  gelehrten  und  dichter 
des  12.  jh.'s  ausübte1),  gern  der  annähme  sich  zuwenden,  dass 
Chrestien  spätclassische  erinnerungen  vorgeschwebt  haben,  als 
er  den  letzten  schritt  tat,  den  zur  symbolisierung,  und  den  in 
den  feensagen  vorgebildeten  Stoff  zu  einer  tragödie  der  weib- 
lichen schwäche  ausgestaltete. 

In  der  auffassung  von  der  quellengeschichte  als  reflex 
der  erzählung  Serglige  Conculaind  bin  ich  in  der  hauptsache 
Brown  gefolgt  oder  auch  auf  andern  wegen  zu  demselben 
ziele  gelangt.  Doch  möchte  ich  gegenüber  den  Übereinstim- 
mungen zwischen  Iwein  und  Sergl.  Conc.  doch  die  abweichungen 
stärker  betonen.  Zwar  folgt  die  weitere  entwicklung  des  Iwein- 
romans  immer  noch  dem  thema  von  Sergl.  Conc:  Iwein  verlässt 
seine  frau  wider  und  verfällt  in  Wahnsinn,  von  dem  er  durch 
eine  salbe  geheilt  wird  (zum  wahnsinnsmotiv  s.  oben  s.  24), 
gerade  wie  Cuchulinn;  aber  das  ende  ist  verschieden:  Iwein 
kann  die  weit  draussen  nicht  ertragen  und  kehrt  sehnsuchts- 
voll zu  seinem  dämonischen  weib  zurück:  —  das  ist  Tannhäuser 
(vgl.  Philipot  a.a.O.  s.  264),  während  umgekehrt  Cuchulinn  die 
fee  verlässt,  die  wider  zu  ihrem  gatten  kommt,  dem  gott  des 
meeres,  der  über  die  see  reitet,  sie  heim  zu  holen:  —  das  ist 
Undine.  Vor  allem  aber  ist  entgegenzuhalten,  dass  die  ge- 
nauere widergabe  der  hauptzüge  von  Sergl.  Conc.  der  Wi- 
galois  bildet,  während  die  quellengeschichte  vielmehr  nur 
eiuzelheiten  mit  Sergl.  Conc.  gemein  hat.  Zur  erklärung  der 
person  Ascalons,  der  als  gatte  der  fee  an  die  stelle  Manannans 
getreten  ist,  inuss  man,  wie  ich  glaube,  auch  andere  Artus- 
romane beiziehen,  denn  die  ursprünglich  sagenhaften  demente 

')  Alfons  Hilka  weist  eine  parallele  zum  charakter  der  Laudine  auf 
in  jenem  der  Jokaste  im  Roman  de  Thi-bes  (Die  directe  rede  als  stilistisches 
kunstmittel  in  den  roraanen  des  Kristiau  von  Troyes  s.  128,  anm.  1);  vgl. 
auch  die  entsprechende  erzählung  im  roman  Von  den  sieben  weisen  meistern. 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


43 


sind  in  den  höfischen  epen  nunmehr  literarische  raotive  und 
schon  zu  starren  formeln  geworden,  die  vom  dichter  beliebig 
verschoben  werden  konnten.  Ascalon  wurde  oben  dem  Mabo- 
nagrin gleichgesetzt,  jenem  typus  des  Wächters  und  unter- 
liegenden kämpfers  der  dame.  Mit  Manannan  hat  Ascalon 
nichts  mehr  gemein,  dieser  ist  nicht  der  hüter  des  reichs  noch 
der  frau,  er  kämpft  nicht  für  diese,  er  ist  gott  des  meeres  und 
als  solcher  unsterblich.  Für  diesen  konnte  aber  leicht  eine 
andere,  eine  beliebte  romanfigur  wie  Mabonagrin  -  Meleaganz 
eingeschaltet  werden,  denn  der  meergott  steht  in  Sergl.  Conc. 
ganz  im  hintergrund  und  greift  erst  am  schluss,  wo  die  Über- 
einstimmung mit  dem  Iwein  aufhört,  handelnd  ein;  die  sage 
bot  somit  für  diese  person  keine  bestimmten  anhaltspunkte  und 
liess  dem  ausgestaltenden  dichter  freien  Spielraum.  Auch  im 
Wigalois  ist  an  Manannans  stelle  ein  anderer  getreten,  nämlich 
das  gespenst  des  ermordeten  königs. 

Von  den  einzelnen  episoden  hat  sonst  nur  noch  der  'kämpf 
mit  den  riesen',  das  'schlimme  abenteuer',  einen  reicheren  sagen- 
haften hintergruud.  Iwein  besiegt  zwei  riesen,  befreit  dadurch 
die  in  der  bürg  gefangenen  arbeit erinnen,  trifft  im  garten  den 
schlossherm  mit  seiner  familie,  der  ihm  nach  bestehung  des 
abenteuers  seine  schöne  tochter  zur  frau  geben  will.  Das  ist 
eine  Umformung  der  scenen  von  Brandigan  und  Joie  de  la 
eint,  die  hier  noch  enger  mit  einander  verbunden  sind  als  im 
Erec.  Doch  liegt  zum  unterschied  von  der  darstellung  im  Erec 
der  Schwerpunkt  hier  auf  der  befreiung  der  frauen,  nicht  auf 
dem  kämpf  um  den  garten.  Die  bürg  mit  den  arbeiterinnen 
ist  Brandigan  mit  den  fröudelösen  frouwen,  der  baumgarten 
ist  =  Joie  de  la  curt,  der  burgherr,  auch  in  seinem  unfertigen 
Charakter,  ist  =  Evrains,  die  tochter  =  der  fee  der  hofes- 
freude,  und  darin,  dass  Iwein  sie  heiraten  soll,  liegt  noch  eine 
erinnerung  an  den  ursprün glichen  ausgang  des  motivs,  wonach 
der  sieger  die  braut  erringt.  Für  Mabonagrin  sind  die  zwei 
riesen  eingetreten,  die  hier  die  [toten]  bürg,  nicht  wie  jener 
den  [feen] garten  bewachen:  sie  stehen  für  die  drei  Fomore, 
mit  denen  Cuchulinn  um  befreiung  des  zum  tribut  bestimmten 
mädchens  kämpft  (s.  oben  s.  17);  die  arbeiterinnen,  die  als  löse- 
geld  für  ihren  fürsten  in  der  bürg  frohnden  müssen,  stellen 
den  den  Fomore  geleisteten  menscheiitribut  dar. 


Tu.  lern  [x~in  ron  der  .unir^n  *-hwester  als  rechtsbeistand 
g*<ren  die  altere  gerufen  wirl  ander»  beispieie  für  diesen,  Vor- 
gang gibt  Martens.  R*;man.  studio  3.  nl*  .  beg^men  wir  wider 
'irni  211m  verli/ekttiursmoriv  gehörenden  zug.  iass  ein  held  von 
einer  fee  gegen  einen  mächtigen  gegner  zu  ailre  gerufen  wird. 
Dem  «ich  -laran  ansciiliessenden  iampri  zwiscneu  den  freunden 
Iwein  and  «ifaweüi  1  widerum  ein  beliebtes  muäv.  denn  ebenso 
kämpren  Erec  and  GaiTren.  Gawan  and  Parzival  1  lassen  sich 
in  der  irischen  sa*e  dir  iwe&Jtmpfe  zwischen  Cuchulinn  nnd 
.«einen  blui>r rennen  F-r  Baeth  and  Fer  Diad  an  die  seite 
stellen  i±  Zimmer.  Zs.  f.  vgl  spracht  2>.  4.S.5.  4c3.  Zs.f-ia.32.200  ff.). 
—  Die  strafe  der  Lauere,  die  w^tren  Iandesverrurs  zum  feuer- 
tode  verurteilt  wird,  berühr:  wÄ  aof  keltischen  reehtsfonnen, 
denn  schon  Orgetorti  war  als  landesrerri:er  derselben  strafe 
verfallen.  Ciaar.  BelL  galL  L  4  «der  s^ion  Procillns  wird  von 
Ariovist  zum  feuertet!  benimmt,  ebda.  L5.3».  —  Nor  kurz  will 
ich  hier  darauf  hinweisen,  dass  aach  in  der  Cuchulinn-sage 
eine  ngur  vorkommt,  die  wie  Therdtes  und  Kei  das  verneinende 
element  bildet,  das  ist  Bricriu  nemthenga  ivgl.  Zimmer. 
Zs.  fda.33. 152,  IBM. 2).  Bricriu  giftzunge.  jgLCertes.  Keus, 
ja  fnuiez  crer"^,  fet  la  mint,  au  mmn  cuulitr,  se  nt  cos  poissies 
tuidier  iel  c<ntn  iLn  cos  estes  plains.  Chrestiens  Yvain  86. 

Parzival. 

Hier  folgen  auf  eine  jusrendgeschichte  (A)  zwei  haupt- 
handlungen,  die  neben  einander  hergehen,  die  rein  weltliche 
abenteuerfolge  Gawans  (B)  und  die  zum  symbol  sittlicher 
lauferung  ausgebildete  gralfahrt  Parzivals  (C).  Diese  drei 
teile  verhalten  sich  folgendermassen  zu  einander:  A  und  B 
gehören  zusammen,  sie  bilden  den  einheitlichen  lebensgang 
eines  helden  im  Stile  der  matirre  de  Bretagne  und  der  ganze 
anfbau  dieses  lebensbildes  ähnelt  sehr  dem  des  Lanzelet  in 
Zazikhovens  roman:  (A)  die  kinder jähre  verbringt  Parzival  in 
weltabgeschiedenheit  wie  Lanzelet  Darauf  folgt  wie  dort  der 
aufzog  ins  weltleben,  wozu  wider  die  irische  sage  ein  seiten- 
Ktflck  bietet,  indem  Setanta  die  mutter  verlässt  und  zu  seinem 
oheim,  dem  könig  Conchobar  zieht,  wie  Parzival  zu  seinem 
oheim  Artus,  vgl.  Zimmer.  Zs.  f.  vgl.  sprachf.  28, 440  und  Gott. 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  TM  nÖFISCHEN  EPOS. 


45 


Gel.  anz.  1890,  1,519  f.1);  endlich  die  erlernung  des  rittertums 
von  Seiten  Parzivals  wie  Lanzelets.  Die  erringung  der  Con- 
dwiramurs, eine  gewöhnliche  befrei ungsgeschichte,  ist  in  das 
Lanzeletschema  hineingesetzt,  um  einen  abschluss  von  Par- 
zivals weltleben  zu  bilden,  und  zugleich  ist  damit  die  unter- 
läge gegeben  für  das  sittliche  ideal,  das  den  edeln  teil  seines 
wesens  während  der  zeit  seiner  Verworrenheit  aufrecht  erhält, 
die  treue. 

Von  Gurnemanz'  ritterlehren  an  bilden  die  erlebnisse  Ga- 
wans  (B)  die  directe  fortsetznng  des  ursprünglichen  abenteuer- 
romans:  drei  damenaffären  wie  im  Lanzelet,  darauf  die  be- 
freiung  der  gefangenen  frauen  von  Schastel  marveil  entsprechend 
der  befreiung  der  Ginover  im  Lanzelet,  zum  schluss  der  kämpf 
mit  Gramoflanz,  der  Zweikampf  mit  Feirefiz.  Das  gerüste  der 
teile  A  und  B  zusammen  ist  also  nahezu  dasselbe  wie  in  Ul- 
richs Lanzelet  (erste  und  zweite  Lanzeletgeschichte)  und  Gawan 
ist  denn  auch  in  Chrestiens  und  Wolframs  Parzival  nichts 
anderes  als  die  bekannte,  leichtlebige  Lanzelotnatur.  So  liegt 
auch  keiner  dieser  episoden  ein  motiv  zu  gründe,  das  nicht 
schon  dagewesen  wäre,  aber  doch  ist  jede  so  eigenartig  ge- 
wendet, dass  der  gesammteindruck  der  einer  neuen,  eigen- 
artigen Schöpfung  ist  Das  erste  frauenabenteuer,  Obie  und 
Obilot,  beruht  auf  dem  befreiungsmotiv,  wobei  reminiscenzen 
an  den  Karrenritter  mit  unterlaufen,  denn  Meljanz  und  dessen 
verbündeter  Meljacanz  machen  zusammen  eigentlich  eine  einzige 
person.  d.i.  Meleaganz.  Meljacanz  ist  wie  dieser  ein  frauen- 
räuber,  sein  vater  ist  Poydiconjunz  von  Gors,  also  von  dem 
land  ohne  widerkehr,  wie  Meleaganz'  vater  Bademagus  könig 
ist  von  Gorre.  Die  zwei  streitenden  Schwestern  Obie  und 
Obilot  gemahnen  an  die  töchter  des  grafen  vom  Schwarzen 
dorn  im  Iwein,  von  denen  die  jüngere  ebenfalls  den  beiden 
des  romans,  also  dort  den  Iwein,  zu  ihrem  kämpfer  auserwählt. 
—  Ein  echtes  Lanzeletmotiv  ist  die  geschiente  von  Gawan  und 
Antikonie,  nur  in  veredelter  form:  die  jungfrau  liebt  den  — 

*)  Im  zusammentreffen  mit  Jeschute  ist  ein  miirchenzug  aufgegriffen 
(ein  ritter  trifft  eine  dame,  eine  fee,  in  einem  kostbaren  zeit,  auf  einer 
Waldlichtung  nahe  an  einem  bache;  die  mahlzeit;  der  ring),  welcher  im 
lai  von  Lanval,  dann  im  Meieranz  und  im  Gauriel  v.  Muntabel  (weiter  ab 
steht  Partonopier  und  Meliur)  klarer  zur  geltung  kommt 


46 


EHRISMAXX 


hier  fälschlich  dafür  gehaltenen  —  mörder  ihres  vaters  und 
stellt  sich  auf  dessen  seite  gegen  den  eigenen  bruder.  So  ist 
es  auch  nicht  zufällig-,  dass  gerade  diese  liebesgeschichte  einen 
so  ausgeprägt  sinnlichen  Charakter  trägt,  denn  ein  solcher  haftet 
diesem  stoff  von  vornherein  an  (anders  Kinzel.  Zs.fda.30,357ff.). 
Die  heisse  liebesglut  schafft  es  eben,  dass  diese  frauen  sich 
über  alle  moral  hinwegsetzen,  mit  der  denn  auch  Ulrich  im 
Lanzelet  4592  ff.  die  heirat  mit  dem  mörder  zu  begründen  und 
zu  entschuldigen  weiss.  —  Orgelusens  stellune  im  roman  hängt 
aufs  engste  mit  Gramoflanz  zusammen,  dem  Wächter  und  heim 
des  wundergartens.  Sie  ist  eine  brunnennymphe  (vgl.  u.  a. 
Martin,  Zur  gralsage  s.  44).  Parz.  508,  17.  und  herrin  eines 
zaubergartens  511. 21  ff.  (vgl.  die  ähnliche  beschreibung  von 
dem  fröhlichen  leben  in  der  Stadt  zu  Brandigan.  Erec  8060  ff.) 
Sie  fesselt  Gawan  an  sich,  um  ihn  als  rächer  zu  benutzen 
gegen  Gramoflanz.  darauf  reicht  sie  ihm  ihre  hand:  das  ist 
das  Verlockungsmotiv  wie  bei  den  beziehungen  zwischen  Fand 
und  Cuchulinn,  Larie-Amena  und  Wigalois.  Eigentlich  sind 
in  Orgeluse  zwei  ursprünglich  getrennte  personen  zusammen- 
gefallen, denn  sie  ist  zugleich  fee  und  dazu  botin,  die  den 
beiden  zum  abenteuer  reizt  und  abholt.  Zum  botenmotiv  ge- 
hört die  höhnische  art  wie  sie  Gawan  behandelt,  gerade  wie 
die  botin  Nereja  den  Wigalois,  nur  ist  dies  benehmen  der 
damen  in  beiden  epen  verschieden  begründet:  Nereja  spottet 
aus  geringschätzung,  Orgeluse,  um  den  helden  auf  die  probe 
zu  stellen. 

Nach  den  drei  damenabenteuern  tritt  Gawan  an  seine 
grösste  leistung,  die  befreiung  der  gefangenen  frauen  im 
wunderschloss.  Diese  Schöpfung  des  Zauberers  Clinschor  hat 
schon  Martin  (Zur  gralsage  s.  42)  dem  totenreich  gleichgestellt 
Die  läge  und  beschaffenheit  der  bürg  ist  widerum  typisch  (s. 
oben  s.  20,  eine  gläserne  säule  befindet  sich  auch  in  Labrids 
schloss,  Sergl.  Conc  Windisch  1, 217, 16;  anderes  bei  Heinzel, 
Ueber  Wolframs  Parz.  s.  68).  Der  eingang  in  das  Wunderland, 
Terre  marveile,  muss  erkämpft  werden,  darum  der  waffengang 
mit  Lischoys  gwelljus.  Vor  dem  abenteuer  begegnen  Gawan 
personen,  die  ihn  anreizen  oder  warnen,  rätselhafte  gestalten, 
die  zur  ausstattung  der  verwunschenen  landschaft  gehören. 
Die  stelle  des  warners  und  zugleich  Wegweisers  vertritt  Plippa- 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


47 


linot,  der  vornehme  ferge,  der  fährmaim  ins  totenreich  (er 
lässt  sich  dem  reichen  fischerkönig  vergleichen,  der  Parzival 
zur  gralsburg  weist).  Auch  Urians,  die  lustigen  leute  im 
baumgarten  sowie  der  reiche  krämer  sind  gestalten,  die  das 
abenteuerliche  unternehmen  Gawans  fördern.  Neben  der  bürg 
der  gefangenen  frauen  liegt  Clinschors  wald,  ebenfalls  von 
einem  fluss,  Sabins,  umgeben,  mit  reissender  furt  (Ii  gwciz 
prellitis,  gefährlicher  Übergang;  Gawan  fällt  ins  wasser  wie 
im  Karrenritter,  Förster  v.  5126):  diese  anordnung  der  örtlich- 
keiten entspricht  der  läge  von  Joie  de  la  curt  neben  Brandigan 
oder  dem  baumgarten  neben  der  bürg  im  schlimmen  abenteuer 
Iweins.  Dazu  halte  man  die  herren  der  bürg:  auch  sie  sind 
widerholungen  eines  und  desselben  typus,  denn  Clinschor  ist 
Eyrains  und  dem  alten  des  baumgartens  zu  vergleichen;  der 
Verteidiger  des  gartens  im  Parzival,  Gramoflanz,  entspricht 
Mabonagrin.  Doch  während  im  Erec  und  im  Iwein  bürg  und 
garten  zusammengehören  und  nur  em  kämpf  nötig  ist,  finden 
im  Parzival,  entsprechend  der  reicheren  ausgestaltung  des 
ganzen  gemäldes,  zwei  kämpfe  statt,  einer  in  der  bürg  und 
einer  im  garten  (der  erstere  gleicht  wider  dem  schlimmen 
abenteuer  insofern,  als  hier  wie  dort  riesen  und  löwen  im 
spiele  sind).  Immerhin  ist  die  ursprüngliche  Zusammengehörig- 
keit von  bürg  und  garten  im  Parzival  daran  erkennbar,  dass 
beide  werke  des  Zauberers  Clinschor  sind.  Endlich  stehen 
auch  die  weiblichen  figuren  der  drei  episoden  in  parallele,  und 
zwar  Arnive,  die  gefangene  königin,  mit  den  ihrigen  zu  den 
freudelosen  trauen  von  Brandigan  und  zu  den  arbeiterinnen 
der  Pesme  avanture;  und  Orgeluse  steht  in  Wechselbeziehung 
zu  der  dame  in  Joie  de  la  curt  und  der  tochter  des  schloss- 
herrn  im  schlimmen  abenteuer,  denn  sie,  eine  fee,  wird  vom 
helden  ebenfalls  wie  jene  durch  besiegung  des  gartenhüters 
errungen  (der  Zweikampf  Gawans  mit  Gramoflanz  wird  aus 
dem  gründe  nicht  zu  ende  gefochten,  weil  er  für  den  herrn  des 
romans,  Parzival,  aufgespart  ist). 

Gawans  abenteuerreihe  wird  durch  sein  zusammentreffen 
mit  Parzival  geschlossen.  Auch  hier  ist  also  wider  ein  Zwei- 
kampf zwischen  freunden  die  letzte  tat  wie  im  Iwein.  Im 
Parzival  findet  er  an  einem  flusse  statt  (Sabins,  678, 19),  wie 
der  zwischen  Cuchulinn  und  Fer  Diad. 


48  EHRISMANN 

In  dieses  scbema  eines  abenteuerroinans  hineingesetzt  ist 
dann  erst  der  teil  C,  Parzivals  gralssuche.  Während  die 
Parzival-Gawan-geschichte,  A-f  B,  den  stereotypen  verlauf 
eines  romans  aus  der  raatiere  de  Bretagne  nimmt,  steht  die 
erlösung  des  siechen  königs  der  gralsburg  durch  die  frage 
vereinzelt  da.  Hier  ist  nicht  von  Verlockung  des  helden  oder 
von  befreiuug  von  frauen  die  rede.  Parzivals  tun  ist  seit 
seinem  ersten  besuch  der  gralsburg  einzig  gestellt  auf  den 
leuchtenden  punkt  des  ganzen  romans,  die  erlangung  des 
grals.  Es  ist  eine  erlösungsgeschichte,  wie  wir  sie  auch  aus 
der  deutschen  märchenweit  kennen,  hier  etwa:  ein  [keuscher] 
junger  mensch  erlöst  eine  arme  seele,  die  wegen  einer  Sünde 
in  ihrem  schlösse  verzaubert  umgeht,  durch  die  befreiende 
frage.  Es  ist  eine  gespenstergeschichte.  Die  gralsburg  ist 
keine  bürg  der  Fomore,  wenn  auch  einige  typische  einzelheiten 
davon  bei  ihrer  beschreibung  herübergenommen  sind  (unter 
anderm  wird  wider  die  brücke  mehrfach  ausdrücklich  erwähnt 
225, 29.  220, 13.  30  und  besonders  247, 22,  hier  als  gefährlicher 
Übergang;  die  bürg  liegt  an  einem  see),  sondern  sie  ist  ein 
verwunschenes  schloss.  In  der  Krone,  die  manche  alten  züge 
bewahrt  hat,  erwacht  Gawein,  nachdem  er  die  frage  unter- 
lassen, am  andern  morgen  auf  freiem  felde,  die  bürg  ist  ver- 
schwunden (Martin  a.a.O.  s.30.  Heinzel,  Gralromane  s.67.  Hertz, 
Parzival  s.  445):  ein  zauber,  wie  er  in  vielen  unserer  volks- 
sagen  vorkommt;  und  der  gralherr  gibt  sich  v.  29532  und 
sein  gesinde  selbst  als  gespenster  aus:  ich  bin  tot,  stvie  ich 
niht  tot  schin,  unde  daz  gesinde  min,  daz  ist  ouch  tot  mit  mir. 
Dieses  Volksmärchen  von  der  erlösung  einer  verwunschenen 
seele  enthält  also  keine  ausschliesslich  keltischen  züge,  aber 
die  fassung,  die  es  im  Parzival  hat,  steht  doch,  wie  Martin 
und  Heinzel  gezeigt  haben,  der  britischen  sage  vom  fortleben 
des  königs  Artus  sehr  nahe,  den  seine  landsleute  im  Aetna 
an  jährlich  aufbrechenden  wunden  siech  darnieder  liegend 
glauben  (Gervasius  v.  Tilbury),  die,  nach  einer  andem  sage, 
von  seiner  Schwester  fee  Morgan  geheilt  werden.  Eine  in  vielen 
einzelheiten  mit  der  Schilderung  von  Anfortas  leiden  überein- 
stimmende geschiente  wird  in  der  lat.  Visio  Tnugdali  von  dem 
irischen  könig  Cormac  erzählt  (Wagner  s.42ff.):  überaus  prächtig 
ist  sein  schloss,  jedoch  hat  es  nicht  türe  noch  fenster  und  doch 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


leuchtet  es  innen,  als  ob  viele  sonnen  glänzten  (der  palas  der 
gralsburg  erstrahlt  im  lichterglanz,  Parz.  229, 23  ff.).   In  einem 
der  gebäude  sitzt  auf  goldenem  throne  in  reichster  kleidung 
(vgl.  Parz.  231, 2  ff.)  der  könig,  ein  festlicher  aufzug  bewegt 
sich  zu  ihm  hin  von  leuten,  die  geschenke  bringen,  goldene 
und  silberne  kelche  und  becken,  die  sie  dann  auf  tische  setzen, 
wobei  sie  ausrufen:  labores  manuum  tuarum  qui  tnanducabis, 
beatus  es  et  bene  tibi  erit:  ebenso  bringen  die  jungfrauen  den 
gral  vor  Anfortas,  die  kämmerer  goldgefässe  und  Schüsseln  und 
setzen  sie  auf  tische  und  es  beginnt  das  essen.   Aber  der 
könig  Cormac  muss  quälen  dulden,  und  bald  verfinsterte  sieb 
das  haus  und  alle  bewohner  wurden  traurig  und  der  könig 
erhob  sich  und  gieng  weinend  hinaus,  und  bald  sieht  man, 
dass  er  zur  hälfte  in  ein  feuer  getaucht  (das  bis  über  den 
nabel  eintauchen  ist  die  strafe  für  die  fornicatores  et  adulte- 
rantes,  vgl.  Brandes,  Visio  S.  Pauli  s.  U.  76),  zur  hälfte  in  ein 
hären  gewand  gehüllt  ist:  Anfortas  hat  durch  sieMeit  gröziu 
fiur  und  an  im  warmiu  kleit  230, 8  ff.  231, 1  f.   Drei  stunden 
am  tag  muss  Cormac  leiden,  die  übrigen  ist  er  frei:  so  ist  auch 
Anfortas  zeitweise  frei  von  den  plagen.  Diese  strafe  muss  Cormac 
verbüssen,  weil  er  den  eid  der  ehe  verletzt  und  einen  grafen 
hat  töten  lassen:  so  minnte  Anfortas  gegen  das  gebot  des 
grals  und  tötete  einen  gegner  im  Zweikampf. 

Der  gral.  Was  auch  das  geschichtliche  Urbild  dieses 
wunderbaren  gefässes  gewesen  sein  mag,  eine  seiner  eigen- 
schaften  erinnert  doch  an  irische  Vorstellungen:  er  lässt  sich 
nur  von  einer  reinen  frau  tragen,  Parz.  235, 25  ff.  809, 9  ff.,  und 
ist  so  schwer,  dass  ihn  kein  falscher  von  der  stelle  bewegen 
kann,  477, 15  ff.  So  zerspringt  in  Cormacs  abenteuer  (Echtra 
Cormaic,  Zimmer,  Zs.  fda.  33, 267)  Manannans  becher,  wenn  drei 
lügenworte  unter  ihm  gegeben  werden;  nach  der  probe  —  es 
handelt  sich  dabei  auch  um  frauenkeuschheit  —  schenkt  der 
meergott  Cormac  den  becher.  So  dient  auch  die  becherprobe 
(Krone  1072  ff.  Warnatsch,  Mantel  s.  55  ff.)  zur  prüfung  der 
reinheit,  und  dieser  becher  ist  in  der  Krone  ein  geschenk  eines 
meerkönigs,  uz  dem  mer  hünec  Priure,  1013.  Wie  den  gral 
kein  falscher  von  der  stelle  bewegen  kann,  so  ist  die  gräber- 
platte im  Karrenritter  1895  ff.  so  schwer,  dass  sie  nur  ein  auser- 
lesener heben  kann.  Auf  dieser  platte  steht  geschrieben,  dass  der. 

Beitrüge  rar  geschichte  der  deutschen  spräche.   XXX.  4 


Digitized  by  Google 


50  EURISMANN 

welcher  sie  hebt,  die  in  der  erde  gefangenen  erlösen  wird:  so 
erscheint  am  gral  eine  schrift,  welche  die  erlösung  des  Anfortas 
in  aussieht  stellt,  wenn  die  betreffende  bedingung,  das  ist  hier 
die  frage,  erfüllt  wird.  —  Die  mantelprobe  hat  ebenfalls  eine 
andeutung  im  Parzival,  nämlich  damit,  dass  die  reine  Repanse 
de  Schoye  ihren  mantel  dem  reinen  toren  leiht,  dem  er  passt, 
228, 9  ff.  236, 15. 

Die  frage.  Parzival  ist  ein  Opfer  höherer  mächte  ge- 
worden, indem  er  in  conflict  geworfen  wurde  entweder  zu 
fragen,  wodurch  er  das  von  Gurnemanz  auferlegte  gess  'du 
sollst  nicht  fragen'  bricht  (Nutt  s.  211.  Wechssler,  Sage  vom 
heil,  gral  s.  131),  oder  die  frage  zu  unterlassen,  wodurch  er  sein 
glück  verscherzt  (Singer,  Festgabe  für  Heinzel  s.  359).  Auch 
der  Volksglaube  zeigt  beim  fragmotiv  einen  Widerspruch.  Am 
häufigsten  begegnet  das  verbot  zu  reden,  wenn  das  erlösungs- 
werk  gelingen  soll,  so  immer  beim  schatzgraben  (J.  Grimm,  I). 
myth.4  s.811);  aber  es  wird  auch  umgekehrt  verlangt,  man 
soll  den  mut  haben,  eine  verwunschene  person  anzureden  (ebda, 
s.  80 1.  800.  Ernst  Meier,  Sagen  aus  Schwaben  s.  39.  45  f.).  Nur 
ein  keuscher  jüngling  kann,  so  ist  oft  die  bedingung  (auch  im 
afranz.  prosaroman,  Martens,  Roman.  Studien  5, 565.  Hertz,  Par- 
zival s.  447),  die  erlösung  vollbringen,  und  so  sehen  wir,  dass 
jene  hohe  idee  von  der  gattentreue,  die  Wolframs  dichtung 
durchzieht,  in  ihrem  keime  schon  in  der  auffassung  der  Volks- 
märchen liegt. 

Begegnende  personen.  Bei  dem  ersten  besuch  der 
gralsburg  nimmt  der  trauernde  fischerkönig  die  stelle  des 
verlockers  und  Wegweisers  ein  (mit  irhiwen  ich  tu  rate  dar 
225,23).  Auch  Sigune  255, 4  und  441, 18,  der  graue  ritter 
(Kahenis)  und  vor  allem  Trevrizeut,  endlich  die  gralsbotin 
Kundrie  (zu  dieser  vgl.  Martin,  Anz.  fda.  18, 254)  wirken  in 
dieser  richtung. 

Die  zwei  bücher  der  Vorgeschichte  enthalten  keinen  alten 
sagenstoff,  die  taten  Gahmurets  sind  lediglich  zwei  Varianten 
des  motivs  von  der  befreiung  und  erkämpf ung  der  braut  (bei 
dem  kämpf  um  Herzeloide  die  tapferkeitsprobe)  mit  jedes- 
maligem widerverlassen. 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 


51 


Das  märchen  ist  die  grundlage  für  den  stoffkreis  der 
Artusromane.  Klar  sondern  sich  dabei  ausgesprochen  keltische 
Vorstellungen  ab,  vom  feenland  und  totenreich,  und  diese  züge 
keltischen  Volksglaubens  bilden  den  grundstock  der  aventiure 
in  der  matiere  de  Bretagne.    Dass  nun  die  meisten  dieser 
märchenzüge  wirklich  der  keltischen,  speciell  der  irischen  sage 
entnommen  sind  und  nicht  jenem  wandernden  novellenschatz, 
dessen  quellen  meist  ins  unbekannte  zurückgehen  und  welcher 
gemeingut  der  Völker  des  abendlandes  geworden  ist,  das  geht 
aus  der  eigenartigen  auffassung  hervor,  in  welche  der  rohstoff 
der  motive  gekleidet  ist.  Jedes  volk,  wenn  es  eine  solche  er- 
zählung  ausbildet  oder  sie  von  aussen  her  in  seinen  innern 
besitz  aufnimmt,  legt  etwas  von  seiner  seele  hinein.   Hier  ist 
nun  schon  die  landschaft  ein  getreues  abbild  der  süssen  ge- 
filde,  in  welchen  die  schönen  frauen  der  irischen  idealweit  ihr 
seliges  genussieben  führen,  und  die  Schilderungen  des  gegen- 
stiicks,  jener  furchtbaren  Zwingburgen,  lehnen  sich  ebenfalls  an 
irische  Vorstellungen  an.   Die  äussere  form,  in  welcher  die 
beiden  hauptmotive  zur  erscheinung  gelangen,  ist  ebenso  mit 
irischen  zügen  ausgestattet:  eine  botin  wird  ausgesant,  um  den 
retter  zu  werben,  die  Verletzung  des  gebots  der  dame  wird 
durch  liebeswahnsinn  gestraft  und  die  heilung  geschieht  durch 
eine  wunderbare  salbe  u.s.w.   Kurz,  die  ausgestaltung  eines 
motivs  zn  einem  vollen  lebensbild  geschieht  zum  teil  mit  den- 
selben mittein,  wie  wir  sie  in  der  irischen  heldensage  finden. 
Xoch  weiter  gleiche  bezüge  aufzählen  hiesse  nur  das  vorher- 
gehende wider  ausschreiben.  Das  sind  nicht  mehr  bloss  einzelne 
grundzüge,  einzelne  gedanken,  die  von  dem  einen  volk  unter 
dieser  vom  andern  unter  jener  form  appercipiert  werden,  es  sind 
weit  ausgesponnene  ideenreihen,  gestaltenreiche  erzählungen, 
die  nur  unter  ganz  bestimmten  bedingungen  entstanden  sein 
können  und  die  den  ausdruck  einer  bestimmten  volksindivi- 
dualität  bilden.   Ja  schon  die  literargeschichtliche  erwägung 
Hut  es  für  einfacher  und  natürlicher  erscheinen,  dass  die 
französischen  dichter  diese  Stoffe  aus  der  keltischen  sage,  denn 
dass  sie  sie  aus  dem  allgemeinen  novell enschatze  übernahmen: 
es  finden  sich  ja  genug  sicher  keltische,  wenn  auch  zunächst 
bretonische,  anleihen  in  ihren  epen,  man  sieht  und  kennt  die 
grosse  Vorliebe  für  keltische  Stoffe.   Von  Britannien  oder  der 

i* 


52 


EHRISMANN 


Bretagne  und  von  Irland  müssen  die  helden  stammen,  das  gibt 
ihnen  schon  ein  stärkeres  relief.  Ja,  einige  Verfasser  alt- 
französischer Artusromane  zeigen  eine  ausgeprägte  Vorliebe 
für  hereinziehen  irischer  örtlichkeiten:  der  des  Durmart  (Rist 
litt,  de  la  France  30, 153);  der  des  Rigomer,  dessen  Schilde- 
rungen irischer  Verhältnisse  so  treffend  sind,  dass  sie  wol  auf 
eigener  anschauung  beruhen  müssen  (Hist,  litt,  30, 95);  Guil- 
laume  le  Clerc  endlich,  der  Verfasser  des  Fergus,  hielt  sich  wol 
einige  zeit  in  Schottland  auf. 

In  der  ersten  hälfte  des  12.  jh/s,  als  Gottfrid  von  Monmouth 
die  sagenhaften  heldentaten  des  bretonischen  Volkes  ins  un- 
geheuerliche ausmalte,  bestand  auch  in  Irland  ein  reges  ge- 
lehrtes interesse  an  der  heimischen  Sagendichtung,  denn  aus 
jenen  Jahrzehnten  stammen  die  beiden  ältesten  grossen  irischen 
sammelhandschriften.  Von  Irland  aus  muss  die  nationale 
Cuchulinnsage  zu  den  Cymren  -  Bretonen  Englands  und  der 
Bretagne  gelangt  sein,  wo  sie  auf  verwante  anschauungen 
traf.  Von  den  Bretonen  kam  Artus,  von  den  Iren  stammen 
viele  der  ruhmreichen  taten  seiner  helden  und  zum  teil  auch 
die  berückenden  frauen  in  ihrer  wonneweit, 

Diese  irisch  -  bretonischen  phantasien  bargen  aber  solche 
bedingungen  in  sich,  dass  sie  in  der  tat  zum  ausdmck  für  die 
ideen  der  aristokratischen  hofgesellschaft  des  12.  jh.'s  werden 
konnten.  Die  ideale  des  rittertums,  heldentum  (vgl.  Martin, 
Anz.  fda.  18,260)  und  minne,  fand  man  hier  schon  vorgebildet, 
und  ein  held  wie  Cuchulinn,  der  eine  dame  dadurch  zur  ge- 
liebten gewinnt,  dass  er  ihr  in  ihrer  bedrängnis  gegen  die 
feinde  zum  siege  verhilft,  musste  dem  herzen  eines  höfischen 
ritters  wolgefallen.  Die  alten  lieblinge  des  volkes  konnten 
doch  den  neuen  zielen  nicht  mehr  genügen,  denn  die  recken 
der  heldensage  wussten  nichts  von  minne. 

Die  überlieferten  sagenstoffe  herschen  in  den  heroischen 
teilen  der  Artusepen  so  unbedingt  vor,  dass  dagegen  die  selb- 
ständige erfindung  der  höfischen  dichter  ganz  verschwindet. 
Nicht  selbst  gebildet  hat  Chrestien  den  Stoff,  sondern  um- 
gebildet, und  das  gesetz  der  tradition,  welche  überhaupt  die 
denkform  des  geistigen  Schaffens  im  mittelalter  ausmacht,  be- 
herscht  auch  die  französische  höfische  literatur.  Aber  die 
kunst,  mit  der  Chrestien  das  gegebene  material  umformt  und 


Digitized  by  Google 


MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EP08. 


53 


vor  allem  der  reiche  gedankeninhalt,  den  er  hineinlegt,  die 
grossen  probleme  des  Seelenlebens,  durch  die  er  seine  gestalten 
sich  durchringen  lässt,  das  ist  sein  eigentum  und  das  sind 
die  taten  eines  grossen  geistes. 

Aber  wir  können,  wenn  wir  den  inhalt  seiner  romane  an 
den  durch  die  Überlieferung  gegebenen  motiven  messen,  auch 
die  grenzen  seiner  kunst  beurteilen.  So  hat  schon  G.  Paris 
die  mängel  der  compositum  in  der  Brandigan- Joie  de  la  curt- 
episode  aufgedeckt  und  wir  konnten  oben  die  gründe  dafür 
tiefer  legen,  indem  wir  sie  als  eine  zusammenschweissung 
zweier  ursprünglich  getrennter  bestandteile  erkannten.  Oder 
ein  anderes  beispiel:  Parzivals  läuterungsprocess  blieb  un- 
geschrieben, der  held  verschwindet  während  Gawans  aben- 
teuerlauf  und  Chrestien  entzieht  den  heim  der  aventiure 
während  dieses  Zeitraums  unsern  blicken.  Das  hängt  damit 
zusammen,  dass  Parzival  als  träger  jener  erhabenen  idee  eine 
Schöpfung  Chrestiens  ist;  für  die  entfaltung  solch  grosser  ge- 
danken  aber  hatte  er  kein  vorbild  und  seine  kraft  war  zu 
schwach,  um  taten  für  den  helden  zu  erfinden,  die  würdig 
gewesen  wären,  als  symbol  für  das  durchringen  der  irrenden 
seele  zur  gralsreinheit  zu  gelten. 

Und  auch  schon  die  ethische  färbung,  die  Chrestiens 
romanen  den  hohen  gedankenwert  verleiht,  war  in  der  Über- 
lieferung manchmal  vorgedeutet.  Wie  Enite  in  traumreden 
ihrem  gatten  Erec  vorwürfe  über  sein  verliegen  macht,  so 
tadelt  Emer  ihren  gatten  Cuchulinn,  dass  er  sich  wegen 
frauenliebe  hinlege.  Und  Laudine,  'die  treulose  witwe',  mag 
es  von  ihrer  feennatur  haben,  denn  es  ist  die  art  dieser  hold- 
seligen geschöpfe,  dass  sie  unbeständig  in  der  liebe  sind.  So 
war  Fand  dem  Manannan,  dem  gott  des  meeres,  vermählt, 
aber  sie  sucht  die  liebe  Cuchulinns,  und  in  ihrem  lied  der 
reue  klagt  sie  selbst,  dass  sie  ihren  gatten  aus  göttergeschlecht 
treulos  verlassen. 

Auf  märchenmotive  bauen  sich  die  Artusepen  auf.  Von 
hier  aus  wird  die  brücke  zu  schlagen  sein  zum  späteren 
deutschen  volksepos.  Der  Laurin  z.  b.  enthält  dieselbe  grund- 
lage  wie  die  erzählung  vom  raub  der  Ginover  durch  Melea- 
ganz  im  Karrenritter:  der  zwerg  im  volksepos  als  raädchen- 
räuber  (Holz  s.  xxxv  und  xxxxi)  wie  der  riese,  der  Fomore, 


Digitized  by  Google 


54  EHRISMANN,  MÄRCHEN  IM  HÖFISCHEN  EPOS. 

im  Artusroman;  ein  rosengarten,  bloss  mit  einem  faden  umzogen 
statt  eines  zaunes  (wie  die  hofesfreude),  daneben  der  berg  mit 
der  geraubten  jungfrau  (Künhilt)  in  der  deutschen  landschaft, 
die  feeninsel  und  das  land  obne  widerkehr  mit  der  uneinnehm- 
baren bürg  in  der  irischen.  Ebenso  liegen  die  ursprünglichen 
(Holz  s.c)  märchenzüge  im  Rosengarten  klar:  der  rosengarten 
entspricht  dem  land  der  fee  von  Joie  de  la  curt,  der  Zweikampf 
zwischen  Sigfrid  und  Dietrich  dem  zwischen  Mabonagrin  und 
Erec.  Für  die  beziehungen  des  Wolfdietrich  und  der  alt- 
französischen  literatur  ist  vor  allem  auf  Heinzeis  gegenüber- 
stellung  (Ostgot.  heldensage  s.  77  ff.)  zu  verweisen;  und  auf 
grund  von  Sarans  anregung  ist  neuerdings  der  stoff  des  Ecken- 
liedes als  ursprüngliche  Artusepisode  erwiesen  worden  (Frei- 
berg, Beitr.  29, 1  ff.).  Eine  schroffe  trennung  zwischen  nationaler 
und  höfischer  dichtung  ist  nicht  zu  machen.  Die  romanischen 
cultureinflüsse  sind  schon  zu  tief  in  das  nationale  leben  ein- 
gedrungen. Und  somit  stehen  wir  auch  hier  bei  der  für  die 
geschiente  unserer  geistesbildung  im  mittelalter  wichtigsten 
aufgäbe,  das  ist  die  beobachtung  der  Verschmelzung  der  ger- 
manischen und  romanischen  demente  im  deutschen  geistesleben. 

HEIDELBERG.  GUSTAV  EHRISMANN. 


Digitized  by  Google 


BEITRÄGE  ZUR  WESTGERMANISCHEN 

GRAMMATIK. 

A.  Zur  Vertretung  von  urgerm.  -zn-  im  westgermanischen. 

Die  frage  nach  dorn  entwicklungsgange,  der  von  germ. 
*razn-  'haus'  zu  ae.  am,  von  *hrazn-  'woge'  zu  ae.  harn 
geführt  hat,  ist  in  letzter  zeit  mehrfach  gegenständ  der  er- 
örterung  gewesen.  Schwierigkeit  macht  vor  allem  die  be- 
handlung  der  lautgruppe  zn.  Hatte  man  ursprünglich '  die 
reihe  *razn  >  *rasm  >  *asrm  >  wrn  aufgestellt,  wobei  die 
durch  metathesis  entstandene  lautgruppe  rzn  dasselbe  Schicksal 
erfahren  haben  sollte  wie  die  ursprüngliche,  die  z.  b.  in  ae. 
hyrnetu,  stamm  *hurznutiö-  vorliegt,  so  wurde  diese  auffassung 
hinfällig,  als  man  auf  alte  formen  ohne  metathesis  wie  Ef.  1137 
rendegn,  Ep.  400  hraen  stiess;  Bei tr.  9,  210  führte  Sievers 
diese  direct  auf  *ra>zn-,  *hra>zn  zurück.  Es  war  damit  in 
den  beiden  ae.  Worten  dieselbe  behandlung  von  -zn-  statuiert, 
wie  im  nordischen  regel  ist,  während  nach  der  gewöhnlichen 
meinung  inlautendes  z  des  westgerm.  durchgängig  in  r  über- 
geht. Dieselbe  anschanung  vertritt  unter  andern  auch  Kluge, 
Pauls  Grundr.  12,372  (und  schon  Beitr.  8,525),  der  ebda,  s.  1018 
geneigt  ist,  die  abweichende  entwicklung  von  zn  in  leornian 
aus  *liznöian  dem  einflusse  von  Imran  zuzuschreiben. 

Dennoch  ist  ein  lautgesetzlicher  Übergang  von  zn  zu  rm 
im  ae.  oder  im  westgerm.  überhaupt  durchaus  nicht  allgemein 
anerkannt.  So  hält  George  Hempl,  Anglia  24, 386  f.  leornian 
für  den  lautgesetzlichen  typus  und  lässt  ae.  ra-nn-  und  kramn 
durch  intern  ae.  entwicklung  aus  *ra>m-  und  *hrwrn-  ent- 
standen sein,  indem  das  zweite  r  durch  progressive  dissimilation 
zu  n  geworden  wäre.  Den  entgegengesetzten  weg  widerum 
beschreitet  Francis  A.Wood,  IF.  13,121  bei  besprechung  einiger 


Digitized  by  Google 


56 


WEYHE 


fälle  von  'anscheinendem'  schwand  eines  westgerm.  inlautenden 
z\  er  verleg  das  nebeneinander  von  formen  mit  und  ohne  z 
resp.  r,  von  ae.  twin  nl.  ttrijn  -zwirn,  leinen'  einerseits  und 
mhd.  zwirn  andrerseits,  von  as.  Unon  'lernen'  neben  ahd.  lernen 
ae.  leomian  in  die  indog.  urzeit  und  findet  in  der  annähme 
alter  wurzelvariation  eine  erklärung,  die  man  auf  das  paar 
linon  :  lernen  nur  ungern  anwenden  möchte,  und  die,  was  die 
morphologische  gleichsetzung  von  twin  mit  dem  lit  dual  dvynü 
'zwillinge'  betrifft,  schon  Brugmann  in  seinem  Grundr.  I2, 779 
als  bedenklich  bezeichnet  hatte.  Zum  capitel  der  assimilation 
von  zn  zu  nn  gehören  twin  aus  *twlzna-  und  linon  aus  *liznö- 
insofern,  als  hier  ebensogut  assimiliertes  -nn-  nach  langem 
vocale  vereinfacht  wie  zufolge  der  theorie  von  Sievers  z  nach 
langem  palatalen  vocale  ausgefallen  sein  kann  (nach  Beitr. 
18,409  linon  zu  beurteilen  wie  ae.  med  aus  *mei[z]dö-;  vgl. 
Sievers,  Zum  ags.  voc.  s.  25  nd.  hede  aus  *hei[z]Öön-  und 
Pogatscher,  Anglia  Beibl.  12, 197). 

Trotz  dieser  neueren  erklärungsversuche  besteht,  glaube 
ich,  die  alte  anschauung  zu  recht,  die  in  diesen  differenzen 
nicht  die  ergebnisse  urindogermanischer  oder  altenglischer, 
sondem  die  einzeldialektischen  nachwirkungen  im  letzten 
gründe  urgermanischer  lautvorgänge  sieht 

Auffälliges  hat  ein  Übergang  von  zn  zu  nn  in  den  west- 
germ.  dialekten  ja  durchaus  nicht  an  sich.  Abgesehen  von 
der  gleichlaufenden  entwicklung  in  den  nord.  sprachen  braucht 
man  nur  an  den  Übergang  von  zm  in  mm  zu  erinnern,  der 
wo]  gewöhnlich  für  urgerm.  gilt  Nach  ausweis  von  got 
mimz  war  mz  urgerm.  noch  erhalten;  westgerm.  scheint  auch 
dieses  zu  mm  geworden  zu  sein,  wofür  as.  thimm  'dunkel' 
(Hei.  C5627)  aus  indog.  *temsös  spricht,  vgl  die  gleichbedeutenden 
adj.  aind.  tamasä-  und  lit  tamsüs.  Dem  fügt  sich  denn  die 
assimilation  von  zn  zu  nn  gut  an. 

Das  ne.  dun  'schwarzbraun,  dunkel'  ist  bereits  im  ae. 
mehrfach,  besondere  zur  bezeichnung  von  tierfärbungen  belegt; 
es  hat  geminiertes  n.  Vgl.  Leid.  gll.  29  lapides  onichinos- 
dwine;  Aelfrics  Heil-leben  18, 112  pone  dunnan  oxan\  WrW. 
278,13  balidus-dwwn;  in  composs.  ebda,  202,6  cervinus -dun fealu; 
246,4  ruscus  -dungr&j.  Dieses  dumx  nun  sieht  man  gewöhnlich 
als  entlehnung  aus  dem  keltischen  an,  wo  (nach  Kluge -Lutz 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


57 


s.  dun)  altir.  gäl.  dorm  gleiche  bedeutung  haben  und  bei 
früher  heriibernahme  allerdings  dunn  hätten  ergeben  müssen; 
und  man  stützt  diese  annähme  durch  den  hinweis  darauf,  dass 
sich  in  den  germanischen  sprachen  sonst  keine  verwante  fänden. 
Nim  ist  es  aber  in  hohem  masse  auffallend,  dass  bei  der 
geringen  zahl  alter  entlehnungen  aus  dem  keltischen  ins 
englische  (Kluge  in  Pauls  Grundr.  I2, 929)  ein  wort  herüber- 
genommen wäre,  das  nicht  etwa  irgend  eine  neue  cultur- 
errungenschaft  bezeichnete,  für  das  man  vielmehr  genügend 
synonyma  besass.  Skeats  Zusammenstellungen  irischer  lehn- 
worte  in  seinen  Principles  of  English  Etymology  führen  denn 
auch  dun  als  einziges  adjectiv  auf. 

In  der  tat  steht  das  ae.  wort  im  germanischen  nicht 
isoliert  Liegt  es  schon  nahe,  den  aisl.  namen  dunna  der 
braun  und  grau  gefärbten  Stockente,  anas  boschas,  mit  ihm 
in  Verbindung  zu  bringen,  so  ist  das  adj.  im  altsächsischen 
direct  überliefert;  dort  bieten  die  glossen  V°  (Wadstein,  KAS. 
109,16  =  Ahd.  gll.  2,716, 12;  an  ae.  quelle  wird  hier  kaum 
zu  denken  sein)  in  einem  abschnitt  'De  equis'  spadix  (=  schwarz- 
braun) dun^  und  hieran  schliessen  sich  einige  weitere  belege, 
die  die  entstehung  des  geminierten  n  aus  zn  erweisen.  Die- 
selben as.  glossen  'De  equis*  haben  ebda.  109, 23  dosan  myrteus 
('kastanienbraun')  und  dies  bildet  in  der  bedeutung  den  Über- 
gang zu  ahd.  tusin  gilvus,  sicut  equus  (Graff  5, 460)  und  den 
mhd.  tusen-var,  -vech,  die  man  im  anschluss  an  die  lat.  Über- 
setzung des  ahd.  Wortes  als  'gelbfarben,  gelbbunt'  erklärt. 
Indirect  bezeugt  ist  die  germanische  form  mit  stimmlosem  s 
endlich  offenbar  durch  mittellateinisch  dosinus,  das  nach  Du 
Gange  (1842)  2,  932  'equus  asinini  pili',  also  ein  pferd  von 
der  färbung  der  esel,  ein  aschgraues  pferd  bedeutet.  Unter 
den  nomina  colorum  in  dem  ae.  glossar  Aelfrics  wird  WrW. 
163,16  die  ins  spätlateinische  übergegangene  german.  form 
mit  stimmlosem  s  direct  durch  die  ae.  mit  ursprünglich  stimm- 
haftem glossiert:  dosinus,  vel  cinereus- assedun  'eselgrau'.1) 

')  Isidors  etymologie,  Orig.  lib.  XII,  cap.  1  lautet  allerdings  weit 
anders:  'dosinus  equus  dictus,  quod  sit  colore  deasino'Du  Cange  a.  a.  o.; 
etwas  abweichend  in  der  WolfenbÜttler  hs.,  vgl.  Boehmer,  De  colorum 
nominibus  equinorum  in  seinen  Rom.  stnd.  1, 247 f.;  Uber  dosinus  sagt 
dieser  gelehrte  ebda.  251:  'Quod  vocabulum  quid  proprie  sibi  velit  explorare 

4a 


Digitized  by  Google 


Wethe 


Während  die  ursprüngliche  snffixgestalt  der  hochdeutschen 
Wörter  nicht  sicher  feststeht,  werden  as.  donan  und  as.  ae. 
dun(n)  ein  westgerm.  paar  *dosna~  *dozna-  repräsentieren.  Die 
assimilation  des  z  im  ae.  fällt  dann  noch  vor  die  zeit,  wo  o 
durch  den  einfluss  folgender  nasale  zu  u  wurde:  *domi  zu  dunn 
wie  etwa  nonna  zu  nunne.  Diese  einwirkung  des  nasals 
war  noch  in  der  insularen  zeit  des  englischen  lebendig,  vgl. 
Pogatseher,  Lehnworte  s.  104.  Für  das  n  von  as.  dun  bieten 
sich  formen  wie  tvunon,  giwuno,  wunodsam,  huney  zum  ver- 
gleich, Holthausen,  As.  ER  §  88,  a.  1. 

Das  kelt.  donn  also  steht  zu  dem  ae.  dünn  nicht  in  dem 
Verhältnis  von  vater  und  söhn;  vielmehr  lassen  sich  beide, 
soviel  ich  als  laie  im  keltischen  beurteilen  kann,  auf  dieselbe 
indog.  grundform  *dhusno-  zurückführen.')  Der  gleiche  stamm 
mit  abweichendem  suffix  liegt  noch  in  einem  andern  ae.  worte 
vor:  wie  dunn  im  suffix  mit  dem  keltischen  do?in  überein- 
stimmt, ist  das  gleichbedeutende  ae.  dox  (aus  *do$c,  vgl.  ne. 
dusk;  belegt  Napier,  OK.  glL  1,  532  mit  anm.)  mit  lat.  fuscus 
identisch  (Kluge,  ESt.  11,511;  anders  über  fuscus  Pedersen, 
HB.  19, 300.  Solmsen,  KZ.  34, 26).  Denn  mag  auch  das 
klassisch -lateinische  fmcus  langes  u  haben,  so  setzen  doch 
die  entsprechungen  der  romanischen  sprachen  wie  ital.  fosco 
eine  nebenform  mit  kürze  voraus,  vgl.  Gröber,  A.  L.  L.  2, 430. 
Über  das  Verhältnis  von  lat.  furvos  zu  fuscus  siehe  Bmgmann 
in  seinem  Grundr.  I5, 108.  —  Genau  dieselben  suffixe  kehren 
z.  b.  wider  bei  der  farbenbezeichnung  ae.  hasu  'grau'  neben 
lat.  cascus  und  eänus  aus  *camos. 

Bei  dem  Übergang  von  *dozn-  zu  *donn,  dunn  ist  eine 
erklärung,  wie  sie  Hempl  für  ren~,  hrati  vorgeschlagen  hat, 
ausgeschlossen;  es  kann  nur  assimilation  vorliegen,  die  dem- 
nach auch  für  jene  fälle  anzunehmen  sein  wird.2)  Weniger 

non  potui'.  —  Den  hinweis  auf  diesen  aufsatz  verdanke  ich  der  freund- 
lichkeit  von  herrn  prof.  Sievers. 

>)  Nachträglich  ersehe  ich,  dass  bereits  Stokes,  Urkelt.  Sprachschatz 
s.  152  fragt:  'donno-s  aus  *dusno-s'i  vgl.  lat.  fuscus,  engl,  dusk.' 

*)  Nichts  sicheres  beizutragen  weiss  ich  zu  der  frage,  ob  in  oern  und 
harn  umlaut  vorliegt  oder  der  Stammausgang  des  einen  mit  dem  von 
got.  razn,  aisl.  rann,  des  andern  mit  dem  von  ion.  xpij'w/  etc.  übereinstimmt, 
ob  danach  die  'tonerhtihung'  von  a  zu  a  der  assimilation  vorangegangen 
und  letztere  erst  im  einzelleben  der  westgenn.  dialekte  vollzogen  ist 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


59 


sicher,  da  noch  andere  möglichkeiten  in  betracht  kommen, 
bleibt  es  dagegen,  ob  auch  ae.  twinn  'doppelt',  belegt  z.  b. 
Napier,  OE.  gll.  1, 1836  gemina  i.  dwpla- tivinnum,  ebda.  5085 
twintic,  twifealde  mitsammt  aisl.  tvinnr  tvennr  'aus  zwei  ver- 
schiedenen teilen  bestehend,  doppelt'  dem  lat.  bini  gleich- 
zusetzen und  auf  indog.  *dui$nös  zurückzuführen  ist,  ob  ferner 
das  nebeneinander  des  a- Stammes  ae.  Achvinnas  'zwillinge' 
einerseits,  des  gleichbedeutenden  w- Stammes  as.  itwisan  ae. 
getwisan  andrerseits  auf  abspaltung  aus  einem  ursprünglich 
einheitlichen  paradigma  *gatwisöy  gen.  *<jatwiziiäs  beruht. 

Nach  der  auffassung,  die  in  leornian  den  typus  laut- 
gesetzlicher Vertretung  von  zn  sieht^  müsste  das  in  got,  arkazna 
vertretene  suffix  im  ae.  etwa  -ern  lauten  im  gegensatz  zu 
bildungen  mit  stimmlosem  s  wie  lyfesn.  Ein  solches  suffix 
aber  scheint  zu  fehlen.  Die  berufung  darauf,  dass  das  got.  z 
nach  dem  Thurneysenschen  gesetze  von  der  spirantendissi- 
milation  aus  stimmlosem  s  hervorgegangen  sein  (vgl.  dazu 
jetzt  Streitberg,  IF.  14, 493  f.),  entsprechungen  von  zn  daher 
im  westgerm.  nicht  erwartet  werden  könnten,  hilft  nicht  viel, 
da  die  Priorität  des  stimmlosen  lautes  durch  nichts  bewiesen 
ist  Nim  existiert  allerdings  im  northumbr.  ein  suffix  -ern  in 
den  Worten  wästern  'wüste',  fiestem  'fasten',  efem  'abend', 
das  man  auf  den  ersten  blick  hier  anzuknüpfen  versucht  ist.  Dies 
•ern  hat  jedoch  mit  dem  gotischen  suffixe  sicher  nichts  zu  tun, 
wie  schon  allein  eine  betrachtung  seines  Vorkommens  ergibt. 

In  den  dialekten  südlich  des  Humber  fehlt  das  r  in  der 
enduiig  der  drei  neutralen  -io- stamme  durchaus,  die  flectierten 

Doch  scheint  die  annähme  Bülbrings,  wonach  die  grnndform  von  augl. 
-ern  metathesis  des  r  bereit«  vor  der  brechungszeit  erfahren  hätte,  kaum 
mit  den  alten  anglischen  belegen  wie  Ef.  1137  rendcgn,  Zs.  fda.  33, 245,  42 
hordren,  246, 80  ^aii6'mi  vereinbar,  denen  vielleicht  mit  ronservierung  der 
alten  form  durch  die  alliteration  noch  renucardas  Beow.  770  zuzufügen  ist 
('behaupter  der  halle',  vgl.  seleweard;  kaum 'vorzügliche' oder 'gewaltige' 
hüter).  —  Metathesis  ist  anscheinend  zuerst  eingetreten  im  zweiten  com- 
positionsglied  bei  einsilbigem  vordergliede,  vgl.  rendegn  Ef.  1137,  aber 
uuinaern  Ep.  Ef.  1040.  Cp.  1983,  berennt  mit  haplologie  aus  *bcrerennc 
Dnrh.  adraon.  18  und  meieren  in  einer  Urkunde  von  867  (OET.  Ct.  31, 3), 
aber  seaUem  in  urk.  von  858  (ebda.  Ct.  28, 5, 24) ,  seaUernstcaU  in  dgl. 
von  863  (Ct.  90, 7),  hordern  Blickl.  gll.  10,  VPs.  143, 13  und  hondenmm 
VHy.  7, 52. 

4  a* 


Digitized  by  Google 


60 


WETHE 


formen  lauten  westennes  n. s.w.1)  Auch  die  vergleichung  mit 
den  andern  germ.  sprachen  erweist  die  unursprünglichkeit  des 
suffixes;  as.  fastunnea  und  wöstunnea  zeugen  für  seine  enge 
verwantschaft  mit  dem  von  got.  fastubni,  und  nur  über  den 
ursprünglichen  ausgang  von  &fen  könnte  man  im  zweifei  sein. 
In  seinen  überzeugenden  ausführungen  über  das  Verhältnis 
der  dentale  in  ahd.  äband  as.  ätawl  gegenüber  aisl.  aptann 
ae.  o-ften  sieht  Brugmann,  IF.  5, 376  ae.  cefen  als  neubildung 
für  lautgesetzliches  mfend  an.  Man  könnte  danach  wfen  etwa 
als  compromissform  zwischen  (pften-  und  mfend  oder  als  an- 
gelehnt an  morgen  betrachten.  Es  steht  jedoch  einer  laut- 
gesetzlichen herleitung  nichts  im  wege,  da  der  im  ae.  neutrale 
-Mi- stamm  ccfcnn-  direct  auf  eine  grundform  westgerm.  *äban- 
[Ö]ia-  zurückgeführt  werden  darf;  damit  ist  aber  zugleich  das 
relativ  hohe  alter  der  -Mi-ableitung  erwiesen.  Das  im  ae. 
also  gleiche  suffix  der  drei  worte,  durch  das  sie  eng  associiert 
waren,  hat  nun  offenbar  auf  northumbr.  boden  die  ausdehnung 
einer  neuerung,  der  eines  von  ihnen  zum  opfer  fiel,  auf  alle 
drei  veranlasst.  Wo  diese  neuerung  anhub,  scheint  aus  dem 
verhalten  von  R2  hervorzugehn. 

Hier  weist  Lindelöfs  glossar  das  -ern  constant  nach  nur 
in  dem  sechsmal  belegten  efern  und  einmaligem  eferntid;  den 
sechs  wcSsterfiy  wästernc  steht  ebenso  oft  unSstenne,  dem  einen 
festerne  steht  ein  festennum  gegenüber.  Im  Rit.  gehn  da- 
gegen nach  Lindelöf,  Spr.  d.  Rit.  s.  105  bei  allen  drei  Worten 
beide  suffixformen  nebeneinander  her:  z.  b.  woesternes  86, 9, 
festem  14,12,  eferne  36,19,  efemlic  179,3  neben  woesten  1,9, 
faestin  9,15,  cfenlicc  166,2.  Li.  endlich  hat  (vgl.  Cooks  glossar) 
in  häufigen  belegen  stets  -ern-  mit  ausnähme  von  festen 
Mt.  I  7, 3. 

Dass  die  worte  für  abend  und  morgen  sich  im  germ.  nicht 
selten  gegenseitig  beeinflusst  haben,  ist  bekannt,  vgl.  Kluge, 
Et.  wb.  s.  abend.  Aus  dem  ae.  kann  etwa  angeführt  werden, 
dass  formen  wie  morgenne,  ö?rmergenne  nach  ftfen  gebildet 
sind  (Cosijn,  Aws.  gr.  2, 15),  andrerseits  mfen  auch  als  masc 
wie  morgen  erscheint  (Sievers,  Ags.  gr.3  §  248, 2).   In  diesem 


x)  Das  Gedicht  auf  Durham,  Bibl.  d.  ags.  poea.  1, 389,  verleugnet 
also  mit  fccstem  (zeile  6)  seine  herkunft  nicht. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WE8TGERM.  GRAMMATIK. 


61 


falle  hat  dagegen  offenbar  das  wort  für  vormittag  und  mittag, 
undern,  gewirkt;  man  vgl.  die  enge  Verbindung  von  mfcn  und 
undern1)  in  Wendungen  wie  on  undern  ond  on  cpfen  und  in 
den  parallelbildungen  underngereord  aifengereord ,  underngieß 
ä'fengiefl,  undcrnmete  (Bfenmete,  undernsong  und  älfensong.  Dass 
im  northumbr.  die  neubildung  von  efern  aus  nicht  auch  morgen 
ergriff,  lag  wohl  daran,  dass  dieses  im  suffix  abwich. 

Können  also  diese  erscheinungen  nicht  für  einen  Über- 
gang von  zn  zu  rn  in  unbetonter  silbe  zeugen,  so  scheint  ein 
anderer  beleg  vielmehr  die  gleiche  assimilation  hier  wie  in 
haupttoniger  Stellung  zu  erweisen. 

Ep.  123  steht  bacidones  'dolden' -redisnac,  Ef.  redi&iac, 
ebso.  WrW.  269, 17  uacedo-rafrVw;  Cp.  260  hat  dagegen  baci- 
dones- raedinne,  und  dem  entspricht  ra>denne  in  den  Gll.  Cleop.  II, 
WrW.  357, 18.  Da  m  im  ae.  auch  in  unbetonter  silbe  fest 
(vgl  lyfesn;  späte  assimilationen  wie  in  dem  dreimaligen 
öionne  Li.  gegenüber  27  mal  diosne,  mit  unursprünglicher  laut- 
gruppe  -sji-,  kommen  natürlich  nicht  in  betracht),  wird  auch 
lüer  der  reflex  eines  alten  wechseis  von  m  rnid  vorliegen; 
vermutlich  verteilten  sich  die  beiden  Suffixgestaltungen  (ähn- 
liches bei  med :  meord)  auf  verschiedene  dialekte,  da  es  nicht 
wahrscheinlich  ist,  dass  dieselbe  Sprachgenossenschaft  in  ein 
und  demselben  worte  von  nrgerm.  zeit  her  beide  suffixformen 
nebeneinander  geführt  hätte,  ohne  dass  eine  bedeutungsdifferenz 
vorlag. 

Das  <r  der  ersten  silbe  weist  auf  länge,  dem  auch  das 
dialekt.  e  nicht  widerspricht.  Vermutlich  ist  das  wort  mit 
nhd.  rade  zu  verknüpfen,  dessen  d  aus  dem  nd.  stammt  und 
das  zumeist  langes  a  aufweist;  belegt  ahd.  als  rata,  mnd.  als 
rode,  rüden  t  radel,  vgl.  auch  Kluge,  Et.  wb.  s.  v.  Es  liegt 
wol  ursprünglich  eine  einfache  s-ableitung  zu  gründe,  wie 
sie  gerade  bei  pflanzenbezeichnimgen  nicht  selten  ist,  ae. 
hromsa,  mhd.  ramse,  ahd.  hulis,  hd.  knospe,  tresjw  mit  Um- 
stellung für  und  neben  trefsc  u.  a.  Zu  dieser  einfachen  s- 
ableitung  verhielte  sich  dann  die  n- erweit  erung  wie  in  den 
bekannten  beispielen,  so  ahd.  uohsana  zu  ochasa,  uohisa. 


')  Auch  an.,  undom  ok  aptan  Vqluspä  6,5;  vgl.  got.  acc.  undaur- 
nimat  aißpau  nahtamat. 


Digitized  by  Google 


62 


WEYIIK 


Es  ist  danach  nicht  ausgeschlossen,  dass  sich  auch  in  dem 
•nn-  anderer  ae.  suffixe  altes  zn  verbirgt  Vergleicht  man 
z.  b.  got.  hlaiwasna  'grab'  auf  der  einen,  aonfk.  burgisli  n. 
'sepulchrum'  und  ae.  hjrgels  DL  auf  der  anderen  seite,  so  wird 
man  sich  das  gleichbedeutende  ae.  fem.  byrgen  (nn)  in  got, 
form  eher  als  *baurgima ,  urg.  *bnrgizn(h,  denn  als  got 
*burgufni  denken. 

Auch  in  den  von  Kluge,  Beitr.  8, 521  f.  gefundenen  bei- 
spielcn,  die  wie  ahd.  hornuz,  hirni  Übergang  von  rzn  zu  m 
zeigen,  ist  theoretisch  eine  entwicklung  über  r-nn  ebensogut 
wie  über  rr-n  denkbar,  je  nachdem  man  die  silbengrenze 
zieht.  Auf  einen  bisher  übersehenen  fall  der  art  sei  hier  noch 
hingewiesen. 

Ae.  wearr  'schwiele,  besonders  an  bänden  und  füssen', 
wearrihte  'schwielig',  aber  auch  'knorrig,  von  bäumen'  gehört 
mit  vlämisch  ivarre  "schwiele,  knorreu'  (Franck,  Et  wb.  s. 
wrat)  eng  zu  ahd.  wem,  werra,  werna-  'varix,  krampfader' 
(Graft  1, 1015),  nhd.  ma.  werr,  wem  'gerstenkorn  am  äuge' 
(Schindler- Frommann  2, 1002)  sammt  der  ableitung  wemiehl 
(ebda.,  vgl.  Kluge,  Nom.  st.2  g  63a).  Das  ae.  und  vlämische 
wort  stehen  dabei  im  ablaut  zu  dem  deutschen;  auch  ae. 
weorras  'callos'  Cp.  400  ist  wohl  gleich  weairafi,  vgl.  Leid.  93 
uarras  und  Bülbring,  Ae.  EB.  §  144.  Als  grundbedeutung 
darf  etwa  'auswuchs'  angenommen  werden.  —  Zs.  fda.  33, 22 
hatte  Kögel  das  paar  wcrna  :  werra  herangezogen,  um  seine 
theorie  einer  bedingten  assimilation  von  rn  zu  nn  in  ahd. 
ferro  neben  ferno,  sterro  neben  stemo  zu  stützen.  Aber  wie 
bei  den  beiden  letzten  fällen  unwahrscheinlich,  ist  diese  assi- 
milation in  dem  ersten  unmöglich.  Im  afries.  nämlich  lautet 
das  dem  ahd.  wcma  entsprechende  wort,  hier  in  der  bedeutung 
'runzel',  wersrne,  wirvenc  (Richthofen  s.  1152;  über  den  Über- 
gang von  e  zu  i  in  wirsenc  siehe  Siebs,  Pauls  Grundr.  V, 1191), 
sodass  sich  also  ae.  wcarr,  ahd.  wer  werra  aus  *uarz-  resp. 
*uerz-,  ahd.  wema  aus  *ueiznö~-  erklären.  Die  germanische  be- 
deutung 'auswuchs'  aber  ist  specialisierung  einer  allgemeineren 
indog.  'erhöhung';  vgl.  den  aind.  comparativ  varsiyas-  'höhere, 
obere',  superl.  varpisfha-  'höchste,  oberste',  abulg.  vfichü  'gipfel, 
spitze,  oberster  teil',  lit  tirszus  'das  obere',  und  ebenfalls  mit 
H-erwciterung  virszüne  'gipfel',  endlich  lat.  verrüca  'warze' 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


63 


aus  *versüca  mit  derselben  bedeutungsverengerung  wie  in  den 
gennan.  sprachen,  aber  in  der  altlat.  bezeugten  bedeutung 
'erdhöcker'  noch  auf  das  ursprüngliche  hinweisend  (vgl.  Brug- 
mann,  Grundr.  I5,  337). 

Sieht  man  nun,  dass  tat.  cariosus  mit  ahd.  warzig  über- 
setzt wird  (Graff  1, 1049).  und  beachtet  die  leisen  bedeutungs- 
verschiedenheiten,  die  z.  b.  vorliegen  in  gr.  olöaoi  'schwelle', 
oiöoq  'geschwulst'  neben  ahd.  e'xz  'eiterbeule,  geschwür'  und 
und.  eiter,  in  gr.  xar&vXt]  'gesell willst,  geschwür',  got.  gimds 
'krebsartiges  geschwür',  ahd.  gunt  dasselbe,  aber  auch  'eiter', 
in  ahd.  lesa  'ruga,  nmzel'  (älter  Veswa,  vgl.  auch  afries.  pl. 
leso-ka  'runzel  an  hand,  fuss  und  köpf)  neben  ae.  hjswen 
'eiterig',  so  wird  man  geneigt  sein,  in  dem  ae.  starken  neutrum 
worsm  'eiter',  ältester  beleg  Ep.777,  eine  schwundstufige  neben- 
form  des  aind.  neutrums  varsman-  'das  höchste,  spitze'  nach 
massgabe  dessen  zu  sehn,  was  Hirt,  Beitr.  18, 295  über  die 
Schicksale  der  -wen -Stämme  im  german.  dargelegt  hat:  Schwund- 
stufe wie  in  den  baltisch -sla vischen  belegen. 

Zugleich  ermöglicht  diese  ableitung  eine  genauere  Ver- 
knüpfung von  ae.  weair  und  genossen  mit  ae.  wearte,  aisl. 
varta,  afries.  mnd.  mnl.  warte,  ahd.  warza,  wie  sie  schon  öfter 
herzustellen  versucht  ist;  werden  doch  im  ae.  z.  b.  die  worte 
fast  synonym  gebraucht,  so  wearras  und  iveartan  onweg  tö 
dvtme  Lchdm.  1, 362, 17.  Hier  zeigt  Kluges  deutung  des  be- 
deutungsverwanten  ahd.  runza  'runzel'  Beitr.  12,378  den  weg: 
wie  neben  germ.  *wrunkö(n?)-  repräsentiert  durch  mhd.  runke 
ein  *wrunk{a,  i,  u)t&n-,  so  steht  neben  *warza-  ein  *warz(af 
ij  u)tön-.  Für  aisl.  vaiia  kommt  nur  a,  für  ae.  wcarte  auch  w, 
für  die  deutschen  und  niederländischen  formen  noch  i  als  mittel- 
vocal  in  betracht.  Am  wahrscheinlichsten  ist  danach  eine  ge- 
meinsame grundform  *warzatön-  neben  *warza-}  während  me. 
mnl.  werte,  mhd.  werze  als  secundäre-töw- stamme  oder  vielleicht 
als  abkömmlinge  von  *werzatön,  mit  dem  vocale  von  ahd.  werra, 
betrachtet  werden  können.  Die  Verschiebung  von  ahd.  t  zu  z 
nach  erfolgter  synkope  entspricht  der  behandlung  in  mnza 
wie  in  lenzo  aus  *langito  (a.  a.  o.,  über  den  umlaut  in  lenzo 
s.  377).  Was  endlich  me.  wrate  wrete,  mnl.  mnd.  wratte  be- 
trifft, so  wird  man  sich  schwerlich  der  ansieht  Francks  an- 
schliessen  wollen,  der  a.  a.  o.  die  identität  dieser  formen  mit 


64 


WEYHE 


den  überall  danebenstehenden,  im  englischen  in  alter  zeit  allein, 
im  ahd.  afries.  an.  überhaupt  nur  belegten  bildungen  mit  r 
hinter  dem  vocal  in  abrede  stellt.  Für  das  engl.  vgl.  das 
vorkommen  von  wmms  für  wurms  worsni  schon  in  ae.  zeit, 
Sievers,  Ags.  gr.3  §  179,2.  185;  über  me.  tcrat  Kluge  in  Pauls 
Grundr.  1*,  1019. 

Trifft  diese  deutung  das  richtige,  so  wäre  damit  zugleich 
ein  gewisser  anhält  für  die  relative  Chronologie  des  Über- 
gangs von  rz  zu  rr  innerhalb  der  westgerm.  dialekte  gegeben: 
falls  zur  zeit  der  synkope  das  z  in  einem  der  westgerm. 
dialekte  noch  ein  reiner  s-laut  gewesen  wäre,  so  hätte  aus 
einem  synkopierten  *warztön-  doch  wohl  nur  *warstön-  her- 
vorgehn  können;  es  wird  also  damals  bereits  m  oder  rr  ge- 
sprochen sein. 

Dass  also  in  bestimmten  westgerm.  Wörtern  zn  zu  nn 
geworden  ist,  wird  sich  kaum  bezweifeln  lassen;  zu  einer 
antwort  auf  die  frage  aber,  warum  in  anderen  fällen  viel- 
mehr rn  erscheint,  reicht  das  spärliche  material  vorerst  nicht 
aus.  Für  die  assimilation  im  deutschen  steht  z.  b.,  abgesehen 
von  nl.  twijn  und  as.  Unon,  die  eben  auch  eine  andre  er- 
klärung  offenlassen,  nur  as.  dun  zur  Verfügung,  obwohl  dies 
genügen  mag,  für  das  deutsche  dieselben  Verhältnisse  voraus- 
zusetzen wie  für  das  englische. 

Nur  als  andeutung  einer  möglichkeit  sei  also  das  folgende 
betrachtet 

Nicht  anders  denn  als  lautgesetzlich  können  ae.  hrcen, 
ren~,  ae.  as.  dun(n),  ae.  rmden  (ev.  ae.  twinn,  geturinnas,  byrgcn) 
angesehen  werden.  Andrerseits  aber  erscheint  es  bedenklich, 
die  formen  mit  rn  durchweg  als  ausflüsse  von  analogie- 
wirkungen  zu  verdächtigen.  Natürlich  kann  ae.  liomian, 
leomian,  afries.  lima,  lernet,  ahd.  Urnen,  lernen  vom  causativum 
wie  ae.  Iccian  beeinflusst  sein.  Misslicher  schon  ist  es,  ae. 
(for-)weornian  'languescere',  aonfk.  wemodun  'languerunt', 
die  gleich  nschwed.  dial.  winna  (Noreen,  Abriss  der  urgerm. 
lautl.  134)  auf  *wizne-  beruhen,  vgl.  ae.  wisnian,  ahd.  wesneti, 
wesanen,  durch  beeinflussung  des  participialen  adj.  ae.  forworen, 
ahd.  arweran  zu  erklären.  Ahd.  arnön  i ernten',  am  f.,  arnöt  m. 
'ernte'  aus  *azn~  liesse  sich  analogisch  nur  dann  verstehen, 
wenn  das  von  Graff  1, 479  angeführte  aran  m.  tatsächlich 


Digitized  by  Google 


ZUH  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


65 


gleich  got.  asans  alten  mittelvocal  hat,  doch  wäre  selbst  da 
eine  hiervon  ausgegangene  ein  Wirkung  auf  die  überwiegende 
masse  von  formen  ohne  alten  mittelvocal  wenig  glaubhaft. 
Ahd.  amen,  ae.  earnian  'verdienen',  ahd.  arnunc,  ae.  eamung 
'verdienst'  vergleicht  man  mit  gr.  aQVvficu  'bekommen'.  Laut- 
lich identisch  sind  sie  auf  keinen  fall,  da  griech.  oq  auf  indog. 
r  zurückgeht,  vgl.  ai.  rnömi;  hat  man  sie,  wie  wahrscheinlicher 
erscheint,  mit  as.  ama  'lohn,  abgäbe'  (Wadstein,  KAS.  43, 16) 
zu  verbinden,  so  würde  hier  überhaupt  eine  form  fehlen,  die 
als  Störenfried  die  lautgesetzliche  entwicklung  durchkreuzt 
hätte. 

Die  möglichkeit  ist  also  da,  diese  formen  ebenfalls  als 
lautgesetzlich  anzusehen,  besonders  da  sich  die  mehrzahl  unter 
ihnen  von  den  Vertretern  der  ersten  gruppe  dem  baue  nach 
unterscheidet:  sie  haben  in  den  meisten  formen  mehr  als  zwei 
silben,  und  zwar  schwere  ableitungssilben,  was  vor  allem  eine 
Verschiedenheit  der  betonung  im  gefolge  hat;  der  einfluss 
gerade  des  accents  auf  die  Schicksale  der  z- laute  aber  ist 
aus  paaren  wie  ae.  torcierre  aus  *tuz-  neben  töcierran  aus 
*tuz-  bekannt,  vgl.  Paul,  Beitr.  6,  552.  In  diesem  besonderen 
falle  könnte  es  sich  nur  um  die  nebentöne  handeln. 

Nun  haben  nach  Sievers,  Agerm.  metrik  im  ae.  verse,  der 
dadurch  wichtig  ist,  dass  er  im  westgenn.  die  alten  Ver- 
hältnisse am  klarsten  widerspiegelt,  lange  mittelsilben  nach 
langer  Wurzelsilbe  stets  einen  nebenton,  kurze  können  ihn 
haben,  ' Schlusssilben  beliebiger  quantität  sind  auch  nach  langer 
Wurzelsilbe  der  regel  nach  unbetont'.  Galten  diese  Verhältnisse 
auch  für  die  frühzeit  der  westgerm.  dialekte,  so  könnte  man 
etwa  vermuten,  dass  in  der  lautgruppe  zn  des  z  assimiliert 
wurde,  wenn  eine  unbetonte  silbe  folgte,  dagegen  vorerst  er- 
halten blieb  und  später  wie  in  anderen  Stellungen  über  r  in 
r  übergieng.  falls  die  lautgruppe  zwischen  haupt-  und  neben- 
tonigem vocale  stand:  so  wäre  z.  b.  ein  *dözna(z)  lautgesetzlich 
zu  *da)ma(z)  geworden,  1.  ps.  sg.  prt.  *wtz7ihdö\ m]  aber  wäre 
geblieben  und  hätte  sich  erst  später  über  * wi modo *wennödö  etc. 
zu  ae.  weornade  entwickelt, 

Hierzu  würde  stimmen  (was  allerdings  zufall  sein  kann), 
dass  nach  Graff  5, 723  im  ahd.  ein  part.  gazwimot  zwar 
häufig  belegt  ist,  aber  kein  subst.  zwirn;  andrerseits  steht 

Beitritt  mr  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXX.  5 


Digitized  by  Google 


f,6 


WKYHE 


neben  ae.  twin  kein  entsprechendes  verbum.  Für  h<L  zwirn, 
mnd.  (warm,  nl.  tweern  wäre  also  das  verbum  zwirnen  und 
twemen  in  ansehlag  zu  bringen,  und  auf  dieselbe  weise  ahd. 
arn  'ernte'  zu  erklären,  dem  sich  ausserdem  das  gleich- 
bedeutende arnot  zugesellt  In  as.  linon  aus  *l\znö-  müsste 
im  gegensatz  zu  den  übrigen  westgerm.  sprachen,  die  Urnö- 
lirne-  aus  *l\zn-  haben,  der  typus  verallgemeinert  sein,  den 
z.  b.  die  2.  ps.  praes.  *liznö$  >  *linnös  >  linos  bietet;  da  das 
wort  ein  altes  e-  verbum  ist,  liegen  übrigens  noch  andre  mög- 
lichkeiten  vor.  Sogar  auf  ein  paradigma  wären  alle  westgerm. 
formen  des  Wortes  dann  zurückführbar,  wenn  man  der  grund- 
form  langes  i  zuschreiben  könnte,  vgl.  got  -leis  'kundig'; 
*Uznt-  stände  dann  neben  *laizian  wie  got.  usgeisnan  neben 
usgaisjan,  siehe  Kluge,  Pauls  Grundr.  I2, 434.  Vor  neben  ton 
war  *lim-  regelrecht  aus  Hizn-  entstanden,  und  die  kurzum? 
des  langen  vocals  zu  *lian-  würde  auf  demselben  princip  be- 
ruhen wie  die  kürzung  des  langen  consonanten  in  *linn-  zu 
lin-\  in  der  tat  widerholen  sich  ja  kürzungen  neuentstandener 
'langdiphthonge'  im  einzelleben  der  german.  dialekte  immer 
wider.  Und  derart  würde  auch  das  as.  lemünga  'institutione' 
der  Strassburger  glossen  zu  seinem  rechte  kommen,  das  so 
auffällig  neben  dem  linon  des  Hei.  und  der  Gen.  steht1) 

Dass  die  Stellung  einer  consonantengruppe  zwischen 
haupt-  und  nebenton  tatsächlich  von  belang  für  die  assi- 
milierung sein  kann,  beweist  das  verhalten  der  ostnord. 
sprachen  bei  der  assimilierung  von  mp,  nt,  nk  (Noreen, 
Aschw.  gr.  §  235):  gegenüber  der  durchgehenden  assimilation 
des  westnord.  bleiben  diese  consonantenverbindungen  im 
aschwed.  dann  erhalten,  wenn  sie  heterosyllabisch  zwischen 
haupt-  und  nebentonigem  vocale  stehen. 

»)  Um  sein  e  zu  erklären,  braucht  man  nicht  notwendig  eine  dia- 
lektische nebenform  von  linon  nach  dem  typns  der  andern  westgerm. 
sprachen,  also  *lernen  aus  oder  neben  Hirnen,  dann  *lernön  anzusetzen, 
in  der  das  e  wie  in  ahd.  fräuk.  lernen  entstanden  wäre,  vgl.  as.  beda  aus 
*bida  und  bedon;  Ubergang  von  t  zu  e  unabhäug  vom  vocalismus  der 
folgesilbe  ist  vor  r  auch  sonst  im  as.  belegt,  Holthausen,  EB.  §  84,  a.  2. 


Digitized  by  Google 


ZUE  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


G7 


B.  Zur  bohandlung  von  westgerm.  pl  nach  kürze  im 

altenglischen. 

Urgermanisch  *hopia-  'wohnstätte',  vertreten  durch  as. 
plural  bodlos  sowie  aisl.  hol  und  nur  durch  die  quantität  des 
stammvocals  geschieden  von  lit  büklas  'cubile,  latebrae 
ferarum'  (Leskien,  Bildung  der  nomina  s.  36.  Kluge,  Nom. 
st.5  §  97),  erscheint  im  wests.  als  botl.  In  gleicher  weise 
repräsentiert  wcetla  'binde'  (Lchdm.  2, 208, 21  linenne  wcethrn, 
23  Pom  wwtlan)  einen  stamm  *waplan~  neben  *wapia-  in  ahd. 
wadal  'fasciculus',  der  mit  Cp.  831  wepel  'fascias,  binden'  (aus 
*wapila-),  gewiöelode-  con(n)exa  Napier,  OE.  gll.  s.  191,  7  (da- 
zu Wadstein,  IF.  anz.  14, 32),  stamm  *wipil-,  zu  got.  gawidan, 
ahd.  wetan  'binden',  got.  kutiawida,  ae.  wippe,  aisl.  fem.  viÖ, 
gen.  vidjar  gehörig  die  anlautsvarianten  ahd.  swedil,  ae.  swedil 
(z.  b.  Ep.  506  suedilas)  sowie  swiöil  (z.  b.  Leid.  72  suithelon) 
neben  sich  hat  Demnach  darf  auch  ws.  seil  'sitz,  sessel' 
dem  ahd.  sedal  gleichgestellt  und  auf  urg.  *sepia-  zurück- 
geführt werden. 

Diesem  seil  entsprechen  im  anglischen  formen  von  auf- 
fälliger mannigfaltigkeit  Sie  zerfallen  in  zwei  gruppen:  die 
eine  hat  wie  das  ws.  ein  t  (so  R1  setÜa),  die  andere  Ö  oder 
d  (so  Li.  seÖely  sedles  oder  VPs.  seid).  Ein  grund  für  die 
verschiedene  entwicklung  des  p  ist  nicht  ersichtlich.  Das 
northumbrische  und  der  merc.  dialekt  von  Rl  zeigen,  dass 
speciell  der  Wechsel  von  ursprünglich  silbischem  und  von  un- 
silbischem l  nicht  verantwortlich  gemacht  werden  kann,  der 
vielmehr  seinen  reflex  in  einem  so  gut  wie  durchgehenden 
Wechsel  von  Ö  der  unflectierten,  d  der  flectierten  formen  findet 
(seöcl,  sedles).  Allerdings  ist  dieser  Wechsel  offenbar  jung, 
wofür  schon  seine  bis  auf  einen  fall  glatte  durchführung 
spricht  Die  spätnorthumbr.  denkmäler  und  R'  entstammen 
dem  ausgehenden  10.  jh.;  das  mercische  original  der  Beda- 
abersetzung, das  ungefähr  hundert  jähre  älter  sein  wird  — 
die  von  Zupitza,  Zs.  fda,  30, 185  mitgeteilten  excerpte  rühren 
bereits  von  einer  hand  aus  dem  anfange  des  10.  jh.'s  her  — , 
hat  in  der  tat  das  0  auch  in  den  flectierten  formen  noch  er- 
halten (bodle,  sedle  Sievers3  §  196,2),  und  so  könnte  man  das 
nebeneinander  der  formen  mit  t  auf  der  einen,  mit  6  und 

5* 


Digitized  by  Google 


68 


WKYHE 


daraus  entstandenem  d  auf  der  andern  seite  auf  eine  noch 
ältere  Spaltung  zurückführen  wollen.  Da  kommt  jedoch  eine 
zweite  Schwierigkeit  hinzu:  nicht  wenige  formen  weisen 
zwischen  dental  und  /  ein  u  (Li.  seatul)  oder  aber  von  ehe- 
mals vorhandenem  u  herrührenden  umlaut  der  Wurzelsilbe 
(Li.  seatlas)  auf.  Man  betrachtet  dies  u  gewöhnlich  (vgl.  vor 
allem  Paul,  Beitr.  6, 58  f.,  250.  Lindelöf,  Die  spräche  der  süd- 
northumbr.  ma.  s.54;  anders  Bülbring,  EB.  §442)  als  sprossvocal 
der  unflectierten  form.  Aber  diese  auffassimg  hat  manches 
gegen  sich:  sonstige  beispiele  für  umlaut  durch  svarabhakti-u 
sind  unsicher,  und  falls  wirklich  vocalentfaltung  vorliegen 
sollte,  bliebe  immer  noch  das  specielle  u-timbre  in  derartiger 
lautlicher  Umgebung  unerklärt.  Nach  dieser  richtung  hin  hat 
offenbar  northumbr.  seöel  als  lautgesetzliche  fortsetzung  von 
ure.  *se]>l  zu  gelten.  Damit  fällt  aber  auch  die  mögliehkeit, 
ein  ursprüngliches,  an  sich  unwahrscheinliches  paradigma  n. 
*sepi  >  *sctl  >  *8etid,  gen.  seples  zu  construieren,  dessen  ver- 
schiedene formen  sich  später  zu  neuen  paradigmen  ergänzt 
haben  müssten.  Die  formenfülle  lässt  sich  aus  einem  paradigma 
schwer  begreifen;  dass  sie  auf  zwei  verteilt  werden  muss, 
beweist  der  umstand,  dass  belegtes  oder  zu  erschliessendes  -ul 
lediglich  bei  der  gruppe  mit  t  heimisch,  diese  gruppe  aber  in 
der  bedeutung  deutlich  von  der  mit  Ö  und  d  geschieden  ist, 
und  zwar  so,  dass  auch  nach  Seiten  der  bedeutung  abspaltung 
aus  einem  paradigma  unwahrscheinlich  bleibt 

In  B1  erscheint  seöeh  flectiert  sedle,  wie  wests.  seil  als 
neutrum;  es  übersetzt  lat.  sedes  mit  seiner  allgemeinen  be- 
deutung 'sitz'  (im  einzelnen  weist  sedes  natürlich  mannigfache 
nüancierungen  auf,  vgl.  z.  b.  Napier,  OE.  gll.  1,  251  sedes- 
wununga):  'dabit  illi  dominus  deus  sedem  dauid':  seöcl  Lc.  1,32; 
'deposuit  potentes  de  sede'-o/"  sedle  Lc.  1, 52;  vom  'hochsitz' 
des  königs  oder  richters:  super  thronos -ofcr  hehsedle  Lc.  22,30; 
tribunali-/ic/ised/e  J.  19, 13. 

Lediglich  glossierungen  derselben  lat,  durch  dieselben  ae. 
worte  erscheinen  im  Rit:  sedes- sedel  117,15;  sedles  27,17; 
sedle  47, 13;  thronus  und  tribunal:  hehsedle  48,2;  70,16; 
hehsedlo  113,3;  hehsedle  13,4  (die  einzige  ausnähme  der  regel 
vom  Wechsel  des  Ö  und  d;  einführung  des  Ö  aus  den  un- 
flectierten formen,  s.  Beitr.  9, 221). 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


69 


Dem  steht  nun  in  R2  gegenüber  *seotul;  es  ist  mascu- 
linum  und  übersetzt  lat,  cathedra  Gessel,  stuhl':  cathedras 
vendeutium  eolumbas  evertit  (stürzte  die  stuhle  der  tauben- 
händler  um)  -seotlas  Mc.  11, 15;  cathedras -seatlas  Lc.  11,43. 
Bezeichnend  kommen  beide  formen  in  denselben  versen  neben- 
einander vor:  primas  cathedras  in  synagogis  et  primos  dis- 
cubitos  in  conviviis  (die  vordersten  Stühle  in  den  Versamm- 
lungen und  die  ersten  platze  [den  'Vorsitz']  bei  tisch):  seatlas- 
tedlo  Lc.  20,46;  desgleichen  seotlum-gisedla  Mc.  12,39. 

Dasselbe  Verhältnis  kehrt  in  Li.  wider;  sedes:  sedle 
Lc.  1.32.  52;  scdel  Mt.  19,28;  25,31;  sedlum  Mt  I  20,20;  setllo 
Mc.  14, 14;  thronus  und  tribunal:  hehseöil  Mt  5, 34;  hegh- 
seöel  Mt.  23, 22;  hehsedle  Mt.  27, 19;  J.  19, 13;  hehsedlo  Lc.  22, 30. 
Dagegen  cathedra:  stol  vel  seatul  Mt.  23, 2;  ceatlas  Mt,  21, 12; 
seatlas  Mc.  11, 15.  In  einem  satze:  cathedras-seaf/as,  discu- 
bitos-secfto  Lc.  20,  46,  cathedras  -scatlas,  recubitos  -  r$sto  vel 
foresedlo  Mt.  23, 6. 

Nur  zwei  fälle  machen  eine  ausnähme:  Mc.  12, 39  wird 
cathedris  zwar  wie  sonst  durch  seatlum,  discubitus  aber  durch 
srtla  wiedergegeben;  ebenso  steht  Mt.  19, 28  regelmässig  in 
sede  -  in  seJel,  doch  super  sedes  -  o/er  seatla.  Aber  auch  hier 
liegt  nicht  eine  Verwischung  der  obwaltenden  bedeutungs- 
versehiedenheit  derart  vor,  dass  die  eine  form  die  eigentlich 
berechtigte  andere  verdrängt  hätte,  sondern  eine  Vermischung 
der  lautgestalt  von  seatlas  und  sedlo  zu  einem  neuen  producte, 
das  in  keinem  der  alten  paradigmata  platz  hat  und  bei  dessen 
eutstehung  sehreibemachlässigkeit  vielleicht  nicht  unbeteiligt 
war  (vgl.,  dass  R2  dem  setla  seiner  vorläge  nicht  folgt,  sondern 
Mc.  12, 39  das  correete  gisedla  gibt). 

In  R»  ist  die  Scheidung  der  formen  mit  ö  :  d  und  der 
mit  t  im  allgemeinen  ebenfalls  gewahrt;  in  der  behandlung 
des  dentals  der  ersten  gruppe  steht  das  denkmal  (wie  Beda) 
auf  der  seite  des  northumbr.  im  gegensatze  zu  Cp.  und  VPs.: 
sedes-secZ/e  19,28;  25,31;  sedlum  19,28;  thronus-sc/W  5,  34; 
sedle  23.22.  Dagegen:  cathedra  settlas  21,12;  setule  23,2; 
setulas  23,6.  Recubitus-s<?fr7  23,6  ist  im  gegensatz  zu  setulas 
neutr.,  doch  wegen  des  abweichenden  vocalismus  nicht  sicher 
unterzubringen  (für  seÖÜ  wie  Li.  hehseöil  Mt.  3,34  V).  Sicher  ab- 
weichend pro  tribunali  -on  hehsetflr  27, 19,  gegen  Li.  fore  hehsedle. 


Digitized  by  Google 


70 


WEYHE 


Dagegen  geht  die  Scheidung  wider  durch  in  den  älteren 
merc.  quellen.  So  steht  in  den  Werdener  glossen  (Kluge, 
Lb.' II,  48)  tribunal -riomfa/rt  (mit  dem  svarabhakti-vocal  der 
ältesten  denkmäler):  Cp.  1667  pro  rostris  (vgl.  pro  tribunali) 
haehsedlum,  814  excubias  iceardseld  (in  allen  diesen  belegen 
laut  wert  des  d  unsicher,  vgl.  Dieter.  Über  die  spräche  und  ma. 
der  ält.  engl,  denkm.  §  40).  Im  VPs.  wird  sedes  (neunmal) 
durch  seid,  gen.  wldes,  dat.  selde  widergegeben;  dazu  solium 
'thron':  sundurseld  Hy.  4, 16,  eig.  \sondersitz';  thron  um -(Jrt/m- 
seld  VPs.  9, 15. ')  Dagegen  heisst  'in  cathedra'  wider  hehseotk 
VPs.  106. 32. 

Wir  haben  also  im  anglischen  zwei  verschiedene  worte 
vor  uns,  die  sich  ausser  durch  ihre  lautgestalt  auch  im  genus 
unterscheiden  und  die,  wie  ich  nachträglich  sehe,  schon  von 
Grein,  Sprachschatz  2. 432  und  467  in  richtiger  sonderung  ver- 
zeichnet sind.  Unter  den  beiden  ist  die  identitat  des  neutr. 
northumbr.  R1  sedel,  sedles,  Cp.  haehscdlum,  VPs.  seid  mit  ws. 
setl  klar.  Ks  sind  fortsetzungen  von  westgerm.  *sepia-,  mit 
dessen  gebrauchssphäre  die  ihre  sich  deckt:  *sepla-  4 der  sitz' 
ist  nom.  actionis  zu  'sitzen'  in  der  As.  beichte  MSD.S  LXXÜ,27 
ik  iuhu  unrehtaro  sethlo,  unrehtaro  stadlo  und  den  ahd.  IF. 
4, 338  aufgeführten  beispielen  wie  im  ae.  Beda,  Miller  1, 128, 13 
sessionis-se<W<?s;  wie  im  ahd.,  as.,  anfrk.  gilt  *sepla-  auch  ae, 
als  bezeichnung  des  rastorts  der  gestirne,  dem  sie  sich  beim 
untergange  zuneigen;  northumbr.  sedel  in  der  bedeutung  'thron' 
entspricht  dem  ahd.  chuninges  höhsedal,  in  der  bedeutung 
'tribunal'  dem  ahd.  tuomscdal,  vgl.  ws.  dönisetl,  merc.  dorn- 
sedil;  das  lat.  diseubitus,  eigentlich  die  lagerplätze  beim 
triclinium,  wird  durch  ahd.  sethal  wie  durch  northumbr.  scdcl 
glossiert. 

Ae.  seotul  dagegen  gehört  engstens  zu  ahd.  sezzaU  mit 
dem  es  das  männliche  geschlecht  teilt.  Wie  dieses  glossiert 
es  lat.  cathedra  und  bezeichnet  das  mittel  zum  sitzen,  den 
stuhl,  sessel.   Wenn  ahd.  sezzal  wahrscheinlich  mit  got  sitls 

')  Die  chronologische  reihe  Cp.  weurdseld  :  hahsedlum,  VPs.  seid, 
aber  auch  Beides  scheint  darauf  zu  deuten,  dass  die  Umstellung  im  laufe 
des  S.  jahrhuuderts  bei  der  unflectierten  form  begann.  Werd.  gll.  dorn- 
scdil,  falls  derselben  merc.  gruppe  zugehörig,  würde  den  ältesten  stand 
zu  beginn  des  jh.'s.  repräsentieren. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


71 


auf  urgerm.  *  setlas  zurückgeht  (vgl.  Zs.  fda.  42,  59  ff.;  auch 
*setalaz  ist  möglich),  so  kehrt  das  von  ae.  seotul  geforderte 
*setul(U  in  aisl.  sjgtull  und  verb.  sjgtlast  wider,  nur  dass  dort 
das  suffix  der  nom.  agent.,  hier  instrumentalsuffix  vorliegt: 
sjgtull  'den,  som  bringer  noget  til  at  ssette  sig,  standse'. 
Aussergerm,  entspricht  (bis  auf  das  genus)  genau  abulg.  sedlo 
i sattel';  als  gemeinsame  grundform  des  slav.  und  des  germ. 
wortes  darf  etwa  *sedHo-  angesetzt  werden  (vgl.  Brogmann, 
Grundr.  2, 198),  falls,  wie  wahrscheinlich,  in  Suprasl.  37, 6 
osedülanü  (vgl.  Leskien,  Handb.3  s.  51)  ü  für  ursprüngliches  X 
geschrieben  steht. 

Das  got  sitls  'stuhl,  thron',  aber  auch  'nest',  vereinigt 
die  bedeutung  beider  wgerm.  worte  in  sich,  und  vielleicht  ist 
das  aus  secundärer  Verdrängung  eines  *sipl  zu  erklären.  In 
den  angl.  dialekten  des  engl,  wurden  dagegen,  wie  wir  sahen, 
die  beiden  worte  ursprünglich  ebensowenig  vermischt  wie  man 
etwa  im  nhd.  von  besesselung  statt  besiedelung  reden  könnte. 
Immerhin  waren  im  northumbr.  bereits  anfänge  zur  aufgäbe 
der  sonderung  bemerkbar,  und  dasselbe  gilt  für  das  spätmerc. 
von  R»  und  Royal  gll.,  vgl.  für  das  letztere  denkmal  setle-seüe 
232.  Ausserhalb  des  angl.  dagegen  standen  sich  die  beiden 
worte  dadurch  weit  näher,  dass  im  ws.  wie  kent.  *sepl  laut- 
gesetzlich den  gleichen  dental  wie  *setul  erhalten  hatte,  zu 
setl  geworden  war.  Dies  hat  im  ws.  bereits  früh  zu  einer 
wie  es  scheint  vollständigen  Verdrängung  von  *setul  geführt; 
die  evangelien  haben  (heah-,  }>rym-)setl  nicht  nur  als  Über- 
setzung von  sedes,  sondern  auch  von  cathedra,  und  kennen 
in  der  widergabe  von  stellen  wie  Mi  23, 6  recubitus,  cathedras 
keinen  unterschied  des  wortstamms  (setl,  läreoicsetl);  ein  ver- 
einzeltes sctelum  CP.  435,  21  H,  auffällig  dadurch,  dass  hier 
zwischen  t  und  /  ein  vocal  erscheint,  wie  er  sich  sonst  in 
dieser  Verbindung  nicht  zu  entfalten  pflegt,  wird  man  gleich- 
wol  nicht  auf  *setul  beziehen  können  (vgl.  auf  derselben  seite 
setle  z.  19.  21.  22). 

Doch  auch  innerhalb  des  südengl.  besteht  diese  allein- 
herschaft  von  setl  nur  im  (streng-)  wsächs.,  also  auf  dem  ge- 
biete, wo  die  beiden  worte  in  folge  unterbleibens  des  u-umlauts 
von  *setul  auch  im  vocalismus  der  tonsilbe  übereinstimmten. 
Dagegen  vgl.  Prud.-gll.,  Germ.  23, 393, 143  seMu  -  sotelas  (aus 


Digitized  by  Google 


72 


WEYHE 


*seotulas)  gegen  ebda.  393,61  ad  subsellia-tfowisetfMw.  Kent. 
gll.  304  super  sellam-ofer  setol  (hier  ohne  w-umlaut  wie  396 
medeme,  1 120  stcetelad)  gegen  ebda.  557  solium  -  cynesetl,  Kent. 
hy.  29  hceahsetle  gleich  ahd.  chuninges  höhsedal  und  Kent  urk. 
von  862  (OET.  Ct.  29, 10)  dat.  tceardsetle  gleich  merc.  weardseUl 

Die  annähme  eines  angl.  Übergangs  von  ßl  zu  //  kann  sich 
danach  auf  seatul  nicht  stützen;  über  die  bei  diesem  wort  in 
frage  kommende  sjukope  s.  s.  100  f.  102  f.  >) 

Suffixabstufungen  in  besonders  reichem  masse  zeigen  die 
folgenden  germ.  Wörter,  deren  ae.  Vertreter  zum  teil  ebenfalls 
Schwierigkeiten  machen:  urgerm.  *stadlä-,  später  *stalUi-  in  an. 
stallr,  ae.  stcaü,  ahd.  stal,  *maÖld-  in  dem  nd.  Ortsnamen  Thiot- 
tnalli;  *stapila-  im  ahd.  acc.  pl.  stcdila  (zu  stedil  'fundamentum') 
Isidor  ed.  Hench  1,6,  vgl.  Sievers,  Beitr.  5, 528;  *stapula-  in 
aisl.  stQÖull,  ae.  stadol  sammt  ableitung  stadelian,  *maßula-  im 
ae.  denominativum  madelian. 

Endlich  *tnapia-,  got.  mapl,  ahd.  nuüuil  und  Modal-,  im  ae. 
mcedel.  Mendel  ist  hauptsächlich  ein  wort  der  dichtung,  er- 
scheint jedoch  auch  einmal2)  in  einer  nach  zeit  und  dialekt 
einigermassen  bestimmbaren  prosaquelle,  dem  archetypus  von 
Ep.  Ef.  und  Cp.  aus  der  zeit  um  700:  Ep.  549  in  maethlae, 
Cp.  1110  in  maeölc  'in  curia';  Ef.  hat  in  mcdlae.  Der  beleg 
zeigt,  dass  ae.  tmeffel  in  der  tat  mit  got.  nuipl  identisch  ist 
und  wie  dieses  kurzen  vocal  der  ersten  silbe  hat.  Wenigstens 
erscheint  dieselbe  laut  Vertretung  der  vocale  wie  hier  —  Ep. 
und  Cp.  w,  Ef.  e  —  bei  wgerm.  ä  häufig  (nach  Chadwick,  Studies 
8. 193  fünfzehnmal;  der  vorliegende  fall  ist  dabei  nicht  mit  be- 
rücksichtigt, wol  nach  Sweets  auffassung:  </i»i#*A/a'-incuria, 
'recklessness'),  bei  wgerm.  ä  dagegen  (ebda.  s.  208)  nur  zwei- 
mal. —  Wegen  der  frühen  Umgestaltungen,  die  pl  nach  kürze 
im  ws.,  kent.  und  in  teilen  des  merc.  erfuhr,  ist  es  schon  aus 


')  In  gleicher  weise  ist  wahrscheinlich  ws.  spßtl  '  sputum'  von  angl. 
spndl  R'  27, 30,  dat.  sg.  spädle  (Rl  und  Li.  Joh.  9. 6,  vgl.  Beitr.  9, 220)  gleich 
afries.  mnd.  spcdel  zu  trennen.  Es  wird  dasselbe  t  wie  angl.  speüo  'pytisso' 
Archiv  85, 310  nnd  weiterhin  wie  sp&tan,  north,  späti^a,  spitta,  tpspitta  ent- 
halten, vgl.  KZ.  26, 97. 

»)  Vgl.  ferner  mapelcm  WrW.  424, 16.  484, 23;  über  li(rpim(rld  LV.  18 
s.  Müller,  Unters,  über  die  nameu  des  north.  LV.  §  26,  anm.  4,  über  Maeöhelm 
LV.95.  96,  Macthcor  109  ebda.  s.  111. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGEKM.  GRAMMATIK. 


73 


lautlichen  gründen  selbstverständlich,  dass  eine  form  mceöel 
dort  nicht  der  Umgangssprache  angehören  konnte.  Im  north, 
und  gewissen  teilen  des  merc.  sind  dagegen  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  (vgl.  oben)  poetische  formen  wie  m(ed(e)l,  masöles, 
mceölan  im  8.  und  9.  jh.  in  der  tat  noch  dialektgemäss  gewesen, 
und  um  so  leichter  dem  poetischen,  auch  juristischen  Wort- 
schätze selbst  des  Südens  erhalten  geblieben  (z.  b.  meöelstede 
Byrhtn.199,  mcethlfrip  'dingfrieden'  Gesetze  yEthelberhts,  Lieber- 
mann s.  3);  auch  im  süden  existierten  zudem  formen  mit  suffix- 
ablaut  wie  madelung. 

Wie  neben  madolian  nweöel  steht,  sollte  man  nun  neben 
stadolian  als  fortsetzung  von  urgerm.  *sta]>la-  (aisl.  stäl,  ahd. 
stadal)  ein  urengl.  *$ta>pi  in  jeweilig  dialektischer  lautgebung 
zu  finden  erwarten.  Statt  dessen  erscheinen  (s.  Kluge,  KZ.  26, 96. 
Sievers,  Beitr.  10, 508;  IF.  4, 340;  Ags.  gr.3  §  201,  anm.  2)  stcul, 
stwlicierde,  sUelan,  onstwlan  (zur  bedeutung  der  letzteren  ur- 
spr.  juristischen  termini  vgl.  mnd.  bedinkstadelen  'vor  gericht 
laden',  mhd.  stadelen  'vor  gericht  stellen';  auch  mit  II  aus  dl 
afries.  sindstul(l)  'sendgericht',  kampstal  'platz  zum  gericht- 
lichen Zweikampf),  und  mit  derselben  vocaldifferenz  wie  in 
nuegas,  mägas  auch  stälian,  onstäl,  deren  ä  urspr.  nur  laut- 
gesetzlich war  in  formen  wie  Cp.  1421  ^cstö/Mwi-objectionibus.1) 

Diese  lautvertretung  —  Schwund  des  p  mit  ersatzdehnung 
schon  von  der  'tonerhöhung'  von  a  zu  ce  und  von  ä  zu  ä  im 
gegensatz  zur  erhalt ung  des  dentals  in  ws.  setl,  botl,  wwtla 
und  den  entsprechenden  formen  der  anderen  dialekte  —  steht 
offenbar  in  Zusammenhang  mit  dem  auffälligen  lautwechsel, 
den  die  flexion  des  zu  mceÖ{e)l  gehörigen,  gleichfalls  poetischen 
verbs  mceölan,  identisch  mit  got.  mapijan,  aufweist.  Während 
dieses  im  praes.  ebenso  wie  das  nomen  die  lautgruppe  pl  be- 
wahrt (nuedlan  CYi.  797.  1364.  Gu.  1175,  mceöled  Cri.  1338), 
lautet  sein  praet.  möelde  El.  351.  Jul.  351.  Byrhtn.  26.  43.  210, 
Scmwlde  Byrhtn.  230.  244,  onmadde  Dan.  210,  m&ldon  El.  537, 
so  dass  in  denselben  gedichten  nebeneinander  stehen  Gen. 
B  524  mwdlan  und  790  gemcclde,  Gen.  A  2218  wordum  mcedlan 
und  2912  wordum  mcelde,  An.  1440  median  und  300.  767  mfvlde. 

')  Ein  Zusammenhang  mit  aengl.  slid  'steif,  streng'  (stu)  dorn  'strenges 
urteil)  durch  Vermittlung  von  urgerm.  +staiÖla,  an  den  man  zuerst  denken 
konnte,  ist  durch  an.  stinnr  ausgeschlossen,  das  für  stid  altes  -«>  erweist. 


Digitized  by  Google 


74 


WEYHE 


Es  liegt  hier  also  ein  ähnlicher,  sicher  lautgesetzlicher 
Wechsel  vor  wie  in  nemnan  :  nemde;  ein  praet.  wie  *nuBplde, 
*m<B])clde  ist  nicht  belegt,  und  nur  ganz  vereinzelt  scheinen 
Störungen  derart  zu  begegnen,  dass  die  lautgestalt  des  praet. 
in  das  praes.  und  dann  auch  in  das  nomen  übertragen  worden 
ist,  wie  man  etwa  die  im  praet.  entstandene  haplologische 
kürzung  von  nacode  aus  nacodode  'machte  nackt'  auch  ins 
praes.  {be-)nacian  übernommen  hat1):  so  wird  Ps.  84,  7, 2  median 
statt  maölan  und  Byrhtn.  212  mßla  (gemunap  Jtä  m&la)  statt 
einer  zu  erwartenden  form  von  moeöcl  zu  erklären  sein.  Dabei 
ist  zu  berücksichtigen,  dass  die  bewahrung  flexivischer  besonder- 
heiten  eines  poetischen  Wortes  wie  m&Ölan  an  das  lebendige 
weiterwirken  der  alten  dichterischen  technik  geknüpft  war, 
in  den  beiden  jungen  texten  aber,  die  hier  Störungen  zeigen, 
gerade  bereits  ein  deutliches  erlöschen  dieser  tradition,  aller- 
dings mehr  in  der  verstechnik  als  am  formelschatze,  zu  tage  tritt. 

Auf  eine  andere  erklärungsmöglichkeit  deutet  Björkman 
hin,  wenn  er,  Scand.  loanwords  s.  104,  zu  Byrhtn.  mcela  an  an. 
meeli  'voice'  erinnert.  Da  das  gedieht  noch  andere  lehnworte 
wie  35  griÖt  149  drenga  aufweist  und  199  medelstede  daneben 
vorkommt,  stellt  dies  nuvla  in  der  tat  vielleicht  überhaupt 
keine  ausnähme  dar,  und  auch  auf  das  mßlan  des  poet.  Ps. 
wäre  die  herleitung  aus  an.  mcela  wol  ebenso  anwendbar  wie 
auf  me.  melen.  Ueber  mal  Waldere  1, 19  s.  denselben  gelehrten 
a.  a.  o.  s.  104,  anm.  2. 

Der  wegfall  des  p  mit  ersatzdehnung  im  praet.  von  masplan 
gegenüber  sonstiger  erhaltung  kann  nun  kaum  anders  erklärt 
werden  als  durch  dissimilatorische  einwirkung  des  diesem  tempns 
in  allen  formen  zukommenden  dentals  im  anlaut  der  folge- 
silbe;  bereits  urengl.  *maplidö  wird  zu  *mülidö  geworden  sein. 
Auch  das  praet.  von  *staplian  ist  danach  als  stölde  lautgesetz- 
lich; doch  lagen  die  bedingungen  bei  diesem  stamme  insofern 
anders  als  bei  jenem,  als  hier  in  sämmtlichen  formen  auch 
der  anlaut  der  vorhergehenden  silbe  einen  dental  besass;  hier 
ist  daher  auch  im  praes.  des  verbs  {stälan)  und  im  subst.  (stal, 
s((vl)  das  p  geschwunden.2) 

')  Der  umgekehrte  Vorgang  wahrscheinlich  in  ws.  bytledon,  z.  b.  CP. 
153.9,  zu  dem  (später  in  die  ö-klasse  übergetretenen)  byllan. 

')  Allerdings  ist  zu  bemerken,  dass  die  länge  des  vocals  in  malde  oder 


Digitized  by  Google 


ZUR  VVE8TGERM.  GRAMMATIK 


75 


Weniger  sicher  ist  ein  drittes  beispiel,  das  für  den  gleichen 
lautvorgang  zeugen  könnte.  Das  ws.  tal,  tal  sammt  verb. 
tielan,  ausserws.  telan  etc.  stimmt  in  seinen  bedeutungen  — 
'etwas  für  fehlerhaft  erklären,  eine  person  tadeln,  verleumden, 
verspotten'  —  genau  zu  den  frühnhd.  nüancierungen  von  'tadel' 
und  'tadeln'.  Diese  urspr.  nd.  worte  haben  kurzes  a  (Luther: 
taddel)  und  nach  ausweis  des  ahd.  zadal  altes P\  ihre  bedeutungs- 
übereinstimmung  mit  aengl.  M  geht  dabei  wahrscheinlich  nicht 
ins  wgerm.  zurück,  sondern  beruht  auf  parallelentwicklung  aus 
der  gruudbedeutung  'mangel'  heraus.  Verwantschaft  des  aengl. 
wortes  mit  aisl.  tal  'betrügerischer  versuch,  einen  zu  über- 
listen', ahd.  zdla  'nachstellung',  and.  (Strassb.  gll.)  tällied  *per- 
nicitas'  ist  dagegen  wTegen  der  abweichenden  bedeutung  un- 
wahrscheinlich. Nicht  ganz  sicher  ist  dieser  fall  insofern,  als 
von  den  deutschen  zu  den  engl,  formen  auch  durch  ansatz 
eines  *teÖl-  neben  *taj)l-  die  brücke  geschlagen  werden  kann: 
zum  e  vgl.  ahd.  zädal  neben  zädal  (Müllenhoff -Scherer,  Denkm. 
2',  161.  442.  Beitr.  28, 261). 

Nach  langem  vocale  weicht  dagegen  wie  öfters  (ws.  adl  : 
boil)  so  auch  in  diesem  besonderen  falle  die  lautentwicklung 
ab,  indem  der  dissimilatorische  schwund  nicht  eintritt.  Wenn 
Anglia  9, 263  in  einem  spätws.  texte  acc.  sg.  stodlan  '  weber- 
kamm'  steht,  so  spricht  schon  das  d  für  länge  des  vorauf- 
gehenden vocals,  und  diese  quantität  wird  bestätigt  durch  mhd. 
stuodel  'pidonius'  Mhd.  wb.  2, 2,  707.  Auch  WrW.  280, 14  dur- 
stodl  'postis'  ist  danach  dem  mhd.  Wirst uodel  Lexer  2,  1588 
(vgl.  ahd.  turistuodit)  gleichzusetzen,  das  mit  mhd.  torstudcl 
im  ablaut,  mit  den  synonymen  mhd.  bistal,  mnd.  bistel  ausserdem, 
auf  *stö]>la-  zurückweisend,  im  grammatischem  Wechsel  steht. 

vielmehr  die  existenz  solcher  länge  bereits  vor  der  vorauszusetzenden 
dehnenden  Wirkung  der  folgenden  consonantengruppe  so  wenig  erwiesen 
wie  allgemein  angenommen  ist  (indicien  zur  feststellung  der  zeit  der  deh- 
nungen  sammelt  Bülbring,  Ae.  EB.  §285;  vor  Id  käme  z.b.  wol  in  frage, 
da?«  das  erst  im  laufe  der  historischen  aengl.  zeit  synkopierte  kurzsilbige 
falatd  falud  gleich  and.  fakd  mnd.  valt  dehnung  erfahren  hat:  Orrm  pl. 
falde$s,  nengl.  fold).  Möglich  bleibt  es  immerhin,  dass  hier  der  schwund 
des/)  erst  nach  der  synkope  und  ohne  ersatzdehnung  erfolgte,  indem  die 
gruppe  -f)ld-  in  ähnlicher  weise  erleichtert  wurde  wie  -mtul-  in  nemde  oder 
-Wl-  in  seilte;  möglich,  aber  angesichts  der  analogen  erscheinung  bei  stiel, 
sUU,  mlan  doch  kaum  wahrscheinlich. 


76 


WEYHE 


C.  Anglisch  -weard  (-wcrrd)  neben  -ward  (-word); 

hildi~  neben  hild-. 

Aus  dem  mengl.  bekannt  ist  eine  Stärkeabstufung  von 
nebentönen  je  nach  der  entfernung  vom  hauptaccent:  unmittel- 
bar nach  diesem  können  lautlich  schwere  nebensilben  unbetont 
sein;  von  ihm  durch  mittelsilbe(n)  getrennt,  tragen  sie  aus- 
nahmslos einen  nebenton  (Morsbach,  Me.  gr.  §  46).  Das  gleiche 
princip  regelt  in  manchen  md.  und  nd.  dialekten  noch  heute 
die  Vertretung  bestimmter  alter  längen;  da  erscheint  z.  b.  für 
ahd.  -äri  unmittelbar  nach  dem  hauptton  silbisches  r  genau 
wie  in  der  nhd.  Umgangssprache  (fisr  1  tischer ahd.  fishiri), 
während  nach  mittelsilbe  die  länge  gewahrt  bleibt  (lijnür 
'litgner',  ahd.  lugindr%)\  oder  es  ist  das  ursprüngliche  -oua 
slavischer  Ortsnamen,  für  das  die  officielle  Orthographie  o  oder 
au  oder  e  kennt,  dort  zu  d  geworden,  hier  auf  der  stufe  ö 
verharrt  (mir  aus  Anhalt  geläufig):  läiw  'Kühnau',  brtkz  'Buko', 
aber  rosslö  'Rosslau',  tccrtlö  *  Wertlau  *,  jitrchö  'Jütrichau'. 

Im  deutschen  ist  solche  abstuf ung  weit  zurückzuverfolgen, 
zeigt  sie  sich  doch  schon  an  der  behandluug  der  noniinal- 
composita  in  Otfrids  verse.  Folgen  dort  die  beiden  Stamm- 
silben einander  unmittelbar,  so  kann  die  zweite  in  der  Senkung 
stehen,  nicht  bloss  bei  verdunkelten  compositis:  hierher  fälle 
wie  kuanheit,  oder  wie  urheiz  gleich  aengl.  öret,  oder  nahuuist 
gleich  VPs.  neotvest;  wenn  dagegen  'die  beiden  Stammsilben 
durch  eine  unbetonte  silbe  getrennt  sind,  so  muss  auch  die 
zweite  durchaus  einen  ictus  erhalten':  gomaheit,  duriuuart, 
thionostman  (Wilmanns.  Heitr.  z.  gesch.  d.  ält.  d.  lit.  3,  §  90—92). 
—  Auf  der  ältesten  stufe  des  engl,  ist  ähnliches  bei  dreiglied- 
rigen compositen  mit  früher  rhythmischer  accentumlegung 
beobachtet,  so  wenn  in  tmforcfrp  das  u  seiue  länge  wahrt, 
die  es  in  fraxoj)  einbüsst;  man  erwartet  auch  anderswo  im 
aengl.  auf  spuren  dieser  abstufung  zu  stossen,  und  so  sind  die 
recht  eng  gezogenen  grenzen  vermutlich  erweiterungsfähig,  in 
denen  ich  die  erscheinung  auch  bei  einfachen,  doch  nicht  mehr 
voll  als  solchen  empfundenen  Zusammensetzungen  nachweisen 
zu  können  glaube.1) 

')  Beachte  ferner  v.  Bahder,  Verbalabstracta  s.  186  über  die  bildung  der 
abstracta  auf  ~iuuj  neben  -ing  ('es  scheint  hier  ein  gewisses  rhythmisches 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


77 


An  stelle  von  altws.  -weard  im  compositionsausgang,  sei 
es  nun  als  adj.  wie  in  andtveard  oder  als  subst.  wie  in  ierf[e)- 
weard  erscheint  in  R'  -weard  und  -ward;  das  erste  gilt  nach 
zweisilbigem,  das  zweite  nach  einsilbigem  vordergliede.  Für 
substantivisches  -weard  findet  sich  nur  ein  beleg,  erfeweard 
2138;  beim  adj.  aber  (vgl.  Brown  1, 21)  stehen  einander  gegen- 
über hier  wiöerweard  8, 24.  12, 26,  wiÖerwearde  5, 25  (2  m.). 
4, 10.  16,  23  (von  Brown  nicht  verzeichnet),  wiperwearö  12, 26, 
tcidert€ear(d)  14,  24,  niperweardes  8,  32,  neopewearde  27,  51  *)> 
dort  toward  2, 13.  17, 22,  towarde  12, 32,  towardan  3,  7  und 
ondwardan  28, 15.  Angesichts  dieser  16  ' regelmässigen'  formen 
darf  man  wol  ein  ufawarde  27,51  auf  rechnung  beginnender 
ausgleichung  setzen.  Nach  den  ausführungen  von  Sievers,  IF. 
14, 32  f.  wird  anzunehmen  sein,  dass  in  dem  dialekte  von  R« 
neben  wrpcrweqrd  mit  erhaltung  des  nebentons  und  fallender 
diphthongierung  im  zweiten  gliede  einst  ein  tö  weard  bestanden 
hat,  dessen  nebenton  geschwächt  und  dessen  fallender  diphthong 
steigend  geworden  war;  einfluss  des  w  auf  die  entstehung  der 
a-form  (Sievers  a.  a.  o.  s.  37)  ist  hier  wol  ausgeschlossen. 

In  Li.  sind  die  Vertreter  von  adjectivischem  urengl.  -ward, 
im  Rit.  auch  die  des  subst.  bereits  in  Verwirrung,  und  R2  hat 
bis  auf  ein  erfeweard  die  stufe  mit  o,  -word,  verallgemeinert 
(Lindelöf,  Die  spräche  der  südnorth.  ma.  s.  78).  Aber  für  sub- 
stantivisches urengl.  -ward  bietet  Li.  dasselbe  bild  wie  B1,  nur 
dass  neben  ea  noch  ce,  neben  a  noch  o  erscheint.  Stets  heisst 
es  hier  heafudwueard  Mt.  1 16, 1,  heafodueard  Mt.  I  9, 16,  heafud- 
wcardo  Mc.  I  1, 1,  heafudwearda  Mt.  I  22, 9,  oder  heafuducerd 
J.  18, 12,  ebenso  regelmässig  aber  reigluord  J.  4, 46  —  zur  ein- 
silbigen geltung  des  anfangsgliedes  vgl.  die  bekannten  erschei- 
nungen  der  metrik  — ,  regluord  J.  4, 49,  regluordes  J.  I  4,  6 
bez.  reglu"ard  J.  4, 51.  Besonders  eclatant  tritt  das  walten 
rein  laut  mechanischer  regelung  da  hervor,  wo  das  anfangsglied 
in  der  silbenzahl  wechselt;  neben  doruorde  Mc.  13,34,  duruuardw 
J.  18, 16  steht  dureueard  J.  18, 17.   Aequivalent  von  erfeweard 

• 

gesetz  zu  walten:  nachdem  bereits  ein  schwächerer  vocal  auf  den  wurzel- 
Yocal  gefolgt  war,  griff  man  nach  dem  volleren  tr);  auch  oben  s.59,  anm. 
EU  metc-ren  :  sealt-ern. 

>)  Schultes'  inzwischen  erschienenes  glossar  fügt  hierzu  noch  mit  recht 
Wide rwearda  Mc.  1, 13. 


Digitized  by  Google 


78 


WEYHE 


Mt.  21, 38,  erfeweardnise  Mc.  12,7,  erfeweardnisse  Mt.21,38  oder 
erfewcerd  Mc.  12,  7,  erfewaerd  Mt.  I  5, 5  ist  erfuard  Lc.  20,  14 
und  erfuardnise  ebda.1)  Regelmässige  lautgestalt  in  diesem 
sinne  zeigt  ferner  lecuord  J.  I  8, 4,  während  das  vereinzelte 
hateard  J.  20, 15  nicht  anders  zu  beurteilen  sein  wird  als 
das  gleich  isolierte  ufawarde  in  R'.  —  Aus  diesem  verhalt 
scheint  hervorzugehen,  dass  im  dialekte  von  Li.  ein  gefühl 
für  den  Wechsel  im  stammvocalismus  dieser  zweiten  composi- 
tionsglieder  je  nach  der  entfernung  vom  haupttone  bestand, 
womit  natürlich  keineswegs  gesagt  ist,  dass  die  abstuf ung  in 
jedem  einzelnen  falle  altererbt  sein  müsste. 

Im  merc.  Psalter  betreffen  die  Schwächungserscheinungen 
zweiter  compositionsglieder,  wie  sie  Zeuner  §  24, 3  zusammen- 
gestellt hat,  ausnahmslos  fälle  mit  unmittelbarer  berührung 
beider  Stammsilben:  so  in  ladiow  und  neowest,  wozu  auch 
ereste  'resurrectionenT  138,2  zu  fügen  ist;  von  compositen  mit 
-ward  begegnet  (ausser  hlafard)  die  entsprechung  des  ws. 
töweard  und  zwar  als  touord,  towordre  der  erwartung  gemäss. 
Schwanken  herscht  dagegen  charakteristischer  weise  wider 
bei  einem  worte,  wo  die  silbenzahl  des  anfangsgliedes  schwankt, 
dem  äquivalent  von  ws.  ierf(e)weardnis.  Zwar  ist  an  dem 
tiberlieferten  formenmaterial  des  Psalters  ein  Zusammenhang 
beider  erscheinungen  nicht  zu  erkennen,  indem  neben  erfe- 
weardnis,  -se  und  erfwordnisse  noch  erfewordnis,  -se  und  crf- 
tceardnis,  dazu  (einmal)  vom  verbum  Öu  erfewordas  begegnen. 
Aber  wenn  die  übrigen  Schwächungen  dieses  denkmals  auf  den 
fall  unmittelbaren  stammsilbencontactes  beschränkt  sind,  so 
weist  das  doch  wol  auch  hier  auf  einen  älteren  Wechsel  erfe- 
tceard-,  erfword-  hin,  mag  auch  die  ursprüngliche  Verteilung 
der  formen  mitsammt  der  regel  für  stehen  und  fehlen  des  mittel- 
vocals  zur  zeit  noch  unbekannt  sein.5)  — 


')  Das  letzte  paar  ist  bereits  von  Bülbring  verzeichnet  EB.  §435c, 
doch  mit  abweichender  beurteilung,  vgl.  ebda.  §  367  a. 

*)  Bis  eine  zusammenfassende  Untersuchung  der  fugenvocale  im  aengl. 
vorliegt,  könnte  man  auf  andere  parallelen  hin  eine  ursprüngliche  Verteilung 
e  rfacea-  rd,  -es,  aber  obliqu.  rrftcordmssc,  verbum  erftcordi"af>,  dann  auch 
nom.  erfwordnis  vermuten,  was  durch  die  Uberlieferung  gestutzt  zu  werden 
scheint,  vgl.  z.  b.  Jälfric  yrfweardnyss  Horn.  Th.  2, 224, 7,  yrfwyrdnys  526, 29, 
yrfwyrdny88eb'2tö,'<SO,  yrfictardnysse  Heil.-leb.  18, 177,  aber  yrfeweardes  33, 117. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


79 


Wie  sich  in  diesen  fällen  die  betonung  des  (ursprüng- 
lichen) zweiten  compositionsgliedes  regelt  nach  der  silbenzahl 
des  ersten,  bietet  nun  wie  ich  glaube  das  aengl.  auch  ein  bei- 
spiel  für  die  umgekehrte  abhängigkeit  in  einem  falle,  wo  die 
accentuierung  des  Vordergliedes  zwar  nicht  von  der  silben- 
zahl, doch  von  dem  silbenbau  des  Schlussgliedes  reguliert  zu 
werden  scheint.  Parallelen  hierfür  sind  mir  aus  dem  germ. 
nicht  zur  hand. 

Unter  den  eompositis  mit  Hild(e)-  'kämpf  im  ersten  gliede 
finden  sich  im  Beowulf  42  belege  (darunter  zwei,  3124a 
hilderinc<a>  und  3136a  här  hildemno  mit  gesicherter  ergän- 
zung  handschriftlicher  lücken),  in  denen  das  zweite  glied  ent- 
weder durch  eine  lange  oder  durch  lange  +  unbetonte  silbe 
gebildet  wird  (lange  silbe  gleich  silbe  mit  vocallänge  oder 
mit  vocalkürze  in  position);  es  sind  flectierte  oder  unflectierte 
formen  von  (Hilde-)  bil(t),  bord,  cyst,  deor,  geatwc,  $räp,  Hlem(m)t 
koma,  mece,  rand,  r(Bs,  rinc,  sceorp,  seil,  stren&o,  swät,  tüsc, 
w&pen,  wvscl  ;  Hüdemecgas,  HildeburH;  acc.  sg.  Hildesoedne. 

Sie  alle  weisen  in  der  hs.  compositionsfugenvocal  auf  und 
stehen  in  dieser  gestalt  in  untadligen  versen;  bei  fehlen  des 
vocals  dagegen  würden  unter  ihnen  31,  in  versen  des  einfachen 
typus  A  (wie  Hilderince  1495  a)  oder  D  4  (wie  Här  hilderinc 
1307  a)  metrisch  fehlerhafte  halbzeilen,  und  9  belege  in  versen 
des  typus  B  (wie  Hirn  pä  hddedeor  312a;  ferner  397  a.  834  a. 
1039a.  1114a.  1446a.  1666b.  2155a.  2507a)  eine  im  Beowulf 
nicht  belegte  abart  (-LX--)  des  typus  A3  ergeben;  nur  zu 
zweien  (300a  J>cet  ßone  Hilder&s,  1071a  ne  huru  Hildeburh) 
waren  unter  gleicher  Voraussetzung  gesicherte  metrische  pa- 
rallelen zu  finden. 

Der  einzige  beleg,  in  dem  das  zweite  glied  nach  kurzer 
betonter  zwei  unbetonte  Silben  enthält  (1606  b  hildegicdum), 
hat  ebenfalls  fugenvocal,  den  auch  er  metrisch  nicht  entbehren 
kann;  ob  der  fall  vielleicht  gleichfalls  der  ersten  gruppe  an- 
gehört, ist  zweifelhaft,  vgl.  unten  den  abschnitt  D,  I,  5,  a. 

Innerhalb  der  übrigen  poetischen  literatur  finden  sich  an 
gleichartigen  fällen  34  (darunter  die  gesicherte  ergänzung 
Jud.  222  a  <hildonwdran);  zu  den  früheren  kommen  noch  hinzu 
flectierte  und  unflectierte  Zusammensetzungen  mit  bedd,  calla, 
coröor,  deofol,  egesa,  fröfor,  giest,  £rä*dig,  UoÖ,  nwdre,  pil,  scür, 


80 


WEYHE 


serce,  spell,  swcj,  torht,  ]>remnta,  pry]>,  prym(m),  tvörna,  wr&sn, 
wulf.  Hiervon  fällt  El.  113  hildvgesa  (für  -egsa)  aus,  da  das 
zweite  glied  mit  einem  vocale  beginnt.  Sämmtliche  übrigen 
33  haben  mit  einer  ausnähme  handschriftlich  fugenvocal,  30 
davon  (in  versen  des  typus  A  oder  1)  4)  erfordern  ihn  metrisch, 
nur  die  beiden  schwellverse  Kr.  61b  und  Ex.  573  a  könnten  ihn 
in  dieser  hinsieht  entbehren. 

Die  eine  ausnähme  macht  An.  1092b,  wo  hildbedd  styred 
überliefert  und  fehlen  des  vocals  in  der  fuge  wol  auch  zu- 
gleich metrisch  notwendig  ist  (vereinzelte  belege  von  1X-  I 

aus  An.  gibt  Deutschbein,  Zur  entwicklung  des  engl,  all.- 
verses  s.  68  unter  no.  3  an).  Aber  diese  einzige  ausnähme 
gegenüber  74  bez.  75  gesicherten  fällen  beweist  nur  dasselbe, 
was  die  verschiedenen  (von  Wülker  zur  stelle  verzeichneten) 
versuche  zur  erklärung  des  ganzen  Zusammenhangs  und  die 
mangelnde  alliteration  in  v.  1090  zeigen,  dass  nämlich  irgend- 
welche textverderbnis  vorliegt  und  die  stelle  für  grammatische 
zwecke  nicht  verwertet  werden  kann.1) 

Diesem  compositionstypus  nun  steht  ein  zweiter  gegenüber, 
bei  dem  das  Schlussglied  kurze  betonte  +  unbetonte  silbe  auf- 
weist; es  sind  16  belege,  ausgehend  auf  -frecun,  -  fronte,  -frunia, 
-an,  -latan,  -stapan,  -preece.  Unter  diesen  fehlt  in  den  hss. 
der  fugenvocal  fünfzehnmal  und  die  verse  sind  bei  dieser 
wortgestalt  vollkommen  correct.  Acht  belege  (B.  1678  a  härum 
hildfruman,  2649a  hefpan  hildfruman,  Jul.  7a  hüpen  hildfruma, 
El.  10a  ähafen  hildfruma,  El.  101a  hcria  hildfruma,  Gen.  2157a 
hwltda  hildpreece;  ferner  An.  126a  und  1070a  haldne  hildfrecan, 
doch  sind  in  diesem  gedieht  auch  zwei  lx  I  -x-x  una*  ver" 
einzelte  ähnliche  fälle  mit  auflösung  belegt,  s.  Deutschbeins 
tabellen  a.  a.  o.  s.  67)  würden  dagegen  bei  Vorhandensein  des 
vocals  metrisch  fehlerhafte  oder  doch  mindestens  auffällige 
halbzeilen  ergeben. 

Zu  dem  einzigen  beleg,  der  fugenvocal  zeigt  und  dabei 
gerade  in  einer  derartigen  halbzeile  steht,  B.  2205  a  hearde 
hildefrecan,  hat  bereits  Sievers,  Beitr.  10,  305  bemerkt:  'doch 

')  Man  könnte  z.b.  nach  masagabe  von  tr(rlbedd  zu  xva-l  'die  gefallenen', 
neobedd  mit  neo-  aus  wgenn.  *nawi-  'der  tote'  an  holdbedd  zu  hold  'leich- 
nam'  denken. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


81 


ist  zu  erwägen,  ob  nicht  an  der  letzteren  stelle  wie  2367 
hildfrecan  zu  lesen  ist'.  Nach  dem  voraufgehenden  wird  man, 
zumal  wo  jetzt  gemäss  desselben  gelehrten  Agerm.  metrik 
§  79,4b  auch  noch  der  zweite,  ausserdem  im  Beowulf  vor- 
handene beleg  gleicher  art,  1162a  win  of  wunderfatum  weg- 
fallen dürfte,  von  der  not  wendigkeit  der  lesung  hildfrecan 
reden  dürfen. 

Das  ergibt  also  für  die  in  der  poesie  begegnenden  aengl. 
composita,  deren  erstes  glied  vom  wgerm.  stamme  Viildiö-  ge- 
bildet ist,  folgenden  tatbestand:  hat  das  zwreite  glied  die  form 
1  oder  lx,  so  lautet  das  erste  Hilde,  hat  das  zweite  glied  die 
form  ^x>  so  lautet  das  erste  hild. 

Man  könnte  von  vornherein  versucht  sein,  hier  an  eine 
im  dienste  des  versrhythnius  stehende  willkürliche  auslese 
unter  formen  zu  denken,  die  in  der  alltagssprache  in  irgend- 
welcher Scheidung  nebeneinander  bestanden,  HildbUl  neben 
hildebill,  hildlatu  neben  Hildelata.  Dazu  wäre  zu  bemerken, 
dass  nach  ausweis  der  lexka  mindestens  in  der  uns  bekannten 
Sprachperiode  des  aengl.  das  appellativum  Hild  in  der  prosa- 
rede überhaupt  nicht  mehr  existierte.  Andrerseits  würde  sich 
für  eine  derartige  metrische  regelung  schwerlich  ein  grund 
ausfindig  machen  lassen.  Während  z.  b.  formen  wie  hildebille 
nur  im  einfachen  typus  A  belegt  sind  und  eventuell  nur  noch 
*D  für  sie  in  frage  käme,  hätte  für  hildbille  C,  D  und  E  offen 
gestanden;  widerum  würde  sich  eine  kategorie  hildelatan 
anstandslos  in  B-verse  eingefügt  haben.  Wenn  der  Beowulf 
nur  wenig  vollkommen  sichere  belege  von  auflösung  der  zweiten 
hebung  dieses  typus  in  dem  falle  aufweist,  dass  die  zweite 
hebung  das  Schlussglied  eines  compositums  trifft  (doch  vgl. 
1101  ne  purH  intviisearo,  bei  uneigentlicher  Zusammensetzung 
2925  und  Hrcfnawudu),  so  liegt  das  wol  lediglich  an  der  rela- 
tiven Seltenheit  von  Zusammensetzungen  des  Schemas  -  x  ~  x- 

In  der  tat  haben  wir  wenigstens  einen  beleg  dafür,  dass 
jener  Wechsel  nicht  auf  die  spräche  der  dichtung  beschränkt 
war,  und  zwar  in  dem  namenmaterial  des  Liber  vitae.  Hier 
sind  belegt  mit  langem  zweiten  gliede  hildiberct  103.  112. 
253.  257.  296.  383,  hildiburg  28,  HildiSüs  145. 175.  224,  Hildisyp 
445,  -gip  40,  HildtyryP  26.  47  und  hildiuald  119.  227.  351. 
Gegenüber  diesen  17  belegen  mit  hildi-  hat  der  einzige  name, 

Beiträge  mr  geschichte  der  deutschen  Sprache.   XXX.  Q 


82 


WKYHE 


dessen  Schlussglied  die  form  ^x  besitzt,  widerum  hild- :  hilduini 
230  und  297.  Dass  hier  an  dem  nichtVorhandensein  des  i  das 
folgende  w  unschuldig  ist,  zeigt  das  dreimalige  hildiuald,  vgl. 
ferner  die  metrisch  sicheren  luldewa-pnum,  hildewtWsne,  hilde- 
wulfas;  allerdings  vermutet  Bülbring,  EB.  §  435.  anm.  in  *hildi- 
tvini  vielmelir  unsilbisches  ü:  doch  auch  dem  stände  Beowulf 
1064  b  hildewisan  entgegen. 

Während  die  poesie,  abgesehen  von  fällen  wie  hildebil(l) 
keinen  beleg  mit  einsilbigem  zweiten  gliede  des  Schemas: 
kurzer  vocal  vor  einfacher  consonanz  überliefert,  scheint  aus 
LV.  hildifri])  192.  215  hervorzugehen,  dass  eine  geschlossene 
silbe  dieses  baues  nicht  anders  wirkte  als  vocalkürze  vor 
mehrfacher  consonanz  oder  als  vocallänge,  hüdifrip  wie  Beow. 
2723  hildeswdne  (weiterhin  auch,  dass  zur  zeit  der  apokope 
des  u  von  *-/H/>u  das  t  der  fuge  noch  intact  war?).  Wie  die 
fälle  behandelt,  d.  h.  wol  ausgeglichen  wurden,  wo  die  silben- 
zahl  des  zweiten  gliedes  innerhalb  der  flexion  wechselte  (ur- 
sprunglich *hildis(ed,  *hildisccdnas,  aber  *hildsada,  *hild&ecil, 
aber  *hildigecilum?)  ist  nicht  mehr  zu  erkennen. 

Eine  weitergehende  ausgleichung  hat  vielleicht  später  in 
der  tat  stattgefunden,  indem  die  überwiegende  form  hilde- 
verallgemeinert  wurde;  vgl.  R.  Müller,  Untersuchungen  über  die 
namen  des  north.  LV.  §  69:  'die  Verkürzung  von  hildi  zu  hild 
vor  folgendem  mni  ist  ausserhalb  des  LV.  keine  durchgängige, 
vgl.  z.b.  hildeuine  Bi.2,326a.  925/41  (original)'.  Dazu  würde 
stimmen,  dass  in  den  späten  südlichen  hss.  der  dichtungen  nie 
hild  für  hilde,  dagegen  wie  bemerkt  einmal  hilde  an  stelle  von 
hild  geschrieben  steht.  Zur  entscheidung  müsste  ein  grösseres 
namenmaterial  herangezogen  werden  als  ich  zur  Verfügung 
habe.  Uildgaringdenn  OET.  Ct.  25,  9,  a.  843  ist,  da  unter  be- 
sonderen betonungsbedinguugen  stehend,  ohne  gewicht 

Dass  also  in  diesen  compositis  stehen  und  fehlen,  d.  h. 
doch  gewis  ursprünglich  die  stärkere  oder  schwächere  arti- 
culierung  des  fugen vocals  abhängt  vom  silbenbau  des  end- 
gliedes,  dürfte  wol  sicher  sein.  Wie  es  dagegen  zu  erklären 
ist,  dass  der  vocal  unter  den  angegebenen  bedingungen  über- 
haupt erhalten  bleiben  konnte,  darüber  weiss  ich  ebensowenig 
sichere  auskunft  zu  geben  wie  K.Müller  a.a.O.  §89,5.  Das 
schwanken  der  mit  sib-  oder  sibbe-,  hei  oder  teile-  beginnenden 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


83 


bildet  offenbar  keine  parallele;  hier  hat  sich  neben  die  alte 
echte  Zusammensetzung  mit  sib-,  hei-  nicht  anders  wie  in 
rödetäcn  und  ähnlichen  jüngere  genetivische  composition  ge- 
stellt, an  die  bei  Midi-  natürlich  nicht  gedacht  werden  kann. 
Die  ursprünglich  langsilbigen  -iö- Stämme  aber  zeigen  sonst 
durchweg  synkope  (vgl.  auch  Bülbring,  EB.  §  398,  c),  so  im  LV. 
h&Ö-berct,  gth-suW,  sonst  gyrd-wite,  hüep-cole,  -hrycg,  hind-berge, 
-brer,  -cealf,  hyP-  (hafen)  gield,  -weard,  hyp-  (beute)  scip,  yp- 
hord,  -faru,  -hof,  -kennest  u.s.w. 

Immerhin  fällt  auf,  dass  von  allen  diesen  Stämmen  hüd 
der  einzige  ist,  der  ausschliesslich  in  der  dichtung  und  dem 
mit  dem  poetischen  mannigfach  verwanten  wortmaterial  der 
Personennamen  begegnet  (für  den  LV.  speciell  fallen  die  Beo- 
wulroamen  ins  gewicht,  darunter  gerade  Hildiburg,  Sievers, 
Beitr.  10,  464).  So  wäre  es  wol  nicht  undenkbar,  dass  die 
feste  poetische  tradition  bei  einem  worte,  das  nur  in  ihr  sein 
leben  führte,  einen  altertümlicheren  lautstand  bewahrt  hätte, 
als  ihn  die  der  prosa  geläufigen  worte  zeigen  (analoga  dazu 
anzuführen  ist  kaum  nötig,  doch  vgl.  beispielsweise  zum  nhd. 
Behaghel,  Die  deutsche  spräche3  s.  110  ff.).  Haftete  aber  ein- 
mal von  hier  aus  der  Wechsel  hüdebill  i  hildfreca  als  ein  rhyth- 
misches gesetz  im  bewusstsein,  so  war  es  schliesslich  nicht  zu 
verwundern,  wenn  bei  ihm  auch  die  personennamen  verharrten, 
die  dem  Angelsachsen  in  ihrem  ersten  bestandteile  durchaus, 
zum  grössten  teile  aber  auch  dem  zweiten  nach  etymologisch 
klar  sein,  zugleich  aber  für  sein  ohr  einen  dichterisch-adligen 
klang  haben  mussten,  die  ferner  gewis  häufiger  als  jetzt  noch 
zu  verfolgen  auch  in  der  dichtung  begegnet  sind.  Conserva- 
tivismus  der  eigennamen  aber  gerade  aus  derartigen  gründen 
ist  ja  widerum  etwas  ganz  geläufiges. 

Die  möglichkeit  dieser  annähme  zugegeben,  hätten  wir 
also  in  den  formen  mit  hildi-,  dann  hilde-  erstarrte  bildungen 
vor  uns,  leitfossilien,  die  einblick  gewähren  in  eine  zeit,  wo  das 
(seinerseits  wahrscheinlich  aus  -ia-  hervorgegangene)  i  der  -iö- 
stämme  nur  erst  vor  der  folge  kurzer  plus  unbetonter  silbe,  ein- 
facher gesagt:  nur  erst  vor  kurzer,  offener  silbe  synkopiert  war.1) 

[»)  Das  hier  behandelte  problem  bildet  nur  ein  glied  in  einer  grossen 
reihe  analoger  erseheinungen  bei  der  composition,  über  die  ich  im  dritten 
teil  meiner  Metrischeu  Studien  handeln  zu  können  hoffe.   E.  S.] 

G* 


£4  WTTHI 

Als  Sievers  seine  Untersuchungen  Zur  accent-  und  laut- 
lehre  der  germ.  sprachen  veröffentlichte,  schickte  er  der  be- 
handlang der  aengL  mittelsilben  folgende  bemerkung  voraus 
(Beitr.  5. 70;:  'Das  ags.  hat  seine  unbetonten  mittelvocale  unter 
den  wgernL  sprachen  am  consequentesten  behandelt,  wenn  wir 
von  der  spräche  der  ahmten  denkmäler  absehen,  in  denen  die 
später  waltenden  gesetze  n -ch  nicht  völlig  zum  durchbruch 
gelangt  sind.  Indem  ich  diese  ältesten  denkmäler,  schon  wegen 
der  unzugänglichkeit  eines  grossen  teiles  des  materials,  einer 
anderen  si-ecialuntersuchung  überlasseu  muss.  beschränken 
sich  meine  angaben  im  folgenden  im  wesentlichen  auf  den  in 
Greins  bibliothek  gegebenen  stoft  der  indessen  mehr  als  aus- 
reichend Ist.  um  die  nötigen  regeln  zu  abstrahieren.' 

Seit  jener  zeit  haben  sich  die  hier  umschriebenen  grenzen 
des  beobachtungsfeldes  beträchtlich  erweitert:  nicht  nur  dass 
die  ältesten  denkmäler  allgemein  zugänglich  gemacht  sind, 
auch  der  in  ihnen  wie  den  wichtigsten  späteren  prosaquellen 
lagernde  Sprachstoff  ist  zu  grossem  teile  in  grammatischen 
monographien,  in  beschränkterem  niasse  auch  lexicalisch  unter 
dach  gebracht.  Andrerseits  aber  hat  gerade  das  damals  zu 
gründe  gelegte  wortmaterial  späterhin  durch  Sievers  selbst 
eine  ganz  neue  beleuchtung  erfahren;  Sievers  wies  nach,  dass 
das  versmass  nicht  selten  ältere  sprachformen  verlangt,  wo 
die  Schreiber  der  zumeist  späten  poetischen  hss.  der  lautgestalt 
ihrer  tage,  vor  allem  auch  ihrer  dialekte  eingang  verstattet 
hatten.  Die  frage  nach  der  behandlung  der  mittelsilben  in 
älterer  zeit,  an  sich  von  rein  lautlichem  interesse,  gewann 
damit  zugleich  aus  gründen  der  textherstellung  an  Wichtigkeit 

Im  allgemeinen  machte  sich  eine  modification  der  erzielten 
resultate  in  doppelter  richtung  nötig  (vgl.  namentlich,  soweit 
die  metrischen  kriterien  in  frage  kommen,  Sievers,  Beitr.  10, 
459—404):  es  stellte  sich  heraus,  dass  in  älterer  zeit  nach 
langer  silbe  die  gesetzmässigkeit,  nach  kurzer  silbe  aber  — 
und  dies  nicht  nur  in  älterer  zeit  —  das  schwanken  grösser 
war  als  die  hss.  der  dichtung  verrieten.  Während  aber  die 
Störungen  im  ersten  falle  zumeist  auf  jüngeren  analogischen 
ausgleichungen  beruhten,  musste  eine  ähnliche  erklärung  bei 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTQSRM.  GRAMMATIK. 


85 


den  mittelvocalen  nach  kürze  offenbar  versagen.  Dennoch  ist 
bisher  kein  versuch  gemacht,  die  einschlägigen  Verhältnisse 
genauer  und  im  zusammenhange  zu  untersuchen. 

Einen  ersten  schritt  zu  diesem  ziele  wollen  die  folgenden 
ausführungen  wagen,  denen  die  doppelten  mängel  eines  gram- 
matischen erst! ings Versuches  auf  schlüpfrigem  gründe  anhaften. 
Dies  um  so  mehr,  als  ihr  rein  provisorischer  Charakter 
schon  darin  gegeben  ist,  dass  eine  wirklich  abschliessende  be- 
handlung  die  vollständige  inventarisierung  sämmtlicher  in  frage 
kommender  wortformen  voraussetzen  oder  einer  solchen  gleich- 
kommen müsste. 

Leider  konnte  an  dieser  stelle  aus  äusseren  gründen  nur 
ein  bereits  fertig  abgeschlossener  teil  der  grösseren  arbeit  vor- 
gelegt werden. 

Chronologisches  Verhältnis  der  synkope  nach 
langer  zu  der  nach  kurzer  tonsilbe.«) 

Der  Schwund  unbetonter,  ursprünglich  kurzer  mittelvocale 
nach  langer  tonsilbe  gehört  der  vorliterarischen  zeit  an  und 
ist  in  seinen  verschiedenen  phasen  nicht  mehr  genauer  zu  ver- 
folgen; wir  haben  das  ergebnis  einer  abgeschlossenen  entwick- 
lung  vor  ans,  die  innerhalb  des  historischen  aengl.  im  grossen 
ganzen  nur  da  eine  fortsetzung  erfährt,  wo  die  betonungs- 
verhältnisse  ihrerseits  andere  geworden  waren  (Beitr.  9,  228. 
10,461b.  ßülbring,  EB.  §  405.  435).*)  Immerhin  lässt  sich  an 
einzelheiten  noch  erkennen,  dass  bei  diesem  ganzen  offenbar 


»)  Nur  diese  synkope  kommt  in  betracht,  da  bei  dem  vorhistorischen 
Schwund  von  mittelvocalen  nach  mittelsilbe  die  quantität  der  tonsilbe 
keine  ersichtliche  rolle  spielt:  Beitr.  5,81.  —  Von  tonsilbe  (mit  Kluge,  Pauls 
«irnndr.  1*,  1053)  statt  wurzel-  oder  Stammsilbe  zu  reden,  dürfte  sich  des- 
wegen empfehlen,  weil  der  starkton  (hauptton  oder  starker  nebenton)  keines- 
wegs überall  auf  der  'wurzel'  ruht,  vgl.  Oret  einerseits,  here-geatwe  zum 
andern. 

*)  In  diesem  falle  wird  dann  auch  teilweise  genauere  beobachtung  mög- 
lich. So  ist  beispielsweise  in  Li.  das  erste  e  der  endung  -erc  stets  erhalten 
nach  langer  hanpt toniger  silbe:  beameras,  bßcere,  dit-meras  etc.,  während 
nach  stark  nebentoniger  synkope  begegnet:  ticöröures,  hcdröuras;  ist  das  e 
gleicher  weise  erhalten  nach  kurzer  tonsilbe:  bodare,  boderes,  während 
nach  kurzer  mittelsilbe  consequent  synkopiert  wird:  mynittre  (vgl.  as.  pl. 
muniterios),  mynetro,  mynctrum  u.s.w. 


86  WEYHE 

Uber  einen  längeren  Zeitraum  sich  erstreckenden  processe  ausser 
der  Quantität  der  vorausgehenden  silbe  noch  manche  andere 
factoren  im  spiele  waren.  So  tritt  die  Wirkung  verschiedener 
betonung  der  nachbarsilben  darin  hervor,  dass  wie  im 
an.  das  thematische  t  der  -«-stamme  in  der  compositionsfuge, 
also  vor  stärkstem  nebenton,  lautgesetzlich  früher  als  in  den 
übrigen  Stellungen,  noch  vor  der  f'-umlautszeit,  weggefallen 
ist und  dasselbe  scheint,  wTiderum  wie  im  an.,  von  der  Stellung 
nach  stärkstem  nebenton  zu  gelten  (Sievers,  Ags.  gr.3  §  100, 
anm.6  und  7.  Kluge,  Pauls  Grundr.  P.474.  Sievers, Beitr. 27, 207). 
Abweichender  bau  der  folgesilben  macht  sich  bei  den 
-/ö-stämmen  in  dem  Wechsel  hihti-lhild-  geltend,  möglicherweise 
indem  auch  hier  letzten  grundes  accentverschiedenheiten  ent- 
scheidend waren.  Dass  endlich  die  qualität  des  dem  unter- 
gange geweihten  vocals  nicht  gleichgiltig  gewesen  ist,  darf 
wenigstens  aus  einer  erscheinung  der  apokope  gefolgert  werden: 
es  wird  kein  zufall  sein  (vgl.  z.  b.  Kluge,  Pauls  Grundr.  I2, 1053), 
wenn  hier  nur  formen  mit  erhaltenem  u,  wie  das  wol  archai- 
sierende flödu  des  Runenkästchens  (Chadwick,  Studies  s.  156) 
als  vereinzelte,  zum  teil  unsichere  ausläufer  die  zeit  der  denk- 
mäler  erlebt  haben. 

Anders,  wo  mittel  voeale  unter  sonst  gleichen  bedingungen 
nach  kürze  stehen  (zur  synkope  nach  kürze  s.  ausser  den 
grammatischen  einzeluntersuchungen  die  Zusammenstellungen 
bei  Dieter,  Laut-  u.  formenlehre  der  agerm.  dialekte  s.  90  f. 

')  Zur  gefährdung  des  mittelvoeals  in  dieser  Stellung  vgl.  beispiels- 
weise die  späteren  synkopierungen  wie  Finnsburuh  Finnh.  3fi  (ans  älterem 
*Finnfsburh)  gegen  simplex  Kinnes  im  Beowulf;  die  entsprechenden 
Schwächungserscheinungen  der  adj.  auf  -ig,  ,\fj>yldi$  :  jefiyldelic,  dysif  • 
dystlic  (Bülbring,  EH.  $  504,  anm.  3),  sodann  mit  synkope  dynlic;  auch  die 
der  ws.  abstracta  auf  -ung  wie  bfrlsunj  :  bhUsingböc;  luulung  :  hftdingdtrg; 
leornunj  :  Icorninxdld,  -nuht,  -hüs;  %offrun,<;  :  offn'ngdi.tc,  -hläf,  -sowr; 
tcodun;  :  teodingmann  (vgl.  Horn.  Th.  1,178.28  ttodunge  neben  178,29  tto- 
dingdagvm  im  selben  satze),  Öfnung  :  d^ning-bür,  -gäst,  -mann,  mit  noch 
weitergehender  redncierung  durch  dissimilatorischen  ?i-schwund  nach  art 
von  R1  Li.  unndrys(n)nullir  :  witnunj  neben  u  ttingstutc,  nach  art  von  l'hron. 
Cane^annirrsc  neben  Caninjan- :  leornung  gegen  leortiigmann;  denung  gegen 
öfnifmann  (beispielsweise  .Klfric  Heil.-l.  23,  238:  ä  tows  amang  foäm 
Mab/ms  hcora  dniigmunn  and  Jm'i  taorlican  ptnunja  pe  ht  dider  brohU 
heom  geornliee ptnodc),  nach  art  von  ih/^ö«  aus  intingan  (a.b.  Beda  Miller 
1,416,2;:  huntung  gegen  huntij;spere\  tcindwian,  aber  windwig-ceaf  etc. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


87 


Kaluza,  Hist.  gr.  der  engl,  spräche  1,  §  72.  Kluge,  Pauls  Grundr. 
1»  1053.  1056.  Morsbach,  Me.  gr.  §  70  ff.  74.  Am  reichhaltigsten 
Bülbring  im  EB.  §  438  und  439).  Hier  ist  der  vocalschwund 
später  eingetreten  als  nach  länge,  und  es  hat  wol  sicher  im 
urengl.  eine  zeit  gegeben,  wo  ursprünglich  kurze,  einzelne  vocale 
in  offener  mittelsilbe  noch  durchweg  erhalten  waren,  falls  der 
voraufgehenden  tonsilbe  kürze,  aber  durchweg  synkopiert 
waren,  falls  jener  länge  zukam.  Das  historische  ae.  jedoch  hat 
diese  stufe  bereits  überschritten:  was  die  quellen  dieser  zeit 
uns  sehen  lassen,  sind  einzelvorgänge  innerhalb  einer  entwick- 
ln ngsreihe,  deren  beginn  in  vorhistorischer  zeit  liegt  und  deren 
fortsetzung  noch  weit  spätere  epochen  füllt.  So  sind  wir  hier 
in  der  glücklichen  läge,  gleichsam  unbewaffneten  auges  und 
mit  leidlicher  klarheit  wichtige  phasen  eines  processes  ver- 
folgen zu  können,  dessen  einzelheiten  andere  sprachen  stark 
exspiratorischer  betonung  oft  nur  mühsam  aus  mikroskopischer 
Untersuchung  indirecter  kriterien  des  Schlussergebnisses  aufzu- 
bauen gestatten.  Die  unvermeidliche  kehrseite  dieses  Vorzugs, 
doch  keineswegs  ein  nachteil  an  sich,  tritt  hingegen  darin 
hervor,  dass  die  fülle  der  erscheinungen  sich  nicht  in  eine 
runde  formel  bannen  lässt. 

AVesensverschiedenheit  der  beiden  synkopierungen. 

Nach  Sievers,  Pauls  Grundr.  I2, 318  (vgl.  auch  Metr.  Studien 
1,  266  f.)  'lassen  ...  die  synkopierungen  moderner  idiome  den 
satz  als  zweifellos  erscheinen,  dass  bei  verlust  einer  zählenden 
silbe  ihre  dauer  und  exspirationsform  derjenigen  silbe  zugelegt 
wird,  in  der  sie  aufgeht'.  —  So  wäre  nach  den  ausführungen 
desselben  gelehrten  z.  b.  auch  die  gesammtdauer  von  urengl. 
*scndid(B  'sante'  weiter  erhalten  geblieben,  als  daraus  durch 
synkope  *send(cf)ce,  sende  entstand;  der  silbe  send  kam  nunmehr 
die  gleiche  dauer  zu  wie  vorher  der  folge  sen-di-.  Historisch 
fasst  Sievers  den  hergang  in  diesem  falle  umgekehrt:  als  das 
prius  gilt  ihm  eine  neigung  zur  Überdehnung  der  tonsilbe,  die 
als  correlat  zwecks  erhaltung  der  überlieferten  taktlänge  eine 
entsprechende  reducierung,  schliesslich  völligen  Schwund  des 
mittelvocals  nach  sich  zog.  Bekanntlich  ist  es  bei  dieser  syn- 
kope gleichgiltig,  welchen  bau  die  tonsilbe  aufweist,  ob  ihr 
einfacher  langer  vocal  oder  diphthong,  ob  kurzer  vocal  vor 


88 


WEYHE 


mehrfacher  consonanz  eignet,  gleichmütig  auch  die  qualität 
des  oder  der  folgenden  consonanten:  die  einzige  bedingung  be- 
steht in  der  dehnungsfähigkeit  der  silbe,  auf  der  der  stark- 
ton ruht. 

Dieser  bedingung  war  nicht  genügt,  wenn  die  tonsilbe  auf 
kurzen  vocal  ausgieng;  die  älteren  germ.  dialekte  kannten 
'spontane'  dehnung  kurzer,  silbenauslautender  vocale  im  wort- 
innern  nicht.  Wenn  also  das  aengl.  in  solchen  fällen  dennoch 
synkope  eintreten  lassen  kann,  muss  hier  die  dauer  der  ver- 
loren gegangenen  mittelsilbe  ursprünglich  auf  andere  weise 
gewahrt  geblieben  sein. 

Theoretisch  dürften  zwei  wege  für  die  entstehung  von 
formen  wie  miclum  'dem  grossen'  aus  *micelum  (älter  *miciluni) 
in  frage  kommen.  Man  könnte  annehmen,  dass  die  kurze 
endsilbe,  auf  der  ein  rhythmischer  nebenton  ruhte,  gedehnt, 
dafür  der  mittelvocal  reduciert  und  schliesslich  geschwunden 
wäre;  doch  dürfte  hiergegen  so  ziemlich  alles  sprechen,  da 
fälle  wie  inf.  miclian  aus  *micelian  oder  *micilian,  die  solche 
auffassung  vielleicht  zuliessen,  principiell  nicht  von  denen  wie 
miclum  getrennt  werden  können.  Vielmehr  deutet  nicht  weniges 
nach  einer  anderen  richtung  hin  (vgl.  Sievers,  Phonetik5  §  821 
zur  entstehung  von  mhd.  nerte  aus  ahd.  nerita,  wozu  auch  Wil- 
manns,  Beitr.  z.  geseh.  d.  ält. deutsch,  lit.  4,  §  95  zu  vergleichen): 
es  wird  kein  zufall  sein,  wenn  sich  die  beobachtung  machen 
lässt,  dass  im  aengl.  ein  mittelvocal  nach  kürze  nur  dann 
schwindet,  wenn  entweder  der  voraufgehende  oder  der  folgende 
consonant,  eventuell  jeder  von  beiden  ein  dauer  laut  ist. 

Trauen  wir  diesem  fingerzeig,  so  wäre  die  jüngere  aengl. 
synkope  in  gleicher  weise  an  die  dehnungsfähigkeit  eines  dem 
unbetonten  vocale  benachbarten  consonanten  gebunden,  wie  die 
ältere  synkope  an  die  dehnungsfähigkeit  der  vorausgehenden 
silbe.  Mindestens  als  Zwischenstufe  dürfte  eine  längung  des 
dauerlautes  um  das  mass  des  einstigen  kurzen  vocals  anzu- 
nehmen sein. 

Vermutlich  vollzog  sich  demnach  die  entwicklung  von 
*micelum  zu  miclum  derart,  dass  zuerst  das  unbetonte  e  zum 
gleitlaut  reduciert  wurde,  das  folgende  l  alsdann  sonantische 
function  übernahm  und  schliesslich  den  gleitlaut  absorbierte: 
*mi-ce-Utm  >  *mi-C-lum  >  *roi-c/-/uw;  das  wort  besass  jetzt 


Digitized  by  Google 


ZUR  WE8T0ERM.  GRAMMATIK. 


89 


noch  immer  drei  Silben,  deren  zweite  (-c/-)  an  daner  der  ur- 
sprünglichen (-ce-)  gleich  war.  Ein  weiterer  schritt,  zugleich 
eine  weitere  folge  des  stark  exspiratorischen  accents,  führte 
dann  dazu,  dass  das  l  seine  geltung  als  silbenträger  einbüsste 
und  eine  andere  t rennung  der  silben  platz  griff,  wahrscheinlich 
in  Verbindung  mit  einer  gleichzeitigen  quantitätssteigerung  der 
nunmehr  dehnungsfähigen  tonsilbe:  mi-c/-/«m  zu  mic-lum.  Ent- 
sprechend wäre  der  hergang  in  dem  falle  zu  denken,  wo  der 
dauerlaut  an  erster  stelle  stand:  gcoloca,  geoleca  'eigelb'  wird 

wird  über  geol'ca  (bez.  gco-l°-ca)  zu  dreisilbigem  geo-jca,  und 

dieses  weiter  zu  geol-ca  mit  zweigipfliger,  schliesslich  wol  zu 

geol-ca  mit  eingipfliger  erster  silbe  geworden  sein  (vgl.  dazu 
Sievers,  Phonetik 6  a.  a.  o.). 

Erhaltung  von  mittelvocalen  zwischen  momentan- 
lauten sammt  ausnahmen. 

Als  momentanlaute  in  betracht  kommen  nur  die  tenues 
und  d;  der  beispiele  sind  wenige: 

bcdtäan  (st. *bedaliw^)f  plpudueas  ('strumas',  Genn.  23, 396, 258), 
lehn  wort  predician,  predicere,  prydicere  (zur  kürze  des  vocals:  Sie  vers,  Zum 
agp.  voc.  s.  12),  namen  wie  Badttca,  Beoduca ;  flectierte  formen  von  fracod, 
hacod,  nacod  mit  ableitnngen;  (eotuc  'malva'  neben  cottuc);  von  mcolttd, 
wttod;  von  ttrped  (z.b.  tepedum  Kent.  gll.  200;  daneben  Uepped);  ferner  aucb 
da,  wo  eventuell  in  späterer  zeit  einzeldialektischer  Ubergang:  in  dauerlaut 
anzunehmen  ist:  in  den  flectierten  formen  von  eced,  rteced,  rcced  so  gut 
wie  bei  benaced,  beneced  'nudatus'  und  tueced  'nacktheit'. 

Eine  ausnähme  machen  dagegen  die  gruppen  -tid-  und  did- 
im  praet.  und  part.  praet.  der  schwachen  verba  wie  hwettan 
und  hreddati]  praet.  hwette  'schärfte,  reizte  an',  hreddc  'be- 
freite, rettete',  part.  praet.  gehwette,  ähredde  scheinen  älteres 
*htcetid(B,  *hredidce  vorauszusetzen,  so  dass  ein  kurzes  eingehen 
erforderlich  ist.  Die  fälle  haben  das  gemeinsame,  dass  die 
beiden  den  mittelvocal  umgebenden  momentanlaute  vollkommen 
gleich  oder  nur  durch  Vorhandensein  und  fehlen  des  stimm- 
tones  geschieden  sind;  es  bleibt  daher  möglich,  dass  unter 
diesen  besonderen  umständen  rein  lautliche  s}Tnkope  vorliegt, 
vgl.  entsprechende  erscheinungen  im  mhd.  (Wilmanns,  Deutsche 
gramm.  1 J,  §  273, 3)  und  im  aschwed.  (Noreen,  Aschwed.  gramm. 
§  158, 1:  'eine  unbetonte  silbe  zwischen  zwei  starktonigen  wird 


Digitized  by  Google 


90 


WEYHE 


nur  dann  —  sporadisch  —  synkopiert,  wenn  der  betreffende 
vocal  von  zwei  gleichen  consonanten  umgeben  ist';  doch  ist 
hier  wol  auch  eine  etwas  andere  auffassung  möglich).  So  lange 
jedoch  für  eine  derartige  synkopierung  nicht  unanfechtbare 
aengl.  beispiele  beigebracht  werden,  die  ausserhalb  der  ge- 
nannten flexionskategorie  ständen,  dürften  etwa  folgende  mo- 
mente  zur  erklärung  in  betracht  kommen: 

1)  Die  moglichkeit  älterer,  wie  immer  entstandener  bildung 
ohne  mittelvocal.  Die  übrigen  wgerm.  sprachen  schwanken 
stark,  s.  die  nachweise  bei  Paul,  Beitr.  7, 141.  dazu  Möller  ebda, 
s.  470  ff.  Das  aengl.  selbst,  die  verlässigste  quelle,  bezeugt, 
jedoch  fehlen  von  mittelvocal  vor  der  aengl.  nmlautszeit  nur 
für  settan  durch  die  vereinzelten  formen  wie  Li.  satlt  (Sievers, 
Ags.  gramm^  §  407,  anm.  6).  Da  andrerseits  das  aengl.  sonst 
den  'rückumlaut'  im  allgemeinen  gut  bewahrt  hat  und  die 
glieder  einer  eventuellen  gruppe  settan  praet  swtte,  part,  praet. 
festet,  acc.  gesastne,  hurt  tan,  *htca>tte,  *$ehua>t,  hreddan,  *hrcedde, 
*xchra>d  sich  gegenseitig  gestützt  hätten,  scheinen  die  geläufigen 
präteritalformen  von  settan  mit  e  (sette,  jeset)  ein  indirectes 
kriterium  für  Vorhandensein  ursprünglichen  mittelvocals  bei 
der  mehrzahl  der  anderen  verben  zu  bieten,  mit  denen  settan 
irgendwie  flexivisch  zusammengefallen  wäre. 

2)  Ein  derartiger  teilweiser  und  zwar  lautgesetzlicher 
zusammenfall  wird  durch  die  langsilbigen  verba  auf  d  und  t 
bezeugt.  Bekanntlich  lautet  das  part.  praet.  von  Uedan  'führen' 
im  südengl.  geläd,  acc.  grhidne  aus  *$ihcd\d,  *giladidna3,  und 
diese  formen  sind  auch  für  das  urangl.  anzusetzen;  das  angl. 
schon  der  ältesten  historischen  zeit  hat  dagegen  innerhalb 
der  flexion  durchgängig,  wie  das  ws.  teilweise,  restitution  ein- 
treten lassen,  indem  zu  nom.  pl.  zd<rdd&  ein  nom.  sg.  zdwdid 
statt  *$ilad,  ein  acc.  sg.  jilddidne  statt  *gdwdna?  gebildet 
wurde,  wie  nom.  sg.  *ziUrrid  'gelehrt'  und  acc.  sg.  gilwridncB 
neben  nom.  pl.  gilmrda  standen.  Abgesehen  von  befest  Rl 
(Brown  2.  §  41.  Sievers 3  §  406,  anm.  3),  das  wegen  der  besonder- 
heiten  dieses  textes  keine  volle  beweiskraft  besitzt,  ist  jedoch 
der  lautgesetzliche  stand  auf  angl.  gebiete  bewahrt  geblieben 
in  dem  schon  früh  zum  adj.  gewordenen  und  dadurch  dem 
systemzwang  entzogenen  wgerm.  part.  praet.  *faitida  'feist, 
fett'  (zu  aisl.  feita,  mhd.  reizen  'mästen')  gleich  ahd.  feizit, 


Digitized  by  Googl 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


91 


aonfrk.  Ps.  fciUt,  vgl.  merc.  Ps.  ftt  67.16.  fad  Hy.  7.29.  faet- 
nisse  Ps.  62. 6,  faetnes  140,  7,  aus  *fmtid  neben  pl.  /7r/te  und 
verb.  f&ttades  mit  synkope  nach  länge;  ebenso  northumbr. 
Li.  fcett  Luc.  15, 23.  27.  30  (mit  secundärem  tt  statt  t):  weiter- 
hin auch  metrisch  gesichert  durch  Ps.  80,  15,  lb  mid  fßtre 
lynde  (zu  dem  in  späterer  zeit  nicht  ungewöhnlichen  typus 
a  A  im  zweiten  halbvers,  vgl.  z.  b.  die  tabellen  bei  Deutschbein 
a. a. o.  s.  53 f .)  und  Rats.  41,  105  mära  ic  eom  and  ffrttra.*)  — 
Kaum  hierher  gehören  dagegen  fälle  wie  VPs.  146, 3  fordr^st- 
nisse,  59,4  forörastnisse  neben  ebda.  13,3  fordr^stednis  ' Zer- 
knirschung', vgl.  jedoch  die  auffassung  Cosijns,  Aws.gr.  1, 135. 

Bei  der  entstehung  von  fwt  aus  *fmtid,  dat.  fem.  föetrc  aus 
*ftrtidra>  ist  nun  annähme  von  synkope  im  strengen  sinne, 
von  Silbenverlust  als  folge  des  accentes,  ausgeschlossen:  in  *fiß- 
tidrce  z.  b.  war  keine  Überdehnung  des  langen  vocals  der  ersten 
am  das  mass  des  vocals  der  zweiten  silbe  möglich,  da  letzterer 
durch  seinen  nebenton  gegen  die  correlate  reducierung  geschützt 
war.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  fällt  die  erscheinung  nicht 
unter  den  begriff  des  allmählichen,  sondern  den  des  sprung- 
haften laut wandels,  speciell  unter  den  der  haplologie,  gehört 


*)  Wenn  das  in  angl.  dichtungen  begegnende  föted  'verziert,  mit  gold- 
bleth  versehen'  gleichfalls  seiner  bildnng  nach  ein  particip.  das  sein  verbnm 
cingebüast  hat  (got.  fftjan  'schmücken',  daher  die  eigentliche  anglische 
form  vielmehr  *fHed),  trotzdem  wie  man  sieht  die  lantgestalt  der  angl. 
participia  zeigt,  so  liegt  der  grund  offenbar  in  dem  Zusammenhang  des 
Wortes  mit  dem  subst.  fat  'goldblech'.  Letzteres  unflectiert  belegt  nur 
Beow.  1921  a  fra-ttce  oiid  fßtgold,  das  danebenstehende  fated/Ueure  Beow.  1036 
dagegen  zn  beurteilen  wie  hringedstcfna  neben  hrin^naca,  während  dat.  pl, 
fttttum  ebda.  716  mit  tt  gegenüber  ftttum  2256  dem  Schreiber  zur  last  fallen 
wird.  Auf  das  subst.  fttt  wurde  das  part.  *f<Hid  aus  wgerm.  *fütida-  wol 
erst  nach  verlust  seines  verbs  bezogen  (bedeutung:  'mit  f<tt  versehen')  und 
entgieng.  indem  es  so  in  den  neuen  verband  der  denominativen  par- 
ticipia eintrat,  der  isolierung,  der  *f\ttid  aus  wgerm.  *faitida-  anheimfiel. 
Zu  den  denominativen  part.  praet.  in  der  bedeutung  'versehen  mit  dem, 
was  das  Substantiv  besagt",  s.  z.  b.  Kluge,  Nom.  st.1  §326;  die  gruppe  ist 
im  aengl.  durchaus  lebendig,  hiltcd-hilt,  hringed-hrinz,  hyrned-horn,  tcapned 
(  männlich')  —  wOpen,  ^t<fptd-äp,  ^ebfsmtd-br>nm,  gesltefed-sliffie)  u.a.m. 
In  derselben  weise  wird  Cp.  1134  «rewtfffcrf-ineptus,  2083  jem(rded-vtM\i& 
dnrch  das  gleichbedeutend  danebenstehende  £rmüd  (auch  in  Cp.  belegt, 
2105»  zu  erklären  sein,  nur  dass  hier  eine  andere  kategorie  wirkte,  die  der 
gleichbedeutenden  gehäl-gehaled,  lefaeltfed,  gcm<tl-£em<tkd  und  anderer. 


92 


WEYHE 


also  zu  aengl.  fällen  wie  nacode  'nudabat'  (z.  b.  Li.  Lc.  I  5, 8) 
aus  nacodode,  pari.  gecelfremode  'entfremdete'  (Hom.Th.  1,332,24) 
aus  *gecelfremcdodc,  lande fen  'anteil  an  land'  (Chron.  1085  be 
his  landefne)  aus  *landandefen  (Sweet,  Stud.  dick  s.  v.),  dat. 
bcrenne  'der  scheune'  (Durham  adm.,  OET.  176, 18)  aus  *bcrc- 
rennc,  hundcahtig  'achtzig'  aus  und  neben  hundeahtatig  (R.Löwe, 
KZ.  35, 609  ff.;  auf  diesen  aufsatz  'Silbendissimilation  im  germ.1 
sei  hier  überhaupt  verwiesen),  iserne  acc.  sg.  f.  'die  eiserne* 
aus  *tserncnc  CP.  (synkopierung  unterbleibt  bei  -tna-  der  stoff- 
adjectiva  in  der  CP.  gewöhnlich:  cercne,  xyldene  Cosijn  2, 65.  80; 
Silbenschichtung  ist  nicht  eingetreten  unmittelbar  nach  der  ton- 
silbe:  linenum,  st&ncnum,  dyrnenne),  ferner  auch  *elicor  (>  elcor 
mit  späterer  synkope)  =  ahd.  elichör,  aus  *clilicor,  das  ohne 
haplologie  zu  elltcor  wurde,  vgl.  aisl.  elligar?;  andrerseits  zu 
fällen  wie  ws.  cyng  'könig'  aus  cyning,  spätws.  beim  'scheune', 
so  weit  auf  berern  zurückgehend,  acc.  sg.  m.  ellenne  Lchdm. 
2,104,7  'von  holunder',  aus  *  ellenenne,  mercmcn  'meerweib' 
aus  und  neben  meremenen  (bez.  -menncn),  gen.  pl.  mer  ernennet 
neben  meremcnnena,  JhlÖelm  aus  und  neben  JEÖelelm,  JKÖel- 
helm,  acc.  sg.  m.  iseme  'den  eisernen'  aus  *tsernennc,  nom.  isem 
'eisern'  aus  *iscmcn  gleich  got.  eisarneins,  ahd.  as.  isarnin. 

Unter  diejenige  sondergruppe  dieser  erscheinnngen,  wo  die 
später  geschwundene  silbe  den  gleichen  oder  ähnlichen  con- 
sonanten  im  anlaut  wie  im  auslaut  aufwies  —  als  ähnlich  in 
diesem  sinne  würden  gelten  aengl.  d  und  t,  n  und  v,  aber  nicht 
Ö  und  d  —  fällt  fwt  aus  *fa'tid  gewis  ebenso  wie  isem  aus 
*lserncn,  bem  aus  berern,  meremen  aus  meremennen,  fwtrc  aus 
*f(rtidra)  nicht  weniger  als  *isernc  aus  *isemenne  mit  nebenton.1) 
Zugleich  zeigt  die  erhaltung  des  tt  in  pl.  fivttc,  verb.  fmttian, 
dass  in  *fa>tidce,  *f(Ptidian  keine  silbenellipse  platz  gegriffen 
hat,  vermutlich  deswegen,  weil  bereits  vorher  die  synkope 
eingetreten  war. 

Da  nun  bei  der  entstehung  von  formen  wie  fwt  aus  *f&tid 
die  quantität  der  vorausgehenden  silbe  gar  keine  rolle  spielt, 
werden  auch  wahrscheinliche  grundformen  wie  *$ihwetid  'ge- 

')  Ebenso  natürlich  z.  b.  beneveed  Harley  gll.  WrW.  1, 230, 39  aus  *bina- 
cidid,  älter  *bituuudid,  während  nacode  aus  nacodode  die  andere  formation 
vertritt,  wo  die  identifizierten  consonanten  verschiedenen  silben  an- 
gehorten; vgl.  über  diese  gruppeu  Brugmann,  ürundr.  I*,  §  983. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


93 


schärft',  acc.  *$ihwetidn(B  lautgesetzlich  zu  gihwet,  gihwetnce 
geworden  sein.  Zweifel  kann  dagegen  obwalten  über  die  be- 
handlung  von  praet.  *hwetidce,  part.  pl.  *(gi-)hwetidce:  waren 
sie  gleichfalls  zu  *hwetce,  *gihwetce  geworden  oder  wurden  sie 
von  der  haplologie  nicht  betroffen?  (für  das  letztere  scheint 
z.  b.  das  allerdings  nicht  ganz  gleichartige  metod,  metodes  zu 
sprechen,  ursprünglich  nom.  *met,  gen.  metudces?). 

'S)  Auf  alle  fälle  darf  für  das  urengl.  folgendes  Verhältnis 
als  sehr  wahrscheinlich  vorausgesetzt  werden:  bei  sämmtlichen 
langsilbigen  Stämmen  auf  d  und  t  fehlte  das  i  in  allen  formen 
des  praet.  und  part.  praet,,  teils  durch  synkope,  teils  durch 
haplologie:  praet  *gilwddce}  part.  nom.sg.  *£ihvd,  acc.  *xilwdnce, 
nom.  pl.  *gil&dda};  unter  den  kurzsilbigen  fehlte  es  gleichfalls 
in  allen  formen  bei  settan:  *sasttoe,  *$iscet,  *&iscetnce,  *&iscettce, 
möglicherweise  noch  bei  einigen  anderen;  unter  den  übrigen 
kurzsilbigen  mit  vorauszusetzendem  alten  mittelvocal  fehlte  es 
sicher  in  den  unflectierten  und  mit  consonantisch  beginnender 
endung  versehenen  formen  des  part.:  *gihwet,  *gihwetnce,  *gihred, 
*gihrednce. 

Diese  letztgenannten  formen  des  paradigmas  nun  mussten, 
indem  sie  sämmtlichen  auf  d  und  t  endigenden  Stämmen  gemein, 
sämmtlichen  übrigen  (ausser  denen  mit  'rückunüaut')  fremd 
waren,  ein  enges  band  um  die  an  sich  nahe  zusammengehörige 
gemeinschaft  schlingen.  Es  war  unter  diesen  umständen  er- 
klärlich, um  nicht  zu  sagen  notwendig,  dass  die  letzte  der 
drei  gruppen  auch  die  formen  mit  vocalisch  beginnender  endung 
dem  herschenden  typus  der  stamme  auf  d  und  t  anglich,  statt 
sich  etwa  bei  beseitigung  ihrer  anomalien  die  bildung  fremman, 
*fremidce  zum  muster  zu  nehmen,  deren  participialformen 
fremid,  *gifremidnce  lauteten.  So  entstand  praet.  hwette,  hredde, 
part,  pL  {$e)hwette,  (xe)hredde,  gleichviel  ob  die  vorformen 
*hwetidce  oder  *htcet(B  gelautet  haben. 

Späterhin  wurde  dann  bei  settan  die  vocalverschiedenheit 
zwischen  praes.  und  praet,  nach  massgabe  der  sonst  überall 
herschenden  gleichheit  fast  durchgängig  beseitigt,  und  als  im 
angl.  *$il(rdid  an  stelle  von  *gil(Vd,  *gicnytid  (Rl  gecnyted) 
an  stelle  von  *gicnyt  trat,  machte  natürlich  auch  *giset  (*gi$att) 
diese  entwicklung  mit,  von  der  nur  ganz  vereinzelte  fälle 
(Sievers  a.a.O.)  verschont  geblieben  sind.  — 


Digitized  by  Google 


94 


WEYHE 


Mag  nun  dieser  erklärungsversuch  dem  richtigen  nahe 
kommen  oder  nicht,  auf  alle  fälle  sind  der  complicationen 
hier  so  viele,  dass  eine  form  wie  hwette  vor  der  hand  kaum  als 
einwandfreies  beispiel  für  synkopierung  zwischen  momentan- 
lauten ins  treffen  geführt  werden  kann. 

Bestimmende  factoren  bei  synkope  nach  kürze. 

Bereits  aus  den  oben  angestellten  erwägungen  dürfte  die 
grosse  Wichtigkeit  der  consonan tischen  Umgebung  für  die 
Schicksale  der  mittelvocale  im  allgemeinen  erhellen.  In  der 
tat  hängt  schwund  und  erhaltung  offenbar  in  erster  linie 
davon  ab,  welcher  art  die  voraufgehende  und  die  folgende 
consonanz  ist.  Denn  mag  auch  das  Vorhandensein  eines  dauer- 
lautes die  Vorbedingung  für  etwaigen  schwund  überhaupt 
bilden,  so  tritt  ein  solcher  doch  keineswegs  überall  vor  oder 
nach  dem  gleichen  consonanten  oder  überall  gleichzeitig  ein. 
Bestimmte  regeln  lassen  sich  von  vornherein  nicht  aufstellen; 
im  folgenden  ist  der  versuch  gemacht,  möglichste  specialisie- 
rung  im  hinblick  auf  die  nachbarconsonanz  durchzuführen,  auf 
die  gefahr  hin,  dass  sich  bisweilen  völlig  gleichartige  fälle 
nur  spärlich  aufbringen  lassen. 

Im  übrigen  zeigen  sich  natürlich  dieselben  factoren  wirksam 
wie  nach  langer  silbe  (vgl.  oben),  doch  ist  eine  gewisse  ab- 
stuf ung  zu  bemerken:  als  zweit  wichtigstes  moment  darf  im 
allgemeinen  die  qualität  des  mittelvocals  gelten  (und  zwar 
handelt  es  sich  hier  bei  der  relativen  Seltenheit  unbeeinflusster 
fortsetzungen  von  wgerm.  a  [und  e]  im  aengl.  fast  nur  um  t 
oder  u),  danach  kommen  in  betracht  besonderheiten  in  der 
betonung  der  umgebenden  silben  {me  dmrcles  einerseits,  micli'an 
andrerseits  gegen  miclum),  grössere  oder  geringere  schwere 
der  folgesilbe  (micle  gegen  miclum),  etwa  auch  verschiedene 
anzahl  der  silben  überhaupt.  Weniger  fruchtbar  scheinen  sich 
dagegen  insbesondere  bei  der  beschaff enheit  der  aengl.  prosa- 
literatur  erwägungen  zu  erweisen  wie  die,  dass  vielerorts 
Verschiedenheit  des  Sprechtempos  geherscht  haben  muss  und 
mit  lento-  und  allegroformen,  pausaformen  und  formen  des 
inlauts  von  satz  oder  satzkolon  zu  rechnen  ist. 

Zu  erinnern  bliebe  noch,  dass  das  gebiet  der  unbetonten 
vocale  nach  kürze  grössere  ausdehiiung  besitzt  als  nach  länge, 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


95 


indem  bei  voraufgehender  kurzer  tonsilbe  der  mittelvocal  auch 
in  position  keinen  nebenton  trägt,  daher  in  geschlossener  silbe 
prineipiell  ebensogut  synkopiert  werden  kann  wie  in  offener 
(vgl.  Beitr.  10,461  ff.  494  ff.):  so  wird  dat.  sg.  *gelustrce  (:Xx) 
•dem  eiter'  schliesslich  zu  geolstre,  während  das  gleichbedeutende 
gillestre  (11  x)  dreisilbig  bleibt.  Auch  synkope  in  letzter 
(also  gleichfalls  geschlossener)  silbe  scheint  in  bestimmten  fällen 
lantgesetzlich  eingetreten  zu  sein. 

Durchkreuzende  tendenzen. 

Abgesehen  von  der  Wirkung  der  analogie  im  allgemeinen 
wird  die  sichere  erkenntnis  durch  eine  besonders  in  bestimmten 
dialekten  merkbare  rückläufige  bewegung  erschwert,  indem  in 
synkopierte  formen  teils  der  vocal  der  endsilben  analogisch 
eingeführt  wird  (wie  auch  der  umgekehrte  fall  bisweilen  be- 
gegnet), teils  ein  neuer  gleitlaut  sich  einstellt  (vgl.  auch  hierzu 
Beitr.  10,  4G2  ff.).  Es  bedarf  also  häufig  besonderer  feststellung, 
ob  formen  wie  miede  als  directe  fortsetzung  von  *micilw  gelten 
können  oder  durch  eine  Zwischenstufe  micle  hindurchgegangen 
sind.  Ob  und  wie  weit  durch  Schreibung  des  vocals  etwa 
lediglich  silbische  geltung  des  betreffenden  consonanten  aus- 
gedrückt werden  soll,  bleibt  dabei  zweifelhaft. 

Analoga  bieten  andere  sprachen  mit  ähnlichen  betonungs- 
verhältnissen  wie  im  aengl.  Vgl.  z.  b.  die  behandlung  des 
suffixes  -tlo-  im  lat.:  als  regel  bei  Plautus  noch  vehiclum,  im 
klassischen  latein  mit  vocalentfaltung  vehiculum,  im  Vulgär- 
latein mit  synkope  abermals  vehiclum  (Sommer,  Handb.  §  87). 

I.   Synkope  vor  l 

1)  Synkope  nach  t 

Da  urindog.  dl  im  germ.  (höchstwahrscheinlich)  zu  //  ge- 
worden ist  (E.  Schröder,  Zs.  fda.  42, 59  ff.),  kann  altes  tl  aengl. 
nur  in  dem  falle  erscheinen,  wo  das  Z-suffix  erst  nach  der  zeit 
dieser  assimilierung  an  einen  auf  t  ausgehenden  stamm  an- 
getreten oder  das  t  aus  anderen  formen  neu  eingeführt  ist. 
Das  letztere  trifft  z.  b.  zu  in  ws.  spätl  'Speichel',  angl.  spetlo 
4  speie',  deren  /  vom  verbum  spätian,  spwtan  her  ein  älteres  p 
verdrängt  hat;  nach  kurzer  silbe  ist  mir  eiu  derartiger  fall 


96 


WEYHE 


nicht  bekannt.  Dass  die  südengl.  mundarten  altes  pi  nach 
kürze  lautgesetzlich  in  tl  wandeln,  bietet  dagegen  nur  un- 
genügenden ersatz,  da  es  von  vornherein  keineswegs  sicher 
ist,  ob  sich  eine  derart  entstandene  gruppe  in  nichts  von 
etwaigem  alten  tl  unterscheide. 

Wo  etymologische  gründe  (wie  sie  z.  b.  für  wcetla  'binde' 
herkunft  aus  *wa])lan-  bezeugen)  ursprüngliches  p  ausschliefen, 
ist  also  die  existenz  einer  gruppe  -tl-  im  allgemeinen  an  sich 
beweisend  für  Vorhandensein  ehemaligen  mittelvocals. 

a)  -tl: 

In  den  häufigen  belegen  von  südengl.  botl,  seil  und  ab- 
leitungen  wie  geseila,  setlung,  bytlan,  bytlian,  gebytlu  ist  das 
tl  der  flectierten  (und  unflectierten)  formen  bis  in  das  spät- 
aengl.  durchgängig  erhalten. 

Spät  findet  sich  gelegentlich  gemination  des  t,  so  bysceopsettle  Beda 
Miller  1, 460,  22  T,  settles  Dial.Greg.  34,30  H,  gesetlian  Napier,  OE.gll.  5«, 20, 
settlunze  Lchdm.  3, 242, 26. ') 

b)  -Iii-. 

Das  i  wird  laut  gesetzlich  synkopiert,  und  zwar  darf  diese 
synkope,  da  bereits  im  8.jh.  belegt,  als  urengl.  gelten: 

fetel  'gürtel'  =  aisl.  fditt,  ahd.  fezzil  :  fetluvt  Boeth.  ed.  Sedgef. 
111,  15. 

hetlen  'voll  hass'  :  hetlen  helsceaöa  Tri.  364;  aus  urengl.  *hatihn, 
dieses  mit  erst  urengl.  mittlerem  i  aus  wgerin.  +Iiatulina-  gleich  as.  pl. 
hatilina  Wadstein,  KAS.  49, 7  (hatilina  mit  assimilierung  des  gutturalen 
vocals  der  zweiten  silbe  an  das  folgende  »  wie  in  frauüico  ebda.  94, 11 
neben  frauolo  98, 1).  Das  wort  ist  (s.  Kluge,  Nom.  st.'  §  200)  eine  Weiter- 
bildung von  St.  *hatuhi-  in  aengl.  haiol  (z.  b.  heatol  Anglia7,  JSlfrics  Sigew. 
interrog.  31,  hatol  Ken t.  gll.  488.  1098),  ahd.  hazzal  und  as.  hatul  Hei., 
welch  letzteres  als  beiwort  des  teufels  gebraucht  wird  wie  aengl.  hetlen; 
hetlen  statt  *hcetlen  wie  das  geläufige  hetol  statt  hatol  durch  einfluss  des 
subst.  hete,  wie  fly^ol  neben  flugol  nach  subst.  flyze,  wie  hearmcwidol  mit 
dem  vocal  von  hearmcwide  neben  cwedol  und  cicedelian*) 


*)  Häufiger  in  der  bereits  mengl.  zeit  entstammenden  hs.  £  der  Chronik, 
wie  zebyttian  1099,  wintersettl  1009. 

*)  Vgl.,  dass  hetelic  gleich  as.  heti-lic  als  Weiterbildung  von  hatol 
empfunden  werden  konnte  (*hatollic  hätte  *hatelie  ergeben);  die  ursprüng- 
liche Zugehörigkeit  des  verb.  zur  5-klasse  (hatian  :  kettend,  Sievers,  Ags. 
gr.»  §  416,  anm.  10;  haltende  Napier,  OE.  gll.  8,388  mit  anm.)  kommt  wol 
nicht  in  betracht. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


97 


netle  'nessel'  gleich  ahd.  nezzila,  aschwed.  blind-,  eternaila,  st. 
•naiiiön-  :  tutlan  Cp.  2168  (8-jh.);  netle,  bl ind netle  ,Elfr.  gll.  Zupitza311,  4; 
netlena  Dial.  Greg.  101, 17  C,  netlenu  (fehler  für  -a)  ebda.  101, 13;  netle  WrW. 
299,16.  544,36.37.  Lchdm.  2, 66, 4  (2  m.).  78,22.  228,3;  worpiznetle  116,2; 
netlan  18, 28.  20, 14.  66, 15.  86, 12.  92, 10.  100, 6.  118, 13.  26.  120, 4.  124, 2. 
128,  7.  13.  188, 3.  218, 6.  230, 11.  238, 11.  268, 17.  276,  L  322, 25.  3, 44, 2. 

ütscytling  'extraneus,  fremder'  :  titsq/tlinge  Scint.  200, 4,  der  bildung 
nach  identisch  mit  mhd.  schüzzelinc,  nhd.  schössling,  suffix  -ilinga-.  Vgl. 
dagegen  ohne  synkope  z.b.  ivdelinz. 

sprytlan  'spänne',  Beda  ed.  Miller  2,224,  ableitnng  zu  aengl.  sprot, 
spryttan,  vgl.  mhd.  sprüzzel,  st.  *sprutüon-  oder  -an-. 

Tyttla,  eigenname,  OET.  Geneal.  s.  171,  z.  119,  patronymikon  Tyttling 
ebda.  118;  vgl.  den  namen  desselben  raannes  in  latinisierter  gestalt  als  gen. 
sg.  Tytili  Beda  (OET.  131  f.)  z.  103  —  wces  he  Tyteles  sunu  in  der  aengl. 
Übersetzung  (entsprechende  latinisierungen  bei  Beda  z.  b.  ebda.  18  at(t)tila, 
19  gen.  attilae  neben  der  aengl.,  übrigens  nicht  hierhergehörigen  form  aetla 
306).  Doch  könnte  in  Tyttla,  Tyttlinj  eine  nebenform  mit  tt  zu  gründe 
liegen,  vgl.  neben  dem  einfachen  Tota  OET.  Geneal.  13  auch  Totta  Geneal.  39. 
LV.  345  und  weitere  belege  bei  R.  Müller  a.  a.  o.  60. 

Neben  diesen  alten  synkopierten  formen  erscheinen  in  den 
südengl.  dialekten  jüngere  mit  mittelvocal: 

cytel  'kessel'  gleich  aisl.  ketill  :  cytele  Lchdm.  2, 44, 2.  3,74,2,  citele 
2, 56, 19.  338, 17,  cetele  230,  7.  332, 16,  ceteles  148, 10,  cyteles  Napier,  OE.  gll. 
1,4127,  cytelas  7,319.  8,276. 

litelung  'titillatio,  kitzelung'  WrW.  278,6,  vgl.  AB.küilod  'kitzelt' 
Wadstein,  KAS.  91, 11.  100,29. 
fetel:  fetelum  Metra  25, 10. 

Fitela  Beow.  879.  889 ;  wie  das  t  der  tonsilbe  zeigt,  liegt  nicht  wie 
in  an.  Sinfjptli,  *Fetulan-,  sondern  wie  in  ahd.  Sintarmzzilo,  vgl.  as.  fitilvöt, 
aengl.  fitelßta  'petilus'  (Anglia  8,  451)  stamm  *Fitilan-  vor;  vgl.  Beitr. 
16, 363  f. 

hrcetele  'die  pflanze  klappertopf'  Lchdm.  3, 333  (vgl.  hrcetelwyrt  WrW. 
301,3),  vielleicht  mit  secundärumlaut  eines  von  hratele  (gleicher  bedeutung) 
bezogenen  a. 

netele:  Zupitza,  .Elfr.  gr.  311, 4  hs.  C.  Napier,  OE.  gll.  56, 401.  402. 
Lchdm.  1,66, 4.  310,14.16.  3,52,11.  58,22,  netelan  Kent.  gll.  943.  Lchdm. 
1.228,24.  350,9.  2,46,1.  58,10.  68,4.  94,12.  104,24.  152,10.  218,5.  312, 
5.8.  3,20,17.  36,29,  netelena  Dial.  Greg.  101, 13,  netela  101, 16  H,  netelum 
Horn.  Th.  2, 156, 29.  —  Zum  vordringen  des  mittelvocals  vgl.  z.  b.,  dass  er 
in  der  Lä&ceboc  (Lchdm.  2,  hs.  um  950)  erst  in  einem  viertel  der  belege 
(8  von  32),  in  der  hs.  V  des  Herb.  Apul.  und  der  Medic.  de  quadrup. 
(Lchdm.  1,  hundert  jähre  später)  dagegen  in  sämmtlichen  (5)  fällen  vor- 
handen ist. 

»cytel  'geschoss'  etc.,  vgl.  aisl.  skuM  'harpune'  :  scytelum  poet.  Ps. 
63,7,  scetelas  'vectes'  Kent.  gll.  658. 

Beitrage  tur  geschiente  der  deutschen  »prache.   XXX.  7 


98 


WETHE 


spitel  (hand-,  wOd-)  'spaten'  :  spitelas  Dial. Greg. 201, 20. 

Nur  unflectierte  formen  sind  mir  zur  hand  von  scytel  (=  scitel)  'mist'; 
ferner  icröhtspitel  'susurrio,  Verleumder'  Cp.  1943. 

In  mehreren  der  obigen  beispiele  enthält  das  paradigma 
formen,  wo  -ü,  -el  in  der  endsilbe  stand  und  dort  nicht  syn- 
kopiert werden  konnte;  herleitung  des  mittel vocals  der  flec- 
tierten  formen  aus  dieser  quelle  allein  dürfte  jedoch  nicht 
ausreichen.  Bei  nctele  zwar  könnte  ja  die  seltene  nebenform 
netel  von  einfluss  gewesen  sein;  neben  kitelung  (Sweet  ver- 
zeichnet Stud.  dict.  auch  citelian)  scheinen  dagegen  alte  zwei- 
silbige formen  überhaupt  nicht  belegt,  man  müsste  schon  darauf 
zurückgreifen,  dass  nengl.  (nordengl.  und  schottisch)  Mttle  'kitz- 
lich' ein  dem  norw.  lcitull  etc.  entsprechendes  adj.  bereits  für 
das  aengl.  vermuten  lässt  (R.  Hildebrand,  DWb.  5, 874;  die  sub- 
stantiva  wie  nhd.  kitzel  sind  junge  bildungen  aus  dem  verbum, 
ebda.  871).  In  FiteJa  aus  älterem  *Fitla  aber  (vgl.  auch  das 
Tytelcs  der  Beda-übers.  oben)  bleibt  auch  ein  solcher  ausweg 
verschlossen:  hier  kann  nur  rein  lautliche  entwicklung  vor- 
liegen. Ein  etwaiger  einwurf,  dahin  lautend,  der  in  den  nd. 
dialekten  ohne  synkope  bestehende  heroenname  sei  den  Angel- 
sachsen erst  bekannt  geworden,  als  die  synkope  in  netle  schon 
vollzogen  war,  hält  nicht  stich:  das  patronymikon  Wcelsing 
(vgl.  Sievers,  Zum  ags.  voc.  s.  22)  war  unter  den  Angelsachsen 
bereits  vor  abschluss  der  ?'-umlautsperiode,  somit  (s.  hetlen)  auch 
vor  der  synkope  in  -Hl-  heimisch,  mit  der  frühen  bekanntschaft 
dieses  namens  ist  aber  zugleich  die  von  *Fttüö  gegeben. 

Es  bleibt  also  kaum  eine  andere  annähme  übrig,  als  dass 
in  den  südengl.  dialekten,  denen  die  obigen  belege,  darunter 
gewis  auch  das  Fitela  der  Beovv.-hs.  angehören,  ein  sprossvocal 
auf  rein  lautlichem  wege  aus  dem  stimmton  des  l  erwachsen 
ist;  seine  ausbreitung  wird  natürlich  durch  ev.  vorhandene 
formen  mit  -el  in  der  endsilbe  befördert  sein,  wie  denn  z.  b. 
Lchdm.  2  in  den  flectierten  formen  von  cytel  bereits  stets,  in 
netle  hingegen  erst  ganz  selten  mittelvocal  aufweist. 

Wenn  dagegen  in  südengl.  botles,  setlrs  diese  vocalentfal- 
tung  fehlt,  darf  als  grund  vielleicht  vermutet  werden,  dass 
hier  die  Vorbedingung,  der  stimmton  des  l  fehlte  (vgl.  auch 
Sievers,  Beitr.  10, 482).  In  der  tat  wird  ja  die  annähme  be- 
sonderer qualität  des  l  in  diesem  falle  schon  durch  die  ent- 


Digitized  by  Google 


ZrR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


99 


wicklung  des  voraufgehenden  zu  t  nahegelegt:  vermutlich 
war  der  hergang  der,  dass  wie  gemeinaengl.  in  der  nur  nach 
kurze  begegnenden  urspr.  gruppe  Iß,  so  südengl.  auch  in  der 
folge  ßl  nach  kürze  die  contact Wirkung  sich  progressiv  vollzog: 
das  stimmlose  ß  nahm  dem  folgenden  l  den  stimmton  und 
wurde  infolgedessen  beim  Übergang  in  verschlusslaut  zu  t; 
während  z.  b.  im  northumbr.,  wo  sedles  über  sedles  aus  seßles 
hervorgieng,  die  partielle  assimilation  in  umgekehrter  richtung 
regressiv  verlief,  indem  /  das  vorausgehende  ß  stimmhaft 
machte,  das  dann  beim  Übergang  in  verschlusslaut  seinerseits 
d  ergab.  — 

Ueber  die  Weiterentwicklung  im  angl.  ist  mangels  ein- 
schlägiger belege  nichts  sicheres  zu  sagen;  nach  massgabe  der 
sonstigen  Verhältnisse  darf  wol  vorausgesetzt  werden,  dass 
hier  die  einmal  vollzogene  synkope  bewahrt  blieb.  Auch  Rit. 
171,21  ssytila  'momenta',  nach  Lindelöf  zudem  ein  'fehlerhaft 
geschriebenes  und  unklares  wort',  würde  keine  ausnähme  bilden, 
wenn  die  form  plural  eines  neutr.  (Ep.  Ef.  632  scytil,  Cp.  1325 
scykl  'momentum',  vgl.  WrW.  477, 9  scutil  'momentum',  zur 
bedeutung  Du  Gange  4, 474),  die  endung  also  wie  auch  sonst 
erst  secundär  an  die  alte  form  scytel  angetreten  ist. 

c)  -<«/-.») 

a)  Im  8.  und  9.  jh.  bleibt  das  «  südlich  des  Humber  er- 
halten; frühnorthumbr.  beispiele  fehlen: 

bitula  (vgl.  na.  bitela  WrW.  122,8.  448, 12)  gleich  nengl.  beeile  'käfer' : 
bitulum  'blattis'  Ep.  Ef.  145.  Cp.307.  -  Wertvoll,  das*  bei  diesem  worte, 
urspr.  einem  personifizierten  und  daher  (wie  unten  hralele)  nach  der  n-klasse 

')  Oleichgiltig  ist  hier  wie  sonst,  ob  urengl.  u  in  allen  fällen  auch 
urgerm.  u  fortsetzt,  ob  z.  b.  seine  alleinherschaft  in  dem  lebendigen  adjectiv- 
suffix  (gegenüber  der  doppelheit  von  got.  slahals  und  iceinuis,  as.  tcatikal 
und  hatul,  aisl.  gjafall  und  vgküB)  auf  einem  in  bestimmten  formen  laut- 
gesetzlichen  Übergang  von  a  in  u  (o)  beruht,  oder  ob  ohne  solchen  teil- 
weisen lautlichen  zusammenfall  die  u-form  ebenso  verallgemeinert  ist  wie 
im  ahd.  die  mit  a.  Irrelevant  ferner  der  (teilweise  wol  schon  urengl.)  wandel 
bez.  Wechsel  von  u  und  o,  auch  a  in  seiner  abhängigkeit  von  verschiedenen 
momenten,  beispielsweise  a  in  hafalan,  eorfinafalan,  hajalade,  madalade, 
Mdmgalan,  häufig  u  in  formen  wie  flugidum,  numid,  scypbrucules  gegen 
mi^ole,  homola,  swgdsprecola  in  parallele  mit  beispielen  wie  dugude  and 
teogode,  munuc  und  persoc,  lufude  und  leofode  (.Elfric),  tcunude  und  tcanode, 
tunu,  tcudu  und  breo$o  u.dgl. m. 

7* 


Digitized  by  Google 


100 


WETHE 


gebildetem  adj.  *bitul  'bissig'  (bitela  WrW.122,8,  in  einem  abschnitt  'De 
nominibus  insectoruni '  glossiert  'mordiculus',  ein  anderer  name  ist  hradbiU 
'schnellbeisser';  bitol  'bissig'  selbst  =  mengl.  bitel  nnbelegt?  vgl.  NEP. 
unter  bettle)  zweisilbige  formen  mit  -ul  in  eudsilbe  fehlten,  aus  denen  der 
vocal  hätte  widereingeführt  werden  können.  —  Beachte  Cp.  bitulum  gegen 
ebda,  netlan. 

-etol  'essend',  vgl.  aisl.  etall  :  oferetolan  CP.  316(317),  8.  16.  22.  318 
(319),  3.  8. 

of ergeotul,  -ol  'vergesslich',  vgl.  aisl.  sanngetall  :  ofcrgeotele  VPs. 
43,18,  ofer^eotuht  43,21,  oferjeotule  77,11.  105,13.21.  118,139,  ofergeotehu 
118, 16.  93,  oferjeotulas  12, 1,  ofergeotelas  43,  24,  ofergeotelaÖ  7(5, 10,  ofer- 
geoteliad  9, 18.  49, 22.  77, 7,  ofergeotelien  58, 12,  üfergeotela  9, 33,  ofergeo- 
telian  102,2. 

Htceotul  'offenbar'  :  tesiceotulad  VPs.  16, 15,  testceotulades  50,8,  ge- 
sweocelad  24,14,  jesweocoöade  147,20.  —  swutolc  CP.  461,4  H,  sweotulost 
178, 12  C  =  swiotolusd  H,  gestreotuliaÖ  90,  7  C  =  sesweotoliseaÖ  H,  gesueo- 
tolad  Oros.  86, 24. 

writol  'rauschend'  :  Writolaburna,  sächs.  or.-urk.  von  692,  OET.  Ct. 
1,  5,  'rauscheborn',  zu  writian  'schallen,  rauschen'  (Pogatscher,  Lit.-bl.  1901, 
spalte  160). 

•  Eine  charakteristische  ausnähme  macht  hehseotle  VPs. 
100,32  'in  cathedra',  st.  *setula-.  Es  könnte  auffallen,  dass 
hier  vor  unbetonter  folgesilbe  synkope  begegnet,  die  doch  im 
übrigen  sogar  vor  schwachem  nebentone  unterbleibt:  VPs. 
ofergeoteliad,  gcstceotulades.  In  der  tat  ist  nicht  die  accen- 
tuierung  der  folgenden,  sondern  der  voraufgehenden  silbe  mass- 
gebend gewesen,  indem  nach  starkem  nebenton  das  u  besonders 
schwach  articuliert  war;  vgl.  die  ausführungen  von  Axel  Kock, 
Beitr.  18,  426  f.  und  Die  alt-  u.  nschwed.  accent.  s.  203,  anm. 
zu  dem  vollkommen  analogen  aschw.  eterncetla.  Wir  haben 
hier  also  bei  der  synkope  dieselbe  erscheinung,  die  bei  der 
apokope  aus  fällen  wie  aschw. uifrijuwsun,  aber  stinu*  (Gursten- 
stein,  Kock  a.a.O.),  ahd.  Sigifrid,  aber  fridu  und  Fridubald, 
aengl.  LV.  Sigfrith,  aber  Fridubald,  studu,  aber  feurstud  (Sievers, 
Ags.  gr.3  §  282,  anm.)  bekannt  ist  und  die  im  Ps.  selbst  an  dem 
gegensatz  von  nom.  sg.  f.  wonu  aus  *tcanö,  aber  wynsum  aus 
*-samö  (Zeuner  §  64,  n)  hervortritt ;  vgl.  auch  oben  s.  85,  anm.  2 
und  s.  86.  Ob  die  synkope  des  u  in  hehseotle  erst  der  ver- 
hältnismässig kurzen  frist  zwischen  der  Vollendung  des  u-um- 
lauts  und  der  entstehung  des  merc.  Psalters  angehört  oder  aber 
gleich  der  apokope  in  -frtyu  schon  vor  der  M-umlautszeit  er- 


Digitized  by  Google 


ZTH  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


101 


folgt  ist,  lässt  sich  natürlich  nicht  feststellen,  da  das  eo  ganz 
abgesehen  von  nom.-acc.  aus  dem  simplex  stammen  kann. 

ß)  Im  ws.  und  kent.  (zu  diesem  s.  jedoch  unten)  findet  auch 
nach  dem  9.  jh.  keine  synkope  statt;  vgl.  die  zur  selben  zeit 
der  synkopierungstendenz  entgegengesetzte  vocalentfaltung  in 
der  urengl.  gruppe  -tl-  aus  -til-: 

atol  'schrecken,  schrecklich',  vgl.  aisl.  atall :  atole  WrW.  375, 9.  388,  4. 
521, 12.  532, 37,  atoliende  220, 26,  geatelod  489, 8,  —  Auch  in  den  hss.  der 
dichtnng  stete  mittelvocal,  nach  Grein  22  belege. 

andgitol  'verständig'  (vgl.  andgetul  WrW.  198,38)  :  anzetelen  Napier, 
OE.  gll.  11,119. 

bitela  WrW.  122,8.  448,12,  bitelum  196, 17. ') 

bitol  1  zügel',  gleich  aisl.  bitull  'gehiss'  (vgl.  biot ul 1  bagulnm '  WrW. 
361, 5) :  bitole  Ps.Spl.31, 12  (nach  Bosw.-T.),  btßole  Blickl.  gll.  Morris  255, 16. 

Eotul,  .Ea/w/ 4  Italien' :  Eatuie  Wids.70,  Eotoles  WrW.  417,32.  496,14, 
Eotole  WrW.  521, 23,  Eatole  425, 37.  526, 21. 

-etol  :  oferetola  Zupitza,  .Elfr.  gr.  216, 12. 

he  toi  'voll  hass'  :  hetole  .Elfr.  Heil.-l.  25, 685,  hetela  31, 1402,  hetolan 
3,406.  6,312.  31,531.544,  hetelan  13,41.  35,112,  heteloste  29,166,  hetelum 
Horn.  Th.  2, 304, 21,  hetolan  254,1.  Bibl.  ags.  Pros.  1,7,22,  hetola  16,22.  Wulf- 
stan  53, 17,  hetida  107, 12,  hetela  59, 14,  hetole  164, 11,  hetele  310, 4,  hetolum 
Dial.  Greg.  57, 5  H,  hetelum  Napier,  OE.  gll.  1, 3640.  Vgl.  dagegen  die  Syn- 
kope des  •  in  heilen. 

hratele  =  nengl.  rattle,  rattleicort  :  hrattle  WrW.  296, 2  'bobonica', 
gleich  nhd.  dial.  rassei  als  pflanzenname  (DWb.  8, 143),  st.  *hratulön-  'die 
rasslerin'  zu  *hrat-  in  mhd.  razzen  'rasseln'  und  mit  demselben  Z-suffix  wie 
in  nengl.  verb.  rattle,  nd.  verb.  ratelen,  subst.  ratel,  mhd.  razzelen.  Wegen 
des  Verhältnisses  zu  hratele  vgl.  oben. 

seotol  ' sessel'  :  sotelas  Genn. 23, 393, 143. 

sc  Hol  'abführend'  :  scitole  Lchdm.  2, 178, 1. 

swutol  :  in  Jülfrics  Horn.  (Thorpe)  zähle  ich  rund  140  hierhergehörige 
belege,  zumeist  von  den  ableitungen  (ze-)svwtelian,  (ze-)swute1unz,  darunter 
auch  formen  wie  swuteh,zende  2,400,16.  466,3;  in  den  Heil.-l.  100,  in  der 
gramm.  25  belege:  stets  mit  mittelvocal,  wie  mir  auch  sonst  in  den  überaus 
häufigen  ws.  belegen  des  Wortes  nirgends  synkope  begegnet  ist.  Vgl.  paare 
wie  Boethius  stceotoloste  :  fetlum,  .Elfr.  gr.  zestcuteliad  :  netle,  Dial.  Greg.  C 
surutoliaP  :  netlena,  Scint.  geswutela  200, 5  :  tttscytlinge  200,  4. 

Im  kent.  zeigen  die  gleiche  erhaltung  Kent,  gll.  1120  swetelad  und  327 


')  Auch  WrW.  456,1  nigro  colore  —  pa  blacan  bctlas  zieht  man  hierher 
(vgl.  Bosw.-T.  s.  105,  NED.  unter  beeile);  doch  kann  die  form  wegen  der  ab- 
weichungen  in  tonvocal  und  flexion  für  annähme  von  synkope  nicht  in  be- 
tracht  kommen. 


102 


WEYHE 


gestceotelad,  synkope  dagegen  begegnet  in  den  (allerding«  zugleich  späteren, 
erat  dem  11.  jh.  entstammenden)  Phillipps-glossen,  Napier,  OE.  gll.  no.ll  (zum 
dialekte  vgl.  Napier  s.  xxxii),  wo  z.  59  £e$iritliende  belegt,  also  von  zwei 
unbetonten,  zwischen  hanpt-  und  nebenictus  stehenden  silben  die  erste  ge- 
schwunden ist.  Das  nebeneinander  von  stcetelad  und  geswitliende  erinnert 
an  jenen  anderen,  gleichfalls  anscheinend  speciell  dem  späteren  kent.  (Sievers, 
Ag«-  8T-3  §  412,  anm.  1)  eigenen  silbenverlust,  der  unter  analogen  betonungs- 
verhältnissen  in  fällen  wie  pwrn^ende  gegen  gnornian  erscheint,  vgl.  Bül- 
bring,  ESt  27, 80,  anm.  1. 

Die  hss.  der  dichtung  haben  in  29  einschlägigen  belegen  (Grein)  28  mal 
mittelvocal;  über  Rätsel  ^esweotlad  s.  unten. 

UM  'titulus'  :  getitelod  Zupitza,  .Elfr.gr.  265,8.  282,10,  sctitelode 
282, 11,  .Elfr.  De  v.  test.,  Bibl.  ags.prosa  1,  8,  43  =  titelode  Horn.  Assm.  1,193, 
titelunj  Zs.  fda.  9,  433,  72.  OE.  gll.  1,  1153. 

watul,  nengltcattle,  vgl.  watul  •teges'  Zupitza,  -Elfr.gr. 52, 13  :  tcatelas 
wg.  Ev.  Lc.  5, 19,  watelum  OE.  gll.  2,  489. 

-witttl  'wissend'  :  forewitola  Chron.  1067  D,  Two  Sax.  chron.  8. 201. 

writol  :  on  writelatistän  Birch  no.  1323,  or.-urk.  10.  jh. 

Unflectiert  hnitol  (z.  b.  JEUr.  Ex.  21,29.  36.  WrW.  111,33),  slitul 
(Germ.  13, 394, 260),  bacshtol  (Wulfstau  72, 16),  scutel  (z.  b.  WrW.  280, 22). 

/)  Dagegen  gilt  auf  northumbr.,  wahrscheinlich  auch  auf 
merc.  gebiete  im  10. jh.  synkope  des  m;  wie  der  vocal  im 
merc.  des  9.  jh.'s  nach  hauptton  noch  erhalten  war,  scheint 
dies  auch  im  northumbr.  eine  späte  ent Wicklung  zu  sein,  die 
mindestens  erst  nach  Vollendung  des  «-umlauts  eingetreten 
sein  wird;  letztere  fällt  für  das  northumbr.  wahrscheinlich 
(Chadwick,  Studies  s.  177)  in  die  zweite  hälfte  des  8.  jh.'s. 

watul  Li.  :  watla  pl.  'tegula'  Lc.  5, 19  (vgl.  dagegen  ws.  Ev.  tcatelas). 

seatul  Li.  :  seatlas  Mt.23,  6.  Mc.  11, 15.  Lc.  11,43.  20,46,  ceatlas  Mt. 
21, 12,  seatlum  Mc.  12, 39.  Dazu  die  mischformen  seatla  Mt.  19, 28  und  setla 
Mc.  12, 39. 

seotul  R* :  seotlum  Mc.  12,39,  scotlas  Meli,  15,  seatlas  Lc.  11,43.  20,46. 

Nur  unflectiert  Uberliefert  sind  gearwutol  in  Li.  und  ofergeattd  mit 
ofcrgeottolnisse,  of'crgiottulnisso  im  Rit.  Eine  ausnähme  macht  pl.  ofer- 
Xeotole  Li.  Mt.  16,5,  die  vermutlich  daraus  zu  erklären  ist.  da**»  hier  als  in 
einer  Ubergangszeit  ältere  und  jüngere  formen  nebeneinander  standen. 
Möglicherweise  waren  jedoch  im  northumbr.  innerhalb  der  reich  entwickelten 
gruppe  der  adj.  auf  -ul  als  folge  der  jeweileu  zu  verschiedener  zeit  ein- 
tretenden synkope  ausgleichungen  zu  stände  gekommen  ähnlich  denen,  die 
im  wb.  zur  widerherstellung  des  vocals  sogar  bei  den  langsilbigen  gefuhrt 
haben. 

Aus  dem  merc.  derselben  zeit  fehlt  ein  sicheres  beispiel. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


103 


Als  solches  können  die  nachkommen  von  *setulaz  nicht  gelten, 
die  in  der  synkope  schwanken: 

R»  settde  23,2,  aber  setilas ')  21, 12  nnd  hehsettle  27, 19 ;  charakte- 
ristisch 23, 6,  wo  ein  urspr.  vorhandenes  seitlas  nachträglich  in  setulas 
geändert  ist.  Wie  das  fehlen  des  u-umlauts  zeigt  (der  in  diesem  denkmal 
allerdings  ziemlich  nnregelmässig  steht),  ist  das  wort  von  sepel,  sedles  stark 
beeinflusst :  dasselbe  bezeugt  (vermutlich  scetü  'recnbitus'  23,6  und  sicher) 
jenes  hehsettk,  das  direct  an  stelle  von  hehsedle  getreten  ist,  oben  s.  69; 
vgl.  ferner  Royal  gll.  of  setle  —  de  sede.  Das  wahrscheinlichste  bleibt 
gewis,  dass  diese  beeinflussnng  in  der  lautlichen  form  sammt  der  damit 
zusammenhängenden  Vermischung  in  der  bedeutung  derart  vor  sich  gieng, 
dass  z.  b.  ein  synkopierter  dat.  seotle  durch  sedle  zu  setle  (später  settle) 
wurde,  vgl.  umgekehrt  Li.  Mc.  12, 39  setla,  dann  sogar  Mt.  19,28  seatla 
statt  sedlo  durch  einfluss  von  seatlas.  In  den  beiden  formen  mit  ~ul- 
dttrfte  man  dann  wol,  wie  die  entstehung  der  einen  durch  jene  correctur 
nahelegt,  einen  versuch  des  Schreibers  erblicken,  zwischen  den  seinem 
Sprachgefühl  schon  durcheinander  gehenden  Worten  seßel  und  setul  eine 
künstliche  Scheidung  herzustellen.  Doch  ist  es  unter  solchen  umständen 
natürlich  bedenklich,  von  lautgesetzlicher  behandlung  reden  zu  wollen.  — 
An  die  möglichkeit  sächsischer  formen  kann  kaum  gedacht  werden. 

Die  beispiele  der  Bedaübersetzung3),  wie  das  sicher  merc.  sotole  2,2 
(BOCa  gegen  setle  T  Miller  bd.  1, 102, 5)  und  wie  watelum  ebda.  bd.  1, 202,  5, 
das  rein  ws.  sein  kann,  sind  ohne  beweiskraft,  da  durch  südengl.  federn 
geflossen,  und  das  gleiche  gilt  von  sotelum  im  poet.  Ps.  10f>,31.  Mit 
grösserer  Sicherheit  darf  dagegen  gestceotlad  Räts.  81, 18,  der  einzige  beleg 
des  wortes,  der  in  der  poesie  synkopiert  ist,  als  stehengebliebene  angl.  form 
in  ansprach  genommen  werden. 

2)  Synkope  nach  d. 

Wegen  des  urgerm.  Übergangs  von  öl  in  II  kann  im  aengl. 
eine  ursprüngliche  folge  -dl-  lautgesetzlich  nicht  erwartet 
werden  und  scheint  in  der  tat  zu  fehlen.  Das  im  angl.  neu- 
entstandene dl-  nach  kürze  (sedles,  bydla)  zeigt  keinen 
mittelvocal. 

a)  -dil-. 

Die  Schicksale  des  mittelvocals  sind  nicht  klar,  da  belege 
aus  dem  angl.  und  dem  älteren  südengl.  zu  fehlen  scheinen; 
das  spätws.  zeigt  durchgehends  mittelvocal.  Es  bleibt  danach 
zwar  wahrscheinlich,  doch  unsicher,  ob  auch  in  diesem  falle 


l)  Zur  gemination  des  f,  ev.  nach  erfolgter  synkope  wie  in  micclum 
n.dgl,  vgl.  die  oben  citierten  spätws.  formen. 

»)  Deren  original  zudem  einer  etwas  früheren  zeit  angehört. 


Digitized  by  Google 


104 


WEYHE 


ältere  synkope  durch  eindringen  von  secundärvocalen  abgelöst 
ist,  also  etwa  eine  in  den  südl.  hss.  der  dichtung  begegnende 
form  wie  gcedeling  älteres  *gcedling  ersetzt  hat 

bydel  'büttel',  ahd.  butil  :  bydeles  MUr.  Horn.  Th.  1,320,26.  352,34. 
356,23,  bydele  2, 534, 13.  17,  bydelas  1,4,12.  208,32.  310,12.  520,5.  19. 
524,20.21.  584,22.  2,74,11.  126,28.  202,28.  372,6.  430,26.  530,9.  534,29. 
536, 12.  538, 23,  bydela  2, 126, 30.  31.  202, 25.  558, 15,  bydelum  1, 344,  2a 
2, 320, 8.  534, 20.  28,  bydele  .Elfr.  Heil.-l.  22, 65.  24, 183,  bydelas  16, 151. 
19, 154.  23, 47.  52,  bydelum  16, 147,  bydelas  ,Elfr.  De  n.  Test.,  Bibl.  ags.  pr. 
1,19,38.  Ex.  32, 5.  Jos.  3, 2,  bydele  ws.  Ev.  Lc.  12,58,  bydelas  Horn.  Assm. 
4,142,  bydelas  Wulfstan  176, 23.  190,9.  191,4,  bydelum  79, 14.  273, 15.  WrW. 
394, 12,  bydele  Liebermann,  Ges.  1.451,  Rect.  18  (2  m.),  bydelas  s.  206,  IV  Eg. 
1,2.  s.304,  ICn.26.  s.471,  Griö  19,1. 

cxcydele ' hautbläschen ' :  cwydele  'pustula'  WrW.  112,5,  cicydele  'varix' 
ebda.  161, 7.  Urgerm.  st.  *kwtdilön-,  vgl.  mitablaut  und  gramm.  Wechsel  das 
gleichbedeutende  ahd.  chuadilla,  qucdilla  aus  *hcapltl>(ny. 

Sasdeling  'verwanter,  gefährte'  :  $a:delin$e*  Beow.  2617,  gadelingum 
Beow.2949.  Dan.  422. 

hla>del  'schüpfger&t',  nengl.  ladle  :  mid  Modele  Napier,  OE.  gll.  1,  501. 
Zs.  fda.  9, 418,30;  mit  a>  statt  e  nach  Ma>d-trendel  u.dgl.? 

hnydele  pflanzenname  :  hGtcene  hnydele  Lchdm. 3,24,8,  haHcene  hny- 
delan  ebda.  4, 10;  die  Zusammensetzung  mit  htttcen-  dagegen  erfahrt 
dissimilatorwchen  schwund  des  n :  h&icetihydele  Lchdm.  1, 16, 21.  126, 4.  6. 

tredel  'tritt'  (=  Vorrichtung  zum  darauftreten) :  tredelas  1  bases 1  WrW. 
117, 6,  fites  tredele  Liebenn.,  Ges.  s.  438,  Excom.  7, 21  4  fusssohle '  (zur  bedeu- 
tung  vgl.  seil  als  'gesäss');  wahrscheinlich  als  *tredil  zu  treddan. 

Unflectiert  gnidü  4pistillus,  mörserkeule'  Cp.  1597;  gleichfalls  mit 
kürze  auch  for(e)ridel  'vorreiter'? 


Das  u  bleibt  im  ws.  und  im  merc.  erhalten;  aus  dem 
northumbr.  fehlen  belege. 

adela  'schmutzige  flUssigkeit',  gleich  mnd.  adele  (zum  u  vgl.  adul- 
seafye  WrW.  145, 10,  adoheaöe  Mart.  Herzfeld  154, 7.  8)  :  (ulelan  .Elfr.  Horn. 
Th.2,380,8.  472,7.  Heil.-l.  5, 463.  35,244.  Napier,  OE.  gll.  1,666.  1738.  3416, 
adelihlum  WrW.  375, 15,  adelihtan  203,38;  vgl.  auch  adelan  Rats.  41,  32. 

cradol  'wiege'  :  cradole  Wulfst.  17,  1,  cradole,  cradele  Lieberm.,  Ges. 
s.  364,  n  Cn.  76, 2,  cildcradole  Horn.  Th.  1,  82,  29.  428, 23.  2,  76, 11,  cyldcra- 
dole  .Elfr  .Heil.-l.  7, 188,  cildcradulas  Zupitza,  .Elfr.  gr.  85, 10,  cradelas  WrW. 
216,10,  cddcradelum  419,27.  Napier,  OE.gll.  1,2156. 

cudele  'tintenfisch'  :  cudele  'sepia'  WrW.  181,7.  —  Vgl.  md.  (rhein- 
frk.)  cudele  'sepia'  DWb.5,2897. 

cwedol  (cwidol)  'beredt'  :  quedole  'dicas'  (statt  'dicax*)  Cp.  690, 
haarmcwcodelien  VPs.  118, 122,  wtr^cxceodelade  VPs.  54, 13.  Hy.  1, 9,  tcar^ 


b)  -dul-. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK 


105 


aceodole  Beda  ed.  Miller  1,356, 26  T  (tcyrgcwydelan  B,  tcyriganjdole  OCa), 
hearmacidele  R'  5, 44,  hearmctcydole  Horn.  Th.  2, 174, 8,  wyrigcwidole  Dial. 
Greg.  207, 29. 

geaduling,  gleich  as.  gadiding  :  geaduling  'fratruehV  Cp.914,  gea- 
duling  'patrueüV  Cp.  1496. 

sadol  'sattel',  gleich  aisl.  sqÖuü  :  sadole  Dial.  Greg.  34, 13  C,  »adele 
ebda.  H,  ic  sadelige  Zup.,  .Elfr.  gr.  165, 10,  gesadelod  .Elfr.  Hom.Th.  1,210,30, 
gesadelod,  un(ge)sadelod  Lieberm.,  Ges.  s.  358,  II  Cn.  71, 4,  gesadelode,  un- 
(ge)sadelode  ebda.  II  Cn.  71a.  71,1.  Crawford-coll.  X,  5,  or.-urk.  von  1008 
—1012. 

Sehr  spät  finde  ich  jedoch  einmal  synkope,  vor  nebenton:  /kPwj  adlflitum 
•cenosis'  WrW.  534,1.  —  Unflectiert  bediü  'petitiosus'  WrW.  180,12. 

3)  Synkope  nach  aengl.  f  (aus  wgerm.  h  und  /*). 

a)  -fl: 

Hierher  gehören:  mit  hl  angl.  ccefl  'halfter'  (Pogatscher, 
Lehnworte  §  356),  ws.  geafl  'gabel' »),  siefl  'speise',  scofl  'schaufei', 
icefl  'schachzabel',  tcefl  Aufzug  des  gewebes',  wahrscheinlich 
auch  swefl  'schwefel'  (v.  Bahder,  IF.  14, 261);  mit  unsicherem 
labial  snofl  'rotz'  zu  nhd.  schnauben,  schnaufen,  schnupfen  und 
sufl  'zukost'  sammt  ableitungen  (gleich  mnd.  suf[f]el;  das  ahd. 
hat  fpisufU,  und  grundlaut  ist  indog.  p  nach  aind.  silpa-  'brühe, 
suppe,  dünnes  mus',  Zupitza,  Germ.  gutt.  s.  16).  *2) 

Während  in  der  unflectierten  form  anaptyxe  sehr  häufig 
unterbleibt,  habe  ich  sprossvocal  in  den  flectierten  formen 
überhaupt  nicht  angetroffen. 

b)  -bil-. 

Das  i  ist  bereits  in  vorhistorischer  zeit  synkopiert. 

a)  Achtes  jahrhundert: 

*g(rbil  'tribut1  :  gtrbles  Leid.  gll.  114,  vgl.  unflectiert  g(vfel  Li.  nnd  R'. 
*gebil  'dass'  :  gehles  Ep.394,  vgl.  unflectiert  gt bil  Ef.336  und  gebcllicum 


*)  Ich  finde  nur  flectierte  formen:  ws.  geaflum  Hom.Th.  1,430,5,  acc. 
^.geafle  Angl.  9, 263,  ansserws.  ga>fle  Harley  gll.  WrW.  241,36.  245,38,  st. 
'gablth,  neben  *gablio-  im  and.  pl.  gaflie  Wadst.,  KAS.  110, 5.  Daneben  aengl. 
;abul-  im  ersten  glied  des  compositums  gabnlrond  kzirkel?  (so  Cp.  1712),  vgl. 
neben  Harley  gll.  g<rfle  204, 12,  gafelrod  (dies  gabid-  aus  *gabl( <i)-?). 

*)  Länge  dagegen  gilt  nach  Kluge,  Pauls  Grundr.  1»,  1001  in  c?afl(-as) 
kinnbacken',  daher  wol  auch  in  dem  gleichbedeutenden  gtaflas,  das  wie  ein 
bastard  aus  kreuzung  der  beiden  synonyma  graglas  und  eeaflas,  and.  gügal 
und  käflos  aussieht. 


106 


WEYHE 


Cp.  881.   —   Zur  lautgestalt  der  beiden  worte  vgl.  Sievers,  Zum  ags. 

TOC.  8.  23. 

*skyt>il-  'mafore'  ('mafore  —  operimentum  capitis  maxime  feminarura' 
Du  Cange  4, 174) :  scybla  Ep.  Ef.  627,  scyfia  Cp.  1267  'maforte';  vgl.  deutsches 
dial.  schibl  als  bezeichnung  für  altmodische  hüte  (Schlutter,  Angl.  19. 472), 
nengl.  shovelhat  'flacher,  breitkrempiger  filzhut  der  geistlichen'  (Bosw.-T. 
s.  846),  nhd.  schaubhut  (au  <  ou)  gleich  'grosser  runder  hut  aus  /einem  stroh 
mit  einem  breiten,  nach  unten  gezogenen  rande,  wodurch  er  den  ganzen 
köpf  bedeckt,  wie  ihn  das  weibliche  landvolk  vielerorts  trägt  oder  trug'  DWb. 
8,2301;  daneben  mit  urgerm.  pp  (Hellquist,  Ark.  f.  nord.  filol.  7, 149)  aisl. 
gkupla  'das  gesicht  verhüllende  kopfbedeckung  der  frauen',  wozu  das  gleich- 
bedeutende skypill  neugebildet  scheint.  Ueber  die  ganze  etymol.  gruppe  s. 
Ehrismann,  Beitr.  20, 54  zu  mhd.  schöpf. 

ybil  'übel'  :  y fiten  Bedas  todesspruch  4. 

fi)  Das  spätere  augl.  hat  die  synkopierten  formen  von  yfel  durchgängig 
beibehalten  in  VPs.  R'  und  Kit.,  ein  nach  analogie  der  entsprechenden 
langsilbigen  wie  \delu,  Igtelu  gebildetes  yfelu,  -o  ist  hier  nicht  belegt,  die 
formen  lauten  yfel  in  VPs.  R1  und  mit  jüngerer  neubildung  yflo  im  Rit 
Dagegen  hat  Li.  ein  yfelo  Mc.  7, 23  neben  neben  sonstigem  yflo,  desgl. 
£<rfelo  Lc.  23,2  für  älteres  gtrfel.  —  Ganz  vereinzelt  begegnet  ferner 
mittelvocal  auch  in  einigen  anderen  formen  von  Li.:  yfela  Mt.  1, 17,7,  yfele 
Lc.6,45,  und  dasselbe  gilt  vom  spätmerc.:  R>  24  formen  mit  synkope  (dar- 
unter y/?t<21,41),  doch  einmal  yfde  15,19,  ferner  (Chad250  yfel  für  yfele? 
und)  Royal  gll.  59  yfele;  die  flectierten  formen  von  gafel  wahren  in  Rl  die 
synkope  stets:  £a>fics  22, 19,  gcrflfe*  9, 9,  $arfle  17, 25. 

y)  Im  südengl.  herscht  dagegen  bereits  im  9.jh.  reiche  entwicklung 
von  secundärvocal,  die  im  10.  jh.  noch  an  ausdehnung  gewinnt: 

cyfel  'kübel',  gleich  ahd.  htbü,  vgl.  Kluge,  Et.  wb.6  s.  kübel  :  cyfias 
Angl.  9, 264.   Kürze  nicht  ganz  sicher,  da  aengl.  cgf  vorhanden. 

Irr  fei  'schüssel,  becher'  :  laflas  Angl.  9,264;  je  ein  la>flas,  hltefie  ferner 
bei  Bosw.-T.  s.  609.  Aengl.  brfel  aus  *Ia>bil,  älter  "labil  gleich  as.  lauil  Wad- 
stein, KAS.95,16  aus  lat.  labellum,  Pogatscher,  Lehn  worte  §  72  b;  vgl.  un- 
flectiert  lebil  Ep.  Ef.  633.  Cp.  1269,  zu  deren  e  Dieter,  Diss.  s.  12,  Chadwick, 
Studie»  s.  100,  andrerseits  Pogatscher,  Lehn  worte  §  261.  Durch  die  Über- 
einstimmung der  drei  glossare  wird  lebil  dem  archetypus  zugewiesen,  vgl. 
femer  lebel  Cp.  193.  Wenn  dagegen  Cp.  2045  lebl  hat  gegen  Ep.  Ef .  995 
lebil,  so  kann  die  Schwankung  in  Cp.  ebensowenig  für  */<rM  zeugen,  wie 
Cp.  1498  tnbl  neben  mobil  Ef.  310  und  Cp.  selbst  tcibil  398  gegen  den 
stamm  *icit>il(t-:  reinliche  Scheidung  z.  b.  in  Cleop.  I,  wo  auf  der  einen  seite 
twfi  WrW.267,5,  Uvfistän  267,6,  scofi  278,4,  tcefi  262,11,  auf  der  anderen 
Iteuil  281,34  (rücPyfel  278,27),  wifel  261,13  stehen. 

sc  yfel,  scyfle  :  scyfele  'mafors'  WrW.268,6;  scyfelum  'mafortibus' 
WrW.514,  7.  442,22:  die  der  letzten  vorangehende  glosse  scyfia  'maforte' 
442,21  zeigt  dagegen  die  urspr.  synkopierte  form,  ist  jedoch  vielleicht  ein- 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


107 


fach  aus  der  alten  vorläge  von  Cleop.  II  hertibergenommen,  vgl.  Op.  scyfla 
'maforte'. 

wifel  'käfer',  genn.  st.  *wibila-,  vgl.  aengl.  tordwifel  mit  aschw. 
tor/jyvil  Mistkäfer'  (aisl.  iordyfill  Ärkiv  f.  n.  AI  2,  219)  ans  urindog.  *ut- 
bhelo-  neben  *uobholo-  gleich  lit.  rabalas  :  tcifele  Lchdm.  2,  320,  2,  et  wifeles 
berge  OET.  Ct.  30, 20,  a.  863,  älteste  genau  zu  datierende  form  mif  secundär- 
vocal  (u  ifeles  hier  jedoch  vielleicht  personenname  =  ahd.  Wibil  Fürstemann, 
Ad.  nb.  i*,  1561).  —  Die  von  Middendorf,  Aengl.  flurnamenbuch  s.  150  gesam- 
melten belege  (darunter  wiflahirst  Birch  no.  316,  sonst  stets  mittelvoeal) 
stammen  aus  copien. 

wifel  'geschoss'  :  tcifele  'spiculo'  Zs.  fda.  9, 432, 13  j  vgl.  Napier  zu 
OE.gll.  1, 1103.  1107  und  zur  etymologie  Pogatscher,  Lit.-bl.  1901,  sp.  159. 

yfel,  yflian  :  in  der  hs.  C  der  CP.f  die  in  fragen  der  synkope  über- 
haupt am  altertümlichsten  zu  sein  scheint,  haben  nach  Cosijn,  Aws.  gr.  1, 413 
die  alten  synkopierten  formen  noch  das  dreifache  Übergewicht  (Verhältnis 
48  :  16),  in  der  hs.  H  (Verhältnis  32  :  74)  und  dem  Oros.  (4  :  11)  sind  die 
jüngeren  bereits  über  doppelt  so  stark,  in  den  Blickl.-hom.  ist  die  proportion 
4  :  13  (Hardy  s.  39).  Ihren  gipfel  beinahe  erreicht  hat  diese  entwicklung 
bei  -Elfric,  in  dessen  Horn.  ed.  Thorpe  ich  nur  3  belege  mit  Währung  der 
synkope  (yfle  1, 170, 13.  332,  7,  y fluni  2, 90, 16)  gegen  159  formen  mit  mittel- 
vocal finde,  in  diametralem  gegensatz  zu  dem  verhalten  der  ungefähr  gleich- 
zeitigen angl.  quellen. 

Vgl.  ferner  kent.  Ps.  49  yfele,  das  allerdings  keine  echt  kent.  form  ist. 
—  Ans  der  poesie  belegt  Grein  35  formen  ohne,  37  mit  vocal,  doch  fallen 
von  den  letzteren  nicht  weniger  als  21  auf  den  Ps.;  die  synkope  der  zu- 
meist angl.  originale  ist  von  den  Schreibern  also  ziemlich  gut  gewahrt, 

Nicht  ganz  sicher  ist  urspr.  Vorhandensein  von  mittlerem  i  und  zweifel- 
haft die  existenz  von  6  in  rifelede  'rugosus'  Napier,  OE.  gll.  18b,  78  neben 
$eryflodre  'rugoso'  ebda. 26, 24,  vgl.  gerifod  'runzlig'  und  aisl.  rifa  'zer- 
reissen';  desgl.  in  WrW.  125,33  rifelingas  1  obstrigelli ,  eine  art  schuhe', 
zu  dem  gleichbedeutenden  aisl.  hriflingr  (grundlaut  hier  indog.  p,  s.  Pauls 
Grnndr.  1*,  323.  Zupitza,  Gutturale  s.  125;  zum  suffix  vgl.  Kluge,  Nom.  st.« 
§  100 «J,  ahd.  füsUUnc,  mhd.  hendelinc  'fausthandschuh*  u.dgl.).1) 

In  sämmtlichen  angeführten  belegen  kann  der  vocal  der 
dreisilbigen  flectierten  aus  zweisilbigen  unflectierten  formen 
stammen,  so  dass  sich  auf  sie  allein  annähme  rein  lautlicher 
anaptyxe  nicht  bauen  lässt;  aus  anderen  gründen  dürfte  diese 
jedoch  auch  hier  wahrscheinlich  sein.  Sieht  man  z.  b.,  dass 
in  den  ws.  texten  des  9.  jh/s  die  synkope  bei  mied  noch  durchaus 
gewahrt,  bei  yfel  bereits  so  häufig  aufgehoben  ist,  so  kann 
man  sich  nur  schwer  des  gedankens  erwehren,  dass  die  zeit- 


')  Prof.  Sievers  erinnert  an  die  möglichkeit  volksetymol.  Umbildung 
aus  afranz.  revelin  (mhd.  ribbalin). 


108 


WEYHE 


liehe  Verschiedenheit  des  eindringens  der  mittelvocale  in  ursäch- 
lichem Zusammenhang  stehe  mit  dem  relativ  späten  eintritt 
der  synkope  in  -eil-  (rund  zweite  hälfte  des  8.  jh.'s,  s.  unten), 
dem  frühen,  bereits  urengl.  in  -dil-.  In  der  tat  scheinen  fälle 
anderer  art  die  annähme  eines  rein  lautlichen  Vorgangs  direct 
zu  fordern. 

So  erscheint  die  entsprechung  des  lat.  obläta  ausser  in  altertümlicheren 
formen  wie  ofla-thlafas  Pial.  Greg.  C  345, 15,  ofleian  ebda.  153, 7  bei  .Elfric 
als  ofeletan  Horn.  Th.  2. 174,20;  erscheint  für  kymrisch  ga flach  'speer'  (dies 
die  grundform  nach  Kluge,  Pauls  Grundr.  1",  929)  im  sttdengl.  gafeluc  (z.  b. 
gafelucum  .Elfr.  Hcil.-l.  32, 116,  gafeluca»  WrW.  143,6,  gauehteas  Napier, 
OE.  gll.  1, 4238),  vgl.  dagegen  aisl.  gaflak,  gaflok*);  und  begegnet  der  name 
der  Stadt  Dublin,  lat.  Dubhnia,  in  der  form  Difelin  (Chronik  Parker-hs.  937, 
gegen  Dyflen  B,  Dyflin  C,  Dytli$  D). 

In  diesen  worten  ist  die  folge  -hl-  erst  verhältnismässig 
spät  ins  engl,  gelangt;  diese  spät  aufgenommene  consonanten- 
verbindung  erfährt  dieselbe  entwicklung  wie  die  altheimische, 
secundär  durch  ausfall  eines  vocals  zusammengetretene;  nicht 
an  dieser  entwicklung  aber  nimmt  die  ursprüngliche  gruppe 
-U-  teil.  Deutet  das  darauf,  dass  die  consonantenverbindung 
in  formen  wie  yfte  aus  *ytilce  qualitativ  verschieden  war  von 
der  in  solchen  wie  wefle  aus  *wct>l(B? 

Andere  wgerm.  sprachen  könnten  solche  Vermutung  stärken. 
So  ist,  wie  jüngst  v.  Bahder  (IF.  14, 258)  gezeigt  hat,  wgerm. 
t  in  den  hochdeutschen  dialekten  schon  sehr  früh,  schon  vor 
dem  Übergang  zu  verschlusslaut  in  der  Stellung  zwischen 
vocalen,  vor  consonantischem  l  (und  r)  stimmlos  geworden  und 
in  f  übergegangen:  gen.  *weMes  zu  *wefles  (ahd.  icevales),  aber 
*uhiles  zu  ubiles.  In  gleicher  weise  stellt  Holthausen,  As.  EB. 
§  222  für  das  as.  fest,  dass  t  vor  /  (oder  n)  im  silbenauslaut 
in  /'  übergegangen  ist  (zu  dem  gleichen  lautwandel  im  nnl. 
vgl.  Pauls  Grundr.  P,  833).  —  Im  aengl.  lässt  sich  aus  der 
Schreibung  gemeinhin  nichts  entnehmen,  da  nur  der  archetypus 
von  Ep.  Ef.  Cp.,  dieser  aber  noch  recht  genau,  zwischen  f  und  6 
geschieden  hat  (vgl.  hierzu  Sievers,  Beitr.  11,542  und  ausführ- 
licher Chadwick,  Studies  s.  148).    Das  verhalten  eben  dieser 


»)  Allerdings  könnte  der  secundtlrvocal  in  diesem  falle  auf  einer  art 
lautsubstitution  beruhen,  insofem  dem  siideugl.  damals  die  lautfolge  -afl- 
fremd  war. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


100 


quelle  aber  ist  auffällig:  sie  schwankt  gerade  da,  wo  es  sich 
um  die  lautfolge  hl  handelt  (vgl.  die  listen  bei  Chadwick  s.  140  f.). 

So  haben  alle  drei  glossare  b  in  teblere  Ep.  Ef.  7.  Cp.  111,  tebelstan 
Ep.  172,  tebil-  Ef.,  tebl-  Cp.  349,  teblith  Ep.  Ef.  178,  tebleth  Cp.497;  dagegen 
/'  in  uuefl  Ef.  300,  uefl  Cp.  482,  wo  allerdings  Ep.  fehlt,  alle  drei  aber  f  in 
scofl  Ep.  1022,  scolfEf.,  scofl  Cp.  2051,  $loedscofl  Ep.  Ef.  1065.  Cp.2076.») 

Nun  wird  zwar  durch  die  spätere  entwickluug  im  engl, 
wol  die  annähme  ausgeschlossen,  dass  altes  5  vor  consonan- 
tischem  l  seinen  stimmton  eingebüsst  hätte;  sehr  wol  mög- 
lich aber  dürfte  sein,  dass  es  in  dieser  Stellung  schon  sehr 
frühe  als  stimmhafte  fortis,  mit  grösserer  geräuschstärke  aus- 
gesprochen worden  ist  als  zwischenvocalisch  in  fällen  wie 
*tcetan  'weben'  oder  *yt)ilces  (vgl.  die  gemination  der  ver- 
schlusslaute vor  und  dass  auf  diesem  unterschiede  mit 
der  spätere  unterschied  in  der  behandlung  von  tceflian  und 
synkopiertem  yflian  beruht. 

c)  -f...l-. 

Liegt  wahrscheinlich  vor  in  aengl.  free  feie  'verschlagen, 
schlau'  und  verwanten,  gleich  ahd.  frauali  'verwegen,  frech, 
unverschämt'  und  as.  frauolo  'contumax,  hartnäckig'  Wadstein, 
KAS.98,1,  frauilico  'obstinate'  94,11.  Da  bei  urspr.  -tl-  (fl) 
vocalentfaltung  nicht  eintritt,  muss  der  mittelvocal  alt  sein.2) 

Vgl.  das  subst.  Cp.  230  freefdi  'astu,  list'  und  das  verb.  Cp.  431  free- 
feleo  'calleo'  mit  Cp.  430  ccefli,  Cp.  1483  scoble,  Cp.  111  teblere,  Cp.  497  tebleth; 
oder  Harley-gll.  WrW.  197,29,  ic  frefelie  'calleo,  deeipio'  mit  ebda.  241, 36. 
245, 38  goyjle,  199, 5  scofle,  212, 21  tteflap.  Ursprüngl.  mittelvocal  ergibt  sich 
ferner  aus  der  gestalt  des  Wortes,  wo  erstes  compositionsglied,  so  frefdice 
Oros.  130,  9  aus  frefellice,  nicht  frefh'ce,  wie  bei  urspr.  folge  von  spirans  +  l 
zu  erwarten  wäre;  weitere  belege.  OE.gll.  free feinesse  1,46,  fnefelnyssa  1,4579, 
frcefeUice  1, 3131. 

Wenn  nun  Cp.  freefeli  und  freefeleo  der  synkope  ermangeln, 
die  sich  in  gebles,  scybla,  yflces,  Worten  mit  germ.  t,  zeigt,  so 

»)  Für  das  letzte  wort  nehmen  Sievers  und  Chadwick,  auch  Bülbring, 
Aengl.  EB.  §  474.  484,  anm.  1  allerdings  nach  ahd.  sküvala  und  nl.  scJioffel 
germ.  f  an;  doch  s.  zu  ahd.  sküvala  neben  skubla  Kluge  Nom.  st.»  §  91. 
v.  Bahder  a.a.O.  260;  nl.  schoffel  ist  nach  Franck,  Et.  wb.  erst  nnl.  belegt 
und  kann  gleichfalls  auf  skubl-  zurückgehen. 

*)  Wofür  vielleicht  auch  as.  frauolo  bei  der  sonstigen  Seltenheit  von 
secundärvocal  vor  consonantischem  /  im  as.  geltend  gemacht  werden  darf, 
vgl.  Holthausen,  As.  EB.  §  143. 


110 


WEYHE 


wird  das  vermutlich  auf  rechnung  der  stimmlosen  spirans  zu 
setzen  sein:  im  anfang  des  8.  jh.'s  sind  germ.  intervocal.  f  und  b 
im  aengl.  noch  nicht  zusammengefallen,  synkope  in  -bil-  aber 
war  schon  vor  dem  8.  jh.  erfolgt.1)  Der  ae.  stamm  scheint 
also,  was  die  labiale  angeht,  dem  geläufigen  ahd.  adj.  frauali, 
subst.  frauali  zu  entsprechen,  nicht  der  seltenen  ahd.  neben- 
form  in  frabari,  frabaüicho. 

Gegenüber  diesen  formen  mit  mittel  vocal  begegnet  späte 
synkope  vor  starkem  nebenton  in  frculice  Xapier,  OE.  gll.  1, 1 
neben  fr&fellice  ebda.  3131,  das  zu  beurteilen  ist  wie  nach 
langer  silbe  deoflic  aus  deofdic  neben  deofollic,  vgl.  Sievers3 
§  145,  anm. 

Die  ursprüngliche  qualität  des  mittelvocals  ist  wie  die 
etymologie  des  Wortes  zweifelhaft  (vgl.  DWb.  s.  frevel.  Noreen, 
Urgerm.  lauft  s.  125.  Kluge,  Et.  wb.«  s.  frevel.  Pauls  Grundr.  1»,  475. 
v.  Bahder,  1F.  14, 260.  264);  das  e  von  Cp.  frcefeli  kann,  braucht 
aber  nicht  auf  i  zurückgeführt  werden  (vgl.  dann  Bülbring, 
EB.  §  413b).  Die  ahd.  formen  sprechen  für  ursprüngliches  a, 
für  eventuelles  *frafuli-  könnte  as.  frauolo  angerufen  werden, 
das  sich  jedoch  wol  auch  aus  *fraualo  mit  assimilation  ver- 
stehen lässt  (beispiele  für  derartige  assimilation  im  as.  s.  bei 
Schlüter  in  Dieters  Laut-  und  formenlehre  s.  123  ff.).  Die  frage 
wird  dadurch  noch  complicierter,  dass  im  aengl.  wie  bei  ceöele 
auch  formen  mit  e  in  der  tonsilbe  begegnen,  vgl.  die  belege  oben. 

Das  von  Sweet,  Stud.dict.  angeführte  w&flian  Halk  foolishly' 
wird  altes  ff  enthalten,  vgl.  wlwffetere  und  woffung. 


a)  Das  u  bleibt  im  südengl.  erhalten  bis  ins  11.  jh.,  ebenso 
im  merc.  des  8.  jh.'s;  beispiele  aus  sicheren  angl.  texten  der 
späteren  zeit  fehlen. 

afol  'stärke,  macht'  :  dat.  afole,  s.  Björkman,  Loanwords  s.  201;  ferner 
im  comp,  tcoruldafol,  z.b.  tronddafelum  Wulfstan  106, 1,  einen  weiteren  beleg 
Bosw.-T.  a.  1194.  Wahrscheinlich  lehnwort  aus  dem  nord.  und  nur  soweit 
hierhergehörig,  als  das  aus  an.  afl  entstandene  afol  (vgl.  dazu  s.  108,  anm. 
über  gafeluc)  auch  in  den  flectierteu  formen  denen  mit  altem  u  gleich  be- 
handelt ist. 

l)  Eine  weitere  erklärungsmöglichkeit  würde  ev.  Kluges  etymologische 
Vermutung,  Pauls  Grundr.  1*,  475  eröffnen. 


d)  -ful-,  mit  germ.  b,  ev.  auch 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


111 


eofole  pflanzenname  =  Ut  ebulus  ;  eofolan  Lchdm.  3, 28, 27;  s.  Po- 
g&tscher,  Lehnworte  §  100. 

fifele  =  lat.  fibtda  :  fibula;  'ansa'  Ep.  4,  8.  Kluge,  Lb.  1,  fifele  'fibula' 
WrW.  403, 7.  Zur  vocalkürze  Sievers,  Zum  ags.  voc.  s.  12;  vgl.  dagegen  mit 
synkope  des  i  z.  b.  Ep.  scybla. 

gafol  'abgäbe',  vgl.  nl.gavel :  geabxdes  Cp.  813,  geabuliC\>.  96,  gaebuli 
Ep.  115  (zum  ae  der  letzten  form  Bülbring,  Anglia  Beibl.  9,  G7,  anm.  1),  vgl. 
dagegen  mit  synkope  des  i  Ep.  gebles.  —  gafole  Oros.  1,13.  72,5.  290,24. 
Horn.  Th.  2, 484, 6.  554, 9.  11.  20.  22.  558,  7.  Boeth.  ed.  Sedgefield  35, 32;  ws. 
Ev.  Mt.  25, 27.  Lieberm., Ges.  s.  206,  IV  Eg.  1 , 1,  gafole,  rtfdegafole  ebda.  s.  1 18. 
Ine  67,  beregafole  s. 1 16,  Ine  59, 1,  gafule  WrW.  384, 37,  gafele  Scint.  109, 12. 
Horn.  Th.  1, 544, 19.  Kent.  gll.  426.  Napier,  OE.  gll.  1, 1448,  gafolcs  Horn.  Th. 
1, 66, 11;  ws.  Ev.  Mt.  22, 19.  WrW.  153, 4.  Martyr.  ed.  Herzfeld  172, 22.  Dial. 
Greg.  C  157, 21.  27.  158, 12.  305, 26.  &50, 4.  Wulfstan  251, 16.  Lieberm.,  Ges. 
8. 206,  IV  Eg.  1,2.  s.  448,  Rect.  5, 1,  Madgafoles  s.206,  IV  Eg.  1,  gaftdes  WrW. 
393, 20,  gafcles  457, 11,  gafelu  Scint.  108, 15,  gnfola  Lieberm.,  Ges.  s.  12,  Wi.  1, 
gegafelod  WrW.  424, 33.  500, 34.  —  gofole  Birch  no.  1010,  z.  5.  12,  kent.  Or.- 
urk.  10  jh.  (zum  o  vgl.  Haupts  und  Digby-gll.  popclstänas  zu  ws.  papol- ;  auch 
Lchdm.  3, 44, 13  swolican  zu  ws.  swealwe).  In  der  dichtung  drei  belege  (Grein), 
mit  mittelvocal. 

gifol  1  gebend \  vgl.  aisl.  gjafaU,  gjofuU  :  giofole  CP.  324,  9.  338, 25  C 
=  gifole  bez.  gifule  H,  rümgyfolan  JSlfr.  Heil.-l.  5, 330. 

hafol  'haltend,  habend'  :  fcesthafolan  CP.338.6C  =  fasdhafxda  H; 
fctsthafdum  Horn.  Th.  2, 118, 20.  Scint.  110,  4  v.u.,  fmthafule  Birch  no.  106 
(hs.  10.  jh.),  icanhafele  -Elfr.  Heil.-l.  10, 65,  watihafolum  21,363, 

hafola  'hanpt' :  heafolan  Lchdm.  1,  LXXIV,  4;  in  der  dichtung  (nach 
Grein)  18  belege,  stets  mittelvocal. ') 

hnifol  'stirn'  :  h(n)eoftdan  Lorica-gll.  (OET.  172)  28. 

nafola  'nabel',  vgl.  ahd.  nabulo  :  nabula  Cp.  2151,  nafola  Martyr. 
ed.  Herzfeld  104,25,  nauela  WrW.  159, 41,  neabidan  Lchdm.  1,  lxxiv,  25, 
nafelan  Oros.  156, 11.  Kent.  gll.  32.  Wund.  d.  ost.  xxi.  Lchdm.  1,  i.xxii,  2, 
nauehn  .Elfr.  Heil.-l.  25,  568.  586,  nafolan  Wund.  d.  ost.  xvm.  Lchdm. 
2, 46, 17.  120, 20.  25.  122, 2.  10.  164, 7.  228, 20.  230, 4.  26.  232, 5.  23.  236, 11. 
278, 5.  322, 4.  356, 23.  3, 54, 28.  —  eorÖnafala  6, 15,  eorÖnafelan  40, 23,  eord- 
nafolan  18,7. 


»)  Doch  schlug  Sievers,  Beitr.  10, 463  für  Beow.  2661b  itigheafolan  bar 
»us  metrischen  gründen  tclgheaflan  vor,  was  sich  im  hinblick  auf  VPs.  heh- 
seotle  auch  grammatisch  rechtfertigen  liesse.  Eine  merc.  form  der  art  ist 
möglicherweise  rümgiflan  in  copie  einer  urk.  Oswalds  von  Worcester  (Birch 
no.  1110,  a.  963),  vgl.  ebda.  Mercna,  heorodes,  ueonddcundes  und  andere 
mercismen  in  der  gleichen  hs.  entstammenden  copien  von  Urkunden  Oswalds 
(z.b.  Birch  no.1108.  1109.  1180.  1208.  1232.  1240,  1242),  sowie  in  der  or.- 
ark.  no.  1233;  zum  i  neben  dem  t  von  acc.  sg.  gefc  (1233)  vgl.  Blickl.  hom. 
seofu  neben  gifu,  Bülbring,  EB.  §  253. 


112 


WEYHE 


Seafola  eigenname,  gleich  mhd.  Sabene  :  Stafolan  Wids.  115. 
trifulian,  aus  lat.  tribulare,  s.  Pogatscber,  Lehn  wort  e  §  143  :  trifula 


Lchdm.  2, 150, 3,  getrifula  20, 15.  17.  22, 10.  40, 17.  48, 29.  70, 8.  74, 7.  90, 
1.27.  94,4.  98,23.  120,19.  144,12.  180,4. 21.  184,20.  268,23,  trifoUge 
186, 10,  seirifulad  42,  G.  04,  8.  68, 17.  72, 19.  200, 10,  getrifoted  122,  3,  tetri- 
fulades  188,5,  getrifuladre  20,10.  82,17,  getrifulade  110,21.  122,10,  A-c<ri- 
/Warfu  26, 1,  <n/e/n/tf e  WrW.  423, 25. 

Ganz  gegen  ende  der  aengl.  periode  macht  sich  dagegen 
im  Süden  (über  das  fehlen  angl.  belege  s.  oben)  der  beginn  von 
synkope  auch  des  u  bemerkbar. 

Die  hs.  V  des  Herb.  A pul.  und  der  Med.  de  quadr.,  nach  Cockayne 
geschrieben  um  1050,  weist  zwar  noch  überwiegendes  nafola  auf:  nafolan 
Lchdm.  1,20, 7.  24,1.  28,15.  40,11.  44,16.  52,6.  136,17.  148,21.25.  168,9. 
204,17.  27.  28.  210,13.  218,1.  5.  14.  226,4.  10.  254,19.  282,20.  306,5.  366,17, 
eor&nafolan  238,5;  daneben  aber  hat  sie  auch  schon  einige  synkopierte 
formen:  nafla  306,10,  naflitn  58,22.  82,24,  eordnaflun  210,8.  —  Die  syn- 
kopierten formen  von  gufol  in  der  Chronik  (gafle  Earle- Plummer,  Two 
Sax.  chron.  31, 11.  36, 9.  133, 36.  235, 28.  32)  stehen  in  der  hs.  E,  Peter- 
borough,  geschrieben  zwischen  1122  und  1154,  kommen  somit  für  das  aengl. 
nicht  mehr  in  betracht. 


Die  wenigen  beispiele,  die  sich  bei  der  geringen  Verbreitung 
von  indog.  b  darbieten,  scheinen  dieselbe  behandlung  der  mittel- 
vocale  zu  verraten  wie  z.  b.  nach  t  und  c. 


Die  gleiche  erscheinung  wie  bei  northumbr.  yflcs  gegen 
südengl.  yfeles,  Währung  der  synkope  im  northumbr..  eindringen 
von  secundärvocal  nach  erfolgter  synkope  im  süden,  zeigen  die 
Vertreter  des  Stammes  *krupila-,  der  in  doppelter  bedeutung 
begegnet:  teils  mit  dem  suffix  der  nom.  agent.  'der  kriechende, 
krüppel',  teils  mit  instrumentalsuffix  'gegenständ  zum  durch- 
kriechen, unterirdischer  gang  etc.'  (zur  vocalkürze  dieses  zweiten 
crypel  s.  Napiers  anm.  zu  OE.  gll.  1, 2856;  vgl.  auch  das  syno- 
nyme smygel  zu  sniilgan). 

Südengl.  crypel,  crepel  'cuniculum  etc.'  (z.  t.  in  kent.  texten  oder  texten 
kent.  fürbung):  crypele  (verbessert  aus  crypelt)  Zs.  fda.  9,  473, 34,  crepeles 
ebda.  484,21  =  crypeles  OE.  gll.  1,  3320,  crypelas  OE.  gll.  2, 191,  crepelas 
Kent.  gll.  180;  —  dagegen  northumbr.  crypel,  eoröcrypel 1  paralyticus '  :  cryple 
Li.  Lc.  5, 24,  eordcrypple  Mt.  9, 2.  6.  Mc.  2, 5.  10,  eordcryple  Mc.  I  2, 14.  2, 9, 
eordcryplas  Mt.  4, 24.  —  eordcryple  R*  Mc.  2, 9.  10.  Einmal  jedoch  auch 
hier  secundärvocal  vom  nom.  acc.  aus:  eordcrypele  R1  Mc.2,5. 


4)  Synkope  nach  p. 


a)  -pil-. 


Digitized  by  Google 


ZTR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


113 


Die  flectierten  formen  von  Li.  haben  also  4  mal  p,  4  mal  pp ;  die  un- 
flectierte  form  lautet  in  R»  crypel  Mc.  2, 3,  eordcrypel  Mc.  2, 4,  in  Li.  steht 
neben  5 mal  crypel  (crypelnise  Lc.  I  5, 1,  eordcrypel  Lc.  5,18.  Mt.  9,2.  Mc.2,3. 
Lc  I  4, 20)  3  mal  cryppel  (eoröcryppel  Mt.  8, 6.  Mc.  2, 4.  Mt.  I  18, 7. 

Dies  Verhältnis  zeigt,  dass  das  pp  in  Li.  aus  den  flectierten 
formen  stammt  (vgl.  Mt.9,2  eordcrypel,  eordcrypple)  und  die 
grundform  in  der  tat  Hrupila-,  nicht  *kruppila-  ist,») 

Südengl.  secundärvocal  wie  crypcle  zeigt  ferner  nypele 
Horn.  Assmann  4, 286,  zu  nypel  (elefanten-)  'rüssel*. 

Aengl.  cnwpling  'jüngling'  (z.  b.  .Elfi'.  Horn.  Th.  2, 576, 14. 
HeiL-L  3, 9)  kann  aus  *cnapiling  mit  beeinflussung  des  tonvocals 
durch  cnapa  entstanden  sein,  ist  jedoch  vielleicht  erst  nach  der 
zeit  der  'tonerhohung'  und  der  synkope  nach  länge  von  cnapa 
aus  gebildet,  vgl.  ausser  lijtlins  'kind'  noch  seongling  und  frum- 
byrdling  'jüngling',  frymetling  'junge  kulT  etc. 

Ferner  könnte  hierhergehören pipli an  'blasen  bekommen'. 

Belegt  durch  pipli^eixde  Lchdm.  1, 234, 10.  266, 20  hs.  B,  wofür  V  das 
jüngere  pypylgende,  py pelgende  hat  wie  ft  formende  220,18.  226,26  für  älteres 
fcfrigende  von  B. 

WrW.  265,  22  hrycriple  'palae'  steht  gewis  für  hrycg- 
rib(b)le,  vgl.  hricjrib  292,9  und  ricgrble  'pale'  292,6. 
Unflectiert  ear-scripel  'kleiner  finger'. 

b)  -p  u  1-. 

a)  Im  Süden  bleibt  das  u  erhalten: 

clypol  'klöppel',  clypola  'vocalis'  :  clypole  Angl.  8, 313, 15,  clypolan 
314, 16. 

stapol  'pfeiler,  säule  etc.',  gleich  aschwed.  stapul,  aisl.  stgputt  'turra'  : 
stapole  WrW.  205, 5.  Birch  no.  1229,  or.-urk.  von  969  (2  m.).  ebda.  no.  1282. 
or.-urk.  von  972  (2  m.),  stapidum  Germ.  23, 396, 147,  stapelum  Wulfstan  267, 
9. 17,  vgl.  auch  stapolas  Beda  ed.  Miller  1, 144,  27.  Birch  no.  480  (hs.  10.  jh.). 
In  den  hss.  der  dichtung:  slapole  Beow.  926,  stapulas  An.  1494,  stapulum 
Beow.27ia 

strapulas' eine  art  hosen ' :  strajntlas 1  tubroces  uel  brace '  WrW.  125, 2. 
tcapolian  'aufschäumen',  zu  wajyul  'famfaluca'  gleich  afries.  tcapul 
'stehendes  wasser,  sumpf  :  tcapolaÖ  Kent.  gll. 505,  wapolode  Germ. 23, 398, 220, 

')  Et.  wb.a  s.  krüppel  setzte  Kluge  aengl.  cryppel  an  und  stellte  es 
mit  aisl.  kryppili  zusammen,  das  jedoch  auf  *krympil  zurückgeht  nach 
tschwed.  krymplinger  'krüppel'  neben  krumpin  'krüpplig';  richtig  dagegen 
*krnpiia-  Kluge- Lutz  sub  cripple.  Vgl.  auch  Karsten,  Studier  üfver  de 
nordiska  Sprakens  primära  nominalbildning  2  (Helsingfors  1900)  s.  95. 

Beitrage  cur  geschiente  der  deutschen  spräche.  XXX.  g 


114 


WEYHE 


wapeladan  Zs.  fda.  9, 488, 11,  wapeledan  ebda. 499, 7,  hwapelaj)  OE.gll.  1, 1891, 
wapeledan  ebda.  3481.  3962. 

Wo  synkope  begegnet,  dürften  besondere  umstände  mit- 
spielen. 

So  steht  in  einer  Originalurkunde  vom  j.  843,  betreffend  land Verleihung 
in  Kent,  cet  stenan  steaple  (OET.  Ct.  25, 5  =  Birch  no.442),  wofür  Sweet 
im  index  der  OET.  stlapol  'steeple'  mit  langdiphthoDg,  ebenso  im  Stud. 
dict.  'steapol  (m.)  tumulus  (of  stones)  (?)  CV  ansetzt.  Sweet  nimmt  also 
wol  suffixablaut  zu  stypcl  'türm'  an,  womit  die  synkope  sofort  erklärt  wäre. 
Immerhin  scheint  mir  diese  auffassung  angesichts  des  sonstigen  häufigen 
stapol,  auch  staynen  stapol  der  Urkunden  (vgl.  Middendorf,  Aengl.  flurnamen- 
buch s.  123)  nicht  sicher  und  annähme  einer  ausserws.,  und  dann  wol  kent., 
form  für  ws.  stapole  kaum  zu  umgehen,  vgl.  in  derselben  urk.  med  'wiese' 
und  eccer  'acker'  (das  letztere  nicht  in  dem  auszuge  der  OET.).  Vielleicht 
darf  man  in  at  st&nan  *steapole  einen  einheitlichen  (flur-)  namen  sehen,  wo 
das  adj.  regelrecht  stärker  betont  war,  als  das  subst.  und  die  accentabstufung 
eines  compositums  herschte  (wie  in  nhd.  Schweinefleisch  aus  mhd.  steinen  fleisch, 
Schröder,  Zs.  fda.  37, 126  u.  dgl.).  so  dass  synkope  nach  nebenton  wie  in  VPs. 
ftihseotle  vorläge.  Als  analoga  wären  dann  apokopierungserscheinungen 
des  deutschen  heranzuziehen,  so  gewöhnlich  bewahrung  des  end-e  im  dat. 
HH  wähle,  aber  apokope  in  fällen  wie  jagdschloss  Grunewald  =  das  jagd- 
8chloss  zum  grünen  walde,  wo  gleichfalls  der  hauptton  auf  dem  adj.,  der 
nebenton  auf  wähl-  ruhte.  Das  derart  unter  besonderen  betonungsverhält- 
nissen  synkopierte  kent.  steaple  verhielte  sich  dann  zu  dem  wapolaÖ  der 
glossen  wie  etwa  oben  geswitliendc  zu  swetelad. 

Die  gleiche  erklärnng  würde  für  den  pl.  sißstapla  'uestigia'  gelten 
können,  den  Bosw.-T.  s.  879  aus  Ps.  Lamb.  16, 5  belegt.  Da  jedoch  ebda.  16, 3 
das  verbum  imp.  understappla  'supplanta,  stelle  ein  bein  daneben  steht 
und  der  bedeutung  nach  beide  worte  aufs  engste  zu  sterppan  gehören,  ist 
möglicherweise  als  vorform  *stappul-  anzusetzen,  vgl.  auch  ahd.  stapfön. 

Unflectiert  belegt  papol-,  popel-stänas,  gripul  'capax'. 

ß)  Im  mercischen  des  8.jh.'s  ist  das  u  erhalten  wie  in 
Ep.  bitulum: 

strapulas  'pedules',  Münsterer  gll.,  Kluge,  Ags.  Ib.*  II,  37. 

Im  northumbr.  des  lO.jh.'s  herscht  synkope  wie  in  Li.  seatlas  : 

staplas  'columbas'  (fälschlich  als  columnas  aufgefasst)  Li.  Mt.  21, 12. 
—  Vgl.  auch  ohne  mittel vocal  dat .  c  u  op  l  e '  navicula '  Li.  Mt.  8, 23  (lehn wort  ?). 

5)  Synkope  nach  c. 
a)  -eil-. 

a)  In  der  ersten  hälfte  des  8.  jh.'s  ist  das  t  noch  erhalten: 

faecilae  'fax'  Ep.  407.  Ef.  faecile  (zur  lautgestalt  Sievers,  Ags.  gr.« 
§  128,  anm.  2). 


Digitized  by  Google 


ZUB  WESTGEBM.  GRAMMATIK.  115 

gecilae  'stiria'  Ep.954,  Ef.  gecile,  Cp.  1919  gecilae,  aus  «jotO-.  Auf 
vorläge  der  gleichen  zeit  beruht  wahrscheinlich  gecele  WrW.  278, 18  (Cleo- 
patra I).  Vgl.  unten  s.  122. 

haecilae  '  paludamentum '  Ep.  740,  hecaeli  (sie)  Ef.,  haecile  Cp.  1474, 
haecilae  'lacerna'  Ep.  572,  hecile  Ef.,  haecile  Cp.  1169  (vgl.  Sievers,  Zum  ags. 
voc.  9.  23). 

stricilum  Ep.  Ef.  994.  Cp.  2044  'trochleis,  rotis  modicis'  =  radwinde 
(Diefenbach,  Gloss.  s.  598  'torcular  uel  parua  rota  super  puteum'). 

paecile  'fax'  WrW.  266,38,  vgl.  oben  zu  gecele. 

Soweit  diese  formen  in  den  etwas  späteren  Cp.-glossen 

begegnen,  kehren  sie  auch  in  Ep.  Ef.  wider,  sie  entstammen 

also  dem  archetypus  I,  dessen  entstehung  Chadwick,  Studies 

s.248  zwischen  680  und  720  verlegt. 

Ungewis  ist  die  ursprüngliche  gestalt  der  tonsilbe  in  genicldae  Ep.  701, 
Ef.  gcnsccildc  (das  Schlutter,  Anglia  20, 383  als  aus  genyccdde  verderbt  an- 
nimmt), Cp.  1408  genyclede  'obuncans'. 

ß)  Vom  9.  jahrhundert  ab  herscht  im  an  gl.  synkope, 
deren  eintritt  sich  für  das  merc.  etwas  genauer  fixieren  lässt: 
sie  fehlt  hier  in  dem  dialekt  des  archetypus  von  Ep.  Ef.  Cp. 
aus  der  ersten  hälfte  des  8.  jh.'s,  ist  dagegen  hundert  jähre 
später  in  dem  des  Ps.  vorhanden.  Danach  darf  für  Mercien 
etwa  die  zweite  hälfte  des  8.  jh.'s  als  die  zeit  des  Wegfalls 
bezeichnet  werden,  sodass  hier  das  ursprüngliche  i  vermutlich 
erst  geschwunden  ist,  nachdem  es  bereits  in  e  übergegangen 
war;  immerhin  kann  diese  bestimmung  insofern  nur  annähernd 
genannt  werden,  als  in  den  einzelnen  gegenden  des  weiten 
gebietes  zeitliche  Verschiedenheiten  möglich  waren.  Die  gleiche 
(vielleicht  eine  etwas  frühere?)  zeit  dürfte  für  das  northumbr. 
in  frage  kommen.  Vollzug  der  synkope  im  anfang  des  9.  jh.'s 
wäre  für  diesen  dialekt  durch  das  patronymicum  Icling  Gen.  93 
neben  (Ic)il  bezeugt,  wenn  die  kürze  der  ersten  silbe  fest- 
stände1); vgl.  aber  auch  namen  wie  ahd.  Ichanhusa,  jetzt  Acken- 
hausen, Förstemann,  Ad.  namenb.  2*,  895. 

hacla  'pallium',  Li.  Mt5,40. 

micel  mitsammt  seinen  ableitungen  der  hauptvertreter  der  gruppe, 
ieigt  in  seinen  häufigen  belegen  regelmässig  synkope  (im  8.  jh.  nur  untlec- 
tiert  belegt,  Cp.  691  micel):  —  im  VPs.  stets  micles,  miclian  u.s.w.,  doch 


')  Vorhandensein  des  mittelvocals  in  Iceling  Chron.  626  und  755  ist  hier- 
rar ebensowenig  beweisend  wie  etwa  in  Wödening;  vgl.  noch  ort  Iceling- 
tüne  Birch  no.  1306,  or.-urk.  de«  10.  jh.'s. 

8* 


116 


WEYHE 


mit  der  bekannten  ausnähme  der  formen  auf  -u  (micctu)  nach  analoge 
derer  mit  langer  erster  silbe  (daneben  das  lautgesetzliche  micel);  —  R» 
21  formen  mit  synkope,  doch  wider  micelu  (24,21.  28,2);  einmal  erscheint 
jedoch  mittelvoeal:  micele  6, 30.  —  Das  gleiche  Verhältnis  nochChad:  miete 
8.  213,  miclum  8,  miectum  245,  aber  medmiceto  245  (im  texte  verschrieben  mid 
miceto);  —  Royal  gll.  myelafi  171. 

Stets  synkope  auch  in  den  northumbr.  denkmäiera;  doch  wider  R* 
miceto  (kein  miclo);  —  Li.  miceto  neben  miclo;  —  Rit.  mieito  neben  met~ 
mich.  Vereinzelt  Li.  micile  Mt.  I  8, 13,  micetes  Mc.  9, 21  (vgl.  ein  ebenso 
vereinzeltes  Igtetum  Lc.  16, 10)  und  micele  R*  J.5, 3. 

pricle  'apax,  Stimulus,  minutum'  :  pricle  Li.  Mt  5, 18  (2  m.),  prictu 
Lc.  12, 59,  priclom  Lc.  1 3,  C,  pricta  R«  Lc.  12, 59.  —  Dass  *prik-il-  (an-,  öh-), 
nicht  *prik-lan-  zu  gründe  liegt,  zeigt  nengl.  dial.  pritchel,  s.  Wright,  Engl, 
dial.-dict  4,623. 

Vereinzelte  belege,  abgesehen  von  micel,  liefert  ferner  die 
dichtung. 

Ob  allerdings  der  Beowulf,  nach  gewöhnlicher  annähme  mit  Ep.  Ef. 
etwa  gleichzeitig  am  eingang  der  literarischen  zeit  stehend,  die  synkope 
bereit«  gekannt  hat,  ist  zweifelhaft.  Für  ihren  Vollzug  würde  man  sich 
auf  694b  Jxvt  [hie]  (fr  tö  fela  mietet  und  922b  getrume  miete  berufen 
können,  wenn  nicht  doppelauf  lösung  von  C  im  Beow.  auch  sonst  vorkäme 
(elf  fälle,  unter  ihnen  sechs  des  baues  X^xl^XX  im  zweiten  halbvers); 
ohne  beweiskraft  ferner  hildegicelum  1606  b  und  freode  tö  frictan  2556. 

Sichere  belege  bieten  dagegen  spätere  texte,  insofern  für  An.  1260a 
ceatdum  cylegicelum  und  Seef.  17a  bihongen  hrlmgicelum  ursprünglich  angl. 
*celegeclum  und  *hrimgeclum  metrisch  wol  so  gut  wie  feststeht. 

Eine  scheinbare  ausnähme  macht  dagegen  das  merc.  und 
stidnorthumbr.  ])(Bcele  'fackel'. 

Wie  dem  haecitae  Ep.  in  Li.  hcecla  entspricht,  sollte  dem  peecile  von 
Cleop.  I  Öcecle,  -a  antworten.  Statt  dessen  erscheint  R*  Öcecela,  -e  (5  mal) 
und  ebenso  merc.  decele  R'  25, 1. 

Eine  erklärung  ermöglichen  die  formen  der  nördlichen 
abart  des  northumbr.: 

im  Rit.  heisst  es  stets  dceccelte  (3  m.),  Öaccillum  (1  m.),  ebenso  in  Li. 
ö(ec[c]itla,  -e,  -a,  -um,  -as,  zusammen  12  m. 

Die  formen  zeigen  also  durchgängig  ein  suffixales  II,  das 
nicht  wie  das  -cc-  des  Stammes  (hierüber  Luick,  Archiv  102, 66; 
anders  zu  beurteilen  ist  ahd.  facchala,  s.  Kluge,  Pauls  Grundr. 
V,  338)  aus  secundärer  northumbr.  gemination  erklärt  werden 
kann.  Wie  die  abweichende  suffixgestalt  aufzufassen  ist,  mag 
zweifelhaft  sein;  an  einfluss  des  sinnverwanten  condel,  gen. 
condeUe  ist  kaum  zu  denken,  vielmehr  scheint  das  suffix  iden- 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGEBM.  GRAMMATIK. 


117 


tisch  mit  dem  von  hangelte,  swin$elle,  rinnelte  u.  dgl.  Auf  alle 
fälle  konnte  hier  vor  II  ebensowenig  synkope  eintreten  wie 
etwa  vor  Ir  in  micelra,  micelre. 

Die  formen  der  Rushworth-hs.,  mindestens  die  von  R- 
lassen  sich  nun  zwar  kaum  aus  Vereinfachung  der  geminata 
in  unbetonter  silbe  erklären;  vgl.  in  R2  die  gute  erhaltung 
nach  langer  tonsilbe:  byrgenne,  byrdenne,  mixennc  u.  ä.,  Lin- 
delöf, Die  südnorth.  ma.  s.  109  ff.  Dagegen  haben  wir  einen 
directen  beleg  dafür,  dass  die  suffixform  mit  U  auch  hier  neben 
der  mit  einfachem  l  existierte,  und  zwar  in  R2  öcecclla  J.5,35; 
vgl.  hierzu  im  Beda  neben  fyrenj>ecete  Miller  1, 476,  15  die 
Variante  fyren  Öecelle  ebda.  2, 587,  ferner  ])eceUc  Epist.  Alex, 
ed.  Baskerville  325  und  548.  Man  wird  danach  annehmen 
dürfen,  dass  die  synkope  des  mittel  vocals  in  ]i(ecele,  ]>cccle 
durch  den  einfluss  des  danebenstehenden  pcecelle  unterblieben 
war;  die  derart  entstandene  (compromiss-)form  waltet  in  R2 
ebenso  vor,  wie  die  mit  7/  im  nördl.  northumbr.  allein  gilt. 

Anm.  Die  für  das  merc.  ausreichend  gesicherte  datierung  dieser 
synkope  kann  nnter  umständen  auch  für  die  geschiente  der  palatalisierung 
innerhalb  des  genannten  dialektes  von  Wichtigkeit  sein:  unter  der  Voraus- 
setzung nämlich,  dass  die  geläufige  erklärung  zu  recht  besteht,  wonach 
raengl.  formen  des  mittellands  wie  mikel  (Ornn  nukcll)  auf  Verallgemeine- 
rung des  in  den  synkopierten  casus  lautgesetzlichen  k  beruhen  (Björkman, 
Loanwords  1, 146.  Morsbach  ebda.  s.  149  in  der  anm.).  Penn  es  ist  nicht 
abzusehen,  warum  dann  das  Vorhandensein  des  verschlusslautes  in  aengl. 
mirUs  (um  Bülbrings  auffassung  und  bezeichnnng  der  gutturale  zu  folgen) 
anders  zu  beurteilen  sein  sollte  als  in  stffi  'sucht*,  R1  eknisse  'ewigkeit 
gen.  atnes  'kükens',  wo  synkope  nach  länge  vorliegt;  d.h.  man  müsste 
annehmen,  dass  im  merc.  des  8.  jh.'s  c  vor  i  noch  nicht  zur  affricata,  vor 
allem  noch  nicht  zur  dentalen  affricata  fortgeschritten  war,  als  es  in  der 
stufe  t  vor  den  die  Weiterentwicklung  hindernden  consonanten  zu  stehen 
kam.  Hiernach  wäre  auch  ein  wort  wie  merc.  drencan  im  8.jh.  noch  mit 
<",  nicht  t$  gesprochen,  und  gewis  auch  die  eutstehung  des  ti  in  htceK,  swilc, 
wo  bereits  vorliterarische  synkope  besteht,  erst  auf  der  stufe  hicett,  nicht 
•htceliö  erfolgt. 

Als  terminus  a  quo  für  den  eintritt  der  dentalisierung  im  merc.  wäre 
damit  unter  vorbehält  rund  der  anfang  desselben  9.  jh.'s  zu  betrachten  (vgl. 
Sievers,  Anglia  13, 311  f.),  in  dessen  verlauf  die  fälle  orceard  und  ^efeccan 
auftauchen.  Man  käme  damit  Försters  Vermutung  (IF.  Auz.12, 108:  zwischen 
900  und  1200)  am  nächsten,  während  andere  gelehrte  an  einen  früheren 
Zeitpunkt  denken;  so  Bülbring,  Angl.  Beibl.9, 102.  EB.  §  493.  499  (vermut- 
lich im  anfang  des  8.  jh.'s.,  im  merc.  vielleicht  erst  später),  und  Hempl, 
Angl.  12, 375  ff.  (vor  700). 


Digitized  by  Google 


118 


WEYHE 


7)  Im  süd engl,  herscht  von  beginn  der  Überlieferung  an 
(erste  genau  datierbare  form  vom  j.  858,  OET.  Ct.  28,  20  tm- 
clum)  gleichfalls  synkope,  die  späterhin  jedoch  teilweise  durch 
entwicklung  von  secundärvocalen  wider  aufgehoben  wird. 

Haupt  Vertreter  ist  auch  hier  micel,  und  bei  der  häufigkeit 
dieses  wortes  lässt  sich  die  entwicklung  einmal  genauer 
verfolgen. 

In  den  ältesten  ws.  quellen.  CP.  Or.,  dem  ältesten  teile  der  Chronik 
zeigt  Micel  noch  regelmässig  synkope  (Coeyn  2, 72  ff.);  die  analogische  form 
micdu  ist  hier  selten  belegt,  dagegen  begegnet  miad  Cosijn  1,143. 

Ebenso  vgl.  kent.  Hy.  10  miclan,  Ps.  35  miclan. 

Im  ws.  des  10.  jh.'s  bleibt  diese  synkope  im  allgemeinen  noch  gut  ge- 
wahrt, indem  zugleich  gemination  des  c  platz  greift.  Doch  setzt  nunmehr 
die  vocalentfaltung  ein,  und  zwar  bei  denjenigen  formen,  deren  endsilbe 
-le  lautet  (ein  vereinzelter  fall  der  art  bereits  in  der  CP.,  miede  379, 10  H 
gegen  miete  C).  Bezeichnend  für  diese  stufe  ist  das  verhalten  von  .Elfrics 
Homilien  ed.  Thorpe;  hier  (wo  formen  wie  mieelu  oder  micdu  vollkommen 
fehlen)  zähle  ich  1  gemiedian,  2  mieda,  6  miedes,  50  miedan,  196  miedum: 
aber  36  belegen  von  miede  stehen  63  für  miede  gegenüber.  Secundärvocal 
ausserhalb  miede  ist  dagegen  ganz  vereinzelt:  1  miedes,  5  micelan  kommen 
neben  jenen  255  formen  mit  wahrung  der  synkope  nicht  in  betracht. 
Typisch  für  Horn.  Th.  sind  also  fälle  wie  1,306,22  on  öäm  miedan  deege 
neben  306,24  miede  mihta  im  selben  satze.  Das  gleiche  Verhältnis  kehrt 
anderswo  wider;  in  den  Blickl.  hom.  '. synkopiert  mycel  bis  auf  myede  53,  21. 
127,33.  dazu  das  verb.  myedap,  5  formen,  stets  synkope'  (Hardy  s.  39);  in 
den  Digby-glossen  (Napier,  OE.  gll.  1;  hs.  des  11.  jh.'s.,  kent.  färbung)  heisst 
es  midum  2205.  3860,  aber  miede,  mycele  643.  654.  708;  und  auch  in  den 
hss.  der  dichtung  tritt  dieser  südengl.  verhalt  hervor,  wenn  von  den  10 
formen  mit  mittelvocal,  die  Grein  belegt,  7  auf  miede  fallen:  micWe  Hy.  7,33. 
7,94.  9,32,  aber  ebda,  miccla  3,38,  miclan  8,11,  w iedum  7, 44.  48;  miede 
Men.124.  Sat.213.  Ps.62,3.  67,18. 

Für  den  einfluss,  den  grössere  oder  geringere  schwere  der 
folgesilbe  (vgl.  auch  über  nachwirkungen  alter  quantitäts- 
verschiedenheiten  der  endvocale  in  der  metrik  die  nachweise 
bei  Kaluza,  'Zur  betonungs-  und  Verslehre  des  aengl.'  in  der 
Festschr.  für  Schade  s.  101  f.).  auf  stehen  und  fehlen  von  mittel- 
vocalen  übt,  bietet  diese  erscheinung  ein  gutes  beispiel,  das  in 
gewissen  Schwächungsfällen  sein  gegenbild  findet:  wie  hier  nur 
vor  dem  schwächsten  überhaupt  vorhandenen  laute,  einem  ein- 
fachen (vielleicht  schon  zum  murmelvocal  gewordenen?)  e  aus 
dem  stimmton  des  l  der  gleitlaut  mit  leidlicher  regelmässig- 
keit hervorgeht,  bleibt  im  sg.  praet.  laÖode  das  kurze  0  der 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


119 


zweiten  silbe  erhalten,  das  im  pl.  ladedon  zu  e  geschwächt 
wird.  Man  halte  dazn  Bülbrings  beobachtung  EB.  §  405.  die 
sich  mutatis  mutandis  genau  auf  miede  neben  micclcs,  micclum 
anwenden  lässt:  'namentlich  wenn  die  letzte  silbe  consonantisch 
oder  auf  einen  stärkeren  vocal  als  e  (nämlich  u,  0,  a)  aus- 
lautet, gewinnt  sie  ein  übergewicht  über  die  mittelsilbe'.  Ver- 
gleichbar sind  diese  erscheinungen  insofern,  als  Schwächungen 
in  beispielen  wie  ladedon  gegen  laöode  kaum  lediglich  auf 
einer  qualitativen  regelung  nach  der  Klangfarbe  der  nachbar- 
silben  beruhen;  der  parallelismus  in  fällen  wie  onscunung  : 
otiscuningum  (VPs.)  und  leornung  :  leorningeniht  zum  mindesten 
dürfte  auf  mitspielen  von  starkeunterschieden  weisen;  vgl. 
über  diese  factoren  Sievers,  Ags.  gr.3  §  219. 

Derartig  verschiedene  Wirkung  verschieden  schwerer  endsilben  scheint 
übrigens  nicht  anf  die  mittel  vocale  beschränkt,  mindestens  innerhalb  des 
ws.  dialektes;  denn  gewis  ist  es  nicht  anders  zu  beurteilen,  wenn  in  den 
ws.  Evangelien  der  dissimilatorische  n-schwuud  der  mittelsilben  von  pening 
'pfennig'  zwar  vor  -as  (penegas  Mt.  20, 10.  Lc.  10, 35),  -a  (penega  Mt.  18, 28. 
Lc.  7, 41.  Joh.  6, 7),  -um  eintritt  (penegum  Mc.  14, 5,  penegon  Mc.  6, 37.  Joh. 
12,  5),  vor  e  aber  (peninge  Mt,  10, 29.  20, 13)  genau  ebenso  unterbleibt  wie 
in  der  endsilbe:  pening  Mt.20,9.  Mc.  12, 15,  penne  Mt.  22, 19.  Lc.20,24 
(ein  Verhältnis,  das  sich  anderswo  widerholt,  z.  b.  in  der  Läeceböc,  Lchdm. 
2.  lff. ;  an  diesem  texte  sieht  man  zugleich,  dass  der  gen.  sich  hier  den 
übrigen  singularcasus  angeschlossen  hatte:  pening  18,3.  88,6.  124,24.  134,25. 
230,14.  288,8,  peninguGge  124,24,  peninges  108,4,  peninge  272,24,  gegen 
penegas  52,13.  64,7.16.  110,17.  150,18,  penegum  298,16.  17.  18.  20.  21. 
22.  24.  25.  Je  einmal  allerdings  begegnet  schon  in  beiden  texten  penig 
Mt.  20, 2  und  Lchdm.  2, 272, 15  gegenüber  dem  noch  unversehrten  paradigma 
in  .Elfr.  Gr.  Zup.,  wo  der  dat.  zufällig  fehlt:  peninge  50,14.  264,18.  GH. 
316, 14,  penegas  102, 1.  202, 13.  285, 3.  296, 15,  penega  296, 16).  Zeigt  doch 
auch  das  wort,  mit  dem  pending,  penning  auf  ws.  boden  seinem  baue  nach 
zusammengefallen  war,  cyning,  cining  'könig',  die  gleiche  Verteilung  in 
seinem  spätws.  paradigma.  Bei  .Elfric  z.  b.  ist  hier  der  n-schwund,  soweit 
ich  sehe,  gleichfalls  durchaus  auf  cynegas,  cynega,  cynegum  beschränkt, 
also  auf  die  pluralformen,  denen  dat.  sg.  cyninge  mitsammt  cyning  und 
cyninges  gegenüberstehen.  Charakteristisch  für  dies  Verhältnis  sätze  wie 
Heil.-l.  24, 81 :  Na  ice  sprßcon  be  cynegum,  wc  willad  Pysne  cwyde  gelencgan 
and  be  sumum  cyninge  sow  cfjdan  git  oder  Josua  11, 1  pis  tcearÖ  fiä  gecyd 
püm  cyninge  Jabin  . . . ,  and  rade  sende  tö  callum  päm  cynegum,  nicht 
anders  als  etwa  Josua  10, 3  Adonisedech  sc  cyning  on  Hierusalem  sende  tö 
päm  kynegum.  Allerdings  weist  cyning  insofern  einen  reicheren  formen- 
bestand auf,  als  einmal  die  Schriftsprache  in  sehr  weitem  niasse  die  alten, 
volleren  suffixgestaltungen  (im  pl.  also  cyningas,  -a,  -um)  gewahrt  hat, 
andrerseits,  auf  den  sing,  beschränkt,  die  formen  mit  haplologischer  kürzung, 


Digitized  by  Google 


120 


WEYHE 


eyng,  cynge*,  cynge  hinzukommen,  die  ihren  Ursprung  vermutlich  Stellungen 
schwächerer  betonung  und  schnelleren  tempos,  unmittelbar  neben  eigen- 
namen  bei  titel  und  anrede  (Beitr.6, 132,  anm.;  auch  Ciardi-Dupr6,  BB.2C,203) 
verdanken  (auf  diese  position,  für  die  naturgemäss  der  pl.  nicht  in  frage 
kommt,  sind  sie  noch  im  ältesten  teile  der  Chronik,  Parker  hs.,  beschränkt, 
664  Arcenbryht  Cantuara  cyng,  860  Aepelbald  eyng,  604  wider  S<v!#ihtc 
cinge,  vgl.  auch  dieselbe  Stellung  bei  dem  einmaligen  hing  in  R1,  2, 3  He- 
rodes  hing]  eintritt  der  haplologie  in  meremen  'meerweib'  neben  haupt- 
tonigem  unverkürzten  men(n)cn  böte  eine  genaue  parallele.  Aehnlich  durfte 
die  merkwürdige,  aus  normalen  betonungsverhältnissen  (Beitr.  4, 534)  kaum 
verständliche  Scheidung  im  northumbr.  von  Li.  und  Rit.  aufzufassen  sein, 
wo  der  pl.  stets  -ing-,  der  nom.  acc.  sg.  dagegen  weit  überwiegend  -ig 
zeigt  und  gen.  dat.  sg.  zwischen  beiden  schwanken).  Dennoch  geht  auch 
in  Jülfrics  flexion  jene  Scheidung  durch,  indem  mir  ein  sg.  cynt'g,  cytuges, 
cynige  ebensowenig  begegnet  ist,  wie  auf  der  andern  seite  ein  pl.  eyngas, 
cynga,  cyngum,  vgl.  für  den  sg.  cyng  Gen.  47, 2.  5.  20.  Ex.  1,  8.  17.  18.  3. 19. 
5,4.  Num.22,36.  Deut.  1,4.  29,7  (2  m  ),  cynges  Horn.  Th.  1, 244, 19.  422,26. 
2,422,1.  474,9.15.  19.  476,31.  486,16.  584,17.  Gen.  40,1.  47,14.  19.20. 
Heil.-l.  33, 137.  141.  230,  cynge  Hom.Th.  1, 212,7.  Gr.  Zup.  272,4.  Gen.  41,14. 
47,7.  23.  25.  26.  Ex.  3, 18.  6,27.28.  Deut.  11,3,  für  den  pl.  aber  cynegas 
Horn.  Th.  1,510,33.  Jos.  2, 10.  5,1.  10.5.  17.22.41.  11,16.  12,1.  Heil.-l. 
18,386.  24,43.45.  25,729.  26,134,  cynega  Horn.  Th.  1, 544,9,  Jos.  10, 22, 
cynegum  Hom.Th.  1,232, 4.  30.  386,25.  2,16,4.  36,22.  216,8.  540,17.  584,34. 
Jos.9,1.  10,3.40.  11,1.  Bibl.ags.prosa  1,263,15.  Heil.-l. 24,29.  32.  81.36,103. 

Aber  auch  die  Verhältnisse,  wie  sie  uns  dennassen  in 
JElfrics  Homilien  und  anderswo  entgegentreten,  bezeichnen 
doch  nur  ein  durchgangsstadium.  Einen  schritt  weiter  sind 
bereits  die  ws.  evangelien,  wo  nicht  bloss  mycele  neben  myck 
steht,  der  mittelvoeal  vielmehr,  neues  gebiet  erobernd,  auch  in 
mycelan  und  mycelum  (neben  myelum)  auftritt1);  bis  dann  auch 
dieses  schwanken  sein  ende  findet  und  das  ziel,  die  vollkom- 
mene Verdrängung  der  im  frühws.  wie  im  gesammten  angl. 
seit  dem  8.  jh.  herschenden  synkopierten  formen  erreicht  wird 
in  texten  wie  der  hs.  H  der  dialoge  Gregors  (2.  viertel  des 
11.  jh.'s)  mit  18  miede,  3  micelcs,  6  micelan  und  17  micelum. 

Neben  micel  treten  die  sonstigen  gleichartigen  belege  an 
häufigkeit  gewaltig  zurück;  natürlich  ist  auch  für  sie  dasselbe 
Schicksal  vorauszusetzen,  das  sich  bei  dem  protagonisten  der 

')  Lautliche  entwicklung  des  mittelvocals  in  diesen  formen  ist  dabei 
mindestens  für  die  texte  ausgeschlossen,  die  sonst  geminiertes  cc  kennen. 
Einige  mittelvocale  derart  auch  in  der  dichtuug:  miede*  Ex.  143,  micelan 
Sal.  6,  mycelum  Ps.  111,  6  (s.  Grein);  ferner  mycelum  Be  domes  daege,  Grein- 
Wülker,  Bibl.2,259, 122. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


121 


gruppe  verfolgen  lässt  Wie  die  fälle  mir  zur  hand  sind,  gehen 
sie  zudem  der  mehrzahl  nach  gerade  auf  -e  aus  und  zeigen 
daher  fast  durchgängig  secundärvocal,  der  dann  weiterhin  auch 
hier  in  anderen  formen  erscheint;  vielleicht  ist  dabei  zu  be- 
achten, dass  die  endungen  der  subst.  an  zahl  denen  des  adj. 
nachstehen,  nach  ihrer  schwere  sich  (vgl.  oben  über  pening, 
ci/ning)  hauptsächlich  auf  sg.  und  pL  verteilen;  von  vornherein 
wird  hier  der  process  schnelleren  verlauf  gehabt  haben. 

Anm.  Hand  in  hand  mit  der  vocalentfaltnng  in  der  durch  synkope 
entstandenen  geht  die  entwicklung  des  sprossvocals  in  der  ursprünglichen 
gruppe  -cl-,  wie  sie  vorliegt  in  dem  lehnwort  cuder(-e)  aus  lat.  cochlear. 
Die  Lieceböc  (Lchdm.  2, 1  ff.)  z.  b.,  geschrieben  nach  Cockayne  in  der  l.hälfte 
des  lO.jh.'s  (s.  xxiv.  xxxm),  nach  anderen  zwischen  960  und  980  (ebda.), 
steht  in  der  synkope  von  micel  noch  ganz  auf  dem  aws.  Standpunkt,  indem 
eie  in  56  formen,  darunter  15  mich,  2  medmicle,  die  synkope  durchgängig 
wahrt;  gleicher  weise  zeigt  hier  cucler  nie  mittelvocal:  cuder  20,11.  12. 
24,  24  (2  m.).  28, 3.  60, 2.  76, 12.  178, 6.  182, 23.  186, 5.  214, 5.  25.  252, 2.  13. 
256,  9.  276, 8.  314, 23,  citdermdl  184, 17. 18. 19.  186, 10.  190, 6.  18.  192,9. 16. 
194,  30.  200, 16.  230, 9  (2  m.).  236, 25.  250, 26.  27.  252, 1.  20.  22.  262, 23. 
282,  19,  cudere  120, 19.  184,25.  272,8,  cuderas  108, 7.  228,26  (citcdes  286, 19 
Schreibfehler).  In  der  hs.  V  des  Herb.  Apul.  und  der  Med.  de  quadr.  da- 
gegen (Lchdm.  1, 1  ff.),  die  hundert  jähre  später,  um  1050  geschrieben  ist 
(s.  lxxv),  zeigt  mycd  wie  zu  erwarten,  in  weitem  masse  vocalentfaltnng, 
mycele,  mycdum,  mycelon,  mycdes  neben  seltnerem  mydum,  mydes,  und 
dem  entspricht  hier  ständiger  mittelvocal  in  cuceJerc,  cucxdere  :  cttcxderc 
220,11.  256,14.  270,3.  278,20.  292,10,  cucdcras  122,23,  cuculeras  86,25. 
90,18.  122,24.  196,13.  224,4.  288,1. 

Belege  für  die  gruppe  -eil-  sind: 

ciccl  'kuchen,  kleiner  bissen',  angl.  cecil  Cp.  1964  ' suffocacium ',  st. 
'kakila-  (daneben  *kokila-  in  coec»7  'tortum'  Ep.  Ef.  993,  coecü  'torta' 
Cp.  2032,  vgl.  Klnge-Lutz  s.  cake)  :  ade  Lchdm.  1, 364, 14,  ciclum  Napier, 
OE.gll.  1,3859.  7,288.  8,212.  2,262.  Einmal  mit  secundärvocal  ckdum 
ebda.  17, 40. 

feecele  :  feeede  WrW.531,8,  feede  399,35.  36. 

friclo  'appetitus'  :  iktre  ofermidan  frido,  sio  ofermido  frido  Lchdm. 
2, 196, 1, 2;  dazu  (?)  das  poet.  verbum  friclan  Beow.  2556.  Gen.  1843.  Frido 
aus  *{ricilu,  dessen  zweites  %  wahrscheinlich  erst  im  urengl.  entstanden 
war,  indem  ein  adj.-abstract  *frekutm-  zu  *frekula-  'begehrlich,  gierig'  zu 
gründe  liegt  nach  art  von  ahd.  ubaräzzali  zu  ubaräzzal1);  *frecid  Weiter- 
bildung zu  aengl.  free,  aisl.  frekr,  ahd.  frech  wie  aengl.  pieeol,  pyunol  zu 
picce  und  pynne. 


')  Ueber  die  hierbei  vorausgesetzte  lautentwicklung  hoffe  ich  anderswo 
handeln  zu  können. 


122 


WEYHE 


pricel  :  pricele  Angl.  8, 308, 1,  pricelas  Scint  87, 12.  Vgl.  dagegen  die 
northumbr.  formen  pricle  u.s.w.  ohne  secundärvocal. 

haransprecel  pflanzenname  :  haratisprecele  Lchdm.  2,  78, 16. 

sticel  «Stachel',  vgl.  ahd.  stichil  :  sticele  CP.  293, 1.  sticelum  Boeth. 
ed.  Sedgefield  36,  8,  sticelum  Be  domes  da?ge,  Grein-Wülker,  Bibl.  2, 262, 179 
—  ebda,  mycehtm  259, 122,  sticelas  Blickl.  gll.  Morris  261, 5. 

stricel  'brnst,  ritze'  :  stricele  '  ubere '  Germ.  23, 390, 67,  vgl.  dagegen 
miclum  393,119. 

pecele  :  pecele  WrW.  490, 31,  pecelan  Sal.  418,  wie  micelan  ebda.  6. 

sporwrecel  (?)  :  pL  sporwreclas,  Birch  no.  591  (237,14),  or.-urk.  von 
901—924,  nach  Bosw.-T.  s.903  'what  is  tracked  after  being  driven  o£T  (?); 
ev.  *tcrakila-. 

Nicht  ganz  sicher  scheint  es  dagegen,  ob  die  ws.  bildnngen  von  der 
indog.  wnrzel  {og  -  'eis',  wie  giceligan  Zs.  fda.  454, 1.  OE.  gll.  1, 2034, 
gicelig  Zs.  fda.  9, 465, 15.  OE.  gll.  1,2497,  jylicie  für  gyedu  OE.  gll.  7, 122 
(belege  aus  der  dichtnng  s.  oben)  hierher  gehören;  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  werden  sie  ja  auf  dieselbe  grundform  wie  die  angl.  entsprechung,  also 
auf  *iakil-  zurückgehen;  bei  der  innerhalb  des  germ.  proteusartig  wechseln- 
den wurzelgestalt  des  Wortes  (z.  b.  ikil  —  älteres  *'yikil  oder  schwundstulige 
Stammsilbe  —  in  aschw.  ikil,  hd.  ichel,  *ikul  in  afries.  *iukul  Siebs  Grnndr. 
1",  1197,  vgl.  anch  Zs.  fdph.  30, 183.  IF.  14, 398)  ist  es  jedoch  nicht  aus- 
geschlossen, dass  sie  mit  aisl.  jokull  identisch  sind,  welches  über  *ektd- 
einem  +iekul-  entstammt. 

Unflectiert  belegt  hiisbrycel  (WrW.  205, 28,  zu  hüsbryce);  ferner 
im  gen.  fem.  das  unsichere  adj.  ir i cel,  s.  Bosw.-T.  s.  1214;  für  das  von  Sweet, 
Stud.  dict.  angeführte  median  'stagger'  fehlt  mir  ein  beleg,  vgl.  jedoch 
Napier,  OE.  gll.  1, 2234  mit  anm. 

b)  'CUl: 

Aus  dem  angl.  fehlen  mir  belege  (Beda,  OET.  54  sorore 
Ricula  ist  gewis  lateinisch  und  mit  vocallänge);  im  westsächs. 
findet  keine  synkope  statt 

-brueol  'brechend'  :  abrueolon  'sacrilegis'  Germ.  23,  402,  86,  scyp- 
brucules  'uauifragi'  ebda.  401,9,  (anbrucolne  'preruptam'  402,85). 

fic  o  l  (Kent.  gll.  493) 4  betrügerisch ' :  ficole  Wulfst.  ed.  Napier  40, 4.  82, 3. 

hacole  'mantel',  vgl.  got.  kakuls  :  hacelan  Oros.234,22.  Mfr.  Horn. 
Th.  1,  48, 1.  2, 82, 22,  hakelan  jE\tr.  Heil.-l.  19, 36,  mecssehacele  .Elfr.  Gll.  Zup. 
314,12,  hacole  WrW.  195, 43.  210,19,  hacule  197,40,  hacele  153,9.  187,14. 
268,4.  368,36.  397,39.  439,2.  513,36.  OE.  gll.  1, 5316  (vgl.  dagegen  ebda. 
ciclum),  hacelan  WrW.  377, 20.  446, 30.  Mart.  ed.  Herzfeld  192, 1.  Ben.-reg. 
ed.  Schrtfer  28,5.  Narrat.  ed.  Cockayne  42,11  v.u.  —  Beachte  den  gegen- 
satz  von  hacole  und  hticla  Li. 

scaeol  'fessel,  Schlagring'  (LF.  Anz.  13, 58),  vgl.  sweorscaad  'nerui 
boia'  WrW.  116, 10  und  aisl.  skokuU  'sträng'  :  sceacclas  'plectra'  WrW.  517, 2. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


123 


sie ol  'sicher  :  sicele  JElfr.  Deut.  23, 25,  Bibl.  ags.  prosa  1,219. 

sp(r)ecol  'sprechend'  :  ofersprecelum  Zs.  fda.  9, 452, 14.  507,24.  OE. 
gll.  1, 1939.  4318,  felaspecolan  Ps.  Spl.  11,3,  sicgösprecelan  Ps.  Lamb.  11, 4 
(die  beiden  letzten  belege  nach  Bosw.-T.),  ofersprecola  Ben.-reg.  ed.  Schröer 
30. 5.  fealasprcocala  Benet  35, 5. 

sticol  'rauh,  steil  etc.',  gleich  as.  stektd  'rauh,  steinicht'  (znra  e  statt 
i  im  as.  vgl.  stecan  gegen  aengl.  stician  und  Streitberg,  Urg.  gr.  §  105, 4)  : 
sticolan  £Xtr.  Horn.  Th.  1, 162, 34.  164,9.  Heil.-l.  13, 12. 19,115.  27,67,  sticdan 
JMt.  Horn.  Th.  2, 300, 1.  510, 7,  stkculf  =  stiade  Germ.  23, 399, 446,  sticoles 
OE.  gll.  7, 32.  —  sticelan  Birch  no.  588,  a.  901.  no.  670,  a.  931  stehen  in  copien. 
—  In  der  dichtung  sticoles  Sal.  153. 

swicol'  treulos,  betrügerisch ',  vgl.  aisl.  svikall :  bisuiculan  CP.  239, 16H 
=  bisicicolan  C,  sureocolan  431,5  H,  swicole  Horn.  Th.  1, 488, 8.  2, 328, 8. 
Heil.-I.  2, 165.  Richter  16, 8.  Wulfstan  ed.  Napier  40, 4.  54,18.  79,4.  82,2. 
83,11,  utmcicole  109, 13,  swicola  Hom.Th.  1, 82, 15.  118,34.  2,140,14.  246,7. 
318,19.  452,35.  580,31.  HeU.-l.  13, 52.  17,118.  19,174.188.  31,710.749. 
760.  890.  1406.  Hiob  X,2'°  (=  Bibl.  ags.  prosa  1,269),  swicolan  Horn.  Th. 
1,118,28.  2,328,9.  Heil.-l.  4, 202.  5,243.  13,45.  14,164.  19,156.238.  25,691. 
Horn.  Assmann  3, 292.  4, 49.  De  vet.  test.  Bibl.  ags.  prosa  1, 10, 45.  Wulfstan 
81, 13,  stcicclan  Horn.  Th.  2, 244, 17.  Wülfel  54, 23.  83, 14,  stcicolum  .Elfr. 
Heil.-l.  5,411.  6,219.  28,168,  swicelum  Hom.Th.  1, 162,18.  2,328,1,  sicicolost 
Wulfet.  268, 17,  swicolast  128, 9.  —  In  der  dichtung  stcicolan  Ps.  5, 6,  Stet- 
colost  Men.  479. 

im col  'wachend,  wachsam',  gleich  ftial/epfttfO  :  wacole  -Elfr.  Gr.  Zup. 
39, 3.  Horn.  Th.  1, 188, 31.  610, 16.  2, 330,  9.  448, 8.  Hiob  HI  (Bibl.  ags.  prosa 
1,266).  Wulfst.  191, 12,  wacttle  Ben.-reg.  Schröer  2, 7,  tcacele  Horn.  Assmann 
4,  86,  purhtcacole  Horn.  Th.  1, 86, 17.  2,  m,  14.  Heil.-l.  11, 44.  129. 147,  purh- 
tcacule Birch  no.  106  (hs.10.  jh.),  tcacolan  Hom.Th.2,560, 28,  tcacolon  2,516,30, 
icacelum  2, 78, 2.  262, 8.  546, 8. 

6)  Synkope  nach  g. 
a)  -gl-- 

In  den  worten  mit  hellem  l  wie  egk  sammt  verb.  eglan, 
in  hcegl,  hrasgl,  insegl,  ncegl,  segl,  swcgl,  sncegl,  tcegl  bleibt  die 
lautgrnppe  gl  in  den  flectierten,  zumeist  aber  auch  in  der 
unflectierten  form  fast  durchgängig  erhalten. 

Dagegen  hat,  wie  bereits  von  Bülbring,  EB.  §  444  hervor- 
gehoben, das  dunkle  l  von  fugl  mit  grosser  regelmässigkeit 
einen  velaren  sprossvocal  entwickelt,  derart,  dass  formen  ohne 
diesen  bereits  seit  ältester  zeit  ganz  vereinzelt  sind. 

Vgl.  ausser  dem  schon  von  Bülbring  angeführten  Sigefugl  der  sächs. 
Gtneal.,  OET.  179, 15,  noch  Safttgl  Chronik  Parker-hs.  560  und  fugl  Boeth. 
Metra  27, 24. 


124 


WEYHE 


Im  angl.  ist  dies  für  die  flectierten  formen  ohne  bedeutung 

geblieben:  alle,  auch  die  späten  angl.  texte  wahren  die  alten 

formen  fugles,  fuglas,  fuglum  durchaus.  —  Im  südengl.  aber 

tritt  fugol  mit  seinem  constanten  -ol  seit  anfang  des  10.  jh/s 

in  die  analogie  derer  mit  ursprünglichem  u  ein,  indem  nach 

Wörtern  wie  regol,  rcgoles;  flugol,  flugoles  auch  fugol,  fugoles, 

fugelum  durchflectiert  sind. 

So  zeigen  die  kent.  Urkunden  aus  der  l.hälfte  des  9.  jh.'s  noch  alle 
die  alten  formen:  OET.  Ct.  37, 18  a.  805—831  hetinfuglas,  Ct.  39,5  a.  831 
henfugla,  Ct.  40, 10  a.  832  hcn fuglas,  Ct.  41, 62  a.  835  gösfuglas,  hennfuglas: 
aber  in  den  kent.  glossen  des  10.  jh.'s  erscheint  1181  fugeles,  in  einer  kent. 
or.-urk.  des  10.  jh.'s  (Birch  no.  1010)  hamfugulas. 

Im  ws.  hat  die  CP.  noch  fuglas  348  (349),  21,  fugla  383, 29;  aber  bereits 
der  Oros.  kennt  formen  wie  fugeleran  17, 26,  fitgderas  17, 30,  wie  ebenso 
noch  die  ws.  Ev.  fuglas,  fuhlas  neben  fugelas,  fuguias. 

Als  illustration  für  diese  Sonderstellung  von  fugol  mögen 
etwa  die  Verhältnisse  der  hs.  C  der  dialoge  Gregors  dienen. 

Hier  heisst  es  unflectiert  stets  hrcegl  68, 12.  202,23.  25.  27.  28.  203,2. 
212,10.  293,5.  297,9.  322,7.  331, 18.  342,15  oder  irnegl  59, 5,  ebenso  hrcegle 
68,20.  101,14.  131,1.  215,19,  tagiwiU,«  202,20.219,16,  hra>gla  278,6, 
hra>glumm}2\.  219,25.  221,3.  227,7.  238,6.  278,5.  287,13.  343,7,  nvglas 
248, 23,  ta-gle  327, 10,  inseglu  283,  23.  332, 24,  inseglum  332, 22,  geinstglode 
3132,22,  gleich  regelmässig  aber  fugel  100,18.22.  118,17,  fugele  100,24, 
fugelas  208,25.  261,15. 

Vollkommen  verdrängt  sind  die  alten  formen  auch  in 
.Elfrics  Homilien  ed.  Thorpe  und  den  Heiligenleben. 

Vgl.  fugelas  Horn.  Th.  1,  14,  28.  16,  6.  140,  6.  142,  5.  8.  17.  160,  34. 
2.50,22.  276,3.  522,7.26.  524,1.  536,12.  546,6.  2,46,16.  90,15.  20.21. 
144,  18.  206,  28.  462,  24.  25.  31.  516,  8.  11.  Heil.-l.  16,  158.  163.  23,  77. 
31,1318.  1324,  fugela  Horn.  Th.  2, 144, 24.  576,35.  Heil.-l.  15, 198.  18,59. 
23  B,  182,  fugel  um  Horn.  Th.  1, 16, 7.  2, 578, 6.  Heil.-l.  17, 89,  fugeles  Horn. 
Th.  2, 44, 28,  fugoloöe  2, 576,  35. 

Dies  macht  sich  natürlich  auch  in  stidl.  abschriften  angl. 
originale  geltend, 

so  wenn  es  im  Beda  T  Miller  1,26,6  fugela  heisst  gegen  ständiges 
Juvglcs,  hrcp^les,  hrcegle,  hrwgla,  hra'glum:  mrglas;  segle,  oder  im  Mart.  ed. 
Herzfeld  fugelas  206,7  neben  fuglas  8,4.  28,21.  23,  fugla  44,25.  46,  1. 
62,9  steht;  vor  allem  aber  kommen  hier  die  hss.  der  dich tung  in  betracht, 
welche  (s.  Grein)  die  südl.  mittel vocale  häufig  genug  aufweisen. 

b)  -gil-. 

Das  i  ist  synkopiert  und  zwar  anscheinend  in  der  1.  hälfte 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


125 


des  8.jh.'s,  da  zu  jener  zeit  noch  formen  mit  t  neben  synko- 
pierten stehen;  vgl.  oben  über  die  zeit  der  synkope  in  -eil-: 

egle  'ährenspitze,  granne,  halnT  :  egle  Napier,  OE.  gll.  1, 1412.  Zs.  fda. 
9,439,11,  eglum  OE.  gll.  1, 2361.  Zs.  fda.  9, 461, 2  v.u.,  egle  WrW.273,22, 
eglan  405, 33.  479,25,  elgum  (für  eglum)  WrW.  532,  27;  auch  nach  der 
blasse:  acc.  sg.  egle  ws.  Ev.  Lc.  6,  41.  42.  —  St.  *agilö(n)-  in  granim. 
Wechsel  mit  ahd.  ahil,  nhd.  achel,  vgl.  R.  Jordan,  Die  aengl.  säugetiernamen 
8.80;  gleich  nhd. jgel  'arista,  palea,  festuca'  DWb.  3, 33,  schwed.  dial.  egel, 
ägcl  'spitzen  aufgehender  saat',  Rietz,  Svenskt  dial.-lex.  115,  vgl.  Hellquist, 
Ark.  f.  n.  Iii.  13, 234. 

eg  le  'haselmaus' :  eglae  Ep.  470,  egle  Cp.  973.  Leid.  138.  Wr\V.  413, 12. 
e^lum  WrW.  414, 28-  533, 33,  aber  noch  unsynkopiert  egilae  Ef.  470.  — 
Jordan  a.a.O.  hält  dieses  wort  für  im  gründe  identisch  mit  dem  vorigen. 

hnygla,  -e  'Schnitzel,  abfäll«  :  hnyglan  Cp.1678.  WrW. 466, 9,  hniglan 
WrW.  501, 26.  504, 1.  Napier,  OE.  gll.  7, 267.  8, 194.  —  Mit  secundärvocal 
hnyzcU  WrW.  152, 17,  hnygela  152, 16. 

Siegel  'schlägel'  :  siegele  'plectro'  WrW. 466, 28. 

smygcl  'unterirdischer  gang'  :  smigilas  Ep.  199,  smygilas  Ef.,  aber 
synkope  smyglas  Cp.  608;  —  smygelas  WrW.  366, 23. 

tigle  ' ziegel,  tiegel'.  Die  Verhältnisse  sind  hier  dadurch  verwickelt, 
dass  zwei  gruudformen  vorzuliegen  scheinen,  deren  eine,  *f*ji7ee,  repräsentiert 
wird  durch  Cp.  1043  paeiigilum,  die  andere,  tigule,  durch  VPs.  21, 16  tigulc 
'testa'  oder  Cp.  1992  tigule  'tegula'.')  Nach  Pogatscher,  Lehnworte  §  11 
gehörte  diese  Verschiedenheit  bereits  den  lat.  Substraten  an,  als  welche 
tegula  'ziegel'  und  *Ugilla  'tiegel'  angesetzt  werden.  Dass  jedoch  im 
aeugl.  auch  langer  tonvocal  bestanden  hätte,  geht  zum  mindesten  (vgL 
auch  Sievers,  Zum  ags.  voc.  8. 12)  aus  der  synkopierung  nicht  hervor,  da 
das  t  auch  nach  kürze  schwindet;  hierher  z.  b.  gegenüber  jxectigilum  von 
Cp.  synkopiertes  tiglan  CP.  C  160, 3.  9. 11. 12.  20.  —  Wenn  nun  neben  der- 
artig synkopierten  auffällig  zahlreiche  formen  mit  e  als  mittelvoeal  er- 
scheinen, so  darf  dies  e  vermutlich  zumeist  als  rechter  nachkomme  des 
erhalten  gebliebenen  u  von  tigule  angesprochen  werden ;  e  ist  als  normaler 
Vertreter  dieses  u  in  den  iiectierten  casus  zu  erwarten  und  konnte  von  dort 
auch  in  den  nom.  dringen;  vgl.  die  vocalverhältnisse  des  gleichgebauten 
hacolc,  hacele  oben.  Als  u(o)  erhalten  begegnet  der  laut  überhaupt  nur 
selten,  etwa  im  ersten  compositionsglied  wie  in  tigulgeweorc  iElfr.  Ei.  5, 16, 
tildgevceorcts  5,  19. 

ünflectiert  fligel  'dreschflegel'  Angl.  9, 264,  tigel  'tractorium'  iElfr. 
Gr. Zup. 314, 16;  ganz  unsicher,  ob  hierher  gehörig  tl,  igil,  i$l  'igel',  da 
weder  Vorhandensein  alten  mittelvocals  noch  selbst  ursprüngliche  vocal- 


l)  Ein  Simplex  tigol  scheint  nicht  belegt;  für  WrW.  147, 36  hroftigla 
'tegulae',  das  wenigstens  ein  starkes  fem.  zu  bezeugen  geeignet  wäre,  wird 
bei  Bosw.-T.  die  lesung  -an  vorgeschlagen. 


Digitized  by  Google 


120 


WEYHE 


kürze  feststeht;  desgl.  bei  u>ig(e)l  und  ableitungen,  dessen  rand.  und  nl. 
verwante  länge  und  kürze  haben,  s.  Franck,  Et.  wb.  unter  wichelaar. 

C)  -iUl: 

a)  Das  u  bleibt  im  südengl.  erhalten: 

flugol  'fugitivus'  :  flugelum  Napier,  OE. glL  1, 262,  flugulum  ebda. 
7,28.  11,17. 

gagel  pflanzenname,  vgl.  nhd.  nl.  gagel  :  gageles  Lchdm. 3, 6, 17. 

hagol  'hagel'  :  hagolade  Oros.  234, 6,  hagalade  104,20,  hagole  Horn. 
Th.  2, 358, 8.  Dial.  Greg.  57, 6  H,  hagele  Genn.  23,  393,  121  (gegen  402, 48 
segle),  hagole  mir.  Ex.  10,4,12,  hagule  Blickl.  gll.  Morris  258, 9,  fuxgoles 
.Elfr.  Ex.  9, 26.  IG,  14.  Lchdm.  1, 308, 14,  Kahlas  308,23,  hagelum  Napier, 
OE.  gll.  1, 300,  hagelad  .Elfr.  Gr.  Zup.  128, 18  (0,  ajolad  F;  die  übrigen  hss. 
hagolad). 

hlagol  'zum  lachen  geneigt'  (Wulfst.  70, 13)  :  hlagole  Wulfet.  40, 18. 

migol  'diuretic'  :  migole  Lchdm. 2, 206, 27.  254,18,  migolan  208,7, 
migolum  2, 82, 17. 

reg ol  'regel'  :  regole  .Elfr.  Gr.  Zup.  252, 6.  270,3.  Horn.  Th.  1, 524, 18. 
2,158,11.  404,9.  Heil.-l.  3, 152,  23B.47.  25,851.  Dial.  Greg.  C  98, 27.  219,4. 
272,23.  H  104, 15.  Wulfst.  269, 3.  Ben.-reg.  61, 13.  15.  112,10.  17.  Benet 
10,  7.  18, 8.  55, 13.  104, 10.  Lchdm.  3, 256, 10.  18.  Lieberm.,  Ges.  s.  20,  Ine  1. 
Birch  no.  1267,  or.-urk.  von  970  (2  m.).  Napier,  OE.  gll.  7, 295.  8, 224,  reguU 
Ben.-reg.  5, 12.  9,4.  48,5.  132,13.  Benet  9, 17.  Birch  no.  106  (hs.  10.  jh.), 
regoles  .Elfr.  Heil.-l.  3, 150.  23  B,  25, 151.  Dial.  Greg.  C  126, 22  (H  126,  20). 

175. 5.  336, 27.  Ben.-reg.  16, 6.  67, 16.  98,  10.  12.  14.  104,  18.  106,  5.  16. 
112,1.3.  120,26.  126,2.4.  Benet  68, 15.  97,7.  103,16.  111,9.  Lieberm.,  Ges. 
s.  238,  V  Atr.  5.  s.  248,  VI  Atr. 3,  regules  Ben.-reg.  1, 1.  9,11.  125,21.  133,20. 
Benet  19, 2.  68, 13.  100, 13.  Birch  no.  106,  regolas  Benet  97,  5,  rihtregtda 
Napier,  OE.  gll.  1, 5304,  regolum  .Elfr.  Heil.-l.  23  B,  25.  Lchdm.  3, 250, 6.  — 
In  der  dichtung  regulas  Gu.  460. 

-sagol  'sagend'  :  soÖsagola  Dial.  Greg.  265, 12.  267, 11,  södsagolcs 

215. 6.  södsagalan  191, 15,  gleich  aisl.  sannsggull,  UassagiUan  .Elfr.  Heil.-l. 
23,  378. 

sfi,roi  1  zaunstieg '  :  stiogole  OET.  Ct.  29, 5  (2  m.),  or.-urk.  von  862, 
stiele  Dial.  Greg.  H  24, 7.  12,  15.  C  24, 7.  12,  stiele  Dial.  Greg.  C  24, 15.  OET. 
Ct.  3, 3,  or.-urk.  von  778.  Crawford-coll.  4, 53  =  Birch  no.  1343,  or.-urk.  von 
930  (die  sonstigen  von  Middendorf,  Aengl.  flurnamenbuch  s.  126  verzeich- 
neten belege  stehen  in  copien).  Birch  no.  1066,  or.-urk.  von  961  (2  m.).  Birch 
no.  1282,  or.-urk.  von  972  (2  m.). 

ß)  Im  merc.  des  8.  jh.'s  ist  das  u  erhalten  wie  in  Cp.  bitulum  : 

hlaegulendi  'bombosa'  Cp.317.') 

*)  Zu  ws.  hlagol,  mit  dem  bekannten  m  aus  a  vor  u  der  folgesiUae; 
lediglich  verderbt  aus  dieser  form  der  vorläge,  kaum  beleg  für  synkopiertes 
t  scheint  hleglende  'bombosa'  WrW.  358,29  (Cleop.  II)  zu  sein. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


127 


•  Im  northuntbr.  des  10.  jh's  ist  es  geschwunden  wie  in  Li. 
seatlas: 

reales  Li.  J.  I  1, 12,  regia  Mt  I  3, 15,  reglas  Mt.  I  3, 2.  Bit.  199, 3. 
Aus  solchen  formen  ist  in  Li.  sogar  ein  unflectiertes  regl  abstrahiert,  das 
in  dem  compositum  regltcord  erscheint,  s.  die  belege  oben  s.  77,  gegen  R* 
regolotcord  J.  4,46.  Andrerseite  begegnen,  offenbar  traditionell  weiter- 
geführt, noch  die  älteren  unsynkopierten  formen  wie  Li.  regel  (dat.  sg.)  Mt. 
I  3, 13.  I  4, 5,  regele  Mt.  I  3, 15,  regula  Mt.  I  3, 14.  16. 17. 18.  I  4, 4,  regulas 
Mt.  1 3, 11;  vgl.  ferner  gen.  pl.  regolra  Mt.  1 1, 1,  dazu  im  Rit.  regulas  199, 6. 

Kaum  als  synkopierte  angl.  form  darf  hingegen  hagle  Wand.  48  b  {hagle 
imenged)  angesehen  werden;  einmal  scheint  es  überhaupt,  als  wäre  hagol 
speciell  ws.  und  kent.  und  das  angl.  wort  vielmehr  hagl,  sodann  begegnet 
hagl  wirklich  in  v.  105a  desselben  gedieh tes  (hreo  htrglfare),  und  mindestens 
dies  nebeneinander  ist  kaum  ursprünglich.  Da  im  ersten  falle  hagle  un- 
bedenklich an  stelle  von  hagle  eingesetzt  werden  kann,  die  umgekehrte 
procedur  dagegen  (*hrio  hagolfare)  Unebenheit  eines  sonst  metrisch  correcten 
Terses  zur  folge  hätte,  wird  luv  gl  e  in  der  tat  die  form  des  Originals  gewesen 
ruid  hagle  dem  Schreiber  aufs  conto  zu  setzen  sein,  dem  bei  der  niederschrift 
sein  heimatliches  hagele  in  den  sinn  kam. 

Nicht  verwertbar  wegen  seiner  mannigfach  differenzierten 

lautgestalt,  die  der  vollen  aufklärung  noch  harrt,  bleibt  hivco - 

gul,  hweogl  'rad\  —  Das  lehnwort  cugle  'cuculla', 

z.  b.  JSlfr.  gll.  Zup.  315, 4;  daneben  formen  wie  cugele  Ben.-reg.  ed. 
Schröer  92, 3,  cuhle  ebda.  89, 11,  ctdan  90, 3, 11, 

dem  Sweet  übrigens  langen  tonvocal  zuerteilt,  hatte  vermut- 
lich schon  vor  der  zeit  seiner  aufnähme  synkope  erfahren.  — 
Unflectiert  ßlagol  Germ.  23, 397, 303  und ple*ol  MUr.  Heil.-l. 
21,  292. 

Fernzuhalten  ist  meagol,  in  dem  wie  Hardy,  Die  spräche 

der  Blickl.-Hom.  §  37  und  Bülbring,  Anglia  Beibl.  11, 188,  anm.  1 

gezeigt  haben,  mit  Sievers,  Beitr.  5, 79,  anm.  1  und  Sweet,  Stud. 

dick  Ca  anzusetzen  ist.  Dasselbe  wird  gelten  von  gagol,  gwgl-, 

gvglisc,  geglisc,  geaglisc  1  ausgelassen,  ausschweifend',  wo  zumeist 

gleichfalls  kurzer  tonvocal  angenommen  wird  (doch  $ca$lisc 

Sievers,  Beitr.  27, 208). 

Zur  vorsieht  muss  mahnen,  dass  für  den  schillernden  vocalismus  dieses 
Wortes  hauptsächlich  eine  stelle  der  Beda-hss.  (Beda  5, 6)  verantwortlich  ist, 
wo  als  widergabe  von  lascivo  . . .  animo  T  (=  Miller  1, 400, 13)  gaglisce, 
B  geglescum,  C  gealge,  0  geaSlisce,  Ca  geaglisce  modt  bieten.  Den  süd- 
engl.  Schreibern  scheint  somit  das  im  original  stehende  wort  nicht  geläufig 
gewesen  zu  sein,  vgl.  besonders  C  mid  gealge  tnode,  wo  kaum  metathesis 
vorliegt  nach  art  von  gealgan  'kinnbacken'  Napier,  OE.  gll.  1,  1206.  5015 


Digitized  by  Google 


128 


WEYHE 


gegenüber  geläufigem  gtaglas  (vgl.  auch  Sievers,  Beitr.  9, 215.  Ags.  gr.» 
§  183,  anm.),  vieiraehr  der  Schreiber  eiu  ganz  andere» ,  ähnlich  klingende« 
wort  eingesetzt  haben  wird  (Horn.  Th.  1,  472, 8  mid  gealgum  müde  'with 
froward  mind').  Dennoch  finden  sich  auch  im  süden  belege,  die  zugleich 
über  den  vocalismus  aufklären.  Neben  gagol  'lasciva'  WrW.  183, 18,  gagol- 
bctrnesse  'lascivia'  WrW.  183, 18  steht  hier  CP.  72, 12  C  (=  73, 11  H)  gagl- 
bctrnesse,  und  mit  recht  hat  bereits  Cosijn,  Aws.  gr.  1,  7  zu  der  letzten  form 
gefragt:  'also  mit  et  aus  aiV.  Von  dieser  auffassung  aus  sind  die  laut- 
verhältnisse  in  der  tat  erklärbar:  der  umlant  in  g<tglba?rnes  neben  gä^ol 
und  gügolbfcrnes  wird  zu  beurteilen  sein  wie  in  <?rlcst  'ehrlosigkeit'  neben 
ärlcast,  Sievers,  Ags.  gr.s  §  100,  anm.  5,  und  auch  in  der  merc.  Bedaübersetzung 
hat  wol  sicher  g&glisce  gestanden,  eine  form,  die  zugleich  correct  we.  war 
und  von  T  beibehalten  worden  ist  (während  sie  bei  annähme  von  kürze, 
abgesehen  von  seerffia,  den  einzigen  beleg  dieser  hs.  für  a?  statt  ws.  ea 
bieten  würde:  Deutschbeiu,  Beitr.  26, 210).  Die  formen  mit  ea  erklären  sich 
dann  als  misglückte  hyperws.  bildungen,  darauf  beruhend,  dass  sonstiges 
ga-  des  Originals  —  wie  in  ga-f :  geaf  —  häufig  westsächs.  gea-  entsprach: 
Deutschbein  a.a.o.  Hierzu  stimmt  die  etymologie  des  wortes,  insofern  es 
näher  liegt,  gägol  'ausgelassen,  ausschweifend'  an  -g(?gan  in  for-,  ofer- 
g&gan  'überschreiten  in  moralischem  sinne,  z.  b.  gottes  geböte  überschreiten' 
anzuknüpfen  als  an  lit.  gauUu  'geil'  (Zupitza,  Guttur.  s.  171),  -g&gan 
seinerseits  aber  zu  aisl.  geiga  'von  der  geraden  richtung  abirren,  vom 
rechten  wege  abweichen'  gehört,  Dietrich,  Zs.  fda.  11, 432;  vgl.  das  nur  in 
der  ablautsstufe  verschiedene  norw.  dial.  gigl  'einer,  der  hin-  und  her- 
schwankt',  gigla  'wackeln,  hin-  und  herschwingen',  Björkinan,  Loanwords 
s.  153;  auch  Uhlenbeck,  Beitr.  26, 297  zu  nhd.  geck,  wozu  auch  zu  vergleichen 
Lübben-Walther,  Mnd.  hwb.  s.  111:  lgeck\  tor,  narr;  ursprünglich  wol:  dreh- 
bar, daher  viele  drehbare  dinge  gecken  heissen'. 

7)  Synkope  nach  s. 

a)  -Sil: 

Das  i  ist,  vermutlich  schon  frühzeitig,  synkopiert: 

ci&el  'kiesel',  gleich  ahd.  kisil,  vgl.  cisä  Ep.  461,  cisilstän  Cp.  975  : 
cyslum  Napier,  OE.  gll.  1, 2879.  4102,  stäncislas,  Zs.  fda,  9, 449, 16,  stäncyslas 
Napier,  OE.  gll.  1, 1812,  stäncyslum  1, 1818.  —  Mit  secundärvocal  cyseles  (a 
über  dem  letzten  e)  Napier  ebda.  11, 138. 

rysel  (m.)  'fett',  zur  vocalkürze  vgl.  mnd.  rosel  'fett  des  Schweines 
unter  den  rippen',  unllectiert  belegt  als  rysel  .Elfr.  Gr.  Zup.  67, 4.  298,9. 
.Elfr.  Ex.  23, 18.  29, 13.  Lev.  3, 14.  4, 19.  WrW.  306, 23,  risel  Lev.  3, 9;  gehört 
hierher,  falls  auf  *rusila-  zurückgehend;  ttectierte  formen  wie  mid  rysle 
Horn.  Th.  1, 522, 55.  JSlfr.  Deut.  32, 14,  ryslas  Deut.  32, 37.  Lchdm.  2, 30, 1 
Hessen  sich  anstandslos  auf  solchen  stamm  beziehen.  Jedoch  steht  ein 
ta -stamm  rysle  gleichen  geschlechts  und  gleicher  bedeutung  daneben  {rysle 
WrW.  272,  4.  342, 1.  427, 28.  523, 10,  pone  rysle  .Elfr.  Ex.  29, 22.  Lev.  3, 3. 
8,16),  dieser  aber  scheint  nach  and.  hrusli  'aruinam'  Wadst,  KAS.  95, 32, 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


129 


Tgl.  ruslos  ebda.  41,33,  nie  mittel vocal  besessen  zu  haben.  Giengen  also 
vermutlich  gleichbedeutendes  masc.  *rusila-  und  *ruslia-  nebeneinander  her, 
so  raossten  sie  doch  im  aengl.  ausser  im  nom.  acc.  sg.  lautgesetzlich  zu- 
sammenfallen; daher  mag  es  sich  erklären,  wenn  einerseits  formen  wie  rysl 
statt  rysel  (so  Horn.  Th.  2,  144,  29.  -Elfr.  Gr.  Zup.  67, 4  DHh),  andrerseits 
formen  mit  secundärvocal  begegnen ,  wie  rysele  WrW.  498, 13.  Napier,  OE. 
gll.  1, 2762.  23, 28.  Lchdm.  2,  40, 10,  hryseles  Napier,  OE.  gll.  1, 4027. 

tyslian  'kleiden',  wol  aus  *tu8t'lö-,  Tgl.  zum  stamme  ahd.  zizusMiu 
'recincta'  und  zttssa  'lodix,  genus  Testimenti'  Graff  5, 712,  zum  suffix  aengl. 
gescyrpla  neben  gesceorp,  aengl.  gegyrela  neben  as.  gigarwi  :  tyslian  Angl. 
13, 383, 260,  tysliap,  tyslunge,  s.  Bosw.-T.  8. 1030  (citate  aus  Wanleys  Cat.). 

ysel  und  ysle  'asche',  gleich  mhd.  üsel  und  üsele,  Tgl.  ahd.  tisilvar 
'aschfarben',  aisl.  usli,  mnd.  osele,  stamm  *usi7ö(n)-;  daneben  *wzi&n-  in 
aengl.  <hn-ergc,  ahd.  eim-uria,  aisl.  ehn-yrja,  Kluge,  KZ.26,&1.  Karsten, 
Mem.  de  la  soc.  neVphilol.  a  Helsingfors  3, 432  :  ysle  WrW.  146, 12.  266, 35. 
295, 1.  405, 17,  ysla  ,Elfr.  Gen.  19, 28.  Horn.  Th.  2, 322, 20,  yslan  Napier,  OE. 
gll.  1, 3786.  Zs.  fda.  9, 495, 31,  yslum  .Elfr.  Hiob  XI\r  (Bibl.  ags.  prosa  1, 270), 
Horn.  Th.  2, 456, 13,  ysletidra  1  fauillantium '  WrW.  235, 28.  —  In  der  dich- 
tung  5  belege,  sämmtlich  mit  synkope.  —  Selten  secundärvocal  wie  in 
yselena  Beda  5, 12  T  (=  Miller  1, 426, 22,  gegen  ysla  B)  und  yselum  Wunder 
des  ostens  xxxv. 

Auch  angrisla  'schreck,  grausen'  wird,  zu  ägrisan  gehörig,  hierher 
fallen  und  auf  *grisilan-  zurückgehen;  ist  jedoch  ohne  beweiskraft,  da  die 
meisten  abstracta  dieser  gruppe  wie  ofermedla,  gentpla  langsilbig  sind, 
Kluge,  Nom.  st1  §156;  vgl.  ferner  die  spätws.,  z.  b.  bei  .Elfric,  häufige 
synkope  in  dem  mit  dysig  zusammengesetzten  dyslic  neben  altertümlicherem 
dysüic  und  dyselic. 

b)  -8ul-. 

a)  Das  t*  bleibt  bis  ins  10.  jh.  erhalten: 

eosol  'eser,  eosole  'eselin'  :  K*  esules  18, 6,  eoswk21,5,  eostda  21, 7. 

—  Blickl.  hom.  coselan  69, 35.  71, 5.  79, 28.  —  Dial.  Greg,  eosoles  294, 25  C, 
tosole  294,  25  C,  iosole  0,  eosole  245, 16.  21  C,  eosele  0,  eosola  185, 3  C. 

—  Wunder  des  ostens  eoseles  xv.  xvm.  —  In  der  dichtung  esolas  Gen.  2866. 

—  Li.  asaUs  Mt.  18, 6.  Mc.  9, 42  kommt  wegen  asald  nicht  in  betracht. 

t eosol  (tasol)  ' Würfel'  :  tesulas  Leid.  gll.  84;  in  der  dichtung  teoselum 
Denksprüche  der  Ex.-hs.  185. ») 

tceosule  'wiesei',  Tgl.  ahd.  tcisula  :  uuesulae  Ep.  Ef .  650,  uueosule 
Cp.  1345. 

ünflectiert:  byrrum  —  casul  WTrW.  196,  39,  gurgusüum  —  cesol 
Ep.  Ef.  457,  c«osoiCp.l001,  Tentriculus,  stomachus  aTis  —  cesol  Ep.Ef.1054, 
ceonsol  (statt  ceosot)  Cp.  2090. 


*)  Dagegen  ist  tatslum  WrW.  526, 5  Schreibfehler  für  t&flum,  Tgl.  Wül- 
kere  anm.  und  beispielsweise  WrW.  267, 8  tesseris  —  torflum. 

Beiträge  iui  geechichte  der  deutschen  tprache.   XXX.  9 


Digitized  by  Google 


130 


WEYHE 


ti)  Im  spätaengl.  tritt  dagegen  Schwund  auch  des  u  ein. 
sodass  die  synkope  liier  weiter  geht  als  in  fast  allen  übrigen 
fällen.  Es  wird  zufall  sein,  wenn  ich  nur  siidengl.  belege  zur 
hand  habe: 

ceosol  'kiesel'  (dies  die  form  .Elfrics,  sandceosol  Horn.  Th.  1,536,31. 
2,  62, 9.  190, 28.  524, 21.  576,  29.  MMr.  Gr.  Zup.  25, 2.  .Elfr.  gll.  ebda.  313, 7. 
Gen.  22, 17.  Jos.  11,4,  saceosol  Gen.  32,  12;  anch  in  den  ws.  Ev.  sandceosel 
Mt.  7. 26.  Vgl.  den  «-nmlant  in  spätws.  eosol  sammt  Jordans  beraerkung, 
Aengl.  8äugetiernamen  s.  118).  —  sandceosles  Horn.  Th.  1, 536, 34,  ceosle  Horn. 
Th.  2, 318, 10.  14,  ceuslas  Napier,  OS.  gll.  2, 51.  7,  96,  ceoslum  WrW.  412, 20. 
Napier,  OE.  gll.  2,  287,  ceoslynum  ebda.  7, 161,  cioslegum  4, 40. 

eosol  :  ysle  Zs.  fda.  9,  492.  Napier,  OE.  gll.  1, 3663  mit  anm.,  eoslena 
Dial.  Greg.  185, 3  0. 

Dagegen  kann  tccsle  '  wiesel'  (bei  .Elfric,  Gramm.  Zup.  19, 14.  Gll.  Zup. 
309, 19,  und  anderswo)  schwerlich  dem  uuesulae  von  Ep.  Ef.,  uueosxde  von 
Cp.  gleichgestellt  werden,  vgl.  auch  R.Jordan,  a.a.O.  s. 41,  wo  zugleich 
weitere  belege;  das  u  ist  erst  geschwunden,  nachdem  es  umlant  gewirkt 
hat,  umlaut  aber  stände  bei  .Klfric,  abgesehen  von  dem  parallelen  ceosol, 
doch  wol  schon  wegen  des  anlautenden  w  zu  erwarten.  Man  hat  die  wähl 
zwischen  +ucsalon-  und  *ires/ö»:  ausätzen,  die  zugleich  die  annähme  von 
t  als  urspr.  stammvocal  ermöglichen  würden  (die  etymologie  ist  bislang 
unbekannt,  s.  Jordan  1.  c);  von  hier  könnte  ev.  die  form  der  ältesten  glossen, 
die  sonst  ein  stein  des  anstosses  für  jene  annähme  ist,  ihr  e  bezogen  haben. 

8)  Synkope  nach  J>. 

Bei  mittelvocalen  zwischen  ]>  und  l  sind  die  Verhältnisse 
am  durchsichtigsten:  da  die  ursprüngliche  lautfolge  -J)h  in  allen 
dialekten  Wandlungen  erfahren  hat,  kann  über  ansatz  alten 
mittelvocals  nirgends  zweifei  aufkommen. 

a)  -pH-. 

Im  gegensatz  zu  allen  bisher  besprochenen  gruppen  hat 
das  angl.  der  älteren  zeit  und  das  gesammte  südengl.  i  nach  p 
erhalten;  das  nichteintreten  der  synkope  in  diesem  falle 
scheint  mit  der  abneigung  zusammenzuhängen,  die  das  engl, 
überall  im  verlaufe  seiner  entwicklung  gegen  die  folge  -pl- 
bez.  -dl-  bekundet  (z.  b.  urengl.  *sepla>s  >  aengl.  sedlcs,  seldes, 
setles,  Runenkästchen  öplae  :  spätnorth.  adle,  aengl.  eorplic  > 
mengl.  erdl't,  mengl.  swathele  >  nengl.  swaddle  etc.);  vgl.  das 
entsprechende  unterbleiben  der  synkope  zwischen  l  an  erster, 
p  an  zweiter  stelle  zusammengehalten  mit  dem  Übergang  von 
ursprünglichem  Ip  in  Id. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGEKM.  GRAMMATIK. 


131 


Hauptvertreter  ist  <rdeU:  insofern  günstig,  als  hier  bei  dem 
fehlen  alter  zweisilbiger  formen  (ausser  im  compisitionsein- 
gang)  der  verdacht  secundärer  einfuhrung  des  mittel  vocals 
ausgeschlossen  ist;  ob  das  i  (teilweise  eY)  der  zweiten  silbe 
(reiche  belege  in  eigennamen  OET.  473)  aus  umlaut  vc»n  u 
oder  a  entstanden  oder  zum  teil  alt  ist.  bleibt  dabei  unwesentlich. 

a)  Das  anglische  des  8.  und  9.  Jahrhunderts. 

adele  'edel'  :  appila  Kreuz  Ton  Ruthwell  OET.  En.  2. 13,  f'^lu  eigen- 
name  LV.  46,  aeöile  Cp.  958.  edele  VPs.  149.  &  adelan  Hart.  (OET.  177  ff.)  40- 

swcrficl  'binde* :  suaedda  * fasci&rum '  Cp.  833:  mit  a  statt  t  nach  dem 
WrW.424, 15.  484, 17  'institis'  in  wapum  vorliegenden  simplex?  vgl.  uralla 
oben  8.67,  ferner  mengl.  verb.  strathelen  neben  *ictth<  <  \Un,  nengl.  sicaddU. 

swepel  dass.  :  sueddas  Ep.  Ef .  506.  tuedela»  Cp.  1060. 

iwifiel  dass.  :  suithelon  Leid.  gU.  72.  And.  gl!  1,  738. 

Unflectiert  überliefert  icedel  'fascias-  Cp.831. 

ß)  Das  südenglische. 

adele  :  adele  kent.  Ps.  2,  adelan  kent.  Hj.  19-  —  da  adelu  CP.  84 
(85),  15,  <rfc-/i<ro84(85),18,  adele  132  (133),  15,  adela  205  (206),  6.  236(237)18 
adelan  364  (365),  9.  96  (97),  4,  adeleste  132  (133),  11.  22,  adekrtum  467. 16.  — 
aöelestan  Oros.  42, 28.  142, 34.  —  adele  Horn.  Th.  1, 52.  ia  596, 31.  2, 150, 21. 
476,13.  506,25,  adela  1,56,30.  296,12.  2,148,15.  156.10,  adelan  1,418,5. 
2,142,34.  174,9.  188,21.214,1.  224,  a  adelum  1. 58, 12.  96, 32,  adelin5 
1,110,27.  128,26.  356,9.  402,7.  2,6,21.  474,  ia  476,8,  adeliges  1,88,11. 
358, 1.  438, 5.  460, 6.  2, 474, 35.  —  Ebenso  in  allen  mir  bekannten  übrigen 
belegen  des  häufigen  Wortes,  auch  in  der  dichtung. 

*ic adeling  (fluss-?)  name  :  be  stcadelmje  Birch  no.  620  a.  909  (copie), 
of  Stcadelingforda,  on  Sicafielinge forde  ebda.  no.  692  a.  932  (copie). 

twefiel  :  swePela  WrW.  502, 12,  stcefoelas  422,11,  sicejxlum  400,41, 
noqUta  402, 6. 

$e\eidelode  'conexa'  Napier,  OE.  gll.  191, 7,  vgl.  oben  s.  67. 

y)  Das  northumbrische  des  10.  jh/s  hat  zwar  noch  cedele 
R?  Mc.  16, 1,  ceöela  Li.  ebda,,  zeigt  aber  ein  fortschreiten  über 
den  gemeinaengl.  stand  in  Li.  Joh.  11, 44  suuoe<Hes  gegen  Ep. 
sucdilas.  —  Die  gleiche  erscheinung  bei  mittelvocal  zwischen  / 
an  erster,  ]>  an  zweiter  stelle,  vgl.  die  synkope  von  u  bez.  o 
in  Rit.  116,21  alöes  'des  bieres'. 

b)  -pul-. 

Das  u  bleibt  durchgängig  erhalten;  doch  fehlen  genügende 
belege  aus  dem  spätnorthumbr. 

9* 


132 


WEYHE 


fidelere  'fidicen' :  fidelere ' fidicen '  JSlfr.  Gr.  Znp.  40, 7.  GH.  Zup.  302, 6, 
fidelestre  'fidicina'  .Elfr.  GH.  Zup.  302,  G.  Vermutlich  mit  ~ul-  wegen  ahd. 
fidula,  vgl.  dazu  Pogatscher,  Lehnworte  §  11.  Kluge,  Et.  wb.6  8.  fiedtl  Sweet. 
Stud.  dict.  führt  auch  das  simplex  fipele  an. 

Fridelaburg  :  on  fripela  byrig  Birch  no.  1002  a.  957  (copie),  Friße- 
linga  die  ebda.  604  a.  904  (copie),  vgl.  Binz,  Beitr.  20, 208.  210;  wahrschein- 
lich mit  u.  Dagegen  Fridla  Wids.  43  enthält  langes  i  und  altes  d,  vgl. 
mhd.  Fritele. 

lißule  'Synovia,  gelenkschmiere',  verdunkeltes  compositum:  liptde 
Lchdm.  2, 134, 3.  8.  10,  Uopole  2, 12,  lxi. 

*mapul-  :  madalade  'contionatur'  Cp. 586  (fehlen  des  u-umlauts 
ohne  beweiskraft  für  ev.  *mapali>-);  madeli  'tumultuosus'  kent.  GH.  725 
(*mapulaga-,  vgl.  aisl.  mdlugr  'gesprächig'),  madelunge  Zs.  fda.  6, 475, 4, 
maÖelie)idra  460, 7  v.  u.,  madeliad  461, 2,  madeligende  Angl.  8, 307, 31,  made- 
Hau  332,34.  —  In  der  dichtung  stets  maöelian  mit  e  bez.  o  als  mittelvocal. 

sc e adele  acc.  sg. ' webergerät '  (Schiffchen?)  Angl.  9, 263,  st.  *skapulo-'> 
widscridol  'umherschweifend'  :  wtdscripole,  s. beleg  bei Bosw.-T.  1217. 
stadol  'grundlage'  etc.  :  steadelas  'fundamenta'  Vesp.  Hy.  7,46.  VPs. 
17, 8.  16.  81, 5.  6,  vgl.  steadul  136,  7,  steadelade  VPs.  103,5.  135,6  und  häufig, 
stets  mit  u  oder  e,  steadelunge  VPs.  143, 12;  auch  im  späteren  anglisch: 
gestapulad  R>  7,25,  gistadelade  Rit.  81, 11.  —  gestadelade  kent.  GH.  44.80, 
gestadelad  1106.  —  stadoles  CP.  222, 16  (C),  siaÖole  64  (65),  15,  gestaöoliad 
411,2;  —  stadoles  Or.252,23,  stadole  192,34,  gestadelade  290,4;  —  geed- 
stadelast  Horn.  Th.  1, 466, 8,  geedstadelode  1, 214, 25.  2, 66, 16.  68, 23.  540, 35, 
gestadelode  1, 532,  30,  gestadolode  2, 160, 28,  geedstadelodes  1, 62. 11.  2, 600, 1. 
gestadelodon  2,  48,  33,  geedsiadelod  1, 22, 7.  594, 1,  gestadelad  2, 14,  5,  geeA- 
stadelian  2, 66, 12,  edstadelunge  1, 588, 19,  geedstadelunge  1, 342, 25.  —  Auch 
in  der  übrigen  mir  zugänglichen  prosa  stets  mittelvocal ;  ebenso  in  der  dich- 
tung durchgängig  stadoles,  stadolian,  stadelode  etc. 

swapul,  siaoPol  'glut'  (kaum  mit  Dietrich,  Zs.fda.  5,216  ' rauchqualm ', 
was  an  sich  zu  Beow.  3145  Übel  passt,  sondern  der  bedeutung  nach  identisch 
mit  stc(e)oloP,  swalop,  vgl.  Angl.  8, 452  cauma  vel  estus :  swopel  vel  hatt)  : 
sxcapule  Beow.  782,  swiopole  Beow.  3145. 

sweopolas  »fascia'  WrW.526,30. 

Vgl.  ferner  swedolode  Chron.  1123  (Two  Sax.  Chron.  s.  252)  zu  *stce- 
dolian  'relent',  in  der  aus  dem  12.  jh.  stammenden  hs.  E. 

Unflectiert  belegt  teapol  Finnsb. 8  (hierher,  falls  gleich  mhd.  mnd. 
wadel  'voUmond'),  Wadolgeot  northumbr.  Geneal.  OET.  95. 

9)  Synkope  nach  nasalen. 

Die  behandlung  der  mittelvocale  nach  nasalen  ist  nicht 
ganz  klar.  Wo  die  folge  nasal  +  l-  von  alters  her  oder  in- 
folge von  synkope  nach  länge  bestand,  wird  sie  häufig  beseitigt, 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


133 


teils  durch  einschub  eines  consonanten,  vgl.  Koeppel,  Archiv 
104, 45  f.  (bremblas,  bremlas,  simble,  simle,  cumbol,  ctiml,  hym- 
blice,  hymlice  [y?],  spindel  [WrW.  278, 3],  spinT),  teils  durch  ein- 
führung  von  mittelvocal  (spätaengl.  häufig  bremelas  für  bremlas 
nach  bremel;  hymelic  für  hymlic).  Von  urspr.  mittelvocalen 
nach  kürze  scheint  nur  i"  zu  schwinden. 

a)  Synkope  nach  m. 
er)  -mil-. 

Synkope  zeigt  ymle  'scedula,  zettel/blatt  papier'  WrW.  164, 5,  ymlan 
JElfr.  Heil.-l.  3,642,  daneben  ymele  M\fr.  gU.  Zup.  304,  8.  —  Mittelvocal 
ferner  in  hymele  'hopfen'  WrW.  279,13.  Lchdm.  1, 24, 22.  28, 22.  154,23. 25. 
172, 1.  3,  he$ehymele  Lchdm.  3, 6, 15.  WrW.  302, 5,  hymelan  Lchdm.  3, 12, 30 
sowie  in  den  flectierten  casus  von  emel  'raupe,  kornwurm'  (aemü  'gur- 
gulio'  Ep.484,  vgl.  mnd.  emelte  'kornwurm,  blattlaus')  :  emelas  Dial.  Greg. 
66,31,  emela  ebda.  67,7,  emelum  ebda.  67,11,  emele  Ps.  Spl.  C  77, 51  (der 
letzte  beleg  nach  Bosw.-T.). 

ß)  -mwk 

amel  'gefass  für  heilige«  wasser  etc.',  aus  lat.  amula  :  amelas  'amulas' 
WrW.  348, 10. 

Amel  uns  'Amaler'  Metra  1,  69,  Amulinga  Boeth.  ed.  Sedgefield  7,  6. 

camel  'kamel',  gelehrtes  lehen  (vgl.  Jordan,  Aengl.  säugetiernamen 
s.  132)  :  cameles  R»  Mc.  1, 6,  camele  R'  Mc.  10, 25.  Lc.  18, 25.  Li.  Mt.  I  21, 16; 
daneben  in  Li.  catneües  Mc.  1, 6,  camella  Mt.  3, 4  (mit  ü  aus  vulgärlat.  ca- 

gamol  1  alt '  (mittelvocal  urspr.  westgerm.  ä,  urgerm.  c)  :  in  der  dich- 
tung  gotnela,  gamelum,  gomelan,  gatnele,  gomelad,  18  belege,  stets  mittelvocal. 

hamol  'verstümmelt',  hamelian  'verstümmeln',  zu  ahd.  hamal,  ha- 
malön,  afries.  homelia,  homelenga  (vgl.  Björkman,  Loanwords  8. 261)  :  ho- 
molan,  hotnelan  JDlfreds  Gesetze  35,  3  (Lieberm.,  Archiv  98, 127  ff.),  hamelode 
Chron.  C  1036,  behamelod  AZUt.  Heil.-l.  25, 127,  behnmelian  Mart.  Herzfeld 
216,  23. 

h  umele  'hopfenpflanze',  aus  l&t.humulus  :  eowohumelan  Lchdm. 2, 344, 8, 
kumele  1,24,22.  28,22.  154,23.  hs.  B. 

scamol  'schemel'  :  fötscamele  Horn.  Th.  1,314,4  v.u.  iElfr.  Hiob  m 
(Bibl.  ags.  prosa  1, 266).  Dial.  Greg.  C  22, 23,  fitscamole  ws.  Ev.  Mt.  22, 44, 
ßtsceamole  ws.  Mc.  12,  36.  ws.  Lc.  20,  43.  Dial.  Greg.  H  22, 23,  tollsceamule 
ws.  Mt.  9, 9,  ctapsceamule  ws.  Lc.  5,27,  ctysceatnule  ws.  Job.  8,20,  ßtsceamele 
Horn.  Th.  2, 448,  5,  sceamelas  ws.  Mt.  21,12,  sceomolas  Blickl.  hom.  71,18, 
sccamelum  JSlfr.  Heil.-l.  21, 432,  sceamolum  Benet40, 11. 

Auch  in  thu  m  1  t  'viscera' Cp.2140  ist  daher  kaum  ein  vocal  geschwunden ; 
unsicher  ferner  räredumle  'rohrdommel'  (z.b.  WrW.  195,27)  neben  rära- 
dumbla  (ebda.  285, 10),  vgl.  ahd.  horo-tumil  neben  mnd.  rärdump;  ev.  käme 


134 


WETHE 


hier  die  stellang  nach  nebenton  in  betracht.  Durch  anaptyxe  beseitigt 
scheint  die  gruppe  ~nd-  in  hamule,  hamele  '  ruderriemen '  (Chron.  1039 
hatnulan,  hamelan  E,  hantele  F,  vgl.  auch  Napiers  anm.  zu  OE.  gll.  1, 33), 
falls  dies  wie  wahrscheinlich  lehnwort  ist  gleich  norrönem  hamla  (Björkman, 
Loanw.  s.  212.  283).  —  Ohne  einschlägige  formen  (d<?l-,  scearp-,  Uart-) 
numul  'nehmend'. 

b)  -n  .  .1: 

Synkopiert  ist  t  im  acc.  sg.  mynlan  'Sehnsucht'  Metra  26, 67,  urspr. 
a  oder  u  erhalten  in  Onela  Beow.2616,  Onelan  ebda.  2932;  mittelvocal 
ferner  in  rynela  Angl.  8,  302,  33,  foreryneles  CP.  90(91),  21.  /Elfr.  Heil.-l. 
23B,  626,  forrynelcs  Horn.  Th.  1,  364, 6.  Heil.-l.  23 B,  505,  samodryndas  Angl. 
8, 302, 10.  —  Zweifelhaft  synkope  von  u  nach  kürze  in  dem  unsicheren 
an.  ).*y.  runol  :  icip  py  runlan  ättre  Zaubersegen.  Wülker  4,48,  gleich 
Lchdm.  3,  36, 17,  das  von  Cockayne  ebda.  s.  3(39  und  von  Bosw.-T.  805  mit 
aisl.  hrunull  'übelriechend'  unsicher  verknüpft  wird. 

10)  Synkope  nach  w. 

Der  vocalschwund  nach  w  sondert  sich  von  den  bisher 
behandelten  fällen  und  tritt  auf  seite  der  synkope  nach  r  da- 
durch, dass  hier  der  consonant  im  anlaut  der  unbetonten  silbe 
schallstärker  ist  als  das  /.  —  Wegfall  aller  vocale  scheint 
nach  w  das  laut  gesetzliche  zu  sein. 

a)  -tcal-. 

ateel  'haken'  (arpago,  uncus),  'gabel'  (fuscinula,  tridens),  westgerm. 
*awala- ')  (aus  älterem  *a£icolo-,  vgl.  Zupitza,  Gutturale  s.  63,  dazu  Solmsen, 
Am.  jonrn.  f.  g.  ph.  1,  390;  neben  mrel  aus  *aw(d,  vgl.  Ep.  Ef.  29  anuel,  be- 
gegnet selten  secundäres  awul,  so  JElfr.  gll.  Zup.  316. 6)  :  awlas  ' unguis' 
Napier,  OE.  gll.  46,  43,  awlum  'uncis'  Germ.  23, 393, 10.  —  Mit  mittel vocal 
von  der  unflectierten  form  aus:  auelas  'fuscinula'  WrW.  401,35. 

htceoicul  'rad'  (z.  b.  hweoirvl  .Elfr.  gll.  Zup.  320, 5).  Mag  auch  grund- 
form  (wahrscheinlich  *hirc[g]icala-)  und  formenerkläruug  im  einzelnen  un- 
sicher sein,  so  niuss  doch  jedenfalls  zwischen  w  und  l  ursprünglich  ein 
vocal  gestanden  haben;  unfiectierte  formen  wie  htceowl  Napier,  OE.gll.  1,502. 
.Elfr.  Heil.-l.  14, 93  können  nicht  ursprünglich  sein:  hweou  la  'rota  hauritoria' 
Napier,  OE.  gll.  1, 502,  hiceoule  .Elfr.  Heil.-l.  14, 86.  92,  htveotclum  Germ.  23, 
392,53,  vgl.  ebda,  awlum. 

Möglicherweise  gehört  hierher  auch  caw{e)l  'korb',  dessen  etymologie 
ich  nicht  kenne;  vgl.  Lindelüf,  Die  südnorth.  ma.  §32.  anm.  2. 

')  Zum  genus  vgl.  Napier  zu  OE.  gll.  46, 43;  masculinum  ist  auch 
(überall?)  das  nach  etymologie  und  bedeutung  verschiedene  &l,  äl  'schuster- 
ahle'  (mit  demselben  Wechsel  wie  in  sl&p,  släp,  t(tl,  Uli),  vgl.  JSlfr.  Deut. 
15,16  :  mm  änne  <*l  ('subulam');  Ex. 21, 5  mid  änum  <tle;  Lev.25, 10  mid 
die;  Lieberm.,  Ges.  s.  28  f.  Af.  El.  11  mid  itle  E,  mid  nie  G,  mid  änc  (fle  E 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


13o 


b)  -teil-. 

meowle  'mädchen'  gleich  got.matcilö  :  in  der  dichtunxr  stete  synkope; 
meowle  Napier,  OE.  gll.  1,2112  =  Zs.  fda.  9,456,39.  —  Der  Schwund  des  % 
dürfte  bereite  für  das  urengl.  feststehen  durch  Beow.  2931  a  gomela  iömeowlan, 
3150b  sio  geomeowle. 

niteel,  tu'tcol,  neowel,  neoteol  'vornüber  geneigt,  abschüssig,  tief  :  in 
der  dichtung  stete  synkope,  z.  b.  neotcle  tuessas  Beow.  1411,  9  belege,  da- 
runter zweimal  in  der  Schreibung  mit  f:  tufle  Ps.  148, 10,  niflan  An.  1307. 
-  Keowlum  Scint.  4, 17.  20,  8.  21, 12.  14.  84, 8. 15.  Wulfst.  188,  8.  —  Mit 
secundärvocal  nitcele  JElfr.  Gr.  Zup.  37, 4  in  den  Varianten,  niowelan  WrW. 
371, 21.  —  Eng  verwant  mit  dem  gleichbedeutenden  mnl.  niel,  mnd.  nugel, 
";/'/' !,  und.  nüel  (nüel  däl  fallen)  und  durch  gramm.  Wechsel  sammt  suffix- 
ablaut  geschieden  von  dem  synonymen  angl.  nihol  Ep.  799,  später  ru'ol  Cp. 
1061,  niolnis  VPs.,  niolnise  Li,  niolnisseB.it.,  niolnesse  Beda  (s.Beitr.26,209); 
ohne  etymologischen  wert  und  wol  reiner  Schreibfehler  nihold  Cp.  1659.  Die 
formen  mit  tc  scheinen  säramtlich  auf  *ni(g)wil-  zurückzugehen;  die  echt 
wi.  form  ist  nitrel  mit  e,  nicht  o  der  zweiten  silbe,  vgl.  niwel  ws.  Ev.  Mt. 
8.32.  .Elfr.  Gen.  33, 3,  niwelne  Heil .-1. 14, 155.  Ex.  4, 31,  niwellicum  Heil.-l. 
7, 66,  niwelicum  Napier,  OE.  gll.  1, 1942,  niwelnys  .Elfr.  Horn.  Th.  2, 352, 28. 
Gr.  Zup.  30, 4,  niicelnysse  Horn.  Th.  1, 22,  4.  174, 25.  464, 23.  2,  350, 21.  24 
(2  m).  32,  nitcelnisse  .Elfr.  Gen.  1,2.  7, 11.  8,  2,  niwelnyzsa  Horn.  Th.  1, 8,  2 
v.u.  Heil.-l.  11, 172,  ny weinesse  Sigewulri  interrog.  (Angl. 7)  312.  Desgleichen 
erscheint  in  den  nicht  streng  ws.  formen  wie  neoxeol,  in  denen  iw  über  um 
in  eote  übergieng,  die  endung  -el  zu  häufig,  um  als  abschwächung  aus  -ol 
gefasst  werden  zu  können.  Das  o  wird  auch  hier  secundär  aus  e  entstanden 
sein,  und  zwar  vermutlich  durch  einfluss  des  vorausgehenden  tc,  das  in 
diesen  formen  sicher  nicht  palatal  war;  vgl.  fälle  wie  aicul  aus  awel  oder 
Dial.  Greg.  C  ungeseowonlice  neben  geseowene.  Auch  einfluss  der  sonstigen 
adj.  auf  -ol  kommt  in  betracht,  während  suffixentlehnung  aus  nihol,  nlol 
weniger  wahrscheinlich  ist,  da  die  dubletten  kaum  in  denselben  dialekten 
nebeneinander  existiert  haben.  —  Vgl.  Mnd.  wb.3  207.  Verwijs,  Taal-  en 
letterbode  5, 109.  Cosijn,  Tijdschr.  voor  Ned.  lett,  8, 244  ff.  Mnl.  wb.  4, 2390. 
t.  Helten,  Zur  lexikologie  des  altwestfries.  s.  41.  Siebs,  Pauls  Grundr.  1»,  1270. 

C)  'Wul: 

spiteol  'speiend,  zum  erbrechen  reizend'  :  spiwles  Lchdm.  2, 264, 24, 
tpnclum  2,82,17,  unspiule  2,170,11  (zur  Schreibung  vgl.  ablaunesse  ebda. 
170,21,  nauper  210,15,  sinua  282,6).  —  Mit  secundärvocal  vom  nom.  her: 
U$spiwelum  Germ.  23, 390, 199.  Be  domes  diege  (Bibl.  ags.  poesie  2, 250)  209 
=  Wuhst.  139, 9  (vgl.  Napier  s.  vm),  spiwole  Lchdm.  2, 222, 27.  —  Die  hs. 
in  der  die  synkopierten  formen  stehen,  stammt  aus  der  mitte  des  lO.jh.'s. 

11)  Synkope  nach  r. 

Ausser  orel  'schleier'  aus  *oml  gleich  ahd.  oral,  beide 
zurückgehend  auf  mlat.  orale  (Pogatecher,  Lehnworte  §  153) 


13G 


WEYEE 


sind  mir  nur  beispiele  mit  t*  als  mittelvocal  bekannt  (abgesehen 
von  dem  unflectierten  —  unsicheren?  —  spurul  'calcitrosus' 
der  Erf.  und  Werd.  gll).  Ein  unterschied  in  der  behandlung 
von  i  und  a  ist  nicht  zu  erkennen;  beide  laute  erlebten  die 
zeit,  wo  sie  in  e  übergiengen  und  erfuhren  dann  das  gleiche 
Schicksal. 

a)  Im  8.  und  9.  jh.  findet  keine  synkope  statt. 

byrele  'mundschenk1  :  byrelas  Or.  136,14. 

gegerela  'kleidung'  :  gegerelan  VPa. 44, 10,  (j^»>r<rJaCP.134(135),12. 
86(87),  19.  411,35.  Oros.166, 16.  164,32,  gegerela  Boeth.  ed.Sedgefield30,20. 
111, 16,  cynegerela  xxv,  23. 

Herelingas  :  Herelingas  'Harlunge'  Wids.  112. 

Öyrel  'loch,  durchlöchert';  wahrscheinlich  mit  kurzem  vocal  der  ersten 
silbe  im  YPs.,  vgl.  Chadwick,  Stndies  s.  87;  auch  im  wa.  wegen  erhaltnng 
desvocals  der  zweiten  silbe? ')  :  tiesöyrel  VPs.  113, 6.  134,17,  ncesöyrel  Lor. 
gll.  20,  Öyrelan  sächB.  or.-urk.  von  847,  OET.  Ct.  20, 9.  —  Öyrel  CP.  156 
(157)  17,  öyrelne  342  (343),  20  (2  m.).  24.  469, 10,  öurhöyrelige  154  (155),  1, 
öurhöyrela  152  (153),  17,  öurhdyrelod  154  (155),  3.  156  (157),  15.  162, 17  C  = 
ÖurhÖyrelaÖ  H,  ÖurhÖyreludne  153, 18  H  =  öurhöyrelodne  C,  Öyrelung  153,25; 
—  Öyrel  Boeth.  ed.  Sedgetield  93, 5. 

pwiril  'verberatorium'  WrW.  280, 31  dürfte  noch  der  frühaengl.  vor- 
läge von  Cleop.  I  entstammen. 

b)  Im  verlaufe  des  10.jh.'s  beginnt  die  synkope  in  allen 
dialekten.  Die  denkmäler  zeigen  die  bewegung  in  vollem 
flusse:  alte  und  neue  formen  stehen  neben  einander,  und  es 
lohnt  sich  kaum,  die  belege  zu  häufen. 

Die  synkope  betrifft  in  diesem  falle  auch  die  endsilben, 
tritt  hier  aber  später  ein  als  im  wortinnern;  vgl  die  allerdings 
etwas  spärlichen  belege  der  Harley-gll.  (aus  dem  10.  jh.),  wo 
es  heisst: 

earpyrel  WrW.  238, 29,  pyrel  241, 5;  orel  205, 2;  aber  gegerla  195, 16. 
234,20,  Pyrlum  238,36,  pyrliap  201,32;  ferner  in  der  hs.  E  der  Gesetze 
.Elfreds  und  Ines  (Liebermann  s.  16  f.),  geschrieben  um  925  :  Pyrel  s.  78, 
Af.  44.  Af.  44, 1.  s.  80,  Af.  51.  s.  82,  Af.  63.  Af.  66,  purhPyrel  s.  84,  AI  67, 2, 
aber  purhpyrli$c  8.28,  Af.  EL  11. 

L  i. :  birilum  J.  2, 5 ;  birladon  J.  2, 9,  birleÖ  J.  2,  8.  —  gegerela  Lc.  23, 1 1, 
gegerelo  Mc.  2, 21.  5, 28.  11, 17.  Lc.  19, 36,  gegerelum  J.  20, 12,  gegerelad  Mc. 
1, 6.  5, 15.  —  öyril  Mt.  I  6, 1.  19, 24,  Öyrl  Lc.  18, 25  (y  ?). 

R9:  biriladun  J.2,9,  biriligad  J.2,8.  —  gigerdu  Mc.  2, 21 ;  gegerla 
Lc.  23, 11,  gigerlan  Lc.  24,  4,  gigerlu  Mc.  11, 17.  -  öyrel  Mc.  10, 25.  Lc.  18, 25. 

>)  Vgl.  auch  ws.  8icura. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


137 


Bit:  gigerela  48, 1,  gigerüa  103, 11. 13. 

R«:  gegctrelum  27,28;  Öyrel  19,24.  —  Chad:  gegerelan  89,  pyrel  231, 
egöyrlWb.  —  Royal  gll.:  nesöyrlum  640. 

Ferner: 

6y  r/e  „€lfr.  Horn.  Th.  2,  520, 12  Gll.  Zup.  303, 2.  Heil.-l.  31, 632.  *Elfr. 
Gen.  40, 1,  byrlas  Gen.  40, 2,  6yWa  Gen.  40, 9.  20.  21.  23.  41, 9. 

gyrelan  Horn.  Th.  1,528,25.  2,160,23,  gerelan  1,296,4,  gyrelum 
2,168,13.  252,25  gegen  häufigeres  gyrlan  1,456,35.  458,24.  546,25. 
2,168,18.  586,16,  gyrlum  1,$8,M.  256,8.  298,35:  328,6  v.u.  444,11.  458,29. 
468,4.  538, 14.  2, 118,34.  134,28.  156,4.  188,1.  404,29,  gyrla  .Elfr.gr.  Zup. 
79. 3.  255,  5. 

orle  £]fr.  Heil.-l.  7, 36. 

dyrlc  Horn.  Th.  2, 162, 14,  ehöyrla  1, 584, 32,  ehdyrle  2, 178, 29.  184,27, 
ehdyrlum  1,584,28.  586,1.6,  ncesöyrlum  2,192,22.  350,35,  nosöyrlum  2,98,9, 
Öyrl  Gr.  Zup.  40, 16,  ehöyrla  269, 19. 

Vereinzeltere  belege  sind: 

Herlingas  in  Herlingaham,  Herlingaflet,  belege  des  ll.jh.'s,  gegen 
Htrdingas  Wids.;  nachweise  s.  bei  Binz,  Beitr.  20, 209. 

gyrl-  aus  *gyrel-  in  gyrlgyden  'Vesta1  (vgl.  Sweet,  Stud.  dict,  auch 
.Elfrics  Heil.-l.  7, 100  pect  Öü  gebuge  tö  petre  gydenan  uesta,  pe  gälnysse 
onscunaö)  Prud.-gll.,  Germ.  23,  397,  511,  hs.  vom  anfang  des  ll.jh.'s,  st. 
*gvrila-  gleich  nengl.  girl. 

Kaum  hierhergehört  Öone  gerlo  'tributum'  R"  Lc.  20, 22 ')  und  gewis 
nicht  das  etymologisch  unklare  northumbr.  (ä-,  be-,  ge~,  ymb-)  tcatrla ;  auch 
ob  in  acc.  sg.  ßone  byrlan  Lchdm.  2, 156,2  v.u.  'rümpf  (eines  pferdes;  vgl. 
Lchdm.  3, 272)  synkope  vorliegt,  vermag  ich  mangels  sicherer  etymologie 
nicht  zu  entscheiden. 

Auf  ein  für  die  Chronologie  der  aengl.  vocaldehnung  vor 
consonantengrappen  wichtiges  moment  hat  Morsbach,  Me.  gr. 
s.70  nach  Brates  Vorgang  Beitr.  10, 10  hingewiesen,  vgl.  ferner 
Bülbring,  EB.  §  285,  anm.  3:  Orrms  verb.  birrlcnn,  yl.birrless 
beweist,  dass  zur  zeit  der  vollständigen  durchführung  unserer 
synkope  die  periode  der  aengl.  dehnung  vor  rl  bereits  über- 
schritten war. 

Nach  einer  von  Chadwick,  Studies  s.  52  f.  vorgetragenen 
auffassung,  für  deren  richtigkeit  mir  manches  zu  sprechen 
scheint,  hätten  formen  wie  R2  gerla,  wgerm.  stamm  *garwilan- 
im  verlaufe  der  engl.  Sprachgeschichte  übrigens  zweimal  syn- 


*)  Wol  mit  recht  von  Lindelöf,  Die  sUdnorthurabr.  ma.  §  16,  anm.  2 
als  fehlerhafte  Schreibung  aufgefasst. 


Digitized  by  Google 


138 


WEYHE 


kope  erfahren:  einmal  Schwund  des  t  nach  langer  silbe  im 
urengl.,  indem  urangl.  *xeriiila  durch  samprasarana  zu  *geryla 
wurde,  einer  form,  die  dann  lautgesetzlich  zu  *$crila  weiter- 
schritt wie  *innyfli  zu  Ep.  innifli;  ein  zweites  mal  im  10.  jh., 
wo  nun  auch  das  inzwischen  zu  e  geschwächte  urspr.  con- 
sonantische  u  der  synkope,  diesmal  der  synkope  nach  kürze 
anheimfiel.  Die  gleiche  widerholte  vocalabsorption,  bez.  nach 
der  geläufigen  auffassung  denselben  Schwund  des  w  vor  t  hat 
wahrscheinlich  auch  byrlian  durchgemacht,  das  sich  mit  dem 
genau  entsprechenden  aisl.  byrla  'kredenzen'  am  einfachsten 
durch  ansatz  einer  grundform  *birwilö-  vereinigt.')  Northumbr. 

')  Das  substautiv  aengl.  byrele  bietet  noch  besondere  Schwierigkeiten 
in  seinem  nach  seite  der  form  wie  function  einzigartigen  snffix.  Die  flexion 
byrele,  pL  byrclas  stellt  das  nomen  zu  den  jVi-stämmen ;  dabei  muss  es,  ror 
allem  wenn  *biruil-  mit  langer  erster  silbe  zu  gründe  liegt,  auffallen,  dass 
die  zu  erwartende  gemination  fehlt  (vgl.  uestennes  u.  dgl.),  das  wort  viel- 
mehr dem  typus  bocere,  icrltere  mit  ursprünglich  langer  zweiter  silbe  folgt. 
So  hat  Kluge,  Lit.-bl.  1887,  sp.  114  byrele  in  der  tat  auf  *byrerc  mit  dissi- 
milation  zurückgeführt.  Hiergegen  scheint  mir  jedoch  die  Übereinstimmung 
des  verb.  byrelian  und  aisl.  byrla  zu  sprechen,  abgeleiteten  verben,  deren 
grundwort  sehr  wahrscheinlich  die  bezeichnung  für  ein  tragbares  hohlgefäss 
ist  (*birtcila-  neben  *l>irila-,  letzteres  in  as.  biril  [Hei.],  ahd.  biril  [Tatian] 
'korb',  daneben  aber  auch  ahd.  biral  'urna',  s.  J.  Grimm,  Zs.  fda.  6, 190,  und 
vgl.  *bera  'bahre'  bei  W.  Horn,  Beitr.  z.  deutsch,  lantlehre  s.  20;  zum  ansatz 
der  nebenform  mit  suffixalem  te  berechtigen  aengl.  bearwe  'korb',  ofries. 
bartee,  westfal.  biertre,  s.  Kluge,  Et.  wb.  s.  bahre,  Klugc-Lutz  s.  barrote). 
Zu  diesem  *bincila-  würde  sich  das  aisl.  byrlari  1  raundschenk '  direct  oder 
durch  vermittelung  des  verbums  verhalten  wie  mlat.  buticularius  (=  alts. 
bulticlari)  zu  buticula  'hohlgefäss',  wie  mengl.  botler  zu  botel,  nengl.  butter 
zu  botüe.  Ich  möchte  nun  vermuten,  dass  aengl.  birele,  byrele  dem  aisl. 
byrlari  gleichzusetzen  und  ans  *byrdere  mit  haplologischer  silbenellipse 
entstanden  ist,  vielleicht  schon  auf  der  stufe  *birileri  (ws.  *bierileri't)  > 
*birili.  Beispiele  für  silbenschwund  in  diesem  selteneren  falle,  wo  die 
beiden  mit  gleichem  consonanten  anhebenden  silben  durch  eine  dritte, 
zwischenstehende  getrennt  sind,  gibt  Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  §  338. 
In  unserem  falle  wäre  als  wesentlich  fördernd  der  umstand  wirksam  ge- 
wesen, dass  die  zwischensilbe  gerade  auf  /  anlautet:  schon  dann,  wenn 
eilbenanlautendes  l  und  r  allein  zusammen  in  einem  worte  begegnen, 
zeugen  ja  Versetzungen  wie  aengl.  weleras  gegen  got.  wairäos,  ahd.  elira 
neben  erila  für  die  leichte  störbarkeit  der  ursprünglichen  reihenfolge;  vgl. 
auch  die  allerdings  nicht  sichere  gleichung  eäclereri  Wadstein,  KAS.  103, 5 
(s.  index  s.  199)  =  caclari  '  praestigiator '  Steinmeyer,  Anz.  fda.  4, 136. 

Uebrigens  begegnet  mengl.  ein  birler  'pinrerna',  das  vom  verb.  birlen 
aus  neu  gebildet  ist. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK.  139 

— 

biriladon  u.  s.  w.  wäre  dann  zu  jenen  gut  belegten  und  schwer 
zu  erklärenden  angl.  formen  zu  stellen,  die  wie  smirtcan  keine 
brechung  des  i  zeigen  (zur  phonetischen  erklärung  des  hier 
zugrunde  liegenden  lautlichen  Vorgangs  s.  Bülbring,  ESt.  27,85; 
doch  sind  die  bedingungen  für  eintritt  und  unterbleiben  noch 
unklar).  Das  aengl.  allein  würde  nicht  zum  ansatz  dieser 
grundform  zwingen:  neben  ws.  byrelian  aus  *birwilö-  könnte 
northumbr.  biriliga  aus  *birilö-  stehen,  schliesslich  wol  sogar 
ws.  byrelian  gleichfalls  auf  *birilö-  zurückgeführt  werden,  wie 
y  aus  t  bei  ähnlicher  consonantischer  Umgebung  in  ws.  bysmor, 
bysig,  bysen  entstanden  ist. 

Zusammenfassung. 

Suchen  wir  zum  Schlüsse  das  facit  zu  ziehen,  so  ist  noch 
einmal  an  die  teilweise  Unsicherheit  der  in  rechnung  gestellten 
posten  zu  erinnern.  Zwar  störende  einflüsse  von  Seiten  der 
langsilbigen  waren  kaum  zu  verzeichnen,  eine  folge  vor  allem 
davon,  dass  das  l  in  flexionssuf fixen  keine  rolle  spielt:  inner- 
halb der  reicher  entwickelten,  geschlossenen  gruppe  der  ad- 
jectiva  auf  -ul,  -ol  geben  umgekehrt  die  kurzsilbigen  in  gewissen 
grenzen  den  ton  an  (ws.  formen  wie  släpolc).  Aber  nur  eine 
beschränkte  zahl  von  belegen  ist,  wenn  auch  den  wichtigsten 
texten  entnommen,  überhaupt  zusammengestellt;  unter  ihnen 
bilden  die  beispiele  des  kent.  und  angl.,  vor  allem  leider  des 
späteren  merc.  an  sich  einen  schmalen  trapp,  ermangelt  der 
vollere  chor  des  spätws.  vielleicht  hie  und  da  hinreichender 
beglaubigung  als  Vertreter  auch  der  gesprochenen  spräche. 
Der  wert  chronologischer  angaben  vollends  muss  unter  der 
erwägung  leiden,  dass  die  feder  des  schreibenden  sich  gegen 
synkopierungen  der  Volkssprache  zur  zeit  ihres  aufkommens 
allgemein,  und  selbst  später  noch  individuell  mehr  oder  weniger 
zu  sträuben  pflegt.  Ich  kann  unter  diesen  umständen  nur  die 
hoffnung  aussprechen,  dass  weitere,  vor  allem  breitere  for- 
schung  einen  ersten  anfriss  nicht  ganz  werde  zu  verwerfen 
haben,  dessen  grundlinien  sich  in  kürze  folgendennassen  dar- 
stellen: 

Urengl.  i,  aus  wgerm.  i  oder  u,  schwindet  bei  unmittelbar 
voraufgehender  kurzer  tonsilbe  vor  einfachem  /  nach  allen 


Digitized  by  Google 


140 


WEYHE 


consonanten1)  ausser  nach  />,  und  wahrscheinlich  auch  ausser 
nach  ursprünglich  stimmlosem  f  (frwfele).  Diese  synkope  ist 
gemeinaengl.,  doch  zu  verschiedenen  zeiten  vollzogen;  sie  darf 
als  urengl.  gelten  nach  dentalen  (sicher  nach  t,  vermutlich 
nach  s)  sowie  nach  labialen  (sicher  nach  tr  und  f  <  %  ver- 
mutlich nach  p,  wo  wie  nach  s  frühe  beispiele  fehlen),  tritt 
rund  im  8.  jh.  ein  nach  den  gutturalen  (c  und  hier  palata- 
lisiert),  und  im  10.  jh.  nach  r;  zweifelhaft  die  zeit  ihres  Voll- 
zugs, wo  nasale  voraufgehen. 

Dieser  stand  erfährt  eine  doppelte  Verschiebung:  das 
northumbr.  geht  über  ihn  hinaus,  indem  hier  auch  synkope 
nach  ]>  begegnet  (swoedles),  das  südengl.  tut  einen  schritt 
rückwärts,  indem  massenhaft  secundärvocale  eindringen.  Der 
verlauf  letzteren  processes  lässt  dabei  einen  zeitlichen  Zusammen- 
hang mit  der  vorhergegangenen  synkope  nicht  verkennen,  wenn 
die  schon  urengl.  synkope  von  yfel  im  ws.  des  9.  jh.'s  bereits 
häufig,  bei  yElfric  so  gut  wie  ganz  aufgegeben,  die  erst  früh- 
aengl.  von  micel  dagegen  dort  noch  durchaus  gewahrt,  hier 
erst  in  ganz  bestimmter  enger  Umgrenzung  beseitigt  ist. 

Weit  zäher  hält  sich  das  w.  Hier  ist  synkope  für  die 
urengl.  zeit  nicht  erweislich,  Schwund  des  vocals  vielmehr 
überall  als  späte  entwicklung  der  dialekte  anzusehen.  Erhalten 
ist  u  normaler  weise  (vgl.  dagegen  hrhseotle)  im  merc.  des  8. 
und  des  beginnenden  9.  jh.'s,  ferner  im  ws.  selbst  der  späten 
zeit  mit  ausnähme  der  Stellung  nach  w,  wo  synkope  schon  im 
10.  jh.  belegt,  nach  s,  wo  sie  um  das  jähr  1000  vorhanden  ist, 
und  nach  ft  wo  erst  ganz  spät,  auf  der  schwelle  des  mengl., 
die  ersten  synkopierten  belege  auftauchen.  Während  über  das 
spätmerc.  nichts  sicheres  zu  ermitteln  ist  und  im  kent.  synkope 
unter  besonderen  betonungsverhältnissen  begegnet,  erweisen  im 
gegensatz  zum  ws.  die  wenigen  beispiele  aus  dem  northumbr. 
des  10.  jh.'s  (wie  watla,  staplas,  regles)  für  diese  stufe  dieses 
dialektes  synkope  auch  des  u  als  regel.  — 

So  sind  die  mundartlichen  differenzen  auch  hier  nicht 
unerheblich,  auch  hier  im  ganzen  auf  den  gegensatz  anglisch- 

l)  Synkopierte  beispiele  fehlten  mir  nach  rf;  beispiele  überbanpt  nach 
h  und  l,  was  im  ersten  falle  auf  zufall  beruhen  musste,  im  zweiten  wol- 
verständlich  ist  (vgl.  die  erwä^ungen  E.  Schröders,  Zs.  fda.  42, 70),  wie  denn 
etwa  stulor  'furtive,  insidiouü'  ein  älteres  +8tulul  fortsetzen  mag. 


Digitized  by  Google 


ZUR  WESTGERM.  GRAMMATIK. 


141 


niehtanglisch  hinauslaufend.  Dieser  gegensatz  lässt  sich  fin- 
den ausgang  der  aengl.  zeit  ganz  im  allgemeinen  dahin 
formulieren,  dass  das  angl.  die  kürzeren,  das  südengl.  die 
längeren  bildungen  bevorzugt:  der  süden  beseitigt  in  weitem 
masse  die  synkopierten  formen  und  behält  die  unsynkopierten 
bei,  das  angl.  wahrt  die  einmal  vollzogene  synkope  und  syn- 
kopiert wenigstens  auf  northumbr.  boden,  was  bis  dahin  noch 
verschont  geblieben  war  (sc.  das  u,  sowie  i  nach  p). 

So  manifestiert  sich  in  diesem  kleinen  ausschnitt  alteng- 
lischer synkopierungserscheinungen  dieselbe  fortschrittliche 
tendenz  des  nordens  dem  Süden  gegenüber,  die  letzthin  zumal 
von  Luick  betont'),  auch  sonst  in  aengl.  zeit  wie  späterhin 
hervortritt  und  ein  willkommenes  seitensttick  vor  allem  in 
dem  mengl.  Schwunde  auslautender  e  aufweisen  kann. 

')  Neuerdings  auch,  wie  ich  nachträglich  sehe,  andeutungsweise  in 
bezug  auf  die  synkope,  Studien  zur  engl,  lautgeschichte  1903,  s.  154.  177. 


LEIPZIG, 


HANS  WEYHE. 


ZUR  STILISTIK  DER  xVLTSÄCHSISCIIEN 

GENESIS. 

In  einer  früheren  arbeit  »)  war  ich  darauf  ausgegangen, 
das  formale  material  der  as.  Genesis  (G)  darzulegen  und  damit 
die  Stellung  zu  beleuchten,  die  sie  der  tradition  der  westgerm. 
epik,  speciell  dem  Heliand  (H)  gegenüber  einnimmt.  Im  an- 
sehluss  daran  sollen  die  vorliegenden  Studien  über  die  poetische 
Verwendung  dieses  materials  den  versuch  einer  Stilistik  unserer 
fragmeute  darstellen. 

Es  sei  mir  daher  gestattet,  zunächst  etwas  weiter  auszu- 
holen, um  dann  auf  die  beiden  dichtungen  als  epische  kunst- 
werke  uäher  einzugehen.  Dabei  kann  ihre  Sonderstellung  als 
religiöse  epen  oder  besser  gesagt,  als  bibeldichtungen  erst  in 
zweiter  linie  in  betracht  kommen.2) 

I.  Gedaukenfuhrung. 

Nach  Vischer  (a.  u.  a.  o.  1275)  'bestimmt  sich  das  Stilgesetz 
des  epischen  dichters  dahin,  dass  er  mit  der  ruhe  der  gegen- 
ständlichkeit  die  dinge  als  gediegene  gestaltungen  des  seins 
mehr  in  ihrer  erscheinung,  als  in  ihrem  inneren  geheimnis  und 
ihrer  Wirkung  auf  das  innere  schildern,  dass  er  nicht  stoss- 
weise,  sondern  stetig,  eins  aus  dem  andern  entwickelnd  fort- 
schreiten soll.   Er  hat  durch  die  ausführlichkeit  seines  ver- 


l)  Studien  zur  as.  Genesis.  I.  Leipz.  diss.  1902  (citiert  als  I). 

*)  Relativ  scheint  mir  der  unterschied  nicht  so  bedeutend  zu  sein,  ob- 
wol  ich  mit  den  urteilen  Yischers  (Aesthetik  s.  103:  'dass  einem  religiösen 
epos  überhaupt  das  wesentliche  der  dichtart  abgeht')  und  B.Busses  (Beitr. 
26,  85:  '  ...  eine  ähnliche  Schwierigkeit,  wie  für  die  späteren  christlichen 
Germanen,  als  sie  das  leben  des  heilands  besingen  wollten:  die  ganze  poe- 
tische technik  versagte')  im  princip  übereinstimme.  Vgl.  auch  R.  Bechstein, 
Nd.  jahrb.  10, 135. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


143 


weilens  zu  zeigen,  dass  hier  der  zweck  in  jedem  punkt  der 
bewegung  selbst  liegt.  Der  gemessenen,  breiten,  ruhig  gross- 
artigen fortbewegung  hat  die  äussere  sprachform  den  gemässen 
rhythmischen  ausdruck  zu  geben'.  Es  werden  also  (a.a.o.  1277, 
vgl.  W.  v.  Humboldt,  Ueber  Goethes  Herrmann  und  Dorothea. 
Ges.  werke.  Berl.  1843,  s.  218  f.)  'seine  gemälde  gegliederten 
ketten  gleichen,  in  welchen  bewegung  aus  bewegung,  figur 
aus  figur  entspringt,  das  ganze  wird  in  seinen  einzelnen 
gruppen  durch  nirgends  unterbrochene  umrisse  eine  einzige 
figur  bilden,  ...  die  handlung  geht  ununterbrochen  fort,  jeder 
umstand  fliesst  als  notwendige  folge  aus  dem  vorigen  her  und 
herscht  so  das  gesetz  durchgängiger  Stetigkeit'. 

Das  gilt  ebensogut  vom  Homer  wie  vom  Beowulf  wie  von 
der  as.  bibeldichtung.  Speciell  der  Heliand  bietet  ein  sehr 
interessantes  bild  von  der  gedankentechnik  seines  dichters,  der 
die  prosa  der  vorläge  nicht  nur  formell,  sondern  auch  inhalt- 
lich in  poesie  umwertet,  wie  v.  94—119  zeigen  mögen: 

(Luc.  1,  8)  Factum  est  autem  cum  (Zacharias)  sacerdotio  fungeretur  in 
ordine  vicis  suae  ante  deum,  (9)  secundum  consuetudinem 
sacerdotii,  sorte  exiit  ut  incensum  poneret  ingressns  in  tem- 
plum  domini.  = 

94  Thno  nuarth  thiu  tid  cuman  the  thar  gitald  habdnn 
nnisa  man  mid  uuordun,  that  scolda  thena  uuih  godas 
Zacharias  bisehan. 

(10)  Et  oinnis  multitudo  erat  popnli  orans  foris  hora  incensi.  = 

Thuo  nuarth  thar  gisamnod  filo 
97  thar  ti  Hicrusalem  Judeo  liudo, 

uuerodes  te  them  uuihe,  thar  sea  uualdand  god 
snithe  thiulico  thiggean  scoldun 
100  herron  is  huldi,  that  sea  hebancuning 
lethas  alieti.   Thea  liudi  stuodun 

nmbi  that  helaga  hns,  endi  gieng  im  thie  giherodo  man 
an  thena  uuih  innan.   That  unerod  oöer  bed 
umbi  thena  alah  ntan  Hebreo  liudi, 
5  hnan  er  thie  fruodo  man  gifrumid  habdi 

unaldandes  nuilleon.   So  hie  thuo  thena  uuihrog  drog 
ald  aftar  them  alahe  endi  umbi  thena  altari  gieng 
mid  is  rokfaton  rikeon  theonon: 
—  frumida  ferehtlico  frohon  sinas, 
10  godea  iungerscipi  gerno  suitho 

midi  hlutro  hugiu,  so  man  herren  scal 
georno  fulgangan  — : 


Digitized  by  Google 


144 


PAULS 


(11)  Apparuit  autem  Uli  angelus  domini  stans  a  dextris  altahs 
incensi.  (12)  Et  Zacharias  turbatua  est  videns,  et  timor 
inruit  super  eum.  = 

grurios  quamun  im, 
egison  an  them  alahe:  hie  gisah  thar  after  thiu  enna  engil  godes 
an  them  uuihe  innan. 

(13)  Ait  autem  ad  illum  angelus  'Ne  timeas,  Zacharia,  quoniam 
exaudita  est  deprecatio  tua.'  = 

Hie  sprak  im  mid  is  uaordon  tuo, 
15   hiet  that  fruod  gumo  foroht  ni  uuari, 

hiet  that  hie  im  ui  andriede:  'Thiua  dadi  sind'  quathie 
'uualdande  uuertha  endi  thin  uuord  so  seif, 
thin  theonost  is  im  an  thanke,  that  thu  sulica  githaht  habes 
an  is  enes  craft 

Wir  haben  an  dieser  stelle  typische  beispiele  für  die 
epische  composition:  weniger  anschauliches  wird  zusammen- 
gezogen, vereinfacht,  ja  weggelassen  (94—96).  Ein  bild  wird 
breiter  ausgeführt,  zugleich  die  Schilderung  in  erzählung  um- 
gewandelt mit  logischer  Verbindung  ihrer  etappen  und  aus- 
füllung  der  pausen  dazwischen  (96  - 106).  Das  folgende  ähn- 
lich: retardierendes  motiv  (109—112)  in  der  ausmalung  des 
bildes.  Vor  allem  jetzt  die  historisch  falsche,  aber  poetisch 
sehr  wirksame  Umstellung  von  Ursache  und  Wirkung  (112—114) 
—  ähnlich  z.  b.  v.  386—397  =  Luc.  2,  8.  9.  Die  den  verlauf 
der  handlung  unterbrechende  directe  rede  wird  durch  teilweise 
Umwandlung  in  indirecte  vorbereitet,  und  so  ein  gleichmäßiges 
fliessen  herbeigeführt  (114  ff.):  ein  ausserordentlich  beliebtes 
stilmittel ")  (vgl.  z.b.  die  bergpredigt). 

Nun  mag  man  dem  entgegenhalten,  dass  für  den  dichter 
nicht  nur  lediglich  poetische,  sondern  auch  mehr  didaktische 
principien  bei  der  gestaltung  der  dichtung  massgebend  gewesen 
seien.  Aber  das  wäre  gar  kein  einwand:  denn  insofern  als 
die  Zuhörerschaft  einen  stetigen  hauptfactor  des  epischen 
dichters  ausmacht,  ist  jeder  epiker  mehr  oder  weniger  didak- 
tiker. Und  für  uns  kommen  schliesslich  weniger  die  motive 
als  vielmehr  die  tatsachen  in  betracht. 

Während  wir  so  beim  H  in  der  glücklichen  läge  sind, 
beide  beobachten  zu  können,  ist  dies  bei  der  G  leider  nicht 

»)  Vgl.  Heusler,  Der  dialog  i.  d.  altgerman.  erzählenden  dichtung,  Zs.fda. 
46,244. 


Digitized  by  Google 


ZUR  8TILI8TIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


145 


der  fall.  Wenn  wir  den  Avitus  für  einzelne  stellen  als  quelle 
annehmen,  so  fällt  uns  beim  G- dichter  mit  dem  ersten  blick 
eine  ganz  bedeutende  freiheit  in  der  Verwertung  des  Stoffes 
auf.  Was  unser  dichter  aus  dieser  mutmasslichen  quelle  ent- 
lehnt hat,  sind  nur  einzelne  grosse  züge,  wie  auch  schon  Sievers 
(Der  Heliand  u.  d.  ags.  Genesis  s.  18  ff.)  hervorhebt.  Vgl.  z.  b. 
die  parallelstelle 

At.  1,320-325 

Accipiunt  invenes  dictum  laetique  sequuntur 
spondentes  cuncto  serrandam  tempore  fidem. 
Sic  ignara  mali  novitas  nec  conscia  fraudis 
incautaa  nnlla  tetigit  formidine  mentes. 
At  pater  instructos  sacrata  in  sede  relinquens 
laetus  in  astrigeram  caeli  ae  sostulit  auram. 

B  240—245 
Hwserf  bim  J?a  to  heofenum  halij  drihten 
stiftferhö  cyninj:  stod  his  handjeweorc 
somod  an  sande,  nyston  sorja  wiht 
to  bejnornianne,  butan  (J>tet)  beo  jodea  willau 
legest  laesten:  heo  wseron  leof  jode, 
penden  beo  bis  halije  word  healdan  woldon. 

Die  stelle  genügt  natürlich  nicht,  um  einen  vollen  eindruck 
von  der  composition  der  Genesis  zu  geben,  sie  zeigt  aber  doch 
schon  eine  charakteristische  erscheinung  derselben,  besonders 
beim  vergleich  mit  der  behandlungsweise  des  Avitus.  Dieser 
bietet  zwei  bilder:  1)  Adam  und  Eva  empfangen  den  befehl 
gottes;  —  2)  gott  schwebt  zum  himmel  empor.  Das  ist  im 
anschluss  an  die  rede  gottes  die  natürliche  folge  der  tatsachen. 
Beide  bilder  sind  ausgeführt;  zwischen  ihnen  steht  eine  sub- 
jective  betrachtung  des  dichters.  Die  darstellung  der  Genesis 
B  ist  aber  nicht  so  einfach:  1)  auf  das  verbot  gottes  folgt 
die  zusage  der  beiden  (237—239);  —  2)  gott  gibt  ihnen  die 
erde  zu  eigen  (239;  das  steht  aber  schon  in  der  rede);  — 
3)  gott  schwebt  zum  himmel  empor  (240);  —  4)  Adam  und 
Eva  stehen  da,  sorgenlos,  in  der  absieht  gottes  willen  zu  er- 
füllen (241-44);  —  5)  sie  sind  gott  lieb,  so  lange  sie  nach  seinen 
geboten  leben  wollen  (244.  45). 

Wo  ist  hier  einheit  der  anschauung  und  ebner  fluss  der 
darstellung?  An  stelle  der  kette  finden  wir  nur  einzelne 
glieder:  das  ist  schon  dasselbe  kennzeichen  der  inhaltlich  wie 

Beitrage  ntr  geschiebte  der  deutschen  sprach«.   XXX.  10 


Digitized  by  Google 


146 


PAULS 


formell  auseinanderfallenden  darstellungsweise  der  G,  das  wir 
noch  weiter  unten  näher  ins  auge  zu  fassen  haben  werden. 

Nur  an  dieser  einzigen  Genesisstelle  scheint  mir  eine  der- 
artige vergleichung  zweier  verschiedener  autoren  zulässig,  wie 
wir  sie  im  H  fast  überall  anstellen  können;  die  übrigen  citate 
aus  dem  Avitus  sowie  die  von  Siebs  aus  dem  Hilarius  und 
Claudius  Marius  Victor  (Zs.  fdph.  28, 139  ff.)  sind  für  unsern 
zweck  wenig  oder  nicht  geeignet  Aber  auch  ohne  directe 
vergleichsobjecte  bieten  H  und  G  an  sich  reichen  stoff  für  die 
Untersuchung  ihrer  gedankenführung.  So  wird  z.  b.  die  schon 
oben  betrachtete  stelle  H  94  ff.  von  folgenden  gedanken  ge- 
tragen: 1)  Zacharias  soll  opfern  ( — 96);  2)  viele  leute  versam- 
meln sich  zum  gottesdienst  (—101);  —  3)  sie  bleiben  vor  dem 
tempel  stehen  und  Zacharias  geht  hinein  ( — 103);  —  4)  sie 
warten  auf  die  beendigung  des  Opfers  ( — 106);  —  5)  das  opfer 
(—112);  —  6)  die  erscheinung  des  engels  (—116),  u.s.  f. 

Vergleichen  wir  damit  die  gedankenführung  einer  stelle 
wie  G  80  ff.:  1)  Kain  geht  aus  gottes  angesicht;  er  ist  ver- 
flucht (—81);  —  2)  den  eitern  wird  die  tat  verkündet  (gikudit: 
von  wem?  —83);  —  3)  Adams  trauer  (—85);  —  4)  Evas  trauer, 
als  sie  das  hreugiuuadi  (leichengewand:  s.  Behaghel,  Der  Heliand 
und  die  as.  Genesis,  Giessen  1902,  s.39f.)  wascht  (—88);  — 
5)  doppelte  trauer  um  Abels  tod  und  Kains  tat  und  verstossung 
( — 97);  —  6)  oft  stehen  die  eitern  an  griata  (wo?)  und  sagen 
sich,  —  7)  dass  ihre  sünde  das  verursacht  habe,  dass  ihnen 
keine  kinder  mehr  erblühen  werden  (thian  muostin,  — 100);  — 
8)  sie  trauern,  bis  gott  sich  ihrer  erbarmt  und  ihnen  erben 
schenkt 

Nach  der  anzahl  ihrer  inhaltlichen  nova  differieren  gerade 
diese  beiden  stellen  nicht  wesentlich:  wol  aber  zeigen  die  be- 
handelten einzelthemen  oder  die  etappen  der  gesammthandlung 
charakteristische  unterschiede.  Während  nämlich  die  der  He- 
liandstelle  in  steter  zeitlicher  und  logischer  Verbindung  mit 
einander  stehen,  klaffen  zwischen  denen  der  Genesisstelle  ein- 
zelne lücken,  sei  es,  dass  der  Wechsel  der  zeit  oder  des  ortes, 
oder  dass  das  logische  Verhältnis  der  einzelstufen  der  hand- 
lung  der  berechtigung  oder  des  ausdrucks  ermangelt  Der 
grund  für  diese  in  der  G  recht  häufige  erscheinung  dürfte 
darin  liegen,  dass  dem  dichter  die  gesammtvorstellung  nicht 


Digitized  by  Google 


ZTTR  STILISTIK  DßR  ALTS.  GENESIS. 


klar  genug  vorschwebt,  und  dass  so  die  einzelvorstellungen 
zu  viel  nachdruck  erhalten,  so  dass  ihr  Verhältnis  zu  jener 
weniger  deutlich  hervortritt.  Welchen  zweck  hat  an  unserer 
stelle  z.b.  die  an  sich  nicht  unpoetische  ausmalung  des  bildes 
der  trauernden  Eva:  thuo  siu  bluodag  uuosk  hreugiuuadi,  das 
dadurch  ein  so  lebhaftes  colorit  erhält,  dass  es  über  andere, 
inhaltlich  wichtigere  dominiert?  Ein  logischer  fehler  liegt 
z.b.  in  der  anknüpfung  des  gedankens  7,  wo  zwischen  präte- 
ritalen  Verhältnissen  plötzlich  ein  futurales  auftaucht  (v.99). 
Augenscheinlich  überspringt  hier  der  dichter  einen  zwischen- 
gedanken,  denn  es  ist  ja  gar  keine  rede  davon  gewesen,  dass 
Adam  und  Eva  nach  Abels  tod  und  Kains  verstossung  kinderlos 
bleiben  sollten. 

Solche  erscheinungen  verdienen  beachtung,  weil  sie  den 
dichter  der  Genesis  in  einen  scharfen  gegensatz  zu  dem  des 
Heliand  treten  lassen,  auch  wenn  ihnen  nicht  ein  absoluter 
wert  beigelegt  werden  kann,  vor  allem  in  anbetracht  der  ab- 
hängigkeit  der  dichter  von  ihren  vorlagen  und  ihrem  Stoff 
überhaupt.  Eine  eingehende  Untersuchung  auch  des  Heliand 
mag  deshalb  noch  manches  an  den  tag  fördern  können,  was 
strenger  ästhetischer  kritik  nicht  standhält. 

Ehe  ich  zu  einer  solchen  gesammtkritik  der  G  tibergehe, 
möchte  ich  noch  die  stelle  von  der  Zerstörung  Sodoms  hervor- 
heben (290 — 337),  deren  H- parallele  ich  schon  an  anderer 
stelle  erwähnt  habe.1)  Völlig  einander  gleichzustellen  sind 
diese  beiden  parallelen  freilich  nicht,  denn  im  H  ist  das  thema 
nur  vergleichsweise  herangezogen  und  demgemäss  knapp,  aber 
sachlich  ausgeführt,  wenn  auch  viel  weiter  als  die  quelle 
(Luc.  17,28)  Similiter  sicut  factum  est  in  diebus  Loth  . . .  (29)  qua 
die  . . .  exiit  Loth  a  Sodoma,  pluit  ignem  et  sulphur  de  caelo  et 
omnes  perdidit.  Aber  vergleichen  wir  immerhin  einmal  die 
beiden  parallelen  in  bezug  auf  ihre  innere  structur: 

H  4366 

so  uuarth  oc  that  fiur  cuman 
het  fan  himile  that  thia  hohun  burgi 

l)  S.  I,  25  f. ;  über  formale  eigentümlichkeiten  dieses  abschnittes  ebda. 
1.30  (295).  32  (323).  38  (291).  41,47  (301).  43  (291).  45  (336).  47  (337). 
51  (302).  53  (296);  ferner  anch  Behaghel  s.  13  (297).  15  (294).  17, 18  (306). 
20  (291.  294.  296.  316).  42  f.  (329).  43  (301).  44  (302.  803.  312.  332). 

10* 


Digitized  by  Google 


148 


PAÜLS 


nmbi  Sodomaland  suart  logna  bifeng 

grimm  endi  gradag,  that  thar  enig  gumo  (-no  M)  ne  ginass 
botan  Loth  eno:  ina  autleddun  tbanan 
drohtines  engilos  endi  is  dohter  tua 

an  enna  berg  uppan:  that  obar  (odar  M)  al  brinnandi  fiur 

gie  land  gie  lindi  logna  farterida: 

so  farunga  nnarth  that  fiur  cnman: ... 

Die  disposition  ist  höchst  einfach:  1)  das  brennende  Sodom 
(4366 — 4369);  als  gegenständ  des  Vergleiches  dem  historisch 
früheren  bild  —  2)  Loth  auf  der  flucht  ( — 72)  vorweggenommen, 
und  zum  schluss  ( — 74)  als  Überleitung  zum  tertium  compara- 
tionis  widerholt.  Die  disposition  der  G-parallele  ist  gleichfalls 
untadlig:  1)  die  Vorbereitungen  (290—298);  —  2)  die  flucht 
(—310);  —  3)  die  Zerstörung  Sodoms  (—329);  —  4)  Loths 
weib  (—337).  Die  ausführung  dieser  einzelthemen  ist  aber 
um  so  anfechtbarer: 

1)  295  f.  Der  gedanke:  He  ni  habda  thar  his  hadalias  than  mer  || 
botan  is  dohtar  tua,  der  doch  wol  kanm  als  parenthese  angesehen  werdeu 
darf,  unterbricht  durch  den  Wechsel  des  subjects  und  den  constatierendeo 
charakter  den  verlauf  der  erzählung,  die  deshalb  mit  dem  vorangehenden 
gedanken  wider  aufgenommen  werden  muss. 

2)  303.  Hietun  that  sice  ni  gihordin  sulic  gihlunn  tnikil.  Von  '  solchem 
grossen  getöse'  wissen  wir  noch  gar  nichts:  sowol  die  demonstrative  wie 
die  erweiternde  bestimmung  des  objects  ist  zu  tadeln. 

306.  Dass  die  engel  nicht  bei  Loth  bleiben,  glaubt  man  schon:  was 
nützt  es  aber  dem  horer  zu  erfahren:  Thuo  (wann?)  uurubun  eft  uuider 
helega  uuardos,  \\  godas  engilos,  gengun  sniumo  (warum?),  ||  sidodun  tt 
Sodomo:  er  zerbricht  sich  nur  vergebens  den  köpf,  was  die  engel  in  dem 
brennenden  Sodom  anfangen  wollen:  zerstören?  In  der  biblischen  Genesis 
fehlt  das  motiv. 

3)  Die  erzählung  von  der  Zerstörung  Sodoms  ist  fast  der  stilistisch 
schwächste  teil  der  O,  und  ihre  gedankenführung  ist  nicht  besser:  es  ist. 
als  wollte  der  dichter  das  chaos  der  untergehenden  Stadt  stilistisch  malen: 
es  kracht  und  bricht:  rauch  wallt  umher.  Feuer  fällt  vom  himmel.  Todes- 
schrei des  Volkes.  Die  Stadt  brennt.  Die  männer  fallen.  Schwefel  fliesst 
in  den  Strassen.  Die  süuder  büssen.  Das  land  versinkt:  niemand  kann 
entrinnen.  Es  geht  im  see  unter,  wo  es  heut  noch  liegt.  Alle  haben 
büssen  müssen,  nur  Loth  mit  den  seinen  ist  gerettet 

4)  Als  diese  nun  des  Volkes  verderben  (qualm)  nnd  die  Stadt  brennen 
'hören'  (329 f.)  . . .  u.s.w. 

Das  ist  fast  der  stil  eines  modernen  impressionisten,  aber 
nicht  eines  altgermanischen  epikers.  Das  ruhelose  hin  und 
her,  aus  einer  Vorstellung  in  eine  andere,  entspricht  nicht  der 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


149 


ruhe,  der  gegenständlichkeit  und  der  Stetigkeit  des  epischen 
Stils.  Gut  wäre  nur  der  'schluss'  320  ff.,  der  wirklich  retar- 
dierende motive  bringt:  aber  es  ist  kein  wirklicher  schluss, 
sondern  nach  der  ruhigen  betrachtung  325  ff.  geht  mit  4  (329) 
die  erzähl  in  il'-  wider  weiter,  ungeschickt  wie  oben:  die  kaum 
begonnene  Schilderung  der  handlung  wird  durch  eine  tiberlange 
parenthese  unterbrochen,  und  so  muss  der  dichter  seinen  ge- 
danken  noch  einmal  anfangen. 

Dass  eine  derartige  kritik  der  gedankenführung  unseres 
dichters  nicht  zu  weit  geht,  zeigt  schon  das  verfahren  des 
ags.  Übersetzers.  Wenn  dessen  besserungsversuche  sich  auch 
in  folge  seiner  abhängigkeit  von  der  vorläge  meist  nur  auf  den 
ausdruck  und  die  äussere  form  erstrecken,  so  lassen  doch 
einige  stellen  erkennen,  dass  er  auch  mit  dem  inneren  bau 
seines  Originals  nicht  zufrieden  gewesen  ist. 

So  hebt  er  die  unbeholfene  gleichförmigkeit ')  der  parallelen 
gedanken  v.  2 — 5  dadurch  auf,  dass  er  den  ersten  aus  der  un- 
natürlichen gruppe  als  frage  herausnimmt;  ebenso  beseitigt  er 
den  unmotivierten  tempuswechsel  des  gedankens  von  v.  5  b, 
den  er  in  ein  adversatives  Verhältnis  zu  dem  vorausgehenden 
bringt,  und  in  ähnlicher  weise  verbindet  er  v.  20  und  v.  23. 
In  dem  letzten  fall  ist  auch  wol  die  anpassung  an  die  vorher- 
gehenden gedanken  gegenüber  dem  Personenwechsel  in  G  auf 
stilistische  beweggründe  zurückzuführen. 

Tiefer  greifende  änderungen  hat  sich  freilich  der  Über- 
setzer nicht  gestattet.  Es  zeigt  daher  auch  die  Gen.  B  dieselben 
abweichungen  von  der  technik  des  Heliand  wie  die  original- 
fragmente,  und  ich  kann  mich  somit  weiterhin  auf  die  letzteren 
beschränken. 

Ich  komme  zunächst  noch  einmal  auf  v.  2  ff.  zurück.  Auf- 
fällig ist  hier  vor  allem  die  Schnelligkeit,  mit  der  ein  gedanke 
auf  den  andern  folgt:  sie  überrascht  um  so  mehr,  als  jeder  von 
ihnen  eine  neue,  und  zwar  recht  concrete  Sinneswahrnehmung 
bringt:  vgl.  die  ausdrücke  giuon,  hinana  und  sulicaro  lognun. 
Neben  der  ungenügenden  art  der  ausführung  erschüttert  auch 


»)  Im  gegensatz  zu  Braune  und  Behaghel  s.  38  f.  fasse  ich  diese  Sätze 
als  nebengeordnet  auf,  da  ich  den  sinn  der  hypotaxe  von  3b  nicht  verstehe; 
vgl.  auch  das  überwiegen  der  parataxe  in  dem  ganzen  abschnitt 


Digitized  by  Google 


150 


PAULS 


der  schon  von  Behaghel  (s.  38  f.)  gerügte  vergleich  v.  4.  f.  hier 
den  glauben  an  der  klarheit  in  der  darstellung  des  dichtere. 

v.  9.  'Nun  sollen  wir  wol  in  sorge  sein  um  unser  los;  denn 
er  hat  uns  selbst  geboten,  dass  wir  uns  vor  solcher  strafe  in 
acht  nehmen  sollten':  kann  das  ohne  weiteres  heissen:  'denn 
jetzt  trifft  uns  die  strafe,  die  gott  uns  angedroht  hat'?  Aber 
das  ist  doch  der  durch  den  Zusammenhang  geforderte  sinn. 

v.  13.  Zu  beachten  ist  der  Wechsel  der  person:  nu  thuingit 
mi        thero  uuaron  uuit  iuom. 

v.  14.  Der  so  breit  ausgeführte  gedanke:  'wie  sollen  wir 
uns  vor  den  unbilden  der  Witterung  schützen?'  überrascht 
einigermassen;  denn  wie  kommt  Adam  auf  ihn?  Weit  näher 
liegt  der  gedanke  von  v.  12,  der  später  (v.22)  noch  einmal 
aufgenommen  wird.  Jenes  motiv  hat  der  dichter  wol  aus 
Avitus  3, 323  ff.  (folgen  des  Sündenfalles)  entlehnt,  wo  ein  Un- 
wetter in  ähnlichen  zügen  geschildert  wird.  Die  vorwegnähme 
der  stelle  ist  indessen  wenig  glücklich;  denn  weder  ihre  ein- 
ordnung  in  Adams  rede,  noch  ihre  ausführung  befriedigt:  man 
beachte  z.  b.  die  parenthese  von  18  b  oder  den  Übergang  vom 
unwetter  auf  den  hunger  (v.  21  ff.). 

v.27.   Die  parenthese  ist  nichtssagend  und  überflüssig. 

v.  35.  Ebenso;  hier  werden  sogar  zwei  von  einander  un- 
abhängige gedanken  in  einen  kurzen  Sinnesabschnitt  hinein- 
geschachtelt. 

V.  37.  Ni  ik  thes  sorognn  ni  scal,  quad  he, 

gomian  huar  hie  ganga,  ni  it  mi  god  ni  gibod, 
that  ik  is  huerigin  hier  hnodian  thorofti. 

vgl.  Gen.  4, 9  nescio.  num  custos  fratris  tnei  sum  ego?  Tadelns- 
wert ist  hier  auch  das  futurum,  das  nicht  in  den  Zusammen- 
hang passt. 

V.  55.  Thno  an  forahtnn  nuard 

Kain  aftar  them  quidiun  drohtinas;  qnad  that  hie  müsse  garoo 
that  is  ni  mahti  uuerdan  uualdand  uuiht  an  nneroldstundu 
dadeo  bidernid :  . . . 

Dieser  gedanke,  der  demjenigen  in  v.  40  ff.  entspricht,  liegt 
zwar  nahe,  passt  aber  wenig  in  den  Zusammenhang  hinein, 
da  er  zu  stark  retardiert;  auch  bildet  er  keine  genügende 
einleitung  zu  Kains  rede.  Die  darstellung  der  Bibel  ist  gerade 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


151 


in  der  erzählung  von  Kain  und  Abel  ausserordentlich  knapp; 
der  epische  bearbeiter  musste  wol  erweitern,  aber  die  aus- 
führung  ist  ihm  wenig  geglückt. 

v.  62  ff.  Die  widergabe  des  gedankens  von  Gen.  4, 13 
major  est  iniquitas  mea  quam  ut  veniam  merear  ist  dem  dichter 
recht  schwer  gefallen;  die  begriffe  'schuld'  und  'gnade'  haben 
ihn  zu  der  ungeschickten  gegenüberstellung  von  misdad,  tiano 
etc.  einerseits,  mildi  hugi  und  hluttar  muod  andrerseits  geführt. 

v.  68.  Ueber  an  thisun  uuega  vgl.  Behaghel  s.  39. 

v.  72.  Ueber  tekan  togian  vgl.  I,  6.  Es  scheint  mir  frag- 
lich, ob  die  stelle  einen  so  glatten  sinn  gibt,  wie  Kögels  Über- 
setzung es  wahrscheinlich  macht:  'so  will  ich  dir  dennoch 
frieden  setzen;  ich  will  dich  mit  einem  solchen  zeichen  ver- 
sehen, dass  du  unangefochten  in  dieser  weit  sein  kannst, ...  * 
(vgl.  Behaghel  s.  36  f.). 

v.  78  vgl.  I,  46. 
v.  80  vgl  1,  38. 

v.  101  ff.  Hier  befremdet  die  eigentümliche  reihenfolge: 
v.  104  ist  von  thegnos  und  thiornun  die  rede;  nachdem  der 
betr.  gedanke  abgeschlossen  ist,  wird  von  der  zeitlich  voraus- 
liegenden geburt  Seths  berichtet.  Der  weiter  folgende,  etwas 
schwerfällige  gedanke  ...so  thana  is  manna  uuel,  thie  io  mid 
sulicaro  huldi  muot  herron  thionun  (['und  es  gieng  ihm  gut,] 
wie  es  dem  menschen  immer  wol  geht,  der  ...')  hätte  kraft 
seines  betrachtenden  Charakters  einen  Sinnesabschnitt  herbei- 
führen sollen:  aber  die  erzählung  von  Seths  leben  geht  weiter: 
Hie  loboda  mest  liudeo  barnun  ||  godas  huldi  gumun  .  . .  (vgl. 
Behaghel  s.  40). 

v.121.  Auf  die  Schwierigkeit,  die  das  Verständnis  von 
uuard  seggio  folc  \\  menu  gimengid  hat,  habe  ich  schon  I,  42 
lungewiesen. 

V.  148.  Folc  uuirdit  eft  gihuoroban 

te  godas  rikea,  gnmono  gisidi 
langa  huila,  endi  sted  im  aidor  thit  land  gisund. 

Ob  hier  der  dichter  überhaupt  eine  Vorstellung  gehabt  hat, 
ist  mir  zweifelhaft.  Er  spricht  vom  jüngsten  gericht,  bei  dem 
Enoch  mit  dem  erlösten  volk  zu  gottes  reich  eingeht;  thit  land 
aber  ist  doch  die  erde,  und  die  ist  von  nun  an  gerettet? 


Digitized  by  Google 


152 


PAULS 


V.  154.  habdnn  im  80  uilu  fiunda  barn 

uuammas  geuuisid  (vgl.  1, 46). 

Die  sprachlich  unklare  stelle  ist  auch  inhaltlich  schwer  ver- 
ständlich. 

V.  156  ff.      ac  biet  sie  threa  faran  ||  ...  endi  uuas  im  selbo 

[thar  mid. 

Die  Unklarheit  der  quelle  (18, 2  apparnerunt  ei  tres  viri  . . . 
19, 1  Vetieruntque  duo  angeli  Sodomam  vespere)  hat  auch  unserm 
dichter  Schwierigkeiten  gemacht. 

v.  178  ff.   Zu  beachten  ist  der  gedankengang  dieser  und 

der  folgenden  reden: 

(v.  166.  Er  betete  und  bat  um  seine  huld):  1)  Wobin  willst  du,  berr? 
—  2)  Ich  bin  dein  knecbt.  —  3)  Willst  du  etwas  von  mir  haben?  —  4)  Ich 
bin  dir  Untertan.  —  5)  Darf  ich  dich  fragen,  wohin  du  gehen  willst?  —  Oder 
v.  191  ff.:  1)  Du  bist  allmächtig.  —  2)  Du  scheidest  gut  und  böse.  —  3)  Da 
bist  gerecht.  —  4)  Du  wirst  die  guten  nicht  mit  den  bösen  verderben.  — 
5)  Allerdings  hast  du  die  macht  dazu.  —  6)  Darf  ich  dich  fragen,  wenn  du 
mir  nicht  zürnst?  u.  s.  w.  —  Oder  v.  226  ff.:  1)  Zürne  mir  nicht,  dass  ich 
so  viel  rede.  —  2)  Ich  verdiene  deine  langmut  nicht.  —  3)  Ich  möchte  gern 
erfahren,  ob  du  das  volk  schonen  oder  verderben  willst.  —  4)  Was  tust  da, 
wenn  du  zehn  gerechte  findest?  —  5)  Vergiebst  du  ihnen  und  schonst  da 
sie  dann? 

Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  ob  die  anläge  oder  die  aus- 
führung  dieser  reden  schlechter  ist.  Braune  (a.a.O.  s.31)  findet 
darin  einen  bemerkenswerten  zug,  »JUy;  das  einförmige  feilschen 
Abrahams  (von  50  auf  45,  40,  30,  20,  10  gerechte)  vereinfacht 
wird,  insofern  der  dichter  Abraham  nur  dreimal  handeln  lässt 
(50.  30.  10),  dafür  aber  diese  reden  mit  angemessener  Variation 
weiter  ausführt.  Das  darf  man  gern  als  verdienst  des  dichters 
anerkennen.  Aber  man  betrachte  andrerseits  die  unbeholfene 
und  prosaische  art  der  reden  genauer  und  vergleiche  die  letz- 
teren (die  erste  allerdings  ist  frei  erfunden)  mit  der  quelle,  an 
die  sich  der  dichter  hier  eng  hält  (Gen.  18, 23— 32):  welcher 
unterschied  zwischen  der  ernsten  ruhigen  dialektik  Abrahams 
dort  und  der  unsichern,  zögernden,  schier  sich  windenden  elo- 
quenz  hier,  die  fast  den  eindruck  unfreiwilliger  komik  her- 
vorruft. 

V.  180.  Nu  hruopat  theae  uuardas  te  mi 

dages  endi  nahtes  the  the  iro  dadi  telleat, 
seggiat  hiro  sundeon. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


153 


Der  gedanke  passt  schlecht  in  den  Zusammenhang;  im  original 
mag  vielleicht  etwas  ähnliches  gestanden  haben  wie  Gen.  18, 21, 
wo  es  heisst:  . . .  clamorem,  qui  venit  ad  me  . . .  Die  präcisie- 
rung  durch  das  persönliche  subject  und  die  Zeitbestimmung  ist 
nicht  am  platze. 

V.  184.  Thanna  scal  sea  uuallande 

fiur  biuallan,  sculun  sia  hira  firinsundeon 
suara  bisenkian,  suebal  fan  himile 
fallit  mid  fiure,  feknia  aterebat  ... 

Auffällig  und  zu  tadeln  ist  der  Wechsel  von  concreten  und 
abstracten  Vorstellungen,  zumal  in  der  (wenn  auch  wol  un- 
beabsichtigten) form  der  aufzählung.  Vgl.  hiermit  die  dar- 
stellung  der  Zerstörung  Sodoms  (v.311  ff.  s.  147  f.).  Im  gegensatz 
zu  der  quelle,  die  hier  die  drohende  strafe  nur  andeutet,  gibt 
unser  dichter  eine  detaillierte  beschreibung  des  kommenden 
Unheils,  nicht  ohne  dadurch  den  schlusseffect  zu  schädigen. 
Eine  ähnliche  vorwegnähme  constatierten  wir  bereits  oben 
(s.  150). 

v.  218.  sniumo  gisagda:  eine  unmotivierte  bestimmung,  wie 
163.  181.  307. 

v.  244.  Der  schluss  der  Unterredung  mit  gott  weist  eine 
weitere  Ungeschicklichkeit  der  conception  auf.  Ich  sehe  wenig- 
stens keine  motivierung  für  das  gebet  und  die  Versicherungen 
Abrahams:  wollte  der  dicjiter  das  motiv  des  gebets  durchaus 
bringen,  so  wäre  eine  fürbitte  für  Sodom  nach  dem  weggange 
des  herrn  trotz  seiner  unerbittlichkeit  das  nächstliegende 
gewesen. 

V.  251.  Scoldun  sia»  befidan,  huat  thar  ferahtera 

umbi  Sodomaburug,  sundeono  tuomera 
raanna  uuari  . . . 

Aber  die  engel  sind  doch  nach  Sodom  gegangen,  um  zu  sehen, 
ff  thia  mann  undar  htm  sulic  men  fremmiat:  so  sollte  man 
hier  an  die  sündigen  leute  denken,  zumal  da  nun  ausführlich 
von  ihrem  treiben  erzählt  wird.  Diese  Schilderung  (v.  254  ff.) 
zeichnet  sich  durch  die  schon  bekannten  gedankensprünge  aus: 
auf  die  Wahrnehmung  der  engel  folgt  eine  constatierung  des 
dlchters;  an  abwechslung  in  der  einheit  der  zeit  und  der  Vor- 
stellung fehlt  es  gleichfalls  innerhalb  der  wenigen  verse  nicht 
(vgl.  hierzu  auch  Behaghel  s.  43). 


Digitized  by  Google 


154 


PAULS 


V.  270.  Thuo  gisah  he  an  haband  engilos 

gangan  an  thea  gardos,  so  sea  fan  gode  quamun 
giuueride  mid  geuitteo  . . . 

Die  sinnliche  anschauung  wird  durch  die  abstracte  ausmalung 
gestört. 

v.  272  ff.  Man  beachte  die  reihenfolge  der  einzelhandlangen: 
gisah,  sprak  tuo,  geng  tegegnes  etc. 

v.  280  ff.  Von  vers  zu  vers  wechseln:  se  gengun  (die 
engel),  hie  (Loth)  im  giungarduom  fremide,  sea  sagdun,  he 
sat,  sia  gisagdun.  Ferner  besteht  ein  gewisser  gegensatz 
zwischen  den  anschaulicheren  zügen:  se  gengun  im  an  is  gast- 
seli  und  he  sat  und  den  abstracten  giungarduom  fremide  und 
held  fcrahtlica.  Ueber  das  im  zusammenhange  allerdings  un- 
verständliche an  uuahtu  s.  I,  30,  Behaghel  s.  37. 

V.  288.  Thuo  habdun  usas  drohtinas  bodon 

thea  firina  bifundan,  thea  thar  fremidun  nien. 

Wann  und  wie  die  boten  dies  erkundet  haben,  bleibt  dunkel; 
man  stellt  sie  sich  doch  noch  in  Loths  wohnung  vor,  wo  sie 
ihm  guodas  so  filo,  suodas  mitteilen. 

V.  312.      uuard  thero  burugeo  giuuilic  ||  rokos  gifollit. 
Diese  auch  von  Behaghel  (s.  44)  gerügte  stelle  verdankt  der 
inconsequenz  des  sich  hier  jedenfalls  an  die  quelle  haltenden 
dichtere  ihre  entstehung  (Gen.  20, 25). 

Es  ist  nicht  ganz  leicht,  sich  über  alle  einzelmomente  eines 
gesammteindrucks  in  gleicher  weise  rechenschaft  zu  geben; 
ebenso  schwierig  ist  es,  eine  reihe  von  beobachtungen  an  einein 
object  wie  dem  unsern  zu  einem  abschliessenden  gesammturteil 
darüber  zusammenzufassen.  Es  gibt  etwas,  das  einer  syste- 
matischen einreihung  nach  den  oder  den  gesichtspunkten  wider- 
strebt, das  zugleich  aber  in  wie  über  dem  System  liegt*  So 
möchte  ich  die  vorstehenden  kriterien  der  conception  und  com- 
positum des  dichtere  nicht  als  allein  ausschlaggebend  für  ihre 
beurt  eilung  augesehen,  sondern  sie  in  beziehung  zu  ihrer  ganzen 
Umgebung  gesetzt  wissen  und  zu  dem,  was  man  die  Stimmung 
oder  das  et  hos  des  ganzen  nennt  Fassen  wir  von  diesem 
Standpunkt  aus  die  einzelbeobachtungen  zusammen,  so  ergibt 
sich  folgendes  bild  von  der  gedankentechnik  des  dichtere. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


155 


Der  dichter  der  G  versificiert  einzelne  gedanken,  der  des 
H  ganze  voretellungsgruppen.  Das  zeigt  für  den  H  die  Stetig- 
keit and  sachgemässheit  der  abwicklung  und  entwicklung  der 
darstellung,  wie  wir  sie  z.  b.  s.  143  f.  kennen  gelernt  haben  und 
weiterhin  überall  beobachten  können.  Im  gegensatz  dazu 
zeigt  die  G  eine  lockerere  aneinanderreihung  von  einzelgliedern, 
die  in  anläge  und  ausführung  nicht  den  eindruck  der  einheit 
zu  machen  im  stände  ist,  da  ihr  in  vielen  fällen  das  band 
wechselseitiger  beziehung  und  motivierung  abgeht.  Und  alle 
die  oben  gemachten  einzelbeobachtungen  über  die  gedanken- 
fuhrung  unseres  dichters  führen  auf  die  eine  hauptsache  zurück: 
auf  den  mangel  an  sinnlicher  anschauung.  Damit  tritt  die  G 
in  einen  gewissen  gegensatz  nicht  nur  zum  H,  sondern  auch 
zu  dem  naiven  Charakter  der  ganzen  altgermanischen  epik, 
deren  publicum  noch  sehen  will,  was  geschieht,  während  erst 
der  moderne  mensch  zufrieden  ist,  es  zu  hören. ')  So  offenbart 
sich  bei  unserm  dichter  eine  gewisse  Vorliebe  für  abstracte 
Torstellungen,  zuweilen  am  verkehrten  ort:  innerhalb  concreter 
Verhältnisse;  auch  laufen  in  einer  längeren  voretellungsreihe 
gelegentlich  abstracte  und  concrete  gedanken  durcheinander. 
Können  wir  daraus  schon  auf  ungenügende  übereicht  des  dich- 
tere über  eine  handlung  oder  einen  zustand  schliessen,  so  zeigt 
sich  dieser  weiterhin  in  dem  mangel  an  Stetigkeit  der  dar- 
stellung, die  oft  von  einer  Vorstellung  zu  einer  andern  ab- 
schweift, ohne  auch  nur  einer  von  beiden  gerecht  zu  werden. 
Diese  erecheinung  tritt  ebenso  in  den  concreteren  figuren  der 
erzählung  und  Schilderung  wie  in  den  mehr  abstracten  der 
rede  auf.  So  werden  einzelne  wichtige  züge  in  der  ausführung 
vernachlässigt,  während  andere  über  das  mass  ihres  wertes 
hinaus  hervortreten;  darunter  machen  sich  häufig  wider  ab- 
stracte Vorstellungen  geltend,  z.  b.  in  den  zahlreichen  paren- 
thesen,  die  hier  nicht  immer  als  typische  hilfsmittel  der  com- 
position  angesehen  werden  können.  Parenthesen  sind  im 
allgemeinen  als  retardierende  momente  aufzufassen:  hier  aber 
stehen  sie  zuweilen  an  stellen  der  handlung,  die  keine  Unter- 
brechung zulassen;  auch  der  fall  kommt  vor,  dass  durch  das 


»)  Miklosich,  Die  darstellung  im  slav.  volksepos  (Denkschr.  d.  Wiener 
ak.  d.  w.,  phil.-hist.  kl.  38)  s.  6. 


Digitized  by  Google 


156 


PAULS 


fehlen  derartiger  motive  unvermittelte  Übergänge  von  einem 
gedanken  zum  andern  sich  bemerkbar  machen.  Dies  charak- 
teristicum  ist  im  allgemeinen  recht  häufig;  inconsequenzen  in 
der  durchführung  der  einheit  des  ortes,  der  zeit  oder  der 
handlung  innerhalb  einer  vorstellungsreihe  begegnen  recht 
oft;  auch  den  logischen  Verhältnissen  der  einzelgedanken  wird 
dabei  nicht  immer  rechnung  getragen. 

Von  diesem  Standpunkt  aus  konnten  Paul  und  Behaghel 
unserem  dichter  die  scheinbar  im  Widerspruch  zu  einander 
stehenden  vorwürfe  der  Weitschweifigkeit  der  darstellung 
(Germ.  21,  95  ff.)  und  der  oft  rätselhaften  kürze  der  erzähiung 
machen  (Behaghel  s.  36).  Jene  beruht  z.  t.  auf  der  widerholung 
schon  einmal  erzählter  tatsachen,  dem  ausmalen  von  neben- 
umständen u.8.w.,  diese  auf  der  Vernachlässigung  oder  Unter- 
drückung selbst  wichtiger  Zwischengedanken 

Dieser  stilcharakter  beruht  aber,  ebenso  wie  auf  mangel- 
hafter anläge,  so  auch  auf  mangelhafter  ausführung.  Aller- 
dings empfinden  wir  die  Weitschweifigkeit  weniger  störend  bei 
gleichen  gedanken,  gut  variiertem  gewand  (diese  erscheinung 
gehört  ja  zu  den  typischen  eigenheiten  des  epischen  Stils) : 
kehrt  aber  mit  dem  gedanken  auch  die  sprachliche  ausdrucks- 
form  (bildung  von  gruppen  und  Sätzen)  wider,  so  tritt  der 
Stilfehler  deutlicher  hervor.1)  In  der  praxis  darf  man  aber 
doch  nicht  zu  scharf  zwischen  den  beiden  gebieten  scheiden; 
denn  wie  oft  kann  ein  an  sich  correcter  und  passender  gedanke 
durch  die  mangelhaftigkeit  des  ausdrucks  an  Wirkung  ver- 
lieren. Und  wie  schwierig  ist  oft  nicht  die  entscheidung 
darüber,  ob  ein  Stilfehler  auf  die  rechnung  der  mangelhaften 
gedanken-  oder  sprach technik  des  dichters  zu  setzen  ist;  um 
so  mehr,  wenn  diese  durch  eine  bis  ins  einzelne  gehende 
poetische  tradition  modificiert  wird. 

II.  Satztechnik. 

Von  einer  absoluten  norm  in  der  satztechnik  unseres  epischen 
stils  können  wir  kaum  reden.  Es  würde  zu  weit  führen,  wollten 
wir  auf  die  fundamentalen  grundlagen  des  Verhältnisses  von 
inhalt  und  form,  von  gedanken  und  satz  hier  näher  eingehen. 


>)  R.  M.  Meyer,  Die  altgerman.  poesie  etc.  (Berl.  1889)  s.  513. 


Digitized  by  Google 


ZÜS  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESI8. 


157 


Zwei  principien  regeln  indessen  dies  Verhältnis  doch  im 
allgemeinen:  das  der  Stetigkeit  und  das  der  abwechslung. 
Bald  dominiert  das  eine,  bald  das  andere:  das  stetige  fort- 
schreiten der  epischen  handlung  findet  seine  folie  in  dem  an- 
schauenden verweilen  der  darstellung,  und  die  dadurch  angeregte 
Vorstellungstätigkeit  des  hörers  setzt  ihn  über  die  pausen  im 
fortschritt  der  handlung  hinweg.  Die  frage  nach  dem  zu- 
sammen- und  gegeneinanderwirken  dieser  beiden  principien 
führt  uns  zunächst  zu  einer  Untersuchung  der  satztechnik  des 
dichters  im  engeren  sinne. 

Die  satztechnik  des  dichtere  erhält  ihr  charakteristisches 
gepräge  durch  die  art  und  weise,  wie  dieser  den  haupt-  und 
nebenmomenten  der  handlung  diejenigen  der  darstellung  ent- 
sprechen lässt.  Wort  und  handlung  müssen  in  gewissem  sinne 
einander  angepasst  sein.  Wie  die  handlung  in  der  regel  nicht 
schlag  auf  schlag  dahinstürmt,  so  verträgt  auch  ihre  darstel- 
lung dauernd  nicht  die  blosse  aneinanderreihung  von  nova, 
keine  ununterbrochene  folge  von  hauptsätzen.  Wie  die  technik 
des  erzählers  sachlich  eine  gewisse  consequenz  in  der  ein-  und 
ausführung  der  nova,  in  dem  herausarbeiten  der  historisch 
und  logisch  bedingten  Verbindungen  des  einzelmotivs  mit  seinen 
nachbarmotiven,  und  ein  gewisses  ausklingenlassen  der  motive 
fordert,  so  gehört  formell  zu  den  erfordernissen  seines  Stils 
auch  ein  angemessener  Wechsel  von  haupt-  und  nebensätzen: 
schon  traditionell  Ein  gewisser  parallelismus  der  technik  in 
dieser  beziehung  ist  daher  unvermeidlich.  So  herscht  z.  b. 
auch  in  H  und  G  die  gleiche  gewohnheit,  satzgruppen  (sinnes- 
gruppen)  durch  nebensatzabschluss  voll  ausklingen  zu  lassen: 
H«)  65, 6  °/0,  G  61, 8  %;  der  unterschied  ist  also  hier  unwesent- 
lich. In  anderer  beziehung  treten  jedoch  auch  wider  deutliche 
unterschiede  in  der  behandluug  von  haupt-  und  nebensätzen 
hervor.») 

l)  1—675.  Erzählung  und  rede  steht  genau  in  demselben  Verhältnis 
n  einander  wie  in  G. 

*)  Für  den  H  habe  ich  hier  die  Zählungen  von  F.  Peters  (Satzban  im 
Heliand,  gymn.-progr.  Schwerin  1886,  s.  2)  benutzt ;  in  gleicher  weise  habe 
ich  deshalb  die  parenthesen  und  anakoluthe  von  G  und  B  nicht  mitgezählt. 
Im  folgenden  gebrauche  ich  HS  für  'hauptsatz'  und  NS  für  'nebensatz'.  — 
B  bedeutet  Gen.  B. 


158 


PAULS 


H 

2755  HS 

—  56,2  °/0 

2146  NS 

=  43,8«/o 

G 

224 

=  65,5  % 

119 

=  34,5  % 

B 

316 

=  57  •/• 

237 

=  43  •/. 

Verhältnis  der  haupt-  und  r.obensütze. 

Die  folgende  tabelle  zeigt  die  satzcombinationen  von  H, 
G  und  B:  neben  freien  haupteätzen  einfache  HS-XS-combina- 
tionen,  ferner  HS  mit  unter  sich  subordinierten  und  endlich 
teilweise  coordinierten  NS-gruppen,  alles  nach  procenteiL 


H 

0 

B 

HS  frei 

51,7 

64,8 

58,9 

HS  +  NS 

28,9 

22,9 

24 

HS  4-  subord.  NS 

10,9 

3,3 

8,2 

IIS  +  coord.  NS 

8,5 

9 

8,9 

Das  heisst:  die  G  zeigt  gegenüber  dem  H  ein  plus  von  9,3  % 
HS  im  allgemeinen  und  von  13,1  °/o  freien  HS;  die  perioden 
sind  nicht  so  mannigfach  wie  im  H.  Die  Gen.  B  steht  dem  H 
weit  näher;  der  grund  dafür  scheint  mir  das  bessere  Stilgefühl 
des  Übersetzers  zu  sein,  das  wir  ja  bei  den  versen  791—817 
controlieren  können.  Hier  erscheinen  nur  68,75  °/0  freie  HS 
bei  75  °/0  der  vorläge:  die  änderungen  werden  also  wol  nicht 
rein  zufällig  gewesen  sein.  Bei  einer  genaueren  Untersuchung 
der  perioden  ergibt  sich  ferner  folgendes: 


Nebensatagruppen  (subordinierte  glieder). 


HS  + 

2 

8 

4 

5 

NS 

H 

44,86 

10,28 

0,9 

0,18 

=  56,22 

G 

23,1 

8£ 

=  26,9 

Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS.  159 


Nebensatagruppen  (subord.  und  coord.  glieder). 


HS  + 

2 

8 

4 

5 

6 

8 

NS 

H 

18,7 

16,2 

5,2 

2,2 

1,3 

0,18 

=  43,78 

G 

34,65 

34,65 

3,8 

=  73,1 

Also:  auch  hier  überwiegt  der  gebrauch  der  weniger  com- 
plicierten  Schemata  in  der  G.  Mit  andern  Worten:  die  G  zeigt 
in  ihren  nebensatzgmppen  ein  bedeutendes  plus  in  der  Ver- 
wendung von  coordinierten  gliedern.1)  Der  dichter  scheint 
oft  der  Subordination  innerhalb  der  perioden  direct  aus  dem 
wege  zu  gehen,  und  andrerseits  beruht  die  coordination  häufig 
auf  der  Variation  eines  gliedes  der  periode.  Ein  weiteres  an- 
zeichen  für  die  Vorliebe  des  Genesisdichters  für  coordination 
liegt  offenbar  in  der  häufigkeit  der  freien  hauptsätze.  Auch 
sie  mögen  also  einer  genaueren  prüfung  unterzogen  werden. 

Schon  ohne  herbeiziehung  von  statistischem  material  ge- 
winnt der  leser  altsächsischer  epik  den  eindruck  von  einer 
doppelten  Verwendung  der  hauptsätze:  erstens  im  zwanglosen 
Wechsel  mit  nebensätzen,  entsprechend  den  jeweiligen  logischen 
und  historischen  Verhältnissen;  zweitens  in  einer  häufung,  die 
äusserlich  betrachtet  unserem  altepischen  stilprincip  nicht  ent- 
spräche. Aber  hier  wirkt  doch  ein  individualisierendes  princip 
des  dichters  mit,  das  einen  ergänzenden  gegensatz  zu  der 
tradition  der  objectiv-  ruhigen  darstellung  bildet.  So  oft  der 
dichter  nämlich  das  bestreben  hat,  ihm  besonders  wichtige 
stellen  über  das  niveau  des  vorhergehenden  und  folgenden  zu 
erheben2),  dient  ihm  eine  entsprechende  häufung  von  haupt- 
sätzen  als  angemessenes  mittel.  Auch  hierin  stehen  H  und  G 
unter  derselben  tradition:  hier  wie  dort  finden  wir  dies  stil- 
mittel  vorzüglich  bei  einführungen  neuer  personen,  bei  beson- 
ders anschaulichen  oder  dramatischen  handlungen  oder  in 
reden  als  ausdruck  eines  höheren  affects.  Nun  zu  einzelheiten. 
Bei  der  folgenden  Statistik  habe  ich  von  einer  einzelaufzählung 

l)  Vgl.  dazu  R.Bechstein  a.a.O.  8. 136 f.  'auggedehnte  anwendung  des 
untergeordneten  satzes'  (im  H). 
*)  Vgl.  Peters  a.  a.  o.  s.  10  ff. 


160 


PAÜL8 


der  häufigeren  und  weniger  praktikabel n  hauptsatzgruppen  von 
2  bis  einschliesslich  4  gliedern  abgesehen.  Von  den  übrigen 
fallen  auf  gruppen  von 


5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

im  H  17,2 

17,2 

20,7 

24,1 

7 

3,5 

1,7 

3,5 

1,7 

1.7 

3,5 

in  der  G  54,5 

9,1 

9,1 

9,1 

9,1 

9,1 

Durchsichtiger  als  das  Verhältnis  der  gruppen  unter 
einander  gestaltet  sich  das  ihrer  Sätze  zu  den  übrigen  freien 
(1 — 4)  hauptsätzen:  von  1466  freien  hauptsätzen  des  H  (146 
der  G)  stehen  in  gruppen  von  5  und  darüber  im  H  450  == 
30,7  o/o,  in  der  G  85  =  58,2  %.  Es  finden  sich  also  von  den 
freien  hauptsätzen  der  G  mehr  als  die  hälfte  zu  derartigen 
gruppen  gehäuft.  Wenn  die  gesammtanzahl  der  gruppen  auch 
nur  gering  ist  (11),  so  nehmen  diese  doch  eine  gewisse  cen- 
trale Stellung  ein:  sie  markieren  durch  ihre  auffallende  form 
besondere  höhepunkte  des  interesses  unseres  dichters:  nur  fragt 
es  sich,  ob  jene  stellen  wirklich,  also  auch  für  unser  interesse 
von  solcher  bedeutung  sind. 

Man  kann  nicht  sagen,  dass  die  Verwendung  unseres  stil- 

mittels  an  irgend  einer  der  Genesisstellen  nicht  zu  erklären 

oder  zu  rechtfertigen  wäre: 

v.  27.  152  setzt  eine  bedeutende  handlnng  ein  (vgl.  H  780.  2357.  3122. 
3541);  ähnlich  80,  dazu  aber  77  Verfluchung. 

168.  189.   Beginn  von  reden  (vgl.  H  272). 

17.  306.  Bewegte  Schilderung  bez.  handlnng:  stürm,  Zerstörung  (vgl. 
H  2241.  2906.  3695.  732.  741). 

77.  144.  Höhepunkt  einer  rede,  affect;  Prophezeiung  (vgl.  H  3002. 
3066.  3626.  3695.  4310). 

262.   Einführung  einer  neuen  person  (vgl.  H  72.  252.  501.  1186). 

Indessen  will  ich  auch  nicht  behaupten,  dass  alle  diese 
stellen  gerade  sehr  glücklich  seien.  So  wären  v.  27  ff.  die  gar 
zn  häufigen  parenthesen  zu  bemängeln;  die  reden  Abrahams 
gewinnen  gewis  nichts  durch  den  vergleich  mit  der  ähnlich 
gebauten  rede  Gabriels;  Adams  Schilderung  des  Unwetters  ist 
formell  gar  zu  eintönig  (anaphora,  paralleler  satzbau),  und  die 
atemlose  erzählung  von  Sodoms  Untergang  v.  306  ff.  bietet  alle 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


161 


nur  denkbaren  Unebenheiten  des  stils.  An  den  beiden  übrigen 
stellen  scheint  mir  die  häufung  nicht  am  platze  zu  sein. 

v.  114  (Die  nachkommen  Seths  und  Kains).  Durch  die 
massenhaften  sätze  beraubt  sich  der  dichter  der  Wirkung,  die 
seine  einführung  der  wichtigeren  person  Enochs  gehabt  haben 
würde. 

Ferner  v.  280  ff.  (Loth  und  die  boten  gottes).  Keine  in- 
haltsnova;  kein  grösserer  nachdruck  ruht  auf  der  erzählung. 
Nicht  ohne  bedeutung  ist  es  wol,  dass  gerade  an  den  beiden 
letzten  stellen  sich  die  auch  von  Behaghel  (a.a.O.  s.  32)  er- 
wähnten und  meiner  ansieht  nach  wenig  zu  billigenden  satz- 
widerholungen  finden.  Noch  andere  Unebenheiten,  zumeist 
metrische,  zeigen  sich  gerade  bei  der  hauptsatzhäufung. 

Danach  können  wir  unsere  bisherigen  ergebnisse  folgender- 
massen  zusammenfassen: 

1)  Die  satztechnik  der  G  zeigt  eine  bedeutende  mehrheit 
von  hauptsätzen  an  sich,  und  von  freien  haupteätzen  gegenüber 
nebensätzen. 

2)  In  perioden  tritt  die  coordination  stärker  hervor  als  die 
Subordination. 

3)  Die  freien  hauptsätze  sind  meist  zu  umfangreichen 
gruppen  gehäuft. 

Dies  misverhältnis  von  haupt-  und  nebensätzen  entspricht 
nicht  dem  beim  H  constatierten  ruhigen  fluss  der  darstellung, 
den  ein  angemessener  Wechsel  zwischen  vorwärtsschreiten  und 
verweilen  charakterisiert.  Auch  in  G  ist  ein  solcher  Wechsel 
vorhanden,  aber  die  gegensätze  sind  zuweilen  zu  schroff.  Die 
einzelnen  gefüge  sind  unter  sich  zu  locker,  die  gruppen  lassen 
in  der  zwanglosen  aneinanderreihung  ihrer  glieder  oft  die 
notwendigen  Verbindungen  vermissen.  Besonders  die  haupt- 
satzgruppen  zeigen  an  verschiedenen  stellen  ihre  Unzulänglich- 
keit, deren  letzter  grund  ihre  nicht  sinnesgemässe  Verwendung 
ist  Der  dichter  beherscht  das  von  der  tradition  übernommene 
stilmittel  nur  äusserlich,  wie  er  gleichfalls  die  natürlichen 
mittel  für  retardieren  und  beschleunigen  gelegentlich  verkehrt 
anwendet,  so  dass  sie  gerade  die  entgegengesetzte  Wirkung 
haben. 

Betrüge  iur  gewichte  der  deuttchen  iprache.   XXX.  U 


Digitized  by  Google 


162 


PAULS 


Bis  hierher  hat  uns  der  satz  einfach  als  träger  eines  ge- 
dankens  gegolten,  ohne  rücksicht  auf  das  inhaltliche  Verhältnis 
der  einzelgedanken  zu  dem  ganzen.  Das  letztere  Verhältnis 
soll  im  folgenden  untersucht  werden. 

In  vier  schematen  prägt  sich  das  Verhältnis  der  gedanken 
zu  einander  aus: 

1)  Der  zweite  gedanke  bringt  einen  dem  ersten  völlig 
neuen  inhalt,  ein  gedankennovum:  AB. 

2)  Der  zweite  gedanke  deckt  sich  völlig  mit  dem  ersten:  AA. 

3)  Der  zweite  gedanke  deckt  sich  im  wesentlichen  mit  dem 
ersten;  er  zeigt  etwa  eine  leichte  special isierung:  Aa. 

4)  Der  zweite  gedanke  deckt  sich  nur  zum  teil  mit  dem 
ersten;  beide  gehen  von  demselben  punkt  aus,  aber  der  zweite 
schiesst  über  den  ersten  hinaus  mit  einem  teilweisen  novum, 
z.  b.  einem  begriff snovum:  AAb. 

Die  Verwendung  dieser  Schemata  ist  im  allgemeinen  klar. 
Das  erste  ist  weitaus  das  häufigste:  es  charakterisiert  die  fort- 
laufende darstellung;  die  übrigen  sind  retardierende  momente. 
Man  kann  aus  H  und  G  etwa  folgende  belege  notieren: 

AA.    Aus  H: 

V.  168.  Than  scalt  thu  eft  uuord  sprekan, 

hebbean  thinera  stemna  giuuald:  ni  tharft  thu  stum  uuesan 
langron  huila. 

V.  197.      Scred  thie  uuintar  forth,  ||  gieng  thes  iares  gital. 

V.  264.  thu  scalt  uses  drihtnes  uuesan 

modor  mid  mannon,  endi  scalt  thena  magu  fuodean 
thes  hohen  himilcuninges  suno. 

V.  3916.  that  im  thann  fliotan  sculun 

fan  is  lichamen  libbiandi  flot, 
rinnandi  uuater,  ahaspring  mikil, 
cumat  thanan  quica  brunnon. 

V.  5564.  Thia  liudi  spracun 

hoscuuord  manag  helagon  Criste, 
gruottun  ina  mid  gelpu. 

V.  5651.  Hie  ankenda  iro  mirkiun  dadi, 

gifuolda  iro  fegnes. 

In  keinem  dieser  belege  bringt  der  zweite  gedanke  irgend 
etwas  zum  ersten  hinzu:  nur  v.  169  ist  sein  ausdruck  etwas 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


163 


entschiedener.  Der  neue  satz  specialisiert  nicht,  aber  er  zeigt 
auch  keine  Verallgemeinerung.  Von  den  6  beispielen  stehen  3 
in  directer  rede,  2  (5565.  5651)  in  der  einführung  einer  solchen. 

Aus  G: 

V.  14.     hu  scultra  unit  nu  libbian,  efto  hu  sculun  uuit  an  thesum 

[liahta  uuesan?1) 

V.  161.  endi  scolda  usas  unaldandas 

geld  gifrummian,  endi  scolda  thar  goda  theonan.") 

V.  184.  Thanna  scal  sea  uuallande 

fiur  binallan  . . .  suebal  fan  himile 
fallit  mid  fiure.8) 

V.  169.  ik  biun  thin  egan  scalc, 

hold  endi  gihorig,  thu  bist  mi  herro  so  guod, 
medmo  so  mildi. 

v.  14.  184.169  in  der  rede. 

Aa.   Aus  H: 

V.  70.  than  lang  hie  giuuald  ehta 

Erodes  thes  rikeas  endi  radburdeon  giheld 
Jndeono  lindi. 

V.  115.         hiet  t hat  frnod  gumo  foroht  ni  uuari, 
biet  that  hie  im  ni  andriede. 

Y.  262.  ni  habi  thn  nuekean  hugi, 

ni  foroht i  thu  thinon  ferahe :  ni  quam  ik  thi  te  enigon  freson  herod 
ni  dragu  ik  eni  drugithing. 

V.  318.  Ni  uuis  thu  . . .  Mariun  uureth  . . . 

ni  forhngi  thu  sia  ti  hardo, 

ferner  3712,37.45.  3801.  3905,12.  5584.  5612,31.92;  davon  7 
in  der  rede,  1  (3912)  in  redeeinführung. 

Aus  G: 

V.  19.  huilum  thanne  fan  himile  heto  skinit, 

blikit  thiu  berahto  sunna. 


»)  Die  Verbindung  mit  efto  ist  nicht  schön,  gerade  weil  beide  gedanken 
to  völlig  gleich  sind.  Bei  einer  gewissen  modificierung  könne  es  eher 
rtehen,  da  ea  mehr  fortaetzend  als  entgegensetzend  verwendet  wird  (vgl. 
H  26  ff.  1422. 

*)  Opfer  bringen  —  gott  dienen:  Verallgemeinerung;  über  die  form 
a.  1,28. 

•)  Scheinbare  apecialisierung;  schlecht,  weil  für  den  Zusammenhang 
zu  concret  gedacht 

11* 


164 


PAULS 


V.  48.         ia  dror  sinkit  nu  an  erda,  |]  suet  sundar  ligit.1) 

V.  104.         thigrun  aftar  uuel,  ||  uuohsun  uuanliko.«) 

V.  125.  thas  uuard  anuuerdit  sau 

Sedas  gisidi,  uuard  seggio  folc 
meuu  gimengid   vgl  I,  42. 

V.  192.  all  bi  thinun  dadiun  sted 

thius  uuerold  an  thinum  uuillean,  thu  giuuald  hauas 
obar  thesan  middilgard  manna  kunnias   1,49  f. 

V.  285.  Suart  furdhur  scred 

narouua  naht  an  skion,  nahida  moragan, 

davon  3  in  der  rede. 

Aab.   Hierher  könnte  man  rechnen: 

H  V.  46.  En  uuas  iro  thuo  noh  than 

firio  bamun  biforan,  endi  thiu  fiui  uuarun  agangan: 

scolda  thuo  that  sehsta  saliglico 

cuman  thuru  craft  godes  endi  Oistes  giburd. 

G  V.  16.  gisuuerek  upp  dribit 

kumit  haglas  skion  himile  bitengi. 

V.  44.      uue8an  thiu  hugi  hriuuuig,  thes  thu  mid  thinum  handon 

gidedos, 

that  thu  uuurdi  thines  bruodar  bano. 

V.  140.  Thann  hier  ok  thie  ledo  kumit, 

that  hier  Antikrist  alla  thioda 
uuerod  auuerdit. 

G  16.  44  in  der  rede. 

Das  sind  im  ganzen  22  H-  und  13  G-belege.  Die  letzteren 
fallen  einigermassen  durch  ihre  zahl  auf  (ein  beispiel  auf  25  G-, 
aber  erst  auf  45  H-verse).  Im  übrigen  zeigen  sich  keine  grossen 
unterschiede;  52,4  °/0  (59,1  °  0)  der  H-  und  61,5  °/0  der  G-belege 
stehen  in  der  rede  (bez.  redeeinführung).  Die  differenz  wird 
durch  die  tatsache  aufgehoben,  dass  in  den  222  versen  der 
bergpredigt,  die  zu  unserm  zählstoff  gehören,  kein  einziger 
beleg  zu  finden  ist:  nur  der  dialog  kommt  in  betracht,  und 
zwar  speciell  die  eingangsverse  der  einzelnen  reden.  Und  dann 
überwiegt  numerisch  das  material  der  G. 

')  Verunglückter  ausdruck;  1,27. 

*)  Ich  empfinde  auch  diesen  parallelismus  als  nicht  ganz  untadelhaft; 
der  zweite  gedanke  scheint  mir  (wie  v.  184)  zu  concret  für  den  Zusammen- 
hang zu  sein. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALT8.  GENESIS. 


1G5 


In  der  inneren  anwendung  dieser  stilmittel  konnten  wir 
also  Übereinstimmung  zwischen  H  und  G  erblicken,  dagegen 
zeigte  G  einige  Unebenheiten,  die  vorzugsweise  auf  die  aus- 
drucksweise im  einzelnen  zurückzuführen  sind.  Für  die  kritik 
ist  die  letztere  von  grösserem  wert,  da  sie  weit  deutlicher  als 
das  allgemeine  traditionelle  element  über  das  poetische  können 
des  dichtere  aufzuklären  imstande  ist.  So  dürfen  wir  also  aus 
praktischen  rücksichten  die  drei  retardierenden  momente  zu- 
sammenfassen und  nach  der  gleichartigkeit  ihrer  äusseren 
erscheinung  (eines  gewissen  wechseis  im  ausdruck)  mit  dem 
namen  satzvariation  belegen.  Was  darunter  genauer  zu 
verstehen  ist,  darüber  mag  eine  Orientierung  nun  am  platze  sein. 

III.  Variation. 

Allgemeines. 

Unter  dem  namen  Variation  pflegen  wir  heute  mehr 
erscheinungen  zusammenzufassen  als  R.  Heinzel  in  seiner 
abhandlung  über  den  stil  der  altgermanischen  poesie  getan 
hat.  Dort  spricht  Heinzel  nur  von  der  i  Variation'  der  aussage: 
(s. 9)  1  ...  Verbindungen  von  begriffen,  gedanken,  urteile.  .. 
Ein  aus  mehreren  Worten  bestehender  ausdruck  wird  variiert, 
dasselbe  noch  einmal  gesagt,  gewöhnh'ch  durch  dieselben  Satz- 
glieder und  in  einer  gewissen  parallelen  form.'  Heinzel  be- 
schränkt nun  den  terminus  nicht  auf  die  variierte  widerholung 
des  prädicats,  er  geht  zugleich  auch  auf  die  satzvariation  ein, 
die  ja  denselben  motiven  ihren  Ursprung  verdankt:  die  Wichtig- 
keit einer  idee  durch  häufigkeit  und  sinnfälligkeit  ihrer  Ver- 
wendung kund  zu  tun,  oder,  noch  allgemeiner  und  für  die 
sprach technik  des  naiven  menschen,  also  auch  des  volkstüm- 
lichen dichtere  von  gleich  grundlegender  bedeutung:  durch 
extensität  des  ausdrucks  intensität  des  eindrucks  zu  erzielen. 
Von  derselben  intensität  der  Vorstellung  geht  natürlich  der 
dichter  aus,  doch  darf  sie  nicht  in  dem  masse  in  ihm  domi- 
nieren, dass  sie  nicht  dem  allgemein  menschlichen  wie  auch 
speciell  dichterischen  princip  der  abwechslung  rechnung  trägt: 
an  stelle  einer  geschmacklosen  und  unkünstlerischen  wider- 
holung entsteht  so  die  'Variation'  der  aussage. 

Wenn  nun  anstatt  auf  einem  gedanken  vielmehr  auf  einem 


Digitized  by  Google 


166 


PAULS 


einzelbegriff  ein  besonderer  nachdrock  ruht,  so  folgt  die 
spräche  demselben  princip;  ist  dieser  begriff  ein  nominaler  teil 
des  satzes,  so  spricht  die  grammatik  von  Opposition'.  Die 
Stilistik  kann  jedoch  mit  diesem  indifferenten  terminus  nicht 
viel  anfangen:  sie  muss  den  inneren  wert  der  erscheinung 
prüfen,  und  kommt  damit  zu  der  Unterscheidung  zwischen 
progressiver  (weiterführender)  und  regressiver  (ausführender) 
apposition.  Jene  führt  durch  ein  begriffsnovum  bewegung, 
diese  mit  dem  zurückgreifen  auf  den  auszuführenden  begriff 
eine  gewisse  ruhe  herbei.  Da  nun  für  den  epischen  stil  nur 
bewegung  aus  handlung  von  wert  ist,  so  werden  wir  die 
progressive  apposition  als  stilprincip  ziemlich  vergebens  suchen, 
während  die  regressive  eines  seiner  wichtigsten  retardierenden 
momente  ist  Auch  durch  ein  mehr  äusserliches  charakte- 
risticum  entfernt  sich  diese  erscheinung  von  dem  rein  gram- 
matischen begriff  der  apposition:  sie  folgt  nicht  notwendig 
unmittelbar  ihrem  beziehungswort,  sondern  oft  erst  nach 
anderen  Satzteilen,  ja  nach  nebensätzen.  Häufig  steht  sie  am 
schluss  des  ganzen  satzes  (Heinzel  s.  5).  Damit  ist  sie  denn 
keine  eigentliche  'apposition'  mehr:  die  correctere  bezeichnung 
'Variation'  hat  sich  darum  auch  für  sie  eingebürgert:  zum 
unterschied  von  der  'prädicativen'  oder  gedankenvariation 
könnte  man  sie  nominal-  oder  begriffsvariation  nennen.  Doch 
würde  eine  consequente  Unterscheidung  der  beiden  arten 
mehr  der  theorie  als  der  praxis  nützen,  denn  der  schaffende 
dichter  wird  sich  wol  häufig  genug  weniger  auf  die  kraft 
und  fülle  seiner  anschauung  als  auf  seine  sprachliche  technik, 
vor  allem  auf  seine  beherschung  des  traditionellen  synonymen- 
schatzes  verlassen  haben.  Wir  werden  indessen  die  sinngemässe 
anwendung  unsers  Stilmittels  in  dem  handinhandgehen  beider 
demente  begründet  finden. 

Im  letzten  ende  führt  Variationstechnik  auf  einen  affect 
zurück:  die  lebhaftere  teilnähme,  das  gesteigerte  pathos  ver- 
anlasst eine  gleiche  Steigerung  und  belebung  des  ausdrucks. 
Der  nachdruck,  der  auf  einer  äusserung  beruht,  macht  sie 
breiter,  verlangsamt  ihr  tempo:  wie  häufig  erfordert  nicht  in 
der  musik  das  crescendo  ein  rallentando.  Hat  nun  aber  in 
der  dichterischen  anschauung  ein  begriff  das  sinnliche  über- 
gewicht über  einen  anderen,  so  muss  der  poet  vor  allem  darauf 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILI8TIK  DER  ALT8.  GENESIS. 


167 


bedacht  sein,  das  stilistische  gleichge  wicht  nicht  dadurch  zu 
stören,  dass  er  allzu  frei  seinem  gedanken  lauf  lässt.  Es 
würde  ihm  schlecht  anstehen,  wenn  er  z.b.  das  subject  dem 
verbalbegriff  an  nachdruck  und  umfang  zu  sehr  voranstellte; 
vor  allem  würde  er  so  das  ruhige  fortschreiten  der  darstellung 
unterbrechen.  Um  den  hörer  also  nicht  längere  zeit  beim 
subject  verweilen  zu  lassen,  als  es  die  bedeutung  des  prädicats 
gestattet,  fühlt  sich  der  dichter  veranlasst,  seine  accente  zu 
verteilen  und  an  stelle  von  ausgeführtem  subject  —  prädicat  — 
so  zu  ordnen:  subject  —  prädicat  —  ausführung  (also  'appo- 
sition'  oder  besser  'Variation').  Damit  wäre  zugleich  auch  das 
gnmdschema  für  die  Stellung  der  Variation  gegeben,  das  uns 
selbst  aus  den  verwickeltsten  begriffs-  und  gedankencomplexen 
immer  wider  hervortritt,  so  oft  auch  der  dichter  variierend 
auf  ein  thema  zurückgreift. 

So  entsteht  durch  die  doppelwirkung  der  objectiv  fort- 
schreitenden handlung  und  der  subjectiv  verweilenden  an- 
schauung  jener  concrete  Charakter  des  epischen  stils,  der  in 
der  tat  das  volk  noch  sehen  und  erleben  lässt,  was  geschieht.1) 

Ihm  entspricht  eine  weitere  art  des  gehobenen  ausdrucks 
(Heinzel  s.  3  ff.):  die  ersetzung  des  pronomens  durch  ein  nomen 
bei  der  wideraufnahme  eines  begriffes.  Die  fülle  der  anschauung, 
die  die  begriffsweit  der  altgerm.  dichter  umgibt,  und  der  er- 
erbte reichtum  ihrer  ausdrucksmittel  lassen  die  pronominalen 
beziehungen  matt,  abstract  und  unpoetisch  erscheinen:  an  ihre 
stelle  tritt  dasselbe  stilelement,  das  den  typischen  ausdruck 
ihrer  sinnlichen  gedankentechnik  bildet,  die  Variation.  Sie 
stellt  also  auch  hier  die  anhalts-  und  ruhepunkte  in  der  be- 
wegung  dar,  welche  ein  pronomen  in  folge  seines  mangelnden 
anschauungswertes  nicht  bieten  konnte. 

An  dieser  stelle  möchte  ich  noch  auf  zwei  erscheinungen 
eingehen,  die  zwar  nicht  unter  den  allgemeinen  begriff  der 
Variation  fallen,  aber  ihm  nicht  zu  fern  stehen.  Auch  bei 
ihnen  ist  jenes  princip  wirksam,  das  durch  eine  art  von 
accentteilung  den  hauptbegriff  seines  vollgewichts  entlastet. 
Und  zwar  tritt  diese  ein  ohne  rücksicht  darauf,  ob  der  sprach- 
liche ausdruck  direct  eine  solche  trennung  zulässt.  Das  ist 


»)  S.  oben  8. 155. 


Digitized  by  Google 


108 


PAULS 


zunächst  der  fall  bei  einem  complexen  begriff  wie  z.  b.  nomen 
-f  attribut l)  (Heinzel  3,  s.  12).  Ich  brauche  wol  kaum  hervor- 
zuheben, eine  wie  bedeutende  rolle  diese  erscheinung  in  der 
spräche  des  gemeinen  mannes  spielt2);  in  manchen  dialekten 
werden  starke  misfallensurteile  fast  nur  in  dieser  Stellung  ge- 
braucht. Vor  allem  beliebt  ist  die  trennung  eines  complexen 
begriffes  oder  seine  durchkreuzung  mit  dem  ganzen  oder  teil- 
weisen verbalbegriff;  über  die  inneren  gründe  dieser  Stellung 
s.  oben  (s.  167).  In  gleicher  weise  wird  auch  das  prädicat  be- 
handelt (Heinzel  s.  13). 

Nicht  viel  anders  liegt  die  sache,  wenn  ein  einfacher  be- 
griff unter  dem  hochton  steht.  Verträgt  sich  starke  hervor- 
hebung  eines  Satzteiles  nicht  mit  der  bedeutung  der  übrigen, 
so  spaltet  der  accent  gewissermassen  den  tragenden  gedanken 
oder  begriff  oder  ausdruck:  daraus  entspringt  z.  b.  die  primi- 
tive widerholung  (chume  chutne  geselle  min  Meyer  a.  a.  o.  s.  228), 
oder  die  künstlerisch  höher  stehende  variierende  widerholung 
(0  ich  thor,  ich  rasender  thor  aus  Schillers  Xenien,  Meyer  s.229).. 
Auf  die  fülle  des  unter  diese  allgemeinen  gesichtspunkte 3) 
fallenden  Stoffes  kann  ich  hier  nicht  näher  eingehen:  wenig- 
stens sei  aber  noch  die  vocativische  anrede  erwähnt:  Willst 
du  mit,  Hänsehen?  im  gegensatz  zu  dem  primitiven  Will  Häus- 
chen mit?  Gerade  hier  hat  die  spräche  wol  am  frühesten  den 
personalbegriff  in  zwiefacher  weise  ausgedrückt.  Eine  voll- 
kommene parallele  dazu  bildet  die  erscheinung,  auf  die  Heinzel 
unter  lc  (s.  7)  eingeht  :  die  voranstellung  des  pronomens  (der 
dritten  person).  Es  ist  ein  in  der  gewöhnlichen  rede  ungemein 
häufiges  ausdrucksmittel;  z.b.  auf  die  frage:  Is  Henscliel  Willem 
noch  ni  derheeme?  folgt  die  antwort:  A  is  ni  drhecme,  HenscheL 
Oder:  Ich  ha's'n  sat,  dei  gelapsche  do  (Hauptmann,  Fuhrmann 
Henschel  s.  3  bez.  50;  licen  verludern  lasst  a'n,  dr  Pauer  (ders., 
Vor  Sonnenaufgang  s.  41).  An  stelle  der  zweigipfligen  satz- 
curve  (Henschel  is  ni  drhceme)  tritt  also  die  eingipflige,  in- 
dem man  einen  der  betonten  begriffe  aus  der  ursprünglichen 
Verbindung  loslöst  und  ihn  gleichsam  ergänzend  dem  satz  folgen 

')  Vgl.  Bechstein  8. 137.  Peters  s.  6. 

a)  Vgl.  Hellwig,  Die  Stellung  des  attributiven  adjectivs  im  deutschen. 
Diss.  Giessen  1898,  s.44;  'Apposition  mit  prädicativem  nachdruck'  ebda.  s.  168. 
»)  Vgl.  hier  Meyer  s.  230  ff. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


169 


lässt.  Dadurch  sieht  man  sich  veranlasst,  auf  den  nach- 
gestellten hauptbegriff  proleptisch  hinzuweisen,  und  diesen 
zweck  erfüllt  das  pronomen.  Der  form  nach  haben  wir  es 
hier  also  nicht  mit  einem  regressiven,  sondern  einem  pro- 
gressiven stilelement  zu  tun  —  was  nach  den  erörterungen 
von  s.  166  ausserordentlich  auffallen  müsste  — ;  aber  im  gründe 
ist  es  regressiv.  So  erklärt  Heinzel  (s.  7):  'dem  dichter  schwebt 
ein  neuer  begriff  so  lebendig  vor  äugen,  dass  er  ihn  wie  ein 
bekanntes  mit  dem  pronomen  einführt  und  erst  später  mit  dem 
eigentlichen  worte  unzweideutig  bezeichnet'.  Somit  liegt  in 
Wirklichkeit  doch  auch  bei  dieser  'pronominalvariation'  keine 
abweichung  von  der  oben  (s.  167)  constatierten  gewohnheit  des 
dichters  vor. 


In  dem  capitel  'satztechnik'  ist  bereits  ein  teil  des  Stoffes 
behandelt,  der  unter  der  Überschrift  'Variation  der  aussage' 
hierher  gesetzt  werden  könnte.  Für  jene  'satzvariation'  in- 
dessen bot  sich  ein  anderer  ausgangspunkt  dar  als  der,  welcher 
nach  den  vorstehenden  erörterungen  zur  betrachtung  jenes 
zweiten  teiles  führt,  der  Variation  des  prädicate. 

Rein  äusserlich  betrachtet  bildet  diese  eine  gewisse  er- 
gänzung  zur  satzvariation.  Während  die  letztere  vorwiegend 
in  hauptsätzen  auftritt,  herscht  in  nebensätzen  die  prädicats- 
variation  vor. 


Die  Ursache  für  diese  Verschiedenheit  der  Verwendung 
liegt  offenbar  darin,  dass  der  dichter  aus  ästhetischen  rück- 
sichten  die  Variation  eines  vollständigen  nebensatzes  mit  seinem 
relativischen  oder  conjunctionalen  eingang  gescheut  hat.  In  den 
3  Heliandstellen  (3736  relativsatz  und  3916.  5691  conjunctional- 
sätze)  sind  diese  eingänge  nicht  widerholt,  ebensowenig  G  16. 
G  44  und  140  weisen  eine  formell  so  stark  ausgeprägte  Varia- 
tion auf,  dass  die  notwendige  conjunctionelle  einführung  der- 
selben nicht  zu  unangenehm  auffällt, 

*)  Das  material  für  die  Untersuchung  des  H  bilden  ca.  1000  verse: 
1-338.  1279-1502.  3671-3925.  5532—5712. 


Die  Variation  in  Q  und  H. 


Satzvariationen:  HS 
H   19  =  86,4  °/0 
G   10  =  77  °/0 


NS 

3  =  13,6  o/o 
3  =  23  •/„. 


170 


PAULS 


Fassen  wir  unter  prädicatsvariation  die  Variation 
sämmtlicher  verbal  begriffe  zusammen,  so  ergibt 


Prädicatsvariationen :  HS 
H  23  =  41,1  •/, 
G    18  =  64,3 0  o 


NS 

33  =  58,9% 
10  =  35,7%. 


Also  auch  hier  wider  ein  bedeutender  unterschied  zwischen  H 
und  G.  Gehen  wir  indessen  näher  auf  die  einzelerscheinungen 
ein,  so  könuen  wir  als  prädicatsvariation  in  engerm  sinne  nur 
diejenige  des  verbum  finitum  ins  auge  fassen  (H  77.  130.  1349. 
52.  68.  1434.  95.  97.  3721.  24.  3844.  57.  64.  5555.  56.  90.  5017. 
91.  98.  5709.    G  46.  65.  68.  153.  165.  176.  181.  227.  246.306): 


Verb,  fin.:  HS 
H   3  =  15% 

G   5  -  50% 


NS 

17  =  85% 
5  =  50%. 


Diese  differenzen  sprechen  ganz  entschieden  zu  Ungunsten  von 
G:  wir  sollten  in  ihr  (wie  es  sich  bei  H  gezeigt  hat)  in  weit 
grösserem  massstab  ein  zusammengehen  der  retardierenden 
Stilmittel,  des  nebensatzes  und  der  Variation,  erwarten. 

Der  unterschied  dieser  tabdle  von  der  vorhergehenden 
weist  auf  andere  Ursachen  hin.  Die  nominalforraen  des  ver- 
bums (infinitiv  und  participium)  zeigen  in  der  Verteilung  ein 
anderes  bild  (H  2.  149.  164.  168.  183.  184.  189.  230.311.317. 
320.  328.  1359.  360.  1405.  10.  21.  49.  51.  69.  72.  74.  3887.  5608. 
75.  G  28.  37.  39.  41.  72.  77.  156.  160.  177.  232.  237.  294): 


Infinitive:  HS 
H  12  =  48  % 
G     8  =  66,7  % 


NS 

13  =  52  % 
4  =  33,3  % 


auch  hier  eine  nicht  unbedeutende  differenz,  dagegen  (H  123. 
166.  170.  1326.  3895.  5558.  78.  5647 ;  64.  3919.  5591,  G  47. 
71.  147;  20.  32.  204): 


Participien:  HS 
H  8  =  72,7  % 
G  5-83,3 


NS 

3  =  27,3% 
1  =  16,7%. 

So  können  wir  diese  erscheinungen  nicht  völlig  den  eigentlichen 
prädicatsvariationen  gleichstellen;  sie  bilden  vielmehr  eine  über- 
gangsstufe  zu  den  nominalvariationen. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALT8.  GENESIS. 


171 


Was  die  Verteilung  der  prädicatsvariationen  auf  erzählung 
und  rede  (incL  einführung  derselben)  anbelangt,  so  besteht 
zwar  ein  unterschied  von  derjenigen  der  satzvariationen;  H 
und  G  zeigen  jedoch  weder  in  der  gesammtzahl,  noch  im  ein- 
zelnen nennenswerte  differenzen;  es  herscht  fast  die  gleiche 
Übereinstimmung  wie  vorher: 


Satzvariationen:  erzählung 
H  9  =  40,9°o 
G    5  =  38,5  •/• 

Präd.- Variationen: 

H  17  =  30,4  °/0 
G     7  =  25 


rede 
13  =  59,1  % 
8  =  61,5  »o 

39  =  69,6  •/• 
2  t  =  75°/0 


Aus  dieser  Übereinstimmung  dürfen  wir  immerhin  den  schluss 
ziehen,  dass  die  rede  mit  ihrem  stärkeren  affect  und  ihren 
weniger  zahlreichen  und  bedeutenden  inhaltsnovis  ein  besonders 
günstiger  boden  für  die  Variationstechnik  ist.  Das  maximum 
bilden  auch  hier  die  verba  finita  mit  70  (H)  :  80  (G)  °/o  rede, 
das  minimum  die  participien  mit  55  (H)  :  66,7  (G)  °/0.  Zum 
schluss  zeigt  sich  auch  hier  widerum  ein  auffallendes  plus  in  G; 
hier  eine  prädicatsvariation  auf  12,  im  H  auf  18  verse. 

Unter  den  28  prädicatsvariationen  der  G  befindet  sich  nun 
eine  ganze  reihe,  die  einer  genaueren  betrachtung  wert  sind. 
Auf  einige  von  diesen  habe  ich  schon  früher  hingewiesen,  und 
zwar  bei  der  besprechung  der  abweichungen  im  wortgebrauch. 
Solche  stellen  sind: 

V.  46.  thes  ni  habda  he  eniga  genuurnhte  te  thi,  ||  sundea  gisuohta ; 

V.  71.       Thoh  thu  sog  aledit  sis,    ||   mid  firinum  bifangan; 

P,  35. 

V.  72.      thoh  nnillik  thi  frithu  settean  ||  togean  sulic  tekean; 

[1,6  f.  Ben.  36. 

V.  77.       cuman  te  thines  herron  sprako,  ||  uueslean  thar  mid  uuor- 

[don  thinon;  Beh.  19. 

V.  227.       hu  ik  ans  filu  mahlea   ||   uneslea  unider  thi  mid  minnm 

[uuordam ;  I,  46. 

Solche  stellen  führten  oben  zu  der  Vermutung,  dass  der  aus- 
druck  des  dichtere  nicht  immer  gleichen  schritt  mit  seinen 


172 


PAULS 


gedanken  gehalten  habe.  Andere  stellen  zeigen  neben  mangel- 
haftem wortgebrauch  auch  noch  andere  technische  Uneben- 
heiten. 

V.  160.     thuo  fundun  sia  Abraharaa  bi  enum  ala  standan, 
uuaran  enna  uuihstedi. 

Das  wäre  eine  ganz  concrete  Vorstellung:  warum  widerbolt  denn  der  dichter 
den  nunmehr  bekannten  begriff  ala  durch  uuihstedi  mit  dem  unbestimmten 
artikel?  Jedenfalls  hat  er,  ohne  irgend  eine  Anschauung  zu  haben,  nur 
eine  synonyme  phrase  niedergeschrieben:  gerade  die  folgenden  gedanken 
scheinen  diese  annähme  zu  bestätigen  (vgl.  1, 28  ff.). 

V.  204.  muot  thanna  that  land  gisund 

uualdand  an  thinum  uuillean  giuuerid  standan? 

Zum  ausdruck  1, 43.  50 ;  wir  haben  es  hier  mit  der  Variation  eines  teil- 
begriffs  zu  tun,  der  obendrein  durch  seine  äusserliche  trennung  von  dem 
zugehörigen  verbum  nicht  die  schwere  besitzt,  ohne  die  ein  begriff  nicht 
variationsfähig  ist.  —  Eine  weitere  Variation  eines  zu  leichten  begriffes 
findet  sich 

V.  176.     Thuo  quam  im  eft  tegegnes  godas  anduuordi 
mahtig  muotta;  1,52.  Beh.  41. 

Hier  ist  nicht  der  verbal-,  sondern  der  nominalbegriff  das  wesentliche.  Auf 
ihn  geht  allerdings  mahtig  zurück,  aber  anduuordi  hätte  etwa  in  einem 
spraka  eine  parallele  finden  müssen;  obgleich  auch  dann  die  stelle  noch 
nicht  glatt  wäre.   Aehnlich  liegt  die  sache  bei 

V.  41.       that  he  bihelan  mahti  herran  sinum 
thia  dadi  bidernian. 

Zunächst  liegt  hier  ein  grammatischer  fehler  vor:  bihelan  kann  nicht  absolut 
stehen.  Wichtig  ist  ferner  nicht  der  verbalbegriff  bütelan,  sondern  das 
ganze  prädicat  thia  dadi  bihelan,  und  das  hätte  eine  entsprechende  Varia- 
tion finden  müssen.  In  unserm  falle  ist  das  varians  weit  schwerer  als  das 
variatum !  Auch 

V.  306.     Thuo  uurnbun  eft  uuider  helega  uuardos, 
godas  engilos,  gengun  sniumo 

zeigt  eine  fehlerhafte  Variation,  die  durch  das  novum  sniumo  dem  zu  va- 
riierenden uurubun  uuider  nicht  gerecht  wird.   Endlich  bietet  uns 

V.  232.     the  sea  liggian  sculun,  ||  fegia  biuallan 

die  parallele  zweier  ganz  incommensurabler  begriffe:  'liegen'  |  'fallen'  — 
und  damit  einen  der  schwersten  fehler  gegen  das  wesen  der  Variation. 

Bei  11  stellen  von  28  mussten  also  aussetzungen  gemacht 
werden;  und  das  kennzeichnet  die  mangelhaftigkeit  der  Varia- 
tionstechnik des  dichters.    So  häufig  er  das  stilmittel  ver- 


Digitized  by  Google 


ZUB  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


173 


wendet,  so  ist  er  doch  nicht  völlig  in  dessen  geist  eingedrungen: 
wenn  er  auch  die  form  von  der  tradition  übernommen  hat,  die 
innere  bedeutung  der  erscheinung  ist  ihm  nicht  klar  geworden 
oder  überall  klar  geblieben. 

Die  oben  constatierten  Unebenheiten  finden  sich  in  gleicher 
weise  in  den  mehr  verbalen  wie  in  den  mehr  nominalen  formen 
der  prädicatsvariation.  Irgend  welche  weiteren  unterschiede 
zwischen  diesen  beiden  formen  sind  mir  nicht  aufgefallen. 

Mit  der  nominal  Variation  komme  ich  auf  das  eigentliche 
gebiet  der  arbeit  von  Pachaly:  ich  werde  gelegentlich  auf  diesen 
hinzuweisen  haben;  für  meine  Statistik  habe  ich  indessen  weder 
seine,  noch  ßoedigers  oder  Behaghels  auszählungen  benutzt. 
Wie  es  sich  besonders  bei  P.  gezeigt  hat,  geht  die  theoretische 
definition  der  Variation  nicht  immer  so  glatt  in  der  praxis  auf, 
und  so  kann  es  nicht  verwundern,  wenn  meine  zälilungen  einige 
differenzen  von  denen  Pachalys  und  Behaghels  aufweisen.  Zur 
rechtfertigung  setze  ich  die  belege  für  die  folgenden  kategorien 
der  absoluten  nominalvariationen  her. 

a)  Gott  (im  H  +  Christus). 

H  26.  30.  49.  90.  109.  135.  240.  324.  326.  331.  1284.  86.  1334.  77. 
1402.  71.  3671.  83.  3711.  16.  58.  6a  80.  86.  88.  3883.91.  3921.  5540.43.  67. 
83.  86.  98.  5613.  23.  29.  35.  40.  50.  &i. 

G  8.  23.  25.  31.  101.  106.  134.  152.  155.  168.  174.  191.  229.  273. 

b)  Abstracta. 

H  6.  10.  14.  25.  27.  28.  51.  52.  64.  83.  90.  112.  140.  238.  239.  295. 
331.  1302.  07.  17.  30.  41.  42.  46.  48.  54.  55.  65.  91.  1438.  39.  74.  3695. 
3709.  46.  59.  7a  88.  91.  3830.  32.  37.  41.  59.  66.  74.  81.  86.  97.  3922.  5563. 
82.  5626.  37.  60.  87.  5701. 

G  11.  49.  51.  60.  62.  66.  82.  89.  105.  109.  117.  120.  129.  144.  171. 
183.  189.  244.  253.  254.  262.  264.  266.  303.  329. 

c)  Concreto.  « 

H  15.  52.  62.  68.  97.  126.  165.  176.  193.  194.  215.  230.  246.  248.  249. 
251.  253.  255.  269.  291.  296.  306.  312.  316.  323.  326.  330.  335.  1281.  98. 
1372.  83.  91.  95.  1400.  12.  30.  49.  61.  77.  86.  90.  1500.  3676.  85.  86.  94. 
3700.  14.  26.  30.  33.  45.  64.  71.  82.  96.  9a  3824.  67.  84.  3907.  17.  5532. 
32.  35.  38.  41.  43.  43.  4a  49.  53.  57.  70.  75.  56G4.  18.  23.  42.  46.  63.  67. 
5707.  11. 

G  33.  86.  99.  114.  119.  127.  139.  141.  142.  148.  151.  184.  187.  203. 
207.  214.  220.  234.  251.  256.  268.  283.  287.  291.  294.  299.  306.  309.  314. 
319.  320.  328. 


Digitized  by  Google 


174 


PAULS 


d)  Pronominalvariationen. 

H  5.  8.  20.  29.  35.  38.  56.  70.  106.  253.  268.  286.  1280.  96.  1308.  10. 
53.  58.  1408.  16.  39.  63.  3749.  96.  96.  99.  3830.  46.  60.  5532.  5648. 
G  28.  95.  97.  156.  159.  177. 

e)  Adverbia. 

H  327.  1282.  1384. 
G  39.  132.  151.  260. 

Zu  diesen  absoluten  uni  mal  Variationen  kommen  für  die 
aufstellung  der  gesammtsumme  noch  15  ad jectiv Variationen  aus 
H  und  11  aus  G  in  betracht,  deren  Specialbehandlung  weiter 
unten  erfolgt.  Damit  bekommen  wir  im  ganzen  231  belege 
aus  H  gegenüber  92  belegen  aus  G:  also  wider  ein  plus  in  G: 
27  °/o  G-verse  weisen  nominalvariation  auf,  23  °/0  H-verse. 
Eine  entsprechende  mehrzahl  hatten  wir  bereits  bei  den  satz- 
'3,8  %  G  :  2,2  o/0  H)  und  den  prädicatsvariationen  (8,3  %  G  : 
5,6  °/o  H)  zu  verzeichnen;  fassen  wir  die  Variation  in  ihren 
sämmtlichen  erscheinungsformen  zusammen,  so  finden  wir  sie 
in  39,1  °/0  der  G-  und  30,8%  der  H-verse. 

In  den  einzelnen  gruppen  stellen  sich  die  Verhältnisse 
wie  folgt: 


a 

b 

c 

d 

e 

fl 

19 

26,4 

38,9 

14,3 

1,4% 

G 

17,3 

30,8 

39,5 

7,4 

5  •/• 

Von  den  hier  festgestellten  unterschieden  ist  besonderer  wert 
auf  den  in  der  Variation  von  abstractis  und  concretis  zu  legen. 

Die  pronominalvariation  zeigt  nach  der  häuligkeit  ihrer 
Verwendung  auch  eine  differenz,  doch  wage  ich  nicht  daraus 
Schlüsse  zu  ziehen.  Erst  eine  eingehendere  betrachtung  der 
belege  scheint  das  zu  ermöglichen.  Wie  wir  oben  (s.  170)  ge- 
sehen haben,  wird  das  verbum  finitum  vorwiegend  im  neben- 
satz  variiert,  die  nominalformen  des  verbums  dagegen  im  haupt- 
satz,  und  ähnlich  steht  es  mit  der  nominalvariation  überhaupt, 
von  der  auf  hauptsätze  fallen 


a 

b 

c 

d 

e 

H  61 

66,7 

59,5 

35,5 

100  °,o 

G  64,3 

68 

62,5 

83,3 

75  •/• 

Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


175 


Auf  e)  kann  kein  wert  gelegt  werden;  auffallend  aber  ist 
vor  allem  die  differenz  in  der  Verteilung  der  pronominal- 
variationen,  die  H  gewöhnlich  im  NS,  G  im  HS  verwendet. 
Als  die  norm  werden  wir  doch  die  pronominalvariation  des  H 
ansehen  müssen.  Das  erhärtet  auch  ein  vergleich  mit  dem 
Beowulf,  in  dem  unsere  erscheinung  ebenfalls  (wenn  auch  nur 
mit  56,3  °/o)  in  den  nebensätzen  überwiegt.  Ueberhaupt  scheinen 
nebensätze  mit  ihren  meist  steigenden  eingängen  und  häufiger 
Verwendung  von  pronominibus  dieser  art  von  Variation  beson- 
ders günstig  zu  liegen.  Gegen  diese  auffassung  spricht  auch 
die  Sachlage  des  Beowulf  nicht,  denn  dieser  unterscheidet  sich 
gerade  in  seiner  Variationstechnik  nicht  unwesentlich  vom  H : 
durch  eine  weit  geringere  häufigkeit  der  Variation  im  all- 
gemeinen, wie  auch  speciell  unsrer  pronominalvariation:  dem 
hinweis  durch  das  pronomen  folgt  nur  in  seltenen  fällen  die 
nachträgliche  nominale  bestimmung  (den  30  beispielen  des  H 
[1000  verse]  stehen  nur  16  in  v.  1—1500  des  Beowulf  gegen- 
über). Neben  diesem  zahlenunterschied  findet  aber  eine  tiefer 
gehende  Übereinstimmung  im  gebrauch  von  H  und  Beowulf 
statt:  hier  sind  über  93  dort  74  %  Variationen  des  subjects, 
während  in  der  G  sich  nur  33,3  %  subjectsvariationen  finden. 

Nach  diesen  statistischen  erörterungen  dürfte  es  sich  ver- 
lohnen, auf  das  material  der  G  genauer  einzugehen. 

Auch  unter  den  oben  citierten  nominalvariationen  befinden 
sich  einige,  die  wir  bei  der  besprechung  eines  individuellen 
wortgebrauchs  in  der  G  bereits  gestreift  haben.  So  verweise 
ich  z.  b.  für 

V.  266.       mid  gumkustium  ||  giuuerid  mid  geuuitteo 

auf  1, 45;  gumkust  selbst  ist  eins  von  den  zahlreichen  nur  in  G 
belegten  nominalcompositis  (Behaghel  s.  10);  sein  gebrauch  in 
der  Variation  mit  giuuüt  ist  correct 

Eine  sehr  unschöne  Variation  sehe  ich  in  der  stelle 

V.  196.       that  thn  thar  te  henum  duoas  ubila  endi  giioda, 
lioba  endi  leda,  uuand  sia  gilica  ni  sind. 

Wir  haben  es  hier  lediglich  mit  einer  häufung  von  synonymen 
zu  tun:  nur  die  äussere  form  verrät  die  Variation,  die  inneren 
bedingungen  dafür  fehlen.  Allerdings  treten  diese  inneren 
bedingungen  der  Variation  durchaus  nicht  immer  in  gleicher 


Digitized  by  Google 


176 


Pauls 


sinnfälligkeit  hervor;  hier  wie  bei  den  meisten  ästhetischen, 
also  auch  stilistischen  fragen  ist  der  gefühlswert  wichtiger  als 
der  absolute  begriffswert.  Danach  sind  auch  die  folgenden 
erscheinungen  zu  beurteilen,  die  neben  auffälligkeiten  im  wort- 
gebrauch vor  allem  solche  in  der  Variationstechnik  zeigen. 

Es  sind  dabei  nicht  immer  nur  details,  auf  die  jenes  kri- 
terium  seine  anwendung  findet:  gleich  die  ersten  der  zu  be- 
trachtenden stellen  führen  auf  principienfragen,  wie  v.  11.  329 
u.  a.  auf  diejenige  von  Variation  und  apposition. 

Wir  hatten  oben  (s.  166)  diese  ein  progressives,  jene  ein 
regressives  Stilmittel  genannt;  vielleicht  ist  aber  damit  für 
die  praxis  noch  nicht  alles  nötige  gesagt.  Die  Variation  bringt 
kein  absolutes  novum,  wie  es  die  apposition  häufig  enthält, 
aber  durchaus  nicht  immer.  Man  kann  also  über  die  Variation 
hinweglesen,  ohne  dass  der  sinn  beeinträchtigt  wird,  aber  das 
gleiche  ist  zuweilen  auch  bei  der  apposition  der  fall.  Der 
eigentliche  unterschied  liegt  tiefer:  die  anwendung  der  appo- 
sition richtet  sich  nach  der  logischen,  die  der  Variation  nach 
der  gefühls-  oder  stimmungsmässigen  notwendigkeit.  Dafür 
bieten  die  genauer  untersuchten  Heliandpartien  folgende  belege: 

V.  74.       uuas  fan  them  liudeon  Leuias  cunnes, 
Jacobas  suneas,  guodero  thiedo. 

V.  3793.       thes  herrosten  man,  ||  Erodeses  thegan, 

V.  5551.       cuning  Judeono,  ||  Jesus  fan  Nazarethburh. 

In  der  apposition  steht  ein  eigenname  als  novum;  auch  im  letzten  fall,  in 
dem  es  sich  um  die  kreuzinschrift  handelt,  v.  75  wird  die  apposition  durch 
Variation  fortgesetzt.   Aehnlich  ist 

V.  253.  Sia  en  thegan  habda 

Joseph  gimahlid,  guodes  cunneas  man, 

wobei  das  letztere  wort  das  vorhersehende  thegan  variiert.  Nach  unserm 
gefühl  würde  daun  aber  Joseph  appositionell  aufgefasst  werden  müssen;  ob 
das  hier  möglich  ist,  will  ich  nicht  entscheiden. 

V.  326.       that  is  Jesus  Crist,  godes  egan  barn, 
uualdandes  suno. 

V.  5607.  Maria  muoder  Oistes. 

V.  5611.  Johannes  iungro  Cristes. 

Hier  haben  wir  es  mit  einer  notwendigen  erklärung  zu  tun,  wenigstens  bei 
v. 326,  wo  deren  Wichtigkeit  ja  auch  durch  Variation  bezeugt  wird;  etwas 
mehr  formelhaft  erscheinen  die  letzten  beiden  beispiele;  hier  spricht  auch 
die  quelle  für  apposition. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


177 


Als  Variation  beurteile  ich  dagegen 

V.  3884.  Huar  quam  that  Judeono  folk,  quathie, 

thina  nuidersacon,  tha  thi  hier  uurogdun  te  mi? 

Der  ausdruck  Judeono  folk  scheint  vom  Standpunkt  des  dichtere  aus  gebraucht 
zn  sein,  und  ihm  ist  Judeo  :  uuidarsaco  wol  eine  art  von  synonyraon  gewesen. 

Aeussere  ähnlichkeit  mit  den  versen  74  f.  253  f.  zeigt 

V.  194.     scolda  im  erbiuuard  ||  suitho  godcund  gomo 
gibidi  uuerthan,  ||  barn  an  burgeon; 

doch  wage  ich  nicht,  die  erste  erweiterung  mit  Sicherheit  als  apposition 
hinzustellen,  da  ihr  inhalt  kein  wesentliches  sinnesnovura  bringt.  Gleiche 
Schwierigkeiten  verursacht  aber  auch  ihre  einreihung  unter  die  Variationen. 

Aus  der  G  verdienen  folgende  stellen  eine  besprechung: 

V.  12.  Nu  thuingit  mi  giu  hungar  endi  thnrst, 

bitter  balouuerek,  thero  uuaron  unit  er  bedero  tuom. 

Hier  haben  wir  es  natürlich  mit  einer  apposition  zu  tun  (dagegen  Pachaly 
9.53;  vgl.  dazu  die  allerdings  auch  nicht  schöne  Variation  sulic  uuiti  |  ha- 
ramo  mestan  v.  11),  aber  mit  einer  fehlerhaften  apposition.  Das  ergibt 
sich  aus  dem  gebrauch  von  balouuerek  (Beb.  s.  14).  Der  Wechsel  der  pcrson 
(mi  —  uuit)  ist  bereits  s.  150  gerügt;  er  Hesse  es  plausibel  erscheinen,  dass 
der  relativsatz  sich  eng  an  die  apposition  anschliesst  und  nicht  etwa  an 
die  beziehungswörter,  wenn  nicht  der  directe  hinweis  in  dem  pluralischen 
thero  gegeben  wäre.  So  müssen  wir  bitter  balouuerek  wol  als  eine  art  von 
parenthese  auffassen:  'nun  bedrängt  mich  hunger  und  duret  —  eine  bittere 
quäl  -—  was  wir  sonst  nie  empfunden  haben'. 

V.  103.      that  im  uurdun  odana  erebiuuardos, 
thegnos  endi  thiornun. 

Eine  Variation  ist  hier  ausgeschlossen  (danach  Pachaly  s.  88  zu  streichen) : 
thiornun  sind  keine  erebiuuardos  (vgl.  v.  99);  aus  demselben  gründe  ist  aber 
auch  die  apposition  tadelnswert.  Bliebe  formell  also  nur  eine  aufzählnng 
übrig,  die  jedoch  wegen  erebiuuardos  =  thegnos  ebenfalls  nicht  annehm- 
bar ist. 

V.  260.    Thanna  sat  im  thar  innan  (burug)  adalburdig  man, 
Loth  mid  them  liudium 

▼gl.  oben  H  253;  nach  unserm  'namens  Loth'  ist  m.  th.  I.  als  Variation  zu 
thar  innan  zu  fassen. 
Die  stellen 

V.  33.        fragoda  huuar  he  habdi  is  brodar  thuo, 
kiudiungan  man, 

V.  268.      Thuo  te  sedla  hneg  sunna  thiu  huuita, 
alloro  bokno  beratost, 

Y.  328.      endi  thiu  uuif  mid  im  ||  thriu  mid  them  thegna 

enthalten  sämmtlich  Variationen. 

Beiträge  rar  geschichtc  der  deutschen  spräche.    XXX.  12 


Digitized  by  Google 


178 


PAULS 


Weder  in  H,  noch  in  G  ist  also  eine  principielle  Scheidung 
von  apposition  und  Variation  möglich,  aus  dem  einfachen  gründe, 
weil  die  apposition  kein  stilprincip  unsrer  dichtung  ist,  Be 
merkenswert  ist  dabei,  dass  die  beiden  gerügten  stellen  der 
G  fehler  aufweisen,  wie  sie  für  ihre  Variationstechnik  charak- 
teristisch sind:  die  Ungleichheit  oder  besser  die  incommensura- 
bilität  von  variatum  und  varians.  Wie  z.  b.  die  apposition  v.  14 
nicht  in  den  grundbegriff  aufgeht,  so  lassen  sich  aus  der  Va- 
riation manche  fälle  aufführen,  wo  ihre  beiden  glieder  nicht 
in  dem  richtigen  begrifflichen  Verhältnis  zu  einander  stehen. 
Schon  die  verbalvariation  zeigte  derartige  erscheinungen;  v.204 
z.  b.  die  Variation  eines  teilbegriffs. 
Hierher  gehört 

V.  66.  Nu  ik  ni  uuelda  mina  triuuua  haldan, 

hngi  uuid  them  thinum  hlutrom  muoda  (vgl.  s.  151). 
Kögel  übersetzt:  'Da  ich  meine  treue  nicht  halten  wollte,  den  frieden  deinem 
reinen  herzen  gegenüber. '  Behaghel  macht  darauf  aufmerksam  (s.  89),  dass 
hugi  nicht  friede  heisst.  Kögel  meint  sicher  das  richtige,  aber  das  bestreben, 
auch  möglichst  wortgetreu  zu  übersetzen,  hat  ihn  zu  einem  der  vorläge 
ähnlichen  fehler  geführt.  Ob  triuuua  der  bedentung  'treue'  oder  1  bündnis. 
friede'  zuneigt,  hugi  ist  keine  Variation  dazu:  es  fehlt  die  hälfte.  Aus  der 
ganz  ähnlich  gemeinten  Variation  H  1457  hlultran  hugi  |  holda  treuua  lässt 
sich  auch  auf  die  Verbindung  von  hold  mit  hugi  schliessen,  die  im  H  sonst 
nicht  belegt  ist,  und  diese  würde  an  unserer  stelle  die  Variation  correct 
machen.  Gerade  die  Variation  eines  begriffes  mit  dem  allgemeineren,  dnrch 
das  adjectiv  specialisierten  begriff  ist  am  gebräuchlichsten.  Aber  die  Va- 
riation vou  substautiv  +  adjectiv  scheint  unsenn  dichter  besondere  Schwierig- 
keiten gemacht  zu  haben. 

Ein  recht  auffälliger  fehler  steht 

V.  214.        thritig  . . .  thegno  . . .  |  uuamlosa  uueros. 

'Fromme,  sündlose  menschen'  ist  ja  eben  der  zu  variierende  begriff,  und 
der  fehlt  hier.  Auch  v. 240 f.  möchte  ich  erwähnen:  tehani  treuhafttra  | 
liodi.  Die  Variation  dieser  stelle  liegt  nur  in  der  äusseren  form:  der  Wechsel 
von  genetivischer  und  accusativischer  construction  (Pachaly  s.45)  stellt  tehani 
treuhaftera  als  selbständig,  also  substantivisch  hin.  Auf  diese  weise  kann 
der  begriff  durch  liodi  variiert  werden.  Aesthetisch  ist  die  Variation  in- 
dessen wertlos,  zumal  an  unserer  stelle,  wo  doch  trotz  ihrer  widerhoinng 
noch  ein  gewisser  nachdruck  auf  dem  adjectivbegriff  ruht;  vgl.  v.203.  207. 
214.  219.  234.  251;  ganz  ähnlich  H  1261.») 


l)  Uebrigens  lassen  sich  derartige  rein  formale  Variationen  auch  im  H 
gelegentlich  nachweisen,  z.  b.  1281  uuisa  man  \  gumon.  Das  erklärt  sich 
leicht,  wenn  man  bedenkt,  dass  im  princip  eine  adjectiwariation  unmöglich 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


179 


An  dieser  stelle  sei  es  gestattet,  auf  das  Zahlenverhältnis 
der  in  unseren  texten  vorkommenden  fälle  einzugehen.  Ich 
ordne  nach  ihrem  syntaktischen  resp.  beziehungswert. 

Abstracto. 

H:  subst.  — ;  attrib.  3783.  5621;  präd.  3767.  .3776.  5655. 
G:  trabst.  196.  284;  attrib.  -;  präd.  -. 

Concreto. 

H:  subst.  3753;  attrib.  201.  3846.  5625.  5704;  präd.  1377.  1494.  3719. 
3790.  3794. 

G:  subst.  240;  attrib.  116.  130.  169.  170;  präd.  20.  32.  45.  134. 

Also  15  belege  von  H  gegenüber  11  von  G:  welch  ein  mis- 
verhältnis!  Weitergehende  Schlüsse  scheint  aber  das  material 
nicht  zu  gestatten.  Erwähnen  will  ich  nur,  dass  innerhalb 
dieser  Variationen  formell  völlige  freiheit  herscht.  Adjective 
wechseln  mit  participien,  H  3767  sogar  ein  adjectiv  mit  einem 
genetiv  (enuald  |  uuilleon  guodes).  Das  dadurch  bedingte  leise 
hineinklingen  des  verbalbegriffes  verträgt  sich  sehr  wol  mit  der 
prädicativen  Stellung,  die  fast  alle  derartigen  fälle  aufweisen 
(G  20.  32.  134,  vgl.  die  prädicatsvariationen  G  204.  H  64.  3919. 
5591);  attributiv  steht  nur  H  5704  negilid  sper  \  liard. 

Einer  der  oben  aufgezählten  belege  ist  aber  aus  eben 
diesem  gründe  zu  bemängeln:  v.  45  bluodig  |  uundun  uuorig. 
uuorig  hat  nur  die  bedeutung  'erschöpft'  (sithuuorig  H  670. 
2238),  bildet  also  keine  parallele  zu  4  blutig'.  Jedenfalls  hat 
dem  dichter  sein  droruuorag  v.  29  (vgl.  1, 32)  vorgeschwebt, 
dessen  erster  bestandteil  ihn  zu  der  Variation  veranlasst  hat. 
Auch  noch  an  zwei  anderen  stellen  liegen  gleichsetzungen  von 
zustands-  und  tätigkeitsbegriffen  vor,  und  zwar  bei  Substantiven: 

V.  81.       Soroga  unard  thar  thuo  gikudit,  ||  inuuidd  mikil, 
iro  kindes  qnalm  (vgl.  1, 37). 

Man  beachte  hier  zugleich  den  subjectswechsel :  soroga  (Adam  und  Eva), 
inuuidd  (Kain),  qualm  (Abel;  wird  im  H  nnr  passiv  gebraucht). 

V.  189.       habda  im  ellian  guod,  ||  uuisa  uuordquidi, 

vgl.  H  3055  habda  im  eilen  guod,  \\  thrista  githahti:  eUen  und  thrista 
gühahti  sind  zwei  schön  hervorgehobene  charakterzüge  des  stiel  suerd- 


ist.  Eine  qualität  kann  nicht  durch  eine  andere  sinnesgemäss  wider  quali- 
ficiert  bez.  variiert,  sondern  nur  von  dem  träger  des  adjectivbegriffes  kann 
eine  zweite,  der  ersten  verwante,  das  ganze  variierende  eigenschaft  aus- 
gesagt werden. 

12* 


180 


PAULS 


tliegan  Symon  Petrus:  wie  vereinigen  sich  aber  eilen  nnd  uuisa  uuordquidi 
im  bild  des  greisen  Abraham  (Gen.  18, 11.  12;  vgl.  Behaghel  8. 41)? 

Unerträglich  wirkt  der  besprochene  gegensatz,  wenn  zu 
ihm  noch  Ungleichheit  der  form  hinzutritt.   Das  ist  der  fall  bei 

V.  254.  Tho  gihordon  sie,  fegere  kann, 

an  allaro  selida  gihuuen  snndiga  lindi 
firinnnerk  fremmian. 

V.  303.      Hietnn  that  sise  io  ni  gihordin  snlic  gehlunn  mikil, 
brakon  an  them  bnruginm. 

V.  329.      Tho  gihordun  sea  thero  thiodo  qualm  ]|  bnrugi  brinnan. 
Behaghel  rügt  mit  recht  alle  drei  stellen  (s.  42  ff.) ;  dem  dichter  scheint  hier 
wirklich  hören  nnd  sehen  zu  vergehen:  auseinanderhalten  kann  er  wenig- 
stens gehöre-  und  gesichtseindrücke  nicht  mehr.   Aehnliches  hatten  wir  ja 
auch  schon  bei  v.  2  gefunden. 

Anderwärts  stellt  der  dichter  unschön  auch  abstracta  und 
concreta  neben  einander: 

V.  244.       hac  he  feil  im  after  te  bedu,  ||  an  kneo  craftag. 

V.  264.       he  uuas  Abrahamas  adalknoslas, 
his  broder  barn. 

Die  unschönheit  des  letzten  beleges  erhellt  ein  vergleich  mit  der  parallelstelle 

H  1298.       huilica  uuarin  allero  irminmanno 
gode  uuerthostun  gumono  kunnies. 

Und  ebenso  zu  beurteilen  ist  schliesslich 

V.  142.  thann  he  mid  uuapnu  scal 

uuerdan  Enocha  te  banon,  eggiun  scarapun 
thuruh  is  handmegin. 

Schon  1, 47  habe  ich  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  hier  wie  v.  90.  146 
die  concrete  ausmalung  des  gedankens  nicht  am  platze  ist,  am  allerwenigsten 
also  ihre  Verstärkung  durch  die  an  sich  richtige  Variation. 

Ausstellungen  mehr  formaler  art  sind  zu  machen  bei 

V.  262.       habda  im  uuelono  giuuog,  |]  guodas  ginunnan, 
ein  singular  und  ein  plural,  vgl.  dazu 

H  3774.  all  that  siu  habda 

uuelono  ginunnan,  so  siu  iro  niht  ni  fargaf 
guodes  an  iro  gardon. 

Variatum  und  varians  machen  in  ihrer  blossen  nebeneinanderstellung  einen 
recht  kümmerlichen  eindruck: 

V.  284.       Sia  him  guodas  so  filo,  ||  suodas  gisagdun. 
Demgegenüber  ist  eine  attributive  Stellung  vorzuziehen  wie 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


181 


H  3783.      gihordun  is  guodun  uuord  ||  suotia  seggian. 

Endlich  lässt  sich  aus  dem  gebiet  der  pronominalvariation 
unter  ähnlichen  gesichtspunkten  betrachten 

V.  146.         nurikit  ina  uuammscadon, 

eigentlich:  'bestraft  ihn,  den  Verbrecher';  ina  scheint  mir  hier  aber  kaum 
mehr  stilistischen  wert  zu  haben  als  der  blosse  artikel  tlietia.  Ebenso  be- 
urteile ich 

V.  95.  thes  im  thuo  bethiun  uuard 

sinhiun  tuem  ser  umbi  herta. 

wie  unser  'ihnen  beiden'. 

V.  177.    Ni  uuilli  ik  is  thi  mit  hau  nu,  j|  helan  holdan  man. 

Unter  den  weit  zahlreicheren  pronominalvariationen  des 
H  habe  ich  einen  solchen  Übergang  aus  einer  in  die  andere 
person  nicht  gefunden. 

Als  correcte  adverbialvariation  fasse  ich 

V.  260.    Thanns  sat  im  thar  innan  (burug)  adalburdig  man 
Loth  mid  them  liudium. 

burug  muss  aus  dem  vers  hinaus,  den  es  sonst  verdirbt :  die  anlehnnng  an 
die  zweite  hälfte  des  compositums,  der  es  seinen  Ursprung  verdankt,  ist 
durchaus  unstatthaft. 

Behagliels  bemerkungen  zur  Variation  entnehme  ich  zum 
Schlüsse  die  beispiele 

V.  151.     Thuo  habdnn  eft  so  suuido  Sodomoliudi, 
nueros  so  faruuerkot, 

V.  171.     uuilthu  minas  uuiht  ||  drohtin  hebbian  huat? 

An  beiden  stellen  ist  unser  Stilmittel  gar  nicht  anwendbar, 
da  die  variata  gar  keinen  begriffswert  haben:  das  zeigt  auch 
die  farblosigkeit  der  ausführung. 

In  23  fällen  ist  also  die  Variationstechnik  des  genesis- 
dichters  zu  bemängeln;  von  ihnen  sind  12  Variationen  von  ab- 
stractis,  6  von  concretis.  Die  früher  hervorgehobene  relative 
mehrheit  der  Variationen  von  abstracten  begriffen  an  sich 
macht  sich  also  nicht  nur  quantitativ,  sondern  auch  qualitativ 
unangenehm  bemerkbar. 

In  allen  diesen  einzelfällen  ist  der  springende  punkt  die 
Ungleichheit  oder  incommensurabilität  der  Variationsglieder. 
Gerade  dadurch  wird  unser  empfinden  am  meisten  gegen  die 
technik  der  G  eingenommen.   Im  H  aber  findet  sich  nichts, 


Digitized  by  Google  - 


182 


PAULS 


was  sich  diesen  Übeln  Variationsarten  zur  seite  stellen  Hesse. 
Was  er  bietet,  ist  durchaus  normal,  der  Genesisdichter  aber 
hat  aus  dichterischem  Unvermögen  die  norm  an  zahlreichen 
stellen  verletzt. 

Es  bleibt  nun  noch  die  Variation  in  ihrem  Verhältnis  zur 
satz-  und  zur  verstechnik  zu  erörtern. 

Ich  schicke  die  bemerkung  voraus,  dass  nach  der  Zusammen- 
fassung s.  174  im  H  die  nominale  Variation  mit  78  °/0  über- 
wiegt: in  der  G  sind  es  nur  64,3  und  das  ist  auch  für  den 
gesammtstil  der  beiden  dichtungen  von  Wichtigkeit. 

Wenig  bedeutsames  haben  hier  die  syntaktischen  Unter- 
suchungen von  Ries ')  zu  tage  gefördert.  Aehnliche  erfahrungen 
hat  Behaghel  gemacht  (s.  26),  wenigstens  in  bezug  auf  die 
frage  nach  der  syntaktischen  grundlage  der  Variation.  In  der 
art,  wie  mehrere  glieder  desselben  satzes  variiert  werden,  hat 
Behaghel  für  den  H  eine  grosse  mannigfaltigkeit  festgestellt, 
der  gegenüber  die  Variation  in  der  G  fast  dürftig  und  trocken 
zu  nennen  ist  (s.  29).  Am  wichtigsten  scheinen  mir  jedoch 
Behaghels  Untersuchungen  über  die  Stellung  der  einander  va- 
riierenden glieder  im  satz  zu  sein,  mit  dem  ergebnis,  dass  die 
endstellung  des  nicht  erweiterten  gliedes  im  H  viel  stärker 
vertreten  ist  als  in  der  G  (s.  32),  und  zwar  mit  50.6—54,8  °/0  H  : 
38,4  %  G:  nur  dürfte  es  doch  wol  schwierig  sein,  in  dieser 
differenz  eine  gesetzmässigkeit  bez.  eine  abweichung  von  der 
norm  nachzuweisen.  Ebenso  scheint  es  mir  nicht  wol  angängig, 
specielle  gründe  für  die  Verschiedenheit  der  Stellung  anzugeben, 
oder  in  ihr  ein  besonderes  stilcharakteristicum  zu  erblicken. 
Daher  finde  ich  auch  keinen  Widerspruch  zwischen  den  ergeb- 
nissen  Behaghels  und  meinen  allgemeinen  bemerkungen  über 
Stellung  und  Verflechtung  der  Variationsglieder  innerhalb  des 
satzes  (s.  167  f.).  Weitergehende  erörterungen  dieser  frage 
aber  halte  ich  für  unzulässig,  so  lange  die  Untersuchung  nicht 
auf  ein  weiteres  gebiet  ausgedehnt  wird.  Die  Variation  ist 
eben  ein  poetisches  Stilmittel:  ihre  technik  ist  darum  aufs  engste 
verknüpft  mit  der  poetischen  Umwertung  der  darstellungsform, 

')  John  Ries,  Die  Stellung  von  subject-  u.  prädicatsverbum  im  Heliand, 
QF.41,  Strasburg  1880,  und  Zur  as.  Genesis.  II.  Zur  Wortstellung,  Zs.fda. 
40,  270. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DElt  ALTS.  GENESIS. 


183 


und  darum  fliessen  eben  in  der  Variation ,  die  ihrem  wesen 
nach  'auf  der  grenzscheide  zwischen  den  tatsachen  des  Sprach- 
gebrauchs und  den  eigentümlichkeiten  des  stils'  steht  (Beliaghel 
s.  25),  satz  (sprach-)  technik  und  verstechnik  in  eins  zusammen. 

IV.  Verstechnik. 

Dem  Verhältnis  von  inhalt  und  form  hatten  wir  bei  der 
Untersuchung  der  satztechnik  das  von  Stetigkeit  und  abwechs- 
lung  zur  seit«  gestellt.  Die  entsprechende  proportion  erhalten 
wir  für  die  verstechnik  durch  die  gegenüberstellung  von  satz 
und  vers.  So  kann  man  sagen:  das  ganze  —  die  inhaltliche 
(syntaktische)  einheit  —  wird  oft  in  teile  —  formale  (metrische) 
einheiten  —  aufgelöst  Ein  syntaktischer  teil  ist  dann  gleich 
einem  metrischen  ganzen.  Auf  der  andern  seite  werden  aber 
widerum  die  metrischen  einheiten  durch  die  syntaktischen  Ver- 
hältnisse ihrer  sprachlichen  Substrate  mehr  oder  Weniger  eng 
aneinander  geschlossen.  Es  ist  also  ein  und  dieselbe  bewegung, 
je  nachdem  wir  sie  vorwärts  vom  üfrpiQofitvov  oder  rückwärts 
vom  (tvfrfioi;  aus  betrachten:  wir  können  in  ihr  gleichsam  das 
bild  eines  kämpf  es  erblicken,  der  liier  mit  einem  siege  des 
stärkeren,  dort  mit  einem  ausgleich  zwischen  beiden  endet. 
Das  mittel  zum  ausgleich  ist  vorzugsweise  die  Variation,  vor 
allem  da,  wo  das  logische  princip  sonst  das  ästhetische  ver- 
decken würde.  Die  grenzen  des  sinnlichen  ganzen  dürfen 
nicht  ohne  grund  dauernd  mit  denen  der  formalen  teile  zu- 
sammenfallen: satz  und  vers  decken  sich  vielmehr  gut  nur  dann, 
wenn  die  ruhepause  an  beider  ende  logisch  und  ästhetisch  be- 
rechtigt ist.1) 

Satz  und  vers. 

Wenn  ich  mich  nun  zu  einer  Statistik  der  verstechnischen 
erscheinungen  von  H  und  G  wende,  stelle  ich  mich  von  vorn- 
herein auf  den  Standpunkt,  von  dem  aus  R  Fischer,  Anz.  fda. 
25, 41  die  Unzulänglichkeit  jeder  absoluten  versstatistik  betont. 
Ich  möchte  daher  die  folgenden  metrischen  betrachtungen*) 

>)  Vgl.  dazu  namentlich  M.  Deutechbein,  Znr  entwicklung  des  englischen 
alliterationaverses.  Leipziger  habilitationsschrift  1902,  s.  7  ff. 

»)  Untersucht  sind  analog  dem  stoff  für  die  satztechnik  H  1—675;  für 
die  berechnungen  fallen  natürlich  die  schweUverse  (268a.  254b.  555a.  556b 


Digitized  by  Google 


184 


PAULS 


nicht  ohne  stillschweigende  bezugnahme  auf  die  resultate  der 
vorhergegangenen  stilistischen  aufgefasst  wissen. 


1)  Satzeingänge, 
a)  Hauptsätze. 

Es  fallen  auf  hauptsatzeingänge  (HE)  die  verstypen 


A 

B 

C 

D 

E 

A, 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

H  30 

40 

22 

125 

18 

61 

5 

11 

6 

12 

14 

42,8 

57,2 

15 

85 

21,5 

78,5 

31,3 

68,7 

33,3 

66,7 

100 

(b!)  % 

G  30 

30 

12 

81 

4 

28 

11 

7 

1 

6 

15 

(1?) 

50 

50 

12,8  87,2 

12,5 

87,5 

61,1 

38,9 

14,3 

85,7 

100 

(v.331)  •/. 

also  G  — 

7,2 

+  2,2 

+  9 

29,8 

+  19%. 

Bemerkenswert  sind  die  starken  differenzen  bei  D  und  E; 
doch  lege  ich  mehr  wert  darauf,  dass  gerade  bei  den  fallenden 
rhythmen  (ADE)  ein  so  prägnanter  unterschied  stattfindet. 
G  zeigt  jedoch  neben  dem  minus  in  Ab  und  Db  (dem  ent- 
sprechend plus  in  BbCb)  ein  plus  in  Eb;  es  liegt  also  keine 
consequente  Verwendung  dieser  beiden  rhythmischen  kategorien 
(fallend  und  steigend)  vor.  Ob  die  differenz  zwischen  D  und  E 
zu  weiteren  Schlüssen  berechtigt,  will  ich  dahingestellt  sein 
lassen:  zumal  ich  der  meinung  bin,  dass  die  Scheidung  fallender 
und  steigender  rhythmen  ihre  grossen  Schwierigkeiten  hat  und 
nicht  überall  glatt  durchführbar  ist. !)  Aus  praktischen  gründen 
halte  ich  jedoch  im  folgenden  an  der  herkömmlichen  Schei- 
dung fest. 

Aus  der  Zusammenfassung  der  oben  verzeichneten  fälle 
ergibt  sich  folgendes  Verhältnis  der  eingänge  in  den  beiden 
halbzeilen: 

—560b.  600a- 605b)  fort;  ebenso  aber  aus  der  G  v.25.  116.  236.  322b- 
324  a.  —  Mit  a  und  b  bezeichne  ich  die  beiden  halbzeilen  des  langverses. 

')  So  unterscheidet  Fischer  (a.a.O.  8.50)  steigende  und  fallende  C; 
Deutschbein  (a.a.O.  s.  12)  schliefst  E  als  unsicher  von  seiner  Statistik  fallen- 
der und  steinender  typen  aus;  und  ich  meinerseits  gewinne  aus  B-versen 
wie  H  63a.  67a  fon  Jlumuburg,  19b  IM  muosta  im  erbimiard,  86  that  sea 
crbiuuard,  87  ac  uuarun  im  hämo  los;  ferner  133.  149.  375.  401.  404 
(sämmtlich  a),  405  that  ik  tu  gitellian  mag  n.  a.  m.  nicht  den  eindrock 
steigender  rhythmen. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


185 


H  95a  =  28,2  %   :   249b  -  71,8 
G   73  a  =  32,3  •/•   :   152  b  =  67,7  % 

Bei  dem  starken  überwiegen  der  Genesisbelege  überhaupt 
(vgl.  s.  161  'bedeutende  mehrheit  von  hauptsätzen')  ist  die 
differenz  der  verhältniszahlen  hier  fast  belanglos:  im  H  wie 
in  der  G  herscht  die  bekannte  gewohnheit  des  westgerm.  epi- 
schen stils,  nach  der  hauptsätze  vorwiegend  mit  der  zweiten 
halbzeile,  also  nach  der  cäsur  einsetzen. 

Bei  Unterscheidung  von  steigenden  und  fallenden  eingängen 
gestaltet  sich  die  letzte  proportion  folgendermassen: 

8t.  f.  8t.  f. 

H  (54)  15,7  %  +  (41)  12,5%  :  (186)  55,3%  +  (63)  16,5% 
G  (31)  13,7%  +  (42)  18,6%   :   (109)  48,2%  +  (43)  19,5  %. 

Das  heisst:  die  steigenden  HE  überwiegen,  vor  allem  in  b; 
selbst  hier  sind  die  letzteren  stärker  vertreten  als  in  a.  Ihre 
differenzen  sind  jedoch  im  Heliand  weit  grösser  als  in  der 
Genesis,  deren  a-verse  im  gegensatz  zum  H  sogar  eine  be- 
deutende majorität  von  fallenden  HE  aufweisen. 

b)  Nebensätze. 

Es  fallen  auf  nebensatzeingänge  (NE)  die  verstypen 


l 

a 

H  12 

{ 

b 
17 

58,6 

I 

a 

27 
26 

5 

b 

77 
74 

( 

a 

15 
32,6 

b 
31 
67,4 

D 
a  b 

1  3 

25  75 

I 

a 
3 

75 

3 

b 
1 

25 

A3 

a 

14 

100  % 



G  14 

77,8 

4 

22,2 

17 
32 

36 
68 

5 

31,3 

11 

68,7 

—  !  1 

—  100 

1 

1 

100 

13 

100  ■  „, 

also  G  - 

-36,4 

-6 

+  1,3  %. 

Auf  D  und  E  kann  nichts  gegeben  werden,  wol  aber  sind 
die  differenzen  bei  B  und  namentlich  bei  A  beachtenswert. 
Vergleichen  wir  die  obenstehende  tabelle  mit  der  vorigen,  so 
ergibt  sich  für  die  steigenden  NE  eine  gleichmässigere  Ver- 
teilung auf  a  und  b,  doch  stets  mit  der  charakteristischen 
majorität  in  b.  Gegenüber  der  consequenten  Verteilung  der 
HE  und  NE  auf  Aa  und  Ab  im  Heliand  und  dem  gleichgewicht 
der  HE  in  der  Genesis  in  diesen  Stellungen  fällt  eine  bedeu- 
tende differenz  bei  den  NE  stark  auf.   Endlich  sei  auf  das 


186 


PAULS 


den  HE  entsprechende  Verhältnis  (besser  mis Verhältnis)  der 
NS  vom  typns  A3  aufmerksam  gemacht. 

Die  halbzeilen  weisen  also  folgende  zahlen  auf: 

H  72  a  =  35,9  °/0  :  129b  =  64,1% 
G  49a  =  48  %   :     53b  =  52  % 

Beide  texte  zeigen  genau  das  gleiche  numerische  Verhältnis, 
obgleich  wir  nach  der  prävalenz  der  HE  in  G  wol  eine  mino- 
rität  der  NE  hätten  erwarten  dürfen.  Und  ferner  macht  sich 
eine  gleichmässigere  Verteilung  der  NE  geltend,  vor  allem 
in  G.  Dies  ausgleichsbestreben  haben  wir  schon  bei  den  HE 
kennen  gelernt, 

Detaillieren  wir  die  obigen  verhältniszahlen,  so  ergibt  sich 

Bt  f.  st.  f. 

H  (56)  27,9%  +  (16)  8  %  :  (108)  53,7  %  +  (21)  10,4  •/. 
G  (35)  34,3°/.  +  (14)  13,7%   :     (47)  46,1%+  (6)  5,9%. 

Wie  bei  den  HE  überwiegen  in  beiden  halbzeilen  die  steigen- 
den eingangstypen  die  fallenden,  besonders  in  b;  auch  hier  sind 
die  letzteren  häufiger  als  in  a.  Diesmal  liegt  hier  der  unter- 
schied in  der  technik  der  beiden  dichter:  dem  bereits  con- 
statierten  ausgleich  zwischen  a  und  b  entspricht  ein  bedeuten- 
des plus  von  fallenden  HE  in  a,  während  b  demgemäss  das 
correspondierende  minus  zeigt. 

Das  Schlussergebnis  für  das  Verhältnis  von  H  und  G  be- 
stellt also  in  der  feststellung  von  ausgleichstendenzen  bei  der 
letzteren,  so  wol  zwischen  den  beiden  halbzeilen  als  auch  den 
rhythmengeschlechtern;  und  zwar  zu  gunsten  der  fallenden 
typen  und  des  ersten  halbverses. 


2)  Satzausgänge. ') 
a)  Hauptsätze. 

Es  fallen  auf  hauptsatzausgänge  (HA): 


A 

B 

C 

D 

£ 

A. 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

H  119 

40 

24 

33 

14 

14 

41 

3 

18 

2 

6 

78,8 

25,2 

42,1 

57,9 

50 

50 

93 

7 

90 

10 

100  % 

')  Ueber  differenzen  zwischen  der  gesammtsnrame  der  satzeingange  ttQd 
satzausgänge  s.  unten. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DEK  ALTS.  GENESIS.  187 


A 

B 

C 

D 

E 

As 

a  b 

a 

b 

a 

b 

a   |  b 

a 

b 

a 

G     89  29 

6 

29 

2 

10 

30  i  5 

12 

3 

7 

75,5  24,5 

17,1 

82,9 

16,7 

83,3 

85,7  14,3 

80 

20 

100  °/0 

also  G    -  0,7 

+  25 

+  33,3 

+  7,3 

+  10. 

Zunächst  ist  wider  das  numerische  übergewicht  der  G-fälle 
zu  vermerken,  speciell  in  den  steigenden  typen  und  in  A3. 
Ferner  erhellt  aus  der  tabelle  eine  principielle  Übereinstimmung 
in  dem  vorhersehen  der  fallenden  rhythmen,  vor  allem  in  a, 
gegen  welche  ihre  differenz  in  der  G  (plus  in  b)  zurücktritt. 
Aber  auch  ein  ebenso  principieller  unterschied  der  steigenden, 
der  in  einer  sehr  bedeutenden  majorität  dieser  klasse  in  den 
zweiten  halbzeilen  besteht.  Dafür  bieten  genauere  belege  die 
Zusammenfassungen  nach  den  halbzeilen 

H  222a  =  70,7%  :  92b  =  29,3% 
G  146  a  =  65,6  %   :   76  b  =  34,2%, 

also  widerum  auf  Seiten  der  G  für  einen  allgemeinen  ausgleich 
zwischen  a  und  b,  und  speciell  die  Proportionen 

st.  f.  st.  f. 

H  (44)  14   %  +  (178)  56,7  %   :   (47)  16   %  +  (45)  13,3  % 
G  (15)   6,8%  +  (131)  58,8  %   :   (39)  17,5%  +  (37)16,8%. 

Die  mehrzahl  der  hauptsätze  schliesst  also  mit  fallendem  rhyth- 
mus,  besonders  diejenigen  des  ersten  halbverses  (überschuss 
in  G),  während  in  B  die  Verteilung  der  typen  fast  auffallend 
gleich  ist. 

Diesen  Verhältnissen  entsprechen  die  der  hauptsatzeingänge 

H  28,2%  a   :   71,8%  b 
G  32,3%  a   :   67,7%  b; 

es  existiert  also  eine  fast  genau  reeiprokes  Verhältnis  zwischen 
eingängen  und  ausgängen.  Die  kleine  differenz  erklärt  sich 
daraus,  dass  eine  anzahl  von  hauptsätzen  innerhalb  der  rhyth- 
mischen einheit  durch  nebensätze  fortgeführt  werden.  In  an- 
betracht  dessen,  dass  fernerhin  eine  ganze  reihe  von  Sätzen 
nur  eine  halbzeile  füllen,  ist  die  Übereinstimmung  um  so  auf- 
fallender. Einen  ähnlichen  vergleich  gestatten  die  gegeuüber- 
stellungen  der  steigenden  und  fallenden  typen  (s.  187  :  s.  185). 


Digitized  by  Google 


1>S  pacls 


b)  Ntbeasiue. 
K>  fallen  auf  nebensatzausgänge  (NA): 


A 

a  b 

H     113  35 
77  23 

B 

a  b 

5  X 
16.1  8X9 

C 

a  b 

3  10 
23,1  76.9 

D 

a  b 

17  1 
94.4  5,6 

E 
a  1  b 
15 
100 

A8 
a 

2 

•/• 

G    47  15 
72*  27.4 

7  19 

27  73 

3  10 
23.1  76.9 

4  3 
57  43 

5 
100 

1 

%, 

also  6    +  4.4         - 10.9  +  37,4 


Wie  die  HA  zeigen  auch  die  XA  Übereinstimmung  inner- 
halb der  rhythmischen  kategorien:  die  numerisch  stark  über- 
wiegenden fallenden  typen  finden  sich  mit  grosser  niajorität 
in  der  ersten  halbzeile.  die  steigenden  in  ähnlicher  proportion 
in  der  zweiten.  Die  G  unterscheidet  sich  wesentlich  durch 
gleichmäßigere  Verteilung  speciell  der  fallenden  Schemata  (D); 
der  allgemeine  unterschied  ergibt  sich  aus  den  Proportionen 

H  l,x.a  =  67,7  %  :  72b  =  32,3  •  . 
Q   67a  =  58,8 0  0   :   47b  =  41,2%. 

von  deuen  die  letztere  H  gegenüber  die  für  G  charakteristische 
nivellierung  zeigt,  ohne  aber  derjenigen  der  NE  gleichzukommen, 
während  die  erstere  in  umgekehrtem  Verhältnis  zu  den  betref- 
fenden NE  steht. 

Aehnliche  beziehungen  finden  sich  innerhalb  der  halbzeilen 

H  (10)4,4%  +  (145)63,3%  :  (36)  16,15  %  + (36)  16,15  % 
G  (11)9,7%+    (56)49,1%   :   (29)   25,4  %  4- (18)  15,8%. 

Das  heisst:  die  mehrzahl  der  nebensätze  schliessen  mit  fallen- 
den rhythmen,  vor  allem  in  a,  die  G  zeigt  diese  gewohnheit 
in  weniger  starkem  masse  als  der  H:  sie  weist  ein  plus  von 
steigenden  NA  in  b  gegenüber  rhythmischem  gleichgewicht 
des  H  auf.  Das  resultat  stimmt  ungefähr  mit  dem  aus  den  HA 
zusammen;  sie  stehen  in  einem  entsprechenden  Verhältnis  zu 
den  nebensatzeingängen. 

Die  ergebnisse  dieser  betrachtung  lassen  sich  graphisch  so 
veranschaulichen  (wenn  X  das  überwiegen  von  steigenden, 
\  das  von  fallenden  typen  bezeichnet). 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


180 


1) 


2)  NE. 

3)  HA. 

4)  NA. 


a 


H 

G 


G 
H 


Allerdings  berechtigen  diese  Schemata  an  sich  noch  nicht  zu 
weitergehenden  combinationen.  Denn  das  genauere  bild  der 
sätze  ergibt  sich  nicht  bloss  aus  deren  ein-  und  ausgängen, 
sondern  es  kommt  dafür  auch  noch  der  sat  zum  fang  sehr 
wesentlich  in  betracht.  Eine  ganze  reihe  von  aus-  und  ein- 
gängen  fallen  z.  b.,  wie  bereits  bemerkt  wurde,  praktisch  da- 
durch zusammen,  dass  viele  sätze  nur  eingliedrig  sind.  Diese 
sind  also  zunächst  auszuscheiden  und  für  sich  zu  betrachten. 

Es  finden  sich  eingliedrige  sätze  unter  den  545  ein-  und 
ausgängen  des  untersuchten  Heliandmaterials:  128  (also  23,5  %), 
unter  den  327  der  G  107  (=  32,7  %),  die  sich  in  annähernd 
gleichem  Verhältnis  (geringes  plus  des  H  in  b)  auf  die  halb- 
verse  verteilen.   Von  ihnen  sind 

a)  Hauptsätze  76,6  %  (H)  bez.  70  */o  (G).  Hier  ist  die 
Verteilung  auf  die  halbzeilen  folgende: 


H  37a  =  38,1% 


60  b 


G  33a  =  44,6  °/0   :   41b  =  53,4 °0. 
Davon  kommen  auf  steigende  und  fallende  rhythmen 

8t.  f.  8t.  f. 

H  (14)  14,3  • .  +  (23)  23,8  :  (43)  44,4  •/•  +  (17)  17,5  °/0 
G  (10)  13,5  %  +  (23)  31,1  «|.   :   (29)  37,2  %  +  (12)  16,2  °/0. 

Die  verhältniszahlen  bieten  hier  keine  so  bedeutenden  diffe- 
renzen  dar  wie  die  absoluten,  bezüglich  der  letzteren  ist  aber 
jedenfalls  die  häufigkeit  der  Genesisfälle  bemerkenswert. 
G  bringt  hier  ausserdem  in  a  auffallend  viele  D-verse  (9  G  : 
4  H).  Das  allgemeine  rhythmische  Schema  der  hauptsätze 
ist  also: 

a  b 


Digitized  by  Google 


PAULS 


b)  Nebensätze: 

H  8a 

G  7a 


25,8  •/. 
21,2-0 


23b  =  74,2  »o 

26  b  =  78,8%;  daTon 


st 


H  (4)  12,9  %  +  (4)  12,9°, 
G  (5)  16,1%  4-  (2)  5,1% 


8t. 

(20)  64,5 
(28)  69,1  % 


(3)  9,7  % 
(3)  9,7  % 


Auch  hier  ist  das  absolute  zahlenverhältnis  interessanter: 
H  :  G  =  1  :  2!  In  G  findet  sich  widerum  eine  abnorme  ein- 
seitige typenhäufung,  nämlich  11  C  in  b  ( :  H  2).  Schon  bei 
den  tabellen  der  HA  und  NA  liess  sich  das  constatieren;  wie 
denn  auch  jeder  leser  der  G  die  C-verse  der  zweiten  halbzeile 
bald  als  ein  besonderes  charakteristicum  dieses  textes  empfindet. 
—  Das  allgemeine  rhythmische  Schema  der  nebensätze  ist 


H 


Durch  subtraction  erhalten  wir  daraus  folgende  modificierungen 
der  satztabellen: 

1)  a)  Hauptsatzeingänge  (vgl.  s.  184): 

H  58a  =  23,4%   :  189b  =  76,6%  1 

G  40a  =  26,5%   :  111b  =  73,5 \  /  Ub  ~~6'1  0 

ferner 

st.  f.  st.  f. 

H  (40)  16,2  %  +  (18)  7,2%  :  (143)  58%  +  (46)  18,6% 
G  (21)  13,9  %  +  (19)  12,6%   :     (80)  53%  +  (31)  20,5%. 

Die  proportion  von  s.  185  kehrt  hier  beim  H  annähernd  wider, 
obwol  hier  die  steigenden  eingänge  etwas  entschiedener  über- 
wiegen. In  G  sind  die  gegensätze  wider  stärker  ausgeglichen, 
besonders  in  a.  Die  sonstige  starke  differenz  von  H  a  :  G  a 
kommt  also  hier  in  wegfall;  das  rhythmische  Schema  wird 


HE. 


b)  Hauptsatzausgänge  (vgl.  s.  186  f.): 


H  185a  =  85,2%   :   32b  =  14,8%  1 
G  113a  =  76,4%   :   35b  =  23,6%  |  UD  + 


32  b  =  14,8% 


Digitized  by  Google 


ZUB  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


191 


8t.  f.  8t.  f. 

H  (30)  13,8%  +  (155)  71,4%  :  (4)  1,8%  +  (28)  13  •/. 
G  (5)  3,4  •/•  +  (108)  73   •/.   :   (10)  6,8  °.o  +  (25)  16,8%. 

Gegenüber  der  proportion  von  s.  187  kommt  hier  also  das  all- 
gemeine vorhersehen  des  fallenden  hauptsatzschlusses  deutlich 
zum  ausdrucke  vor  allem  in  a,  während  die  G  überhaupt  eine 
mehrheit  von  HA.  aufweist.  Damit  ändert  sich  auch  das  all- 
gemeine rhythmische  Schema  in 

a  b 

HA.  \  | 

2)  a)  Nebensatzeingänge  (vgl.  s.  185  f.): 

H  64a  =  37,7%   :   106b  =  623%  1  p.      „.  Qo 
G  42a  =  69,6%   :     27b  =  30,4%  /  Kxü"~ö1^  <° 

also  ein  gewaltiger  unterschied;  auch  ist  zu  bemerken,  dass 
hier  H  den  sonst  der  G  eigentümlichen  überschuss  der  absoluten 
verhältniszahlen  zeigt 

8t  f.  8t  f. 

H  (52)  30,6%  +  (12)  7,1  %  :  (88)  61,7°/.  +  (18)  10,6% 
G  (30)  43,5%  4-  (12)  26,1%   :   (24)  26   %  -I-    (3)  4,4%. 

Es  beginnt  demnach  die  mehrzahl  der  nebensätze  mit  steigenden 

a  b 

typen,  das  Schema  von  s.  189  NE.         |         bleibt  also;  es 

entspricht  ja  auch  dem  der  HE.  Während  aber,  übereinstim- 
mend mit  diesen,  die  majorität  der  eingänge  im  H  auf  b  fällt, 
liegt  in  der  G  das  übergewicht  in  der  zwischen  steigend  und 
fallend  mehr  nivellierenden  ersten  halbzeile. 

b)  Nebensatzansgänge  (vgl.  s.  188): 

H  147a  =  75   %   :   49b  =  25   %  \ 

(i   60a  =  74,1%   :   21b  =  25,9%  jLTa+u>->  o 

Wie  oben  zeigt  H  ein  absolutes  plus  der  fälle;  im  übrigen 
herscht  völlige  Übereinstimmung. 

8t.  f.  8t.  f. 

H(6)3  %  +  (141)  72  %  :  (16)  8,2%  +  (83)  16,8% 
G(6)7,4%  +    (54)  66,7%   :     (6)  7,4  %  +  (15)  18,5  %. 

Danach  lässt  sich  über  den  rhythmischen  bau  des  satzes  folgen- 
des aussagen: 


Digitized  by  Google 


192 


PAULS 


Eingang  nnd  ausgang  der  satze  sind  normaler  weise  rhyth- 
miseh  differenziert:  einem  steigenden  eingang  entspricht  ein 
fallender  ansgang  nach  folgenden  Schemata: 

1)  Haupt  «ätie.  Schema  ab:  majorität  der  eingänge  in  b,  der  aus- 
ginge in  a.  —  Schema  ba:  minorität  der  einginge  in  a,  der  ansgänge  in  b. 

2)  Nebensatie.  Schema  »a  majoritÄt  der  eingänge  in  b  (G  in  a). 
der  auAgänge  in  a.  -  Schema  ab:  minorität  der  eingänge  in  a  (G  in  b), 
der  ansgänge  in  b. 

Darin  sind  aber  nur  charakteristica  der  rhythmischen 
teehnik  der  sätze  zu  erblicken,  nicht  die  rhythmen  der  satze 
selbst.  Das  konnten  sie  ja  nur  für  zweigliedrige  sätze  sein, 
die  in  H  39,6%,  in  G  41.9%  der  gesammtzahl  bilden.  Von 
ihnen  fallen  auf  die  Schemata  a  b  in  H  87,2  %,  in  G  77,4  °/0; 
es  ist  also  in  G  der  langzeilenstil  hier  um  9,8  %  häufiger  an- 
gewant  als  in  EL 

Nach  abzug  der  ein-  und  zweigliedrigen  sätze  bleiben  für 
H  200.  für  G  83  mehrgliedrige  satze  übrig:  das  sind  36,7%,  : 
25,4  0  ,  der  gesammtzahl.  Bei  diesen  erhebt  sich  von  selbst 
die  frage  nach  dem  Verhältnis  ihrer  mittelglieder  zu  den  ein- 
und  ausgangsgliedern. 


Ein  analogon  zu  der  behandlung  mehrgliedriger  einzelsätze 
liefern  uns  gegliederte  satzgruppen  oder  perioden.  Es 
wird  zweckmässig  sein,  zunächst  über  diese  hier  zu  berichten. 
Dabei  sind  denn  auch  hier  in  erster  Iinie  die  Verhältnisse  der 
periodenein-  und  ausgänge  festzustellen,  und  zwar  speciell  in 
beziehung  auf  die  stärke  der  Sinneseinschnitte,  welche 
die  einzelnen  periodenglieder  (sätze)  von  einander  trennen. 

Von  den  314  hauptsatzausgängen  des  H  stehen  130  (41,4  °/0) 
vor  starker  oder  mittelstarker  sinnespause;  in  der  G  87 
(39  °/o)  von  222.  Die  beispiele  verteilen  sich  folgendermassen 
auf  a  und  b: 

H  112a  =  86/2%   :    18b  =  13,8%  \  m   .  1U.  0 
G   58a  =  G6,7%   :   29b  =  33,3  %  J  Ub  +  1J'°  0 

Das  entspricht  dem  Verhältnis  der  gesammtfälle 


3)  Mittelglieder. 


H  222a  =  70,7%  :  92b  =  29,3% 
G   72a  =  60  %   :   47b  =  40  % 


}  Gb  +  10,7% 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DEK  ALTS.  GENESIS. 


198 


Das  rhythmische  Verhältnis  der  halbzeilen  unsrer  sätze  ist 

8t.  f.  8t.  f. 

H  (21)  15,4%  +  (91)  70,8%  :  (8)  5,4  +  (10)  8,4  °/0 
G   (5)   5,7%  +  (53)  61    %   :   (18)  20,7%  +  (11)  12,6  %. 

Hier  treten  uns  also  viel  stärkere  typische  differenzen  zwischen 
H  und  G  entgegen  (vgl.  oben  die  hauptsatzausgänge  s.  187.  190). 

Die  nebensatzausgänge  betrugen  in 

H  227;  -  155a  =  67,7%   :   72b  =  32,3%  I 

G  114;  —    67a  =  58,8%    :    47b  =  41,2%  I  UD  +  ö'y  0 

Davon  fallen  hierher  127  H  (56  »/„)  und  61  G  (52,6       in  ihrer 

Verteilung  auf  a  und  b: 

H  94a  -  74   %   :   33b  -  26   %  1 

0  34a  =  55,8%   :   27b  =  44,2%  J  tTÖ  +  18'^ 

auf  die  rhythmengeschlechter: 

st  f.  st.  f. 

H  (5)   4   %  +  (89)  70   %   :   (15)  11   %  +  (18)  15  % 


G  (7)  11,6%  4-  (27)  44,2%   :   (17)  27,9%  -f  (10)  16,3 


0 


>.>• 


B  bevorzugt  also  auch  hier  (vgl.  s.  188)  die  fallenden  rhythmen 
nicht  in  demselben  masse  wie  H.  Die  frühere  differenzziffer 
der  contrastierenden  typen  ist  in  ihren  a  von  ca.  40  °/0  auf 
22,6  °/o  gesunken,  in  b  aber  gestiegen.  Auch  darin  zeigt  sich 
ein  erheblicher  abstand  vom  Heliand. 

Bei  den  mittelgliedern  der  perioden  selbst  liegen  die 
dinge  viel  schwieriger  und  unklarer.  Da  eine  genauere  Schei- 
dung unmöglich  sein  dürfte,  habe  ich  sämmtliche  einschlagenden 
einzelsätze  gleichmässig  registriert. 

Sätze,  die  nur  durch  schwache  Sinneseinschnitte  von 
einander  oder  von  denen  der  vorigen  gruppen  getrennt  sind, 
gibt  es  in  H  283  =  51  °/o,  in  G  188  =  54, 4  ©/0.  Diese  bieten 
folgende  verhältniszahlen  dar: 

1)  Hauptsatzausgänge: 

«t.  f.  st.  f. 

H  (23)  12£  %  +  (87)  47,3  %  :  (37)  20,1  %  +  (37)  20,1  •  0  =  184  (65  %) 
ß(10)  7,4  %  +  (78)  57,8  %   :   (21)  15,6%  +  (26)  19,2%  =  135  (71,8%). 

Dass  es  mit  diesen  satzausgängen  eine  andere  bewantnis  haben 
muss  als  mit  den  oben  betrachteten,  erhellt  schon  daraus,  dass 
der  H  entgegen  seiner  sonstigen  gewohnheit  hier  fast  die  sonst 
für  die  G  charakteristische  ausgleiehung  aufweist. 

Beitrage  rur  geschichte  der  deutschen  sprach«.   XXX.  13 


Digitized  by  Google 


m 


PAULS 


2)  Xebensatzausgänge: 

8t  f.  st  f. 

H  (4)  4  \i  (5«)  56,6%  :  (21)  21,2«;.  4-  (18)18  %  =  99  (,35  %) 
G  (7)  13,2%  +  (27)  50.9  %   :     (7)  13,2%  +  (12)22,7%  =  53  (28.2 «%). 

Der  H  hat  also  in  a  eine  grosse  mehrheit  von  fallenden  typen, 
in  b  geringe  minorität  derselben;  die  G  zeigt  dagegen,  wie 
oben  bei  den  HA.  auch  hier  das  umgekehrte  Verhältnis. 

Die  ausgänge  der  nicht  abschliessenden  sätze  unterscheiden 
sich  also  in  H  und  G  vor  allem  dadurch,  dass  die  G  hier  im 
grossen  und  ganzen  der  traditionellen  rhythmisierung  der 
zweiten  halbverse  folgt,  der  H  dagegen  eine  fast  umgekehrte, 
scheinbar  inconsequente  Verteilung  der  rhythmen  bietet.  Der 
grund  für  diese  differenz  liegt  offenbar  in  dem  Charakter  der 
fraglichen  sätze.  Als  Zwischenglieder  sind  sie  minder  dazu 
geeignet  uud  berufen,  durch  bedeutendere  inhaltsnova  starke 
sinnliche  und  also  auch  rhythmische  differenzierungen  hervor- 
zurufen: ihre  aufgäbe  ist  vielmehr,  die  periode  ungefähr  auf 
dem  rhythmischen  niveau  zu  erhalten,  auf  das  der  eingang  sie 
gebracht  hat  und  von  dem  der  ausgang  sie  allmählich  herab- 
sinken (oder  aufsteigen)  lässt.  Auf  der  höhe  selbst  muss  natür- 
lich eine  angemessene  nüancierung  für  bewegung  sorgen.  Für 
die  ausführung  dieser  aufgäbe  im  einzelnen  scheint  mir  mehr 
das  rhythmische  feingefühl  des  dichters,  als  irgend  welche 
tradition  oder  gewohnheit  in  frage  zu  kommen,  oder  als  eine 
etwaige  hinneigung  zu  einem  besonderen  Schema  der  melodie- 
führung.  Den  häufig  so  kunstvollen  und  verwickelten  neben- 
satzperioden  des  H  entspricht  denn  auch  durchaus  ein  an- 
gemessenes auf  und  ab  der  rhythmen,  während  die  Genesis 
hier  lediglich  das  allgemeine  Schema  der  nebensätze  befolgt. 

Auch  die  mittelglieder  der  einzelnen  sätze  haben 
die  aufgäbe,  durch  wirksamen  Wechsel  von  ruhe  und  bewegung, 
von  bekanntem  und  neuem  den  satz  seinem  abschluss  zuzu- 
führen. Damit  zerfallen  sie  in  zwei  grosse  gruppen:  die  der 
ausführenden  und  die  der  fortführenden  demente.  Diese 
kennzeichnen  sich  speciell  durch  ihren  syntaktischen  wert,  jene 
durch  ihren  stilistischen.  Das  wichtigste  element  der  letzteren 
art  ist  die  Variation.  Ihr  Verhältnis  zum  vers  kann  demnach 
nur  durch  die  betrachtung  der  beziehungen  des  satzes  zum 
verse  beleuchtet  werden.   Da  nämlich  der  satz,  wie  bekannt, 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS 


195 


vorwiegend  mit  der  zweiten  halbzeile  beginnt,  so  muss  behufs 
besserer  bindung  der  langzeilen  die  rhythmisch  bedingte  spalte 
zwischen  einer  schlusshalbzeile  und  dem  folgenden  vers  inhalt- 
lich überbrückt  werden.  Dazu  sind  aber  nicht  alle  Satzteile 
gleichmässig  geeignet:  so  vermeidet  man  es  im  allgemeinen, 
nominale  und  verbale  glieder  (vor  allem  object  und  prädicat, 
d.  h.  das  verbum  finitum)  von  einander  loszureissen.  Die  inhalt- 
liche einheit  der  metrisch  getrennten  teile  ist  ja  nicht  absolut 
geschlossen:  meist  machen  sich  zugleich  auch  syntaktische  ein- 
schnitte geltend.  Ein  ganz  directes  hinüberfliessen  aus  einem 
langvers  in  den  andern  gibt  es  darum  auch  kaum.  Die  rhyth- 
mische pause  am  schluss  der  langzeile  wird  zwar  durch  das 
syntaktische  enjambement  in  gewissem  sinne  reduciert,  aber 
sie  bleibt  doch  bestehen:  das  kann  man  deutlich  sehen,  wenn 
man  beim  Vortrag  das  tempo  verlangsamt.  Das  sinnesenjam- 
bement  (das  formaler,  also  stilistischer  natur  ist)  kann  also 
nie  zwei  halbverse  völig  mit  einander  verbinden.  Trotzdem 
ist  das  bestreben  nach  stilistischer,  also  relativer  bindung  der 
aufeinander  folgenden  langverse  so  stark,  dass  sich  daraus 
sichtlich  die  typische  form  der  Variation  als  ausdrucksmittel 
entwickelt  hat. 

Als  mittelglieder  von  Sätzen,  die  auf  verschiedene  halb- 
verse verteilt  sind,  finden  sich  im  H1)  255,  in  der  G  113  Va- 
riationen. Das  Verhältnis  entspricht  also  dem  häufigeren  ge- 
brauch der  Variation  im  H  überhaupt.  Die  majorität  im  H 
würde  sogar  noch  etwas  höher  sein,  wenn  unsere  Untersuchung 
sich  hier  nicht  auf  die  verbal-  und  eigentliche  nominalvariation 
beschränken  müsste:  denn  die  satz  Variation  fällt  hier  selbst- 
verständlich aus,  und  die  pronominalvariation  kommt  nicht  in 
betracht,  da  ihr  variatum  als  selbständiges  Satzglied  zu  leicht  ist. 

Von  den  hierher  gehörigen  nominal  Variationen  (H  200, 
G  85)  zeigen  die  Stellung  ba  in  H  165  =  80,3  %  G  66  = 
77,6%;  von  55  (28  G)  verbalvariationen  H  47  =  85,5  o/o, 
G  21  =  75  °V 

Das  charakteristische  Schema  ba  (vgl.  s.  191  f.)  überwiegt 
also  auch  hier  bei  weitem,  nur  tritt  es  auch  hier  in  G  etwas 


»)  In  1000  versen ;  8.  oben  s.  191. 

13* 


Digitized  by  Google 


196 


PAULS 


gegen  H  zurück.  Als  stilistisches  bindemittel  der  langzeilen 
überwiegen  also  die  Variationen  in  H. 

Als  gmndlage  auch  einer  rhythmischen  bindung  kann  die 
Variation  jedoch  nicht  angesehen  werden.  Schon  dadurch,  dass 
variatum  und  varians  zwei  begriffseinheiten  darstellen,  ge- 
statten sie  nicht  nur,  sondern  fordern  sie  geradezu  einen  ge- 
wissen einschnitt,  der  seinem  wert  nach  häutig  dem  einschnitt 
vor  einem  abhängigen  satze  gleicht.  Diese  pause  zwischen 
den  beiden  teilen  deuten  die  herausgeber  meist  nur  dann  mit 
einem  komma  an,  wenn  nicht  ein  anderes  Satzglied  dazwischen 
tritt.   Vorhanden  ist  die  pause  aber  auch  im  letzteren  fall 

Mit  dieser  begrifflichen  grenze  fällt  nun  ein  rhythmischer 
haltepunkt  zusammen  bei  dem  Schema  steigend -fallend.  Wie 
schon  in  jedem  Overs,  macht  sich  ein  rhythmischer  einhält 
zwischen  jedem  steigenden  und  fallenden  halbvers  bemerkbar, 
am  deutlichsten  nach  typus  B  (der  in  steigenden  zweiten  halb- 
zeilen  zudem  weitaus  am  häufigsten  ist).  Nach  fallenden  typen 
fällt  dagegen  diese  hemmung  des  fortschritts  weg. 

Nach  ihrem  rhythmischen  bau  zerfallen  die  ba- Varia- 
tionen in 

Nominalvariationen: 

steigend -faUende, 
H  102  +  2  (steig,  a)  =  63 0  „ 
G    33  „       =  50% 

(also  wider  ein  beispiel  für  die  ausgleichenden  tendenzen  der  veretechnik  in  G). 

Verbalvariationen: 
steigend-fallende 


fallend -fallende 
61  =  37% 

33  =  50% 


H  23  =  48,9 


0 


0 


fallend-fallende 
24  =  51,1% 
9  =  42,9% 


G  12  =  57,1.% 
(also  fast  das  umgekehrte  Verhältnis). 

Beim  zusammentreffen  zweier  fallender  halbverse  ist,  wie 
bemerkt,  die  besprochene  pause  rhythmisch  weniger  stark  mar- 
kiert. Als  ein  weiteres  hilfsmittel  der  contrastierung  der 
nachbarzeilen  tritt  dann  oft  chiastische  Stellung  der  ein- 
zeluen  teile  der  Variationsglieder  auf.  Im  ganzen  handelt  es 
sich  jedoch  auch  hierbei  wol  wider  weniger  um  eine  allgemeine 
norm  als  um  den  ausdruck  augenblicklicher  stimmungs-  nnd 
gefühlsmomente  auf  seilen  der  dichter. 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


197 


Aehnlich  liegt  es  auch  bei  anderen  fällen  tatsächlichen 
enjambements  ohne  Variation.  Hier  kommt  es  immer  auf 
die  bindende  kraft  der  betr.  syntaktischen  gruppe  im  einzelnen 
an.  In  einem  fall  wie 

V.  8.     huo  sia  is  gibodscip  scoldin  |)  f rammiau  firiho  barn 

wird  z.  b.  innerhalb  des  prädicats  das  vollverbum  von  dem  hilfs- 
verbum  durch  den  verschluss  äusserlich  getrennt,  aber  die 
syntaktische  Zusammengehörigkeit  der  beiden  teile  genügt  für 
gute  bindung.  Ebenso  H  13.  44.  45.  111.  124.  140.  210;  ähn- 
lich 121.  181  u.s.f.  —  Loser  ist  jedoch  die  Verbindung  in 
fällen  wie 

V.  172.         nuart  ald  gunio  ||  spraka  bilosid 

oder 

V.  194.  scolda  im  erbinuard, 

snitho  godcnnd  gomo  gibidi  unerthan 

feraer  87.  90  u.  a.  m. 

So  kann  denn  auch  zuweilen  diese  art  von  bindung  durch 
eine  Variation  durchkreuzt  und  gelockert  werden. 

Oder  es  verteilt  sich  auch  eine  nominale  gruppe: 

V.  186.        that  sea  uses  uualdandes  i|  lera  lestin, 
so  v.  190  u.  a. 

Derartige  fälle  sind,  wenn  man  nur  auf  das  schematische 
sieht,  auch  in  der  G  ganz  gewöhnlich,  z.  b.: 

V.  9.  Nu  uuit  hriuuig  mugun  ||  sorogon  for  them  sida 

V.  43.  so  thi  ti  thinaro  uueroldi  mag  ||  uuesan  thin  hngi  hriuuuig 

V.  73.  so  thu  au  treuuua  maht  ||  uuesau  an  thesero  uuerolde 

V.  137.  thar  bie  simlon  muot  ||  uuesan  an  uuunnion 

V.  142.  thann  he  mid  uuapnu  scal  ||  uuerdan  Enocha  te  bauon 

V.  218.  that  hie  so  uueldi  ||   lestian  an  then  landa 

V.  234.   ef  thu  thar  tehani  treuhafte  maht  || 

fidan  under  themo  folca   (ähnlich  v.  240) 

V.  278.   so  im  god  habdi  ||  farliuueu  an  them  landa 
oder  mit  durchkreuzung  der  verbalen  teile: 

V.  2.   Nu  maht  thu  sean  thia  suarton  hell  ||  ginon  gradaga, 
nu  thu  sia  grimman  maht  ||  hinana  gihorean: 
nis  hebanriki  ||  gelihc  sulicaro  lognun 

V.  54.   than  thu  an  thinum  bruodar  habas  |j  firinuuerek  gifremid 


Digitized  by  Google 


108 


PAULS 


V.  70.  Hier  scalt  thu  noh  nu,  quad  he,  ||  libbian  an  thesun  landse 

V.  93.  thar  ui  habdun  siu  eniga  uuunnia  tuo  ||  niudlico  ginuman 

V.  171.  nnilthn  minas  nuiht  ||  drohtin  hebbian  hnat? 

V.  208.  thea  te  goda  hebbian  ||  fasto  gifangan 

V.  215.  uuilthu  sia  noh  thanna  ||  latan  te  liua? 

V.  257.  thea  an  that  uuam  habdun  ||  thea  liudi  farledid. 

In  Wirklichkeit  besteht  jedoch  ein  starker  gegensatz 
zwischen  G  und  H.  Er  tritt  klar  zu  tage,  wenn  man  die 
betreffenden  stellen  im  Zusammenhang  laut  liest.  Die  G-verse 
zeigen  dann  etwas  eigentümlich  gebrochenes  namentlich  in 
der  rhythmenfolge,  die  (im  gegensatz  zu  den  oben  citierten 
Heliandstellen)  fast  ausschliesslich  die  steigend-fallende  ist, 
also  kein  glattes  verbinden  der  halbverse  gestattet.  Oft  fällt 
der  eine  accent  auf  das  hilfsverb  oder  ein  sonst  begrifflich 
leichteres  wort,  der  andere  auf  den  zugehörigen  infinitiv.  Der 
letztere  darf  dann  für  diesen  accent  (der  durch  die  kürze  der 
pause  noch  schwerer  wird)  nicht  zu  leicht  sein.  Das  ist  er 
aber  in  den  meisten  der  obigen  beispiele.  Es  entsteht  dadurch 
ein  rhythmischer  und  melodischer  bruch:  an  stelle  des  geforderten 


Die  gleiche  erscheinung  zeigt  sich  bei  der  Verteilung 
anderer  begrifflicher  bez.  syntaktischer  gruppen  auf  die  beiden 
halbverse: 

Nomen  +  ad jectivische  oder  genetivische  ergänzung. 
V.  123.   that  uuas  thiu  uuirsa  giburd,  ||  kuman  fan  Kaina 

V.  184.  Thanna  scal  sea  uuallande  ||  fiur  biuallan 

V.  297.  that  hina  brinuandi  ||  fiur  ni  biuengi 

V.  200.  thuoh  thu  is  giuuald  habes  |j  te  gifrummiauna 

V.  277.  quat  that  he  im  selbas  duora  ||  gaui  sulicas  guodas 

V.  281.  sea  im  filo  sagdun  ||  nuararo  uuordu 

V.  312.   uuard  thero  burugeo  giuuilic  ||  rokos  gifullit, 
uuard  thar  fan  radura  so  uilu  ||  fiures  gifallin. 

Verbal  Verbindungen. 
V.  108.   them  scuopun  siu  Sed  te  naman  ||  uuarom  uuordum 


Schemas 


oder  genauer  noch 


:  also  ein  ausgesprochener  hiatus. 


Digitized  by  Google 


ZUR  8TILISTIX  DER  ALT8.  GENESIS.  109 

V.  231.  hueder  that  unerad  gisund  ||  libbian  muoti 

(ähnlich  v.  204) 

V.  55.   Thno  an  forahtun  uuard  ||  Kain  aftar  them  quidiun  drohtinas 

(v.  90  f.  verträgt  eher  die  betonung  des  nachgestellten  subjects.) 

Sehr  häufig  ist  endlich  die  durchflechtung  der  die 
halbzeilen  verschleifenden  Satzglieder  durch  die  Variation: 

V.  23.    uuit  hebbiat  unk  giduan  mahtigna  god  ||  unaldand  uuredan. 

V.  41.   that  he  bihelan  mahti  herran  sinum  || 
thia  dadi  bidernian. 

V.  52.  ni  mag  im  enig  mann  than  suidor  || 

nuero  farnuirikian  an  uneroldrikea 

V.  65.   that  thu  mi  alatas  ledas  thingas  || 
tianono  atuemeas. 

V.  127.   endi  nnrdun  manno  barn,  ||  lindi  leda 

V.  141.   that  hier  Antikrist  alla  thioda  || 
uuerod  aunerdit 

(V.  152.   that  im  nuas  usa  uualdand  gram  ||  mahtig  drohtin) 

V.  155.   thno  ni  unelda  that  nualdand  god  ||  thiadan  tholoian 

V.  229.   ni  si  that  thn  it  unilleas  bi  thinaro  guodo,  god  hebanriki,  || 
thiadan  githoloian: 

V.  204.  mnot  thanna  that  land  gisund  || 

unaldand  an  thinnm  uuillean  giunerid  standan? 

V.  219.   Ef  ik  thar  lubigaro  mahg,  quad  he,  ||  thritig  nndar  thero 
thiodo  thegno  tidan,  ||  godforohta  gnmon: 

V.  224.   Abraham  thno  gimahalda  agaletlico,  || 
folgoda  is  froian 

V.  266.   umbi  Giordanas  stados  mid  gnmknstium,  |j 
giunerid  mid  geuuitteo: 

V.  283.   held  is  herran  bo<lan  helagliea,  || 
godas  engilos. 

V.  284.   Sia  him  guodas  so  filo,  ||  suodas  gisagdun. 

Diese  beispiele  zerfallen  nach  der  Stellung  der  Variation 
in  zwei  gruppen: 

In  denjenigen  mit  mittelstellung  werden  durch  die  Variation 
zwei  zusammengehörige  glieder  des  satzes,  wie  object  und  prä- 
dicat  (v.141.  284)  oder  das  prädicat  selbst  (23.  127.  155.204. 
229)  von  einander  geschieden.   Die  beiden  teile,  vor  allem  das 


Digitized  by  Google 


200 


PAULS 


nachfolgende,  müssen  also  einen  gewissen  begriffswert  haben, 
um  die  syntaktische  und  stilistische  trennung  aushalten  zu 
können.  Zu  ihr  tritt  noch  in  unsern  fällen  (ausser  v.  141)  die 
rhythmische  durch  das  steigend-fallende  Schema  hinzu.  Unsere 
beispiele  lassen  aber  die  nötige  Selbständigkeit  mit  ausnähme 
von  v.  127  durchgehends  vermissen:  sie  können  also  nicht  für 
stilistisch  correct  gelten. 

Genau  entsprechend  verhalten  sich  die  übrigen  fälle,  in 
denen  die  beiden  auf  die  halbverse  verteilten  glieder  der  Va- 
riation durch  ein  Satzglied  getrennt  sind.  Dieser  satzteil  muss, 
damit  die  begrifflich  nötige  pause  zwischen  variatum  und 
varians  zu  recht  bestehen  könne,  nach  seinem  eigenge wicht 
gleichfalls  einen  gewissen  Sinneseinschnitt  erfordern.  Dieser 
doppelten  forderung  genügen  aber  v.  65.  266  nicht:  der  syntak- 
tische einschnitt  ist  da  nicht  correct.  Bei  v.  41.  65.  219.  224. 
284  beruht  die  Unebenheit  darauf,  dass  die  pause  nach  schwach 
betontem  Satzglied  rhythmisch  nicht  genügend  motiviert  ist. 
Schliesslich  sind  diese  unschönen  Variationen  auch  noch  zum 
grossen  teil  nicht  eigentliche  mittelglieder,  sondern  schliessen 
den  satz  ab:  auch  das  beeinträchtigt  den  ebenen  tluss  der 
darstellung. 

Noch  einen  dritten  stilistischen  mangel  weisen  einige 
dieser  Variationen  auf:  eine  mangelhafte  füllung  der  betref- 
fenden halbzeilen.  Die  nicht  genügende  ausführung  der  v.  65. 
141.  152.  155.  229.  206  zeigt,  wie  das  verlangen  nach  der 
anwendung  des  formalen  stilmittels  den  dichter  seinen  inhalt- 
lichen wert  vernachlässigen  Hess;  und  ebenso  die  äusserlich 
zu  leichten  oder  gar  innerlich  wertlosen  Satzglieder  v.  41. 
224.  283. 

4)  Versfüllung. 

Bezüglich  der  versfüllung  ergibt  sich  nämlich  aus  der 
technik  der  guten  wg.  denkmäler  die  regel,  dass  jeder  halb- 
vers  normalerweise  einen  wichtigen  begriff  enthalten  soll,  und 
zwar  ein  fortführender  halbvers  ein  novum,  ein  ausführender 
(also  meist  die  Variation)  einen  entsprechend  schweren  begriff. 
Wie  unschön  die  Vernachlässigung  dieser  regel  wirkt,  haben 
bereits  die  obigen  beispiele  gezeigt.  Ich  füge  noch  eine  anzahl 
weiterer  belege  hinzu: 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILTSTTK  DER  ALTS.  GENESIS 


201 


V.  57.   that  iß  ni  mahti  uuerdan  nualdand  uuiht  ]  an  uueroldstundu 
dadeo  bidernid: 

V.  84.   thes  unard  Adamas  hugi  |  innan  breostun 
sui(!o  an  sorognn, 

V.  148.  Folc  nuirdit  eft  gihuoroban 

te  godas  rikea,  |  gnmuno  gisidi 
langa  huila,  |  endi  sted  im  sidor  thit  land  gisund. 

V.  301.   leddun  hina  endi  lerdun  |  langa  hnila 

V.  156.  ac  hiet  sie  threa  faran 

is  engilos  ostan  |  an  is  arundi, 

V.  211.   Abraham  thuo  gimabalda  |  adar  side, 
ford  fragoda  |  frahon  sinan: 

V.  243.   Thno  ni  dorste  Abraham  leng  |  drohtin  sinan 
fnrdhur  fragon,  . . .  (245b)  quad  he  gerno 
is  geld  gerenuedi 

Y.  291.    that  thar  mord  mikil  l  mauno  barno 

scolda  thera  liodio  hnuerthan  |  endi  ok  thes  landas  so  samo. 

V.  335.  thar  sin  standan  scal 

mann  um  te  marthn  |  obar  middilgard 

after  heunandaga,  |  so  lango  so  thius  erda  lebot. 

Wenn  in  der  mehrzakl  dieser  beispiele  je  ein  halbvers 
hinter  dem  durchschnittsmass  der  füllung  zurückbleibt,  so  fällt 
dieser  mangel  besonders  durch  den  gegensatz  zu  benachbarten 
fast  zu  reich  gefüllten  versen  auf:  der  ganze  rhythmus  kommt 
dadurch  ins  stocken.  Inhaltlich  zu  schwere  halbzeilen  sind 
indessen  selten  (vielleicht  v.  60.  80.  199.  209.  233):  häufiger 
sind  halbverse  mit  Wörtern  als  mit  begriffen  überfüllt.  Immer- 
hin treten  diese  übervollen  verse  weniger  störend  hervor,  weil 
der  vers  eher  eine  rhythmisch  oder  melodisch  gesteigerte  be- 
wegung  zulässt  als  das  gegenteil.  Formell  schlecht  gefüllte 
halbverse  haben  wir  in 

V.  275.   that  he  muosta  sea  mid  is  ogum  |  an  luokoian') 

V.  39.   that  is  huerigin  hier  |  huodian  thorofti. 
uuardon  an  thesaro  uueroldi. 

V.  167.    that  hie  is  huldi  ford  |  hebbian  muosti 

V.  175.   nuarod  thu  sigidrohtiu  |  sidon  iniilleas? 

V.  210.   thuru  that  ik  thea  hluttron  man  |  haldan  nuille 

')  üeberhanpt  sind  die  verbalen  versausgänge  besonders  armselig. 


Digitized  by  Google 


202 


PAULS 


V.  231b.  hueder  that  uuerad  gisnnd  ||  libbian  muoti 

V.  237.  that  sia  umbi  Sodomaland  |  sittian  muotin 

V.  305.  an  thiu  thie  sea  an  them  landte  |  libbian  oueldin 

V.  333.  than  lang  the  sin  an  them  landa  j  libbian  muosta. 

Es  ist  bezeichnend  für  die  G,  dass  gerade  ihre  zweiten 
halbverse,  die,  wie  wir  gesehen  haben,  in  höherem  masse  die 
vorwärts  schreitenden  momente  enthalten  sollten,  so  sehr  die 
rhythmische  bewegung  der  ersten  hemmen.  Allerdings  wird 
in  diesen  ersten  halbversen  das  vorwärtseilen  nnr  durch  die 
form,  nicht  durch  den  inhalt  gegeben:  ein  ähnliches  auseinander- 
gehen dieser  beiden  demente  ist  mir  im  H  jedoch  nicht  auf- 
gesessen. 

5)  Metrisches. 

Wenn  ich  mir  Genesisstellen  vorlas  und  zum  vergleich 
beliebige  Heliandabschnitte  aufschlug,  erschienen  mir  die  unter- 
schiede zwischen  den  beiden  dichtungen  oft  so  greifbar,  dass 
mir  eine  bestätigung  der  gewonnenen  eindrücke  durch  eine 
statistische  Untersuchung  fast  als  überflüssig  erschien.  Sehr 
oft  stimmte  aber  nachher  das  resultat  einer  solchen  Untersuchung 
sehr  wenig  mit  dem  vorher  empfangenen  allgemeinen  eindruek 
zusammen,  den  ich  doch  für  richtig  halten  musste.  Der  mangel 
liegt  also  auf  seite  der  Statistik.  Vor  allem  auf  dem  gebiet 
der  metrik  in  engerm  sinne  fand  ich  R.  Fischers  urteil  über 
die  Verwerflichkeit  einer  absoluten  versstatistik  (oben  s.  183) 
bestätigt.  Trotzdem  ziehe  ich  hier  ein  paar  meiner  tabellen 
heran,  weil  ich  glaube,  dass  doch  auch  aus  ihnen  einiges  wert- 
volle gefolgert  werden  kann. 

Die  Verteilung  der  typen  in  der  G  stellt  sich  zu  der 
des  H  (nach  Kauffmanns  Zählungen  Bei tr.  12, 289  ff.)  und  der 
des  Beowulf  (nach  Deutschbein  a.a.O.  s.  69)  folgendermassen: 


A 

B 

C 

D 

a  1 

b 

a 

b 

b 

a    j  b 

B 

1424 

1114 

299 

726 

504 

582 

445  349 

II 

26G2 

1G67 

807 

2307 

G39 

1216 

564  155 
41  18 

G 

180 

1 

100 

44 

127 

15 

65 

E 

a  b 

128  330 
411  1  198 
22  15 


a 

303 
414 
30 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALT8.  GENI 


203 


in  procenten: 


A 

B 

C 

D 

E 

A3 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

b 

a 

B  46,1 

35,9 

9,6 

23,4 

16,2 

18,8 

14,3 

11,3 

4,1 

10,6 

9,8 

H  48,4 

29,8 

14,7 

42,1 

11,6 

21,8 

10,3 

2,8 

7,5 

3,5 

7,5 

G  54,2 

32,2 

13,3 

38,3 

4,5 

19,6 

12,3 

5,4 

6,6 

4,5 

0,1 

Bemerkenswert  sind  die  differenzen  der  A-  und  C-verse, 
speciell  in  der  ersten  halbzeile;  wichtiger  ist  aber  wol  die 
allgemeine  Übereinstimmung  in  der  Verteilung  der  typen,  wo- 
durch das  Verhältnis  der  G  zum  H  sich  auffällig  von  der  ab- 
steigenden entwicklungsreihe  der  metrischen  technik  in  der  ags. 
epik  unterscheidet  (vgl.  Deutschbein  s.  69). 

Das  Verhältnis  der  steigenden  und  fallenden  typen  hat 
sich  indessen  doch  etwas  verschoben:  in  procenten: 


a  b 

steigende   H  33,8  63,9 
G  26,9  57,9 


a  b 
fallende   H   66,2  36,1 
G   73,1  42,1 


Im  ersten  halbvers  zeigt  die  G  also  eine  mehr  differenzierende, 
im  zweiten  eine  mehr  ausgleichende  tendenz:  eine  erseheinung, 
die  eigentlich  in  umgekehrtem  Verhältnis  zu  dem  natürlichen 
wert  der  beiden  halbzeilen  steht. 

Nach  dem  oben  bei  der  versfullung  beobachteten  sollte 
man  erwarten,  dass  silbisch  stärker  oder  schwächer  gefüllte 
typen  in  der  G  in  grösserem  umfang  hervortreten  als  im  H. 
Aber  auch  hier  lässt  uns  die  Statistik  im  stich.  Die  berech- 
nung  nach  Kauffmanns  Zählung  bringt  fast  genau  gleiche 
procentzahlen  für  beide  dichtungen.  Trotzdem  ist  ein  unter- 
schied da,  wenn  er  sich  auch  nicht  zahlenmässig  klarlegen 
lässt:  er  ergibt  sich  weniger  aus  den  isolierten  einzelfällen, 
als  aus  dem  Zusammenhang.  Im  Zusammenhang  machen  sich 
nämlich  bald  häufungen,  bald  gegensätze  von  vollen  und  leichten 
typen  geltend,  die  weder  ästhetisch  motiviert,  noch  wirksam 
sind.  Es  herscht  in  der  G  vielmehr  die  gewohnheit,  jene 
volleren  typen  vorwiegend  im  zweiten,  die  leichteren  im  ersten 
halbvers  zu  verwenden,  und  das  gibt  dem  rhythmus  einen 


Digitized  by  Google 


201 


PAULS 


unruhigen,  oft  springenden  Charakter.  Solche  gruppen  finden 
sich  z.  b.  v.  98  ff.  152  ff.  179  ff.  In  ihnen  erfordern  die  b-verse 
wegen  ihres  Silbenreichtums  ein  schnelleres  tempo,  aber  trotz- 
dem schiessen  sie  über  das  zeitmass  der  leichteren  a-verse 
hinaus.  Derselbe  unterschied  besteht  auch  in  dynamischer 
hinsieht:  die  hebungen  der  volleren  verse  erhalten  durch  die 
fülle  der  Senkungen  einen  stärkeren  nachdruck,  vermöge  dessen 
sie  über  die  schwächeren  hebungen  der  leichter  gefüllten  domi- 
nieren. An  stellen  dagegen,  wo  mehrere  zu  volle  typen  auf- 
einander folgen,  heben  sie  sich  nicht  scharf  genug  von  einander 
ab:  sie  erinnern  dann  durchaus  an  den  Stil  der  prosarede. 
Dieser  eindruck  wird  häufig  noch  dadurch  verstärkt,  dass  die 
vielsilbigen  Senkungen  zugleich  zu  schwer  belastet,  die  hebungen 
für  sie  zu  leicht  sind,  dass  also  der  poetische  rhythmus  mehr 
oder  weniger  verschwindet.  So  z.  b.  v.  43  ff.  55  ff.  89  ff.;  dann 
in  den  reden  Abrahams,  besonders  231  ff.,  in  denen  233b  huuat 
uuüis  thu  is  thanna,  fro  min,  duoan  ziemlich  der  unschönste 
halbvers  der  ganzen  dichtung  ist.  236  uuilthu  im  thanna  hiro 
ferh  fargeban  ist  ein  offenkundiger  prosasatz.  Wenn  man  von 
der  fehlenden  alliteration  absieht,  könnte  man  ihn  allerdings 
als  schwellvers  auffassen,  dessen  Schema  ja  auch  andere  verse 
nahe  stehen,  so: 

V.  67  a.   hugi  uuid  them  thinum  hlutrom  muoda 

V.  77.   forhuatan  sculun  thi  hluttra  liudi,  thu  ni  salt  io  furthur 

[cuman  te  thines  herrou  sprako, 
uueslean  thar  mid  uuordon  thinon. 

V.  91a.   Kaiu  au  sulicuu  qualma 

V.  229  a.   ni  si  that  thu  it  uuilleas  bi  thinaro  guodo. 

Aber  das  sind  keine  echten  schwellverse,  weil  sie  beim  Vortrag 
kein  anschwellen  (des  rhythmus,  der  stimme)  zulassen.  Wenn 
sie  auch  an  ziemlich  pathetischen  stellen  unserer  dichtung 
stehen,  so  geht  ihnen  selbst  doch  aller  der  schwung  ab,  der 
z.  b.  die  schönen  verse  der  bergpredigt  im  Heliand  auszeichnet. 
Den  gedanken  der  Genesis  und  ihrer  darstellung  fehlt  dieser 
poetische  schwung  keineswegs  überall:  aber  gerade  ihren 
verseil  gebricht  es  gänzlich  an  jenem  immanenten  rhythmus. 
den  wir  in  den  meisterwerken  der  alliterationspoesie  bewundern. 
Es  ist  darum  auch  nicht  möglich,  sie  in  langsamem  tempo, 


Digitized  by  Google 


ZUR  STILISTIK  DER  ALTS.  GENESIS. 


205 


mit  melodischer  und  rhythmischer  Variation  der  stimme  nach 
höhe  und  stärke  vorzutragen  wie  die  Heliandverse:  unwillkür- 
lich gleicht  man  mehr  zwischen  hebnngen  und  Senkungen  aus, 
die  intonation  wird  flacher,  die  halbverse  laufen  mehr  in- 
einander, der  ganze  rhythmische  Charakter  nähert  sich  dem 
der  prosa.  — 

Im  vergleich  zu  solchen  allgemeinen  mangeln  lege  ich 
weniger  wert  auf  einzelne  metrische  fehler,  die  uns  hier 
und  da  aufstossen.  Direct  falsch  sind  verse  wie  264  b  attal- 
Inoslas  (wenn  man  nicht  mit  Holthausen,  Zs.  fda.  39, 55  adali- 
hnoslas  liest),  284.  307  (a)  godas  engilos,  331b  siu  ni  uueldere 
Hiera  engilo.  Als  unschöne  oder  nicht  ganz  glatte  verse  könnte 
man  noch  einige  andere  hinzufügen,  aber  ich  nehme  davon 
abstand:  finden  sich  doch  auch  im  H  eine  reihe  von  derartigen 
versen.  — 

Wichtigere  gesichtspunkte  bietet  dagegen  wider  die  alli- 
teration. Auch  bei  ihr  hat  die  Statistik  nichts  zu  tage  ge- 
fördert als  ein  Verhältnis  von  einfacher  und  doppelter  alliteration, 
das  dem  im  H  herschenden  Verhältnis  ganz  entspricht. 

Der  Genesisdichter  hat  dies  kunstmittel  mit  gleicher  ge- 
wissenhaftigkeit  angebracht  wrie  die  Variation:  selbst  der  freiere 
typus  A3  ist  kaum  häufiger  verwant  als  im  H.  In  bezug  auf 
die  heranziehung  der  verschiedenen  Wortklassen  zur  alliteration 
findet  eine  geringe  differenz  statt:  es  alliteriert  in  der  G  ein 
etwas  höherer  procentsatz  von  verben;  dabei  sind  sämmt liehe 
verbalformen  berücksichtigt. 

H  (338  y.)  705  nomina  (81,5  %),  160  verba  (18,5%) 
G  681     „       (76,7  •.),   205    „  (23,3%). 

Beschränken  wir  uns  auf  die  wichtigste  gruppe  der  letzteren, 
die  alliterationen  der  verba  finita,  so  ist  ein  directer  vergleich 
nicht  möglich  wegen  des  engen  Zusammenhanges  des  Stabreims 
mit  dem  rhythmus.  Wenn  im  allgemeinen  die  gewohnheit 
herscht  (die  rege],  könnte  man  fast  sagen),  dass  über  die  alli- 
teration der  starkton  entscheidet,  so  hat  sich  eine  lange  tra- 
dition  mit  dieser  gewohnheit  auseinanderzusetzen  gewusst.  Wie 
nun  aber  auch  der  gebrauch  in  nominalgruppen  z.  b.  sein  mag, 
für  die  verbalalliteration  kann  nur  der  sinnesaccent  von  gel- 
tung  sein.  Darum  muss  ich  verse  wie  die  folgenden  bemängeln: 


Digitized  by  Google 


206  PAULS 

V.  213.   Huuat  duos  thu  is  thanna,  quad  he,  drohtin  fro  uuin1) 

V.  243  f.   Thuo  ni  dorste  Abraham  leng  drohtin  sinan 
furdhur  fragou,  hac  he  feil  im  after  te  b£dn 

V.  287.   an  allara  gelida  gihnuem  uhtfugal  sang») 

V.  290.   umbi  Sodomburug:  tho  sagdun  sia  Loda3) 

Vor  allem  aber  sind  falsch: 

V.  56.   Kain  aftar  them  qnidiun  drohtinas,  quad  that  hie 

[uuisse  garo 

V.  245.   an  kneo  craftag;  quad  he  gerno 

Vgl.  V.  98.   sinhiun  samad,  quadun  that  sia  uuissin  that  im 

[that  iro  sundia  gidedin 

H  V.  620.   that  uuerod  nuarlico,  quathun  that  sia  uuissin  garoo 

V.  2968.   uuisero  uuordo,  quathun  that  sia  uuissin  garo. 

Umgekehrt  findet  sich  einmal  alliteration  eines  nomens  an  stelle 
des  betonten  verbums: 

V.  171.  uuilthu  minas  uuiht 

drohtin  hebbian  huat?  it  all  an  thinum  duoma  sted. 

An  folgenden  stellen  dürften  begrifflich  leichte  Wörter 
durch  die  alliteration  zu  stark  hervorgehoben  sein: 

V.  13.   bitter  balouuerek,  thero  uuarun  uuit  er  bedero  tuom 
V.  70.   hebanes  uualdand:  Hier  scalt  thu  noh  nu,  quad  he. 
Eine  rein  technische  auffälligkeit  findet  sich 

V.  306.   Thuo  uurubun  eft  uuider  helega  uuardos; 

vgl.  dazu  Sievers,  Altgerm,  metrik  s.  37,  anm. 

Damit  ist  freilich  die  bedeutung  der  alliteration  für  die 
Charakteristik  der  Genesis  noch  nicht  erschöpft.  Zur  Vervoll- 
ständigung des  bildes  müsste  ich  auf  viele  einzelheiten  dieser 
Untersuchung,  vor  allem  auch  meiner  früheren  arbeit  zurück- 
greifen, um  das  Verhältnis  der  alliteration  in  der  Genesis  zu 
deren  stil  zu  illustrieren.  Und  eines  sei  noch  bemerkt  Es 
wird  keinem  leser  unseres  textes  entgangen  sein,  wie  sehr 
dessen  dichter  unter  dem  bedrückenden  einfluss  der  alliteration 

*)  Bei  betonung  von  thanna. 
»)  Vgl.  Braune  s.  63. 

»)  Hier  wäre  auch  die  andere  auffassung  möglich:  'da  teilten  sie 
Loth  mit  ... ' 


Digitized  by  Google 


ZCR  STILISTIK  DER  ALTS.  GEN 


*3K 


207 


steht  Sie  ist  bei  ihm  nicht  ein  sich  natürlich  ergebender 
schmuck,  sondern  eine  hergebrachte  not  wendigkeit,  nach  deren 
bann  er  seine  stilistische  technik  einrichten  muss.  Allerdings 
ist  auch  der  H  nicht  frei  von  Zwangseinwirkungen  der  allitera- 
tion:  niemals  jedoch  scheint  diese  dem  Helianddichter  so  sehr 
im  Vordergrund  der  technischen  erfordernisse  gestanden  zu 
haben  wie  dem  dichter  der  Genesis. 

Wir  haben  also  auch  in  den  alliterationsverhältnissen  der 
G  einen  beleg  für  dieselbe  technische  inferiorität  ihres  Ver- 
fassers, die  sich  auch  bei  der  betrachtung  seines  Versbaues, 
seiner  variations-  und  seiner  satztechnik  ergeben  hat.  In  dem 
Verhältnis  der  G  zum  H  ist  typisch  die  schematische  ähnlich- 
keit  in  der  äusseren  form  der  dichtung  neben  viel  weiter  und 
tiefergehenden  differenzen  in  der  gedankentechnik  wie  auf 
dem  gebiet  des  inneren  Stiles,  also  der  poetischen  darstellung 
überhaupt. 

Berichtigungen.   S.  186,  z.  14  lies  53,7%  statt  %.  —  S.  187,  z.  16 
v.n.  lies  17,6%  statt  17,5 %.  —  S.  188,  über  z.  12  v.u.  lies 
st.  f.  st.  f. 

H  (10)  4,4  %  +  (145)  63,3  %  :  (36)  16,15  °/0  +  (36)  16,15  % 
G  (11)9,7%+    (56)49,1%   :   (29)   25,4%  +  (18)  15,8%. 

LEIPZIG.  FRITZ  PAULS. 


EIN  BULGARISCHER  OEDIPUS. 

Ich  mache  die  germanisten  darauf  aufmerksam,  dass  es 
auch  ein  bulgarisches  Volkslied  gibt,  das  in  den  kreis  der 
Gregoriuslegende  gehört,  und  das  Paul  in  der  zweiten  aufläge 
seiner  ausgäbe  nicht  erwähnt.  Es  findet  sich  in  den  Bulga- 
rischen Volksdichtungen,  übersetzt  von  Ad.  Strauss,  Wien  und 
Leipzig  1895,  s.  218,  und  stellt  sich  nahe  zu  den  von  Seelisch, 
Zs.fdph.  19, 416  ff.  besprochenen  fassungen,  schliesst  aber  damit, 
dass  der  söhn  sich  selbst  den  tod  gibt,  als  er  der  blutschande 
inne  wird. 

In  der  anmerkung  verweist  der  hrsg.  auf  eine  einschlägige 
arbeit  von  Dragomanow,  die  gleichfalls  bei  Paul  nicht  ver- 
zeichnet wird. 

GIESSEN,  17.  oct.  1904.  0.  BEHAGHEL. 


Digitized  by  Google 


208 


NHD.  ARKELEI  UND  DIE  ANDEREN  NEBEN- 
FORMEN VON  ARTILLERIE. 

Das  ältere  nhd.  und  nd.  sowie  seand.  arkelei,  -i(e)  wird 
belegt  vom  DWb.  1,  551,  von  Schroetter  1. 142,  vom  Schweiz, 
id.  1,  450,  von  H.Fischer  im  Schwab,  wb.  1, 314,  von  Schiller- 
Lübben,  Mnd.  wb.  1, 126,  vom  Ordbok  öfver  svenska  spräket. 
utg.  af  svenska  akademien,  A  2257,  und  schliesslich  von  P.  Eick- 
hoff, Der  Ursprung  des  Wortes  artillerie,  in  der  Festschrift  de> 
gymuasiums  zu  Wandsbeck  1897,  s.  68.  Ueber  die  herkunft 
des  Wortes  sind  schon  öfters  Vermutungen  ausgesprochen 
worden,  sie  werden  von  H.Fischer  a.a.O.  zusammengestellt. 
Er  sagt:  'Arkelei  ist  ältere  entlehnung,  wol,  wie  artillerie,  aus 
*articulariax\  etwa  mit  anlehnung  an  arcus  'bogen';  schwerlich 
direct  aus  *arcularia  zu  arcularius  'bogenmacher'.  Arcttbalista 
kann  nach  zeit  und  bedeutung  nicht  hierhergehören.'  Ich 
möchte  hinzufügen,  der  form  nach  auch  nicht.  Ebensowenig 
wie  die  beiden  letzten  von  Fischer  erwähnten  hypothesen 
genügt  die  erste  mit  ihrer  fragwürdigen  anlehnung  an  arcus. 
Ich  vermute  vielmehr,  dass  arkelei  auf  deutschem  boden 
auf  rein  lautlichem  weg  aus  artillerie  oder  besser  artil- 
lerei entstanden  ist. 

Die  entwickelung  von  artillerei  zu  arkelei  denke  ich  mir 
folgend  ermassen : 

Artillerei  wurde  zunächst  mit  ausstossung  der  unbetonten 
mittelsilbe  zu  *artlereit  vgl.  cbmmandeur  >  komtur,  kappehn 
>  Kaplan,  mademoiselle  >  manuell  (s.Luick,  Anglia  20, 351  ff.). 

Nun  ist  aber  tl  eine  dem  deutschen  ungeläufige  lautverbin- 
dung,  sie  wurde  durch  kl  ersetzt:  arklerci.  Diese  ersetzung 
von  tl  durch  kl  (oder  dl  durch  gl)  ist  eine  lautsubstitution 
innerhalb  der  spräche  selbst,  die  sich  mehrfach  beobachten 
lässt,  Beispiele:  Schweiz,  figler  =  fiedler,  Schweiz,  id.  1,690; 
frk.  bair.  figlböge  =  fiedelbogen,  Schmeller  1,689,  der  das  wort 
zu  fiekeln  'reiben',  verächtlich  für  'die  geige  spielen'  zieht. 
J.  N.  Schwäbl,  Die  altbayer.  ma.,  München  1903,  §  38,3;  bair. 
sigl  'sidel,  sitz',  Schmeller,  Maa.  Baierns  §  440;  frk.  alem.  äsigler, 

')  Die  etymologie  der  roman.  formen  (franz.  artillerie,  ital.  ariiglieria, 
Bpan.  artillaria  u.s.w.)  untersucht  A.Thomas,  Romania  24, 265 ;  vgl.  dazu  den 
aufsatz  von  Eickhoff  a.a.O. 


Digitized  by  Google 


ARKELEI  etc. 


209 


olsigler  =  einsiedler,  Birlinger,  Alem.  spr.  1, 114,  bair.  oa$igl(er), 
Schmeller  a.a.O.,  Unger,  Steh*.  Wortschatz,  Graz  1903,  s.  197; 
vgl.  auch  Kluges  Zs.  f.  d.  wortf.  3, 262;  hess.  bair.  spigl  =  mhd. 
spidel 4 spittel'  =  keil,  keilförmiger  einsatz  am  hemd,  Schmeller 
2, 658  (Pfaff,  Beitr.  15, 192  führt  pfälz.  äpigdla  auf  *$pidikilin 
zurück);  alem.  bair.  speigel  =  speidel,  keil,  vgl.  Schmeller  2, 659, 
rerspeigeln  -mit  keilen  das  holz  auseinandertreiben',  Birlinger 
a.a.O.  s.  115. 

Im  hess.  ist  mhd.  tärieltilbe  Hörtel  taube'  zu  dirkldüwd  ge- 
worden, doch  hier  könnte  man  auch  an  dissimilation  von  t  —  t 
zu  t  —  h  denken,  vgl.  it.-span.  patata  >  ostfrk.  pataken-,  tat- 
tuffel  >  kartoffel  und  Zs.  f.  hd.  ma.  1,  29.  Dasselbe  gilt  für 
elsass.  feghdid  neben  fidlided  =  fidulität,  d.  h.  Schelmenstreich, 
Martin-Lienhart,  Elsäss.  wb.  1, 95. 

Auch  engl,  mundarten  kennen  die  lautsubstitution  von  tl 
zu  kl,  vgl.  Barklemg  —  Bartlcmy  für  Bartholomen?,  mankle- 
shelf  =  mantle-shelft  acleast  =  at  least  (verf.,  Beitr.  zur  ge- 
schiente der  engl,  gutturallaute,  Berlin  1901,  s.  10  f.),  little  > 
UM  bei  Jackson,  Shropshire  word-book  s.  xli. 

Die  form  mit  k  statt  t  finden  wir  auch  in  den  scand. 
sprachen:  ark(e)li.  Bemerkenswert  ist  es,  dass  sich  im  scand. 
arkeli  in  der  bedeutung  von  ariilleii  geschieden  hat:  arkeli 
bezeichnet  oder  bezeichnete  in  der  älteren  spräche  nur  die 
Pulverkammer  oder  das  magazin  für  kriegsmunition,  artiUeri 
hat  dagegen  die  weitere  bedeutung  wie  im  deutschen;  vgl.  z.  b. 
C.Molbech,  Dansk  ordbog,  Kopenhagen  1859. 

Art  kr  ei  ist  also  zu  arklerei  geworden  (arkelerei  DWb.). 
Und  daraus  entstand  schliesslich  arkhi  (arkclci),  indem  das 
zweite  r  schwand,  vermutlich  durch  totale  dissimilation.  So 
ist  ja  auch  ariillerei  zu  artelei,  artolei  geworden  (Schiller- 
Lübben  1,131  und  Fischer  a.a.O.). 

Die  entwickelung  von  artillerie  zu  arkelei  gieng  also 
folgenden  weg:  artilleri  >  artdlcrci  >  *artlerci  >  arklerei  > 
arklei  (arkelei). 

Eine  nebenform  von  ark(e)lerei  ist  das  von  Fischer  bei- 
gebrachte älternhd.  äcklerci.  F.  erklärt  das  mit  unrecht  für 
eine  'entstellte  form'.  Hier  ist  zunächst  das  erste  r  ge- 
schwunden, wol  auch  in  folge  totaler  dissimilation;  dafür 
spricht  das  nd.  nebeneinander  von  attelrie  und  artelei,  vgl. 
Schiller-Lübben  1, 131.   Ausserdem  aber  finden  wir  in  unserem 

Beitrage  iur  geschieht«  der  deutschen  spräche.  XXX. 

Digitized  by  Google 


210 


HORN,  ARKELEI  etc. 


wort  dt  an  stelle  von  a.  Das  ist  nun  bei  Wörtern,  die  aus  dem 
franz.  oder  ital.  entlehnt  sind,  nicht  selten,  ä  ist  nichts 
anderes  als  eine  lautsubstitution  für  das  helle  romanische  a. 
Auf  diese  lautsubstitution  hat  m.  w.  zuerst  Wilmanns  hin- 
gewiesen in  seiner  Deutschen  gramm.  I1,  s.  199,  anm.  (zu 
lärm),  dann  Behaghel  in  Pauls  Grundr.  1  \  696,  fussnote  (zu 
teller,  lärm,  scliärpe)  und  verf.,  Beiträge  zur  deutschen  laut- 
lelire  1898,  s.  15  ff.  und  Zs.  f.  frz.  spr.  u.  lit  21, 69  ff.,  jetzt  auch 
Schweiz,  id.  4,  1308  (zu  binäts  <  afranz.  espinache  oder  it. 
spinacio). 

In  der  älteren  spräche  und  in  den  heutigen  mundarten 
begegnen  häufig  formen  mit  a  oder  o  vor  /  (statt  t,  arta- 
larei,  arckalei  (archallei),  artoll(er)ei,  nd.  artolei  (Schiller- 
Lübben  1, 126),  in  heutigen  mundarten  artolerie  (im  Odenwald, 
in  der  Schweiz,  Schweiz,  id.  1, 479),  im  älteren  schwed.  artol 
leri,  attolcri,  so  heute  noch  dialektisch,  daneben  auch  tolleri, 
vgl.  Ordbok  öfver  svenska  spräket,  A  2419  ff.  Diese  formen 
halte  ich  für  hyperschriftsprachliche  bildungen.  Die 
schwach  betonten  vocale  werden  in  den  mundarten  zu  a  ab- 
geschwächt. Weil  nun  mundartlichem  ab^räd  ein  schrift- 
sprachliches apparat,  mundartlichem  adfögäd  schriftsprach- 
liches advokat  entspricht,  wird  zu  artohri  ein  vermeintlich 
schriftsprachliches  artalarie,  artolerie  gebildet  Die  hyper- 
schriftsprachliche form  ddohri  ist  im  Odenwald  die  allein 
gebräuchliche.  Es  kommt  ja  bei  fremdwörtern  manchmal  vor, 
dass  hyperschriftsprachliche  formen  ständig  gebraucht  werden, 
aber  nur  bei  fremdwörtern,  wenigstens  im  deutschen;  in  Eng- 
land, wo  der  einfluss  der  Schriftsprache  auf  die  mundarten 
viel  stärker  ist  als  bei  uns,  kommen  auch  einheimische  Wörter 
ständig  in  hyperschriftsprachlicher  form  vor.  Vgl.  Zs.  f.  frz. 
spr.  u.  lit.  22, 61  ff.  und  Salverda  de  Grave's  Vortrag  über  Het 
individuele  dement  bij  het  ontleenen  van  vreemde  woorden 
in  den  Handelingen  van  het  tweede  nederlandsche  philologen- 
congres,  gehouden  te  Leiden  1900,  s.  89  ff. 

Im  engl,  hat  das  roman.  wfort  eine  andere  entwickelung 
durchgemacht.  Neben  artillery  stand  früher  artry,  vgl.  Murray's 
New  Engl.  dict.  1,  476.  Artillery  ergab  mit  Schwund  des  un- 
betonten mittelvocals  *artlry,  und  daraus  wurde  artry  mit 
ersetzung  der  ungeläufigen  consonantengruppe  rtlr  durch  rtr. 

GIESSEN,  12.  sept.  1904.  WILHELM  HORN. 


Digitized  by  Google 


BEHAGHEU  GRENZ8CHREIBBB.  —  KLUYVER,  TOLPATSCH.  211 

GRENZSCHREIBER. 

Seiner  zeit  glaubte  ich  mit  meiner  rectoratsschrift  über 
Schriftsprache  und  mundart  das  gespenst  der  grenzdichter 
endgiltig  totgeschlagen  zu  haben.  Aber  die  sippe  ist  zäh, 
und  zu  meiner  schmerzlichen  Überraschung  ist  ganz  neuerdings 
in  diesen  blättern  ein  vetter  des  grenzdichters,  der  grenz- 
schreiber,  umgegangen.  Auf  s.  376  und  377  von  bd.  29  glaubt 
Junk  festgestellt  zu  haben,  dass  die  Münchener  hs.  von  Rudolfs 
Alexander  sowol  niederalemannische  als  mitteldeutsche  eigen- 
tümlichkeiten  aufweise,  und  er  zieht  daraus  den  schluss,  dass 
die  k  auf  einem  grenzgebiet  entstanden  sei,  und  zwar  soll 
diese  heimat  in  Mannheim  oder  in  der  nähe  zu  suchen  sein, 
'wo  ja  md.  und  alem.  hart  aneinander  grenzen'.  Junk  hat 
seine  abhandlung  in  Wien  geschrieben,  und  aus  der  ferne  ge- 
sehen schrumpfen  die  entfernungen  zusammen.  Wenn  ich  aber 
mein  eisenbahnbuch  nehme,  so  sehe  ich,  dass  ich  von  Mann- 
heim nach  Rastatt,  also  bis  in  die  nähe  der  alemannischen 
grenze,  nicht  weniger  als  85  Kilometer  zu  fahren  habe:  das 
ist  ein  wenig  viel  für  das  überspringen  alemannischer  eigen- 
tümbchkeiten  in  die  Pfalz.  Weiter  aber  kann  ich  Junk  ver- 
sichern, dass  ein  Mannheimer  nicht  daran  denkt,  statt  brennen 
lurnen,  statt  dritte  dirte  zu  sagen. 

Die  unerlässliche  grnndlage  für  die  annähme  eines  grenz- 
dichters oder  grenzschreibers  ist  der  nachweis,  dass  die  in 
einem  text  vereinigten  eigentümlichkeiten  verschiedener  mund- 
arten  auch  wirklich  an  einem  bestimmten  orte  zusammen  auf- 
treten Sonst  liegt  eben  eine  auf  andere  weise  entstandene 
mechanische  raischung  vor,  und  wir  besitzen  ja  massenhafte 
heispiele  dafür,  dass  der  Schreiber  einer  hs.  und  der  ihrer 
vorläge  verschiedenen  gegenden  angehören. 

GIESSEX,  22.  juli  1904.  0.  BEHAGHEL. 


TOLPATSCH. 

Reitr.  29,  558  nimmt  H.  Schroeder  an,  die  ursprüngliche 
bedeutung  von  tolpatsch,  tolpatz  sei  'einer  der  kauderwälscht', 
und  diese  auffassung  führt  ihn  zu  einer  Zusammenstellung 
dieses  wortes  mit  mhd.  tolmetze,  weil  nämlich  tolmetzen  nicht 


Digitized  by  Google 


212 


RODAKIEWICZ,  Zü  BEITR.  29,  317. 


nur  1  verdolmetschen',  sondern  bisweilen  auch  'kauderwälschen, 
schwätzen'  bedeutet;  das  p  in  tolpatsch  erkläre  sich  durch 
einfluss  von  tölpel  Nun  ei*sieht  man  aber  aus  dem  artikel 
Kluge's,  dass  die  bedeutung  tölpel  wahrscheinlich  erst  jünger 
ist,  und  dass  tolpatsch  mit  p  bestanden  hat,  ehe  sich  der 
einfluss  von  tölpel  geltend  machen  konnte.  Als  die  eigentliche 
bedeutung  ergibt  sich  vielmehr:  ungarischer  oder  slavischer 
soldat  (der  kein  deutsch  versteht).  Eine  form  talpatsch  ist  bei 
Kluge  nicht  verzeichnet,  sie  findet  sich  in  einer  stelle  aus 
Gleim:  Was  soll,  o  talpatsch  und  pandur,  icas  soll  die  träge  rast? 
(DWb.  unter  pandur).  Dieses  talpatsch  dürfte  dem  ungarischen 
entlehnt  sein:  talpas  (von  talp,  sohle,  fusssohle;  ung.  s  =  i) 
bedeutet  'grossfüssig',  als  subst.  auch  u.a.  'der  infanterist'; 
daneben  findet  man  talpacs,  der  plattfuss  (Ballagi,  Wb.).  Ge- 
rade der  lautwert  des  ung.  kurzen  a  würde  auch  das  o  in 
tolpatsch  begreif  lieh  machen.  Allerdings  bestehen  im  deutschen 
Wörter  wie  talpe,  pfote,  tatze,  und  talpen,  schwerfällig  gehen 
(DWb.  11.  101),  allein  form  und  bedeutung  von  talpatsch,  tol- 
patsch machen  fremde  herkunft  wahrscheinlich. 

LEIDEN.  A.  KLUYVER. 


ZU  BEITR.  29,317. 

Der  güte  des  herausgebers  der  Beiträge  verdanke  ich  die 
möglichkeit,  an  dieser  stelle  mein  aufrichtiges  bedauern  über 
eine  nachlässigkeit  auszusprechen,  die  sich  in  den  gesammt- 
druck  meiner  arbeit:  Beiträge  zur  geschickte  der  altenglischen 
Präpositionen  mid  und  und  mit  berücksichtigung  ihrer  beider- 
seitigen beziehungen  (Anglistische  forschungen  2,  Heidelberg 
1903)  eingeschlichen  hat,  In  dem  Sonderdruck  des  ersten  teils 
meiner  arbeit,  der  als  doctordissertation  erschienen  ist,  hatte 
ich  herrn  professor  Sievers  meinen  dank  ausgesprochen  für  das 
interesse,  das  er  an  meinen  Untersuchungen  auf  philologischem 
gebiete  nahm.  Leider  unterblieb  aber  versehentlich  bei  der 
Veröffentlichung  des  ganzen  in  den  Anglistischen  forschungen 
eine  widerholung  dieses  hinweises,  den  ich  hiermit  nachtragen 
möchte. 

INDIANAPOLIS,  Indiana,  november  1904. 

ERLA  HITTLE  RODAKIEWICZ. 


Digitized  by  Google 


Van'?>-nfcotrk  A.  ftap 

Kfinlieh  nd  eaeWcaes 

Hie  (..-dichte  UsviM>  IM  Wölk 


Dr  J.  s<hatz  io  Iiwbinh  A 

pebend^r  F^nlHrnnf  and  liiilV  Ulf  n 

kitspar  Zpo>s,  llie  Dertschq  uml 

.'   anveränderte  Auflage,  ■nwfltlw fctl 

*  r     *  |f,. — .  in  Halbiederband  Jt  IS 


\  <  rl.i-        Max  Niemeyer  io  Hall«'  .1.  «1. 

Braune.  Wilhelm,   i  •-»••-r     •    I         _      -  ilentBchen 

.\k:nli  !ni-«  li<   I  • -tr»  <l«-.  gehalten  zum  J.iliresfe&te  <1 

Heide Ihf-rjr  atu  '22  Noverabi-r  l!*o4.  1904. 

Dittrich,  Ottmar.  (Jruuilzu-.  der  >|tr.ic*hpnychalo£:i< 

um]    alljri-uu-inp-v  »'lntl«f_Msrln'    (irnndlcgii]         \|  ir 

11*04.    -r  H. 

Meissner.  Rudolf.  Skalden]   i  \,.rtr.. 

Müller- Fraureuth,  Karl.  Au-  «!.-■-  Well  dei  Wörl 
f  Jejren-tiindi'  <l'  Ut-«  li»  !  W  <  i  f  t<  i -r)uiii'_r-  1904 

Neudrucke  frühneuenglischer  Grammatiken  Im  r»u -_.  ...  -  ■  n 

Rrotanek.    kl.  8. 

I.  (icorge  M.'isiin'a  (lramuiaiiv  angloise.   Nach  den 
\<<T2  und        lieraufiKejrebeii  v«»n  l:  tidolf  Hmtanek, 

Noreen.  Adolf.  Altec 

gutniBebeu.    1 904    §  r.  8, 

Panzer.  Friedrich.  Da-  altdeur-elie  Voik-epi*.  fcäji  V.« 
Saran.  Franz.  I i  Iii        .  .  -  n-m/  Verses. 


Triloff.  Hermann. 

aul  Grund 

I.mi.'  Cinl.-it 


Ausgegeben  den  13.  März  1905. 

J  

^BEITRÄGE 

ZUIt  \ 

GESCHICHTE  DKR  DEUTSCHEN  SPRACHE 

UND  LITERATUR 


DNTBB    MITWIRKUNH  VON 
HERMANN  PAUL  UND  WILHELM  BRAUNE 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

EDUARD  SIETERS. 


XXX.  BAND.   2.  HEFT. 


HALLE  a.  8. 
MAX  NIEMEYER 

TT  78  OK.  STEINSTRASSE 
1905 


r 


Die  herren  mitarbeitet  werden  gebeten,  zu  ihren  inanusoripteu 
nnr  lose  quartblütter  zu  verwenden,  nur  eine  gelte  zu  be- 
sehreiben und  einen  breiten  rund  freizulassen. 


INHALT. 


Grammatisches.    Von  W.  van  Helten  219 

(LXIV.  Zur  entwickelung  germanischer  langer  consonanz  atu 
kurzem  consonanten  -f-  w-,  s.213.  —  LXV.  Zur  Vorgeschichte 
von  germ.  stimmloser  spirans  -f-  tenuis  und  von  aus  ff, 
s.  232.  —  LXVI.  Zu  ahd.  (und  altniittelfrk.)  as.  altostnfrk. 
•o  aus  -na  und  verwantes.  s.  23"j.  —  LXV  II.  Zur  entwicke- 
lung  von  altgerm.  jj  und  wr,  s.  240.  —  LXVIII.  Zu  germ. 
•nj-  (woraus  aus  »m  -f-  f  (oder  daraus  entstandenem 

dental)  -f      s.  24N). 

Bemerkungen  zum  gotischen  Wortschatz.    Von  C.  C.  t'hlenbeck  2j2 

Germanisch  *huui;  schwarz".   Von  K.  Helm   32* 

Ans  der  gesehichte  des  adverbs.    Von  .1.  Franc  k   334 

Weg  mit  dem  Schriftbild'.    Von  E.  Sievers   344 


Zur  nachriebt! 

Es  wird  gehrten.  ;i  1 1*-  auf  die  redaetion  der  'Beiträge'  bezüjr- 
liclien  Zuschriften  und  Sendungen  an  Professor  Dr.  E.  Sievern 
in  Leipzig-Gohlis  (Pölitzstrasse  20)  zu  richten. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


LX1V.  Zur  entwickelung  germanischer  langer  consonanz 
ans  knrzem  consonanten  +  n-. 

1. 

Nach  Kauffmanns  in  den  Beitr.  12,  507  ft  vorgetragener 
fassung  wären  die  germ.  formen  mit  langer,  auf  conson.  +  n- 
zurfickgehender  consonanz  in  zwei  kategorien  zu  verteilen: 

a)  die  form  mit  gedehnter  consonanz  hat  sich 
allein  behauptet,  sei  es  dass  überhaupt  kein  Wechsel  in 
der  consonanz  möglich  war,  da  -n-  bei  endbetonung  in  allen 
fällen  unmittelbar  auf  den  verschlusslaut  oder  Spiranten  des 
Stammes  folgte,  oder  dass  der  assimilierte  doppellaut  den  ein- 
fachen analogisch  verdrängte;  im  letzteren  fall  wurde  aus  den 
casus,  in  denen  assimilation  des  ableitenden  -n-  eintrat,  ein 
Paradigma  n-loser  flexion  gebildet,  oder  es  wurden  nach 
massgabe  der  casus  mit  w-flexion  auch  die  geminier ten  formen 
in  diesem  System  belassen;  die  zu  dieser  kategorie  gehörenden 
bildungen  weisen  nur  pp,  tt,  kk,  nicht  lange  media  bez. 
Spirans  auf; 

b)  die  form  mit  doppelconsonanz  ist  überhaupt 
nur  auf  westgerman.  boden  zu  belegen  und  erscheint 
teils  innerhalb  desselben  gebiets,  teils  durch  beiziehung  gotischer 
and  scandinavischer  belege  gleichzeitig  mit  einfachem 
Konsonanten;  in  den  hieher  gehörigen  fällen  ist  kein  über- 
tritt in  die  starke  flexion  zu  constatieren,  ist  demnach 
tein  äusseres  zeichen  vorhanden,  dass  -n-  in  der  geini- 
tation  untergegangen  wäre;  die  zu  dieser  kategorie  ge- 
ltenden bildungen  erscheinen  nicht  nur  mit  langer  tenuis, 
Ofldern  auch  mit  langer  media  bez.  Spirans; 

Beiträge  sur  geschichte  der  deutsches  spräche.   XXX.  15 


Digitized  by  Google 


214 


für  die  pp,  tt,  Air  der  ersten  kategorie  wäre  gemein- 
germanische assimilierung  von  mit  vorangehender 
media  oder  tönender  Spirans,  für  die  consonanz  der  anderen 
formen  aber  dehnung  des  conson.  vor  -n-  und  erhaltung 
des  nasal s  geltend  zu  machen. 

Als  stützen  dieser  dehnungstheorie  werden  Beitr.  12,510 
einige  formen  hervorgehoben,  die  sich  nur  durch  die  annähme 
solcher  hypothese.  keineswegs  als  die  folgen  gemeingermanischer 
assimilation  deuten  Hessen:  abd.  traccho  (neben  trahho,  ag& 
draca)  =  lat.  draco;  ahd.  hopfo,  nl.  hoppe  etc.  (woneben  ans 
mlat.  hupa  -hopfen'  zu  folgerndes  germ.  hupoX  das  wegen  der 
abweichenden  benennung  der  pflanze  im  an.  (wo  sie  humall 
heisst)  wol  nicht  in  urgerm.  zeit  existiert  haben  dürfte;  schweii 
iculkchz  (neben  tculchz),  das  dem  ahd.  as.  tcolcan,  ags.  miw 
entsprechen  sollte;  schwäb.  boote  'kesseltrommel',  das  mit  ags. 
beacen  Signum,  afries.  beken,  büken  'feuersignal',  ahd.  bouhkan 
Signum  identisch  wäre.   Doch  hat  bereits  von  Friesen  in  seiner 
Untersuchung  4Om  de  germanska  mediageminatorna'  s.6  f.  undlo 
die  beweiskraft  dieser  bildungen  mit  recht  beanstandet:  wegen 
traccho  ist  mlat.  (neben  draco)  begegnendes  dracco  zu  beachten1); 
wie  aus  an.  humall  die  nichtexistenz  von  alten  hupö  oder  -ö, 
huppcs  etc.  im  urgerm.  zu  folgern  sei,  ist  kaum  einzusehen; 
tculkchd  und  wulchd  lassen  sich  anstandslos  zu  (aus  ahd.  ml 
chün  nom.  pl.  Ahd.  gll.  2,  112,  18  und  aonfrk.  uulcon,  -um  dat 
pl.  zu  folgerndem)  schwachem  femin.  wulcha  stellen  (vgl.  auch 
mhd.  mnd.  mnl.  wölke  fem.;  wegen  kch  aus  kk,  das  trotz  seiner 
Stellung  nach  langer  silbe  keine  kürzung  erlitt,  s.  unten  5  a.  schL); 
dem  neutr.  beacen,  bouhhan  etc.  steht  wol  baokd  als  fem. 
gegenüber,  und  semantisch  gehen  die  Wörter  zu  sehr  aus- 
einander, um  die  annähme  ihrer  identität  ohne  weiteres  zu 
rechtfertigen. 

Aber  auch  die  hypothese  selber  sowie  andere  in  Zusammen- 
hang hiermit  vorgeschlagenen  fassungen  unterliegen  bedenken. 

Erstens.  Der  umstand,  dass  neben  formen  mit  langer 
consonanz  dazu  stehende  bildungen  mit  kurzem  conson.  zum 
teil  zu  belegen,  zum  teil  nicht  zu  belegen  sind,  kann  schwer- 
lich ein  kriterium  für  Verschiedenheit  in  der  entstehung  der 


')  Wegen  eines  beleg»  dieser  form  s.  Grammat.  lat.  4, 198, 17. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


215 


länge  abgeben,  weil  das  fehlen  einer  bildung  mit  einfachem 
conson.  die  folge  vom  Untergang  solcher  form  sein  könnte. 
Ebensowenig  ist  der  umstand,  dass  unseren  belegen  zufolge 
ein  nomen  ausschliesslich  in  der  schwachen  declinationsklasse 
verblieben,  als  beweis  für  durch  (junge)  dehnung,  nicht  durch 
(alte)  assimilierung  entstandener  länge  geltend  zu  machen: 
durch  znsammenfall  einiger  casusendungen  der  schwachen  und 
der  starken  declination  veranlasste  entgleisung  war  möglich, 
keinesfalls  aber  notwendig;  und  nicht  ausgeschlossen  ist 
ausserdem  die  möglichkeit,  dass  irgendwelche,  neben  dem 
schwachen  nomen  entstandene  starke  form  verloren  gegangen 
oder  nur  durch  zufall  nicht  belegt  ist.  Ausserdem  wider- 
sprechen formen,  wie  ags.  sccabb,  codd  etc.  (s.  unten  s.  220) 
der  aus  Kauffmanns  these  hervorgehenden  folgerung,  dass 
schwachen  nomina  mit  langer  media  keine  durch  ent- 
gleisung entstandene,  stark  flectierte  form  zur  seite 
stände. 

Zweitens.  Die  bildungen  mit  langer  media  sind 
nicht  auf  das  westgerm.  beschränkt:  es  finden  sich  als 
an.  belege  die  nomina  krabbi,  lubba,  skrubba,  stubbi,  koddi, 
todda,  baggi,  kaggi,  vagga,  stubbr,  gabb  sowie  das  verb  gabba, 
woneben  ausserdem  eine  menge  alter  gleichartiger  formen 
anzusetzen  sind  auf  grund  der  in  v.  Friesens  oben  erwähnter 
abhandlung  (s.  21  ff.)  aus  neunord.  sprachen  und  dialekten  ge- 
sammelten belegen  mit  bb  etc.  Die  annähme  von  entlehnung 
aus  dem  südgerm.  (Beitr.  12, 520)  wäre  hier  mithin  kaum 
zulässig.  Mit  der  Zs.  fdph.  32,  255  vorgeschlagenen  fassung 
aber  dieser  bildungen  als  diminutiva,  deren  langer  conson. 
mit  der  in  kosenamen  begegnenden  länge  in  eine  linie  zu 
stellen  wäre,  käme  man  für  eine  anzahl  der  nord.  nomina 
allerdings  durch  (und  ich  möchte  in  der  tat  für  einen  teil  der 
von  Kauffmann  a.  a.  o.  hervorgehobenen  belege  die  berechtigung 
solcher  fassung  nicht  in  abrede  stellen),  doch  dürften  baggi 
last',  kaggi  'tonne',  lubba  'grosser  Stockfisch',  nschw.  dubb 
'pflock',  nnorw.  d'mlgubba  'dampf,  nschw.  dial. gubbe  'getreide- 
garbe',  nnorw.  dial.  hubb  'gipfel'  u.dgl.  (s. unten)  unbedingt 
eine  andere  deutung  erfordern. 

In  den  got,  quellen  erscheinen  zwar  keine  belege  mit 
langer  media,  doch  kann  dieser  umstand  nicht  auffallen,  weil 

15* 


216 


VAN  HELTEN 


eben  mit  den  einschlägigen  westgerm.  belegen  correspondierende 
belege  im  überlieferten  ostgerm.  Wortschatz  fehlen  (man  beachte 
auch  v.  Friesen  s.  8  ff.). 

Drittens.  Kauffmanns  theorie  versagt  für  die  verbal- 
formen ags.  flocgian,  mnd.  grabben,  ahd.  giscoppöt,  hlahh&i  etc, 
deren  -n-  untergegangen,  nicht  (wie  bei  dehnung  vor  -n-  zu 
erwarten  wäre)  erhalten  geblieben  ist. 

Viertens.  Mit  rücksicht  auf  den  durchstehenden  einfachen 
conson.  von  ags.  Öe$n,  reg*,  tvwxn,  mcegn,  frignan,  hrwfn,  stefn 
1  stimme',  stefn,  stefna  prora,  as.  Oiegan,  regan,  ahd.  tcagan. 
magan,  as.  fregnan,  ahd.  hraban,  aofries.  stifne  'stimme'  u.dgl. 
ist  dehnung  von  stimmhafter  Spirans  vor  -n-  zu  leugnen 
(nur  für  die  tenuis  ergibt  sich  dieser  process  aus  ahd.  irdlim, 
trucchin,  woneben  aus  artruhnet  zu  folgerndes  truhlian,  mbd. 
truchcn,  sowie  aus  mittelfränk.  wäpen  aus  weppn-,  vgl.  Bein. 
1, 23;  wegen  der  möglicherweise  ebenfalls  auf  dehnung  be- 
ruhenden, langen  stimmlosen  Spirans  von  bair.  zecto  'zehn'  & 
Beitr.  12,  524)1);  woraus  zu  schliessen,  dass  die  bb  etc  von 
cbba,  budda,  roggo  etc.  und  folglich  auch  die  pp  etc.,  ff  etc. 
von  tropfo,  hopfo,  broccho,  baccho,  snoffa,  lap])e,  crohJia  etc. 
keinesfalls  als  vor  -n-  gedehnte  laute  gefasst  werden  können. 

2. 

Mit  recht  beanstandet  Kauffmann  (Beitr.  12, 508  f.)  die  von 
Kluge  für  *knabb-  (woraus  ahd.  chnappo)  vorgeschlagene  deu- 
tung,  d.  h.  annähme  von  entstehung  einer  neuen  form  mit  langem 
conson.  neben  und  durch  anlass  von  "knapp-  und  *knat)-:  'Nach- 
dem *knab-  und  "knapp-  im  stammausgang  so  sehr  weit  aus- 
einandergegangen waren,  könnte  ein  *knabb-  psychologisch  nur 
so  entstanden  gedacht  werden,  dass  mit  bewusstsein  reflectiert 
worden  wäre,  worin  die  differenz  t  :pp  bestünde,  und  es  er- 
scheint mir  (Kfm.)  sehr  fraglich,  ob  das  resultat  dieser  reflexion 

»)  v.  Friesens  gesetz  (s.  seine  abhandlung  s.  116)  'I  nr(8am-)germanßk 
tid,  efter  det  at  assimilationsprodukterna  pp,  tt,  kk  förkortats  efter  konso- 
nant  och  läng  vokal,  ha  p,  t,  k,  f,  p,  h  och  b,  d,  i  st  äl  Innigen  framför 
-u-  flirlängts  tili  resp.  pp,  tt,  kk,  ff  etc.'  entbehrt  jeglicher  stütze  und  be- 
grUndung;  es  erscheint  ebensowenig  einleuchtend  als  der  versuch  (a.a.O.), 
mit  gedachter  geraeingerm.  dehnung  die  existenz  des  einfachen  conson.  von 
Öegn  etc.  zu  vereinbaren. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


217 


dasselbe  wie  bei  Kluge  gewesen  wäre,  denn  b  und  pp  (als 
gesprochene  laute)  verhalten  sich  nicht  wie  einfache  und  doppel- 
consonanz.' 

Doch  dürfte  die  annähme  von  beeinflussung  einer  auf 
älterer  lautstufe  stehenden  (durch  assimilierung  entstan- 
denen) länge  durch  den  einfachen  conson.  keinen  anstoss 
erregen,  nämlich  die  ansetzung  von  -dt-  etc.,  die  zur  zeit 
des  Übergangs  von  langer  Spirans  in  media  durch  an- 
lehnung  an  die  t  etc.  bestimmter  schwacher  casus  vor  besagtem 
Übergang  geschützt  wurden  und  (im  gegensatz  zu  den  regel- 
recht entwickelten  -bb-  etc.,  woraus  in  der  folge  -pp-  etc.)  erst 
spater,  nach  oder  während  der  Verschiebung  von  media  zu 
tennis,  die  überlieferten  -bb-  ergaben;  also  zu  gnab-  (oder  etwa 
(jnob-)  (woraus  ags.  cnafa,  ahd.  chnabo)  neben  regelrecht  ent- 
wickeltem gnabb-  (woraus  awfries.  knappa)  auch  auf  anlehnung 
beruhendes  gnabb-  (woraus  ahd.  knappo)x).  Nach  solchem 
gnabb-,  woraus  knabb-,  aber  begreifen  sich: 

aofries.  bobba-  in  bobbaburg  'dem  kinde  zukommender  schütz' 
(vgl.  mhd.  buobe,  ahd.  Bttobo,  ags.  Böfa  und  beachte  wegen 
der  regelwidrigen  nichtkürzung  von  langer  consonanz  und  wegen 
der  vocalkürzung  unten  5  b)  —  nschw.  bobba  'geschwulst',  nind. 
hubbele,  mnl.  bobbel,  bubbel,  nschw.  bubbla  'Wasserblase',  nnl. 
bobbel  'Wasserblase,  geschwulst'  —  mhd.  täpe  (eis.  döpen, 
schwäb. döp),  Happe,  nhd.  tappe  (vgl.  unten  5b)  'pfote'  (aus  äebb- 
für  dehn-)  —  ags.  drabbe,  üL  (KU.)  drabbe  faex,  nostfries. 
(ih.  natürlich  ostfriesländisch-nd.,  D.  Koolm.)  drab(be)  'dicker 
schmutz,  bodensatz',  nisl.  auf  altes  nomen  drabba  hinweisendes 
drabba  'beschmutzen'  (wegen  ags.  drwf  und  anderer  verwanten 
s.  Kluges  Et.  wb.  zu  treber)  —  dräppo  (mit  *  bezeichne  ich  hier 
und  im  folgenden  den  quantitativ  nicht  zu  fixierenden  laut) 

')  Nach  dem  muster  von  gnab-  :  gnabb-  entstand  dann  noch  als  neu- 
bildung  gnab-  (woraus  ags.  afries.  cnapa,  as.  knapo)  :  gnabb-.  Wegen 
l»araUelen  s.  unten  (im  text)  zu  c{h)rapo  etc.  (s.  221),  hake  etc.  (s.  222). 

')  Die  mehrzahl  der  hier  und  im  folgenden  citierten  formen  entnehme 
ich  aus  Kluges,  Kanffmanns  und  v.  Friesens  Sammlungen  (Beitr.  9,  15  ff. 
12, 520  ff.,  Om  de  germ.  geminatorna  8. 22  ff. ;  auf  v.  Friesens  etymologische 
Erörterungen,  denen  ich  nur  zum  teil  beistimme,  gehe  ich  hierbei  nicht 
ein);  einiges  (meist  dem  nl.  und  fries.  Wortschatz  entnommenes)  füge  ich 
hinzu;  eine  (für  unseren  zweck  übrigens  nicht  unbedingt  erforderliche)  er- 
schöpfende Zusammenstellung  habe  ich  indessen  nicht  angestrebt. 


Digitized  by  Google 


218 


VAX  HELTEN 


fimbria  LexAlem.  III.  5  (vgl.  iräben  vel  rasen:  kama,  extreiua 
pars  vestimenti,  Hortus  deliciarum  der  Herrad  von  Landsberg. 
181b)  —  ahd.  trappo  racemus  (mit  altem  tr  oder  dr?)  —  ahd. 
trüppin  racemos  Ahd.  gIL  1, 351, 4,  bair.  trauppen  (woneben  ahd. 
trübo,  -a),  nostfries.  (D.  Koolm.),  nnd.  (Woeste)  drubbel  'knäueL 
menschenhaufen'  —  mnd.  dobbc  'niederung,  Vertiefung,  sumpf 
(vgl.  lit.  daubä  'grübe'  und  ags.  dufan  immergere)  —  nschw. 
dial.  dobbe,  nschw.  dubb  'bolzen,  pflock,  nagel',  tirol.  tupp 
'grosses  stück  holz'  (vgl.  mhd.  tübel  'pflock,  zapfen,  nagel", 
ahd.  tubeli,  tubila  incastratura,  nl.  deurik  'zapfen',  mnd.  düre 
penis)  —  ags.  cbba,  mnd.  mnl.  ebbe,  wozu  ahd.  ippichöye  revolvat 
Ahd.  gll  2, 409, 57  (vgl.  got.  ibuks  'rückwärts')  —  nisl.  gubba 
'erbrochenes'  (eig.'gegohrenes'),  nnorw.  gubba  'dampf,  nebel*. 
nostfries.  (D.  Koolm.)  gub(be)  'schlammiger  bodensatz  in  graben 
(vgl.  awestn.  gufa  'rauch')  —  nschw.  dial.  gubbe  'eine  art  ge- 
treidegarbe'  (v.  Fries,  s.  41),  nnorw.  dial.  gobb  'rücken,  schulter- 
partie',  Schweiz,  guppe"  'hutkuppe',  guppel  'Wölbung,  gewölbter 
rücken,  höcker'  —  ahd.  häppa,  mhd.  happc,  Schwab,  höp  'hippe' 
(zu  xoxlq  'messer',  lit,  kapöne  'hackmesser')  —  nnorw.  dial. 
hubb  'gipfel,  buckel',  nostfries.  (D.  Koolm.)  hobbe  'hügelartig 
aus  dem  wasser  hervorragendes  stück  mooriger  erde',  hubbtl 
'höcker,  erhöhung',  nnd.  (Frischbier)  hubbel  'hügel',  Schweiz. 
hupp{en)  'quaste  an  einem  barett',  tir.  huppe  'hügel',  bair. 
hoppen  'pocke,  blatter  auf  der  haut'  etc.  (vgl.  mhd.  hübet,  as. 
huvil  'hügel'  und  s.  noch  v.  Friesen  s.  47)  —  ahd.  chlubba, 
kluppa  forcipula  (vgl.  ahd.  chlobo  decipula,  as.  fugulcloro  auci- 
pula,  aisl.  clofi  'fessel')  —  ags.  crabba,  aisl.  Jcrabbi,  mnd.  mnl. 
crabbe  (vgl.  ahd.  krtbaz,  mnd.  mnl.  crevet  'krebs')  —  ags. 
etcabbe  'sumpf  (nach  Leos  gloss.),  nnorw.  dial.  kvabb  'wasser- 
haltiger, lehmiger  sand',  nostfries.  (D.  Koolm.)  kteabbe  'sumpfige 
stelle',  mnd.  quabeldrank  (b  als  Schreibung  für  bb)  'das  tränken 
in  schlämm'  —  nl.  (Kil.)  quabbcl  tumor  durus.  nl.  ktcab(be), 
nnd.  quabbe(l)  'wamme',  nwestfläm.  kwabbel  'wamme',  ältdän. 
kvabbe  idem  —  ags.  lobbe  aranea  (d.h.  'zottiges  tier'?),  mengl. 
nl.  (Kil.)  lobbe,  nisl.  lubbi  canis  villosus  und  lubbi  'dicke  haar- 
zotte',  mnd.  nl.  (Kil.)  lobbe,  lubbe  'hals-  oder  handkrause'  — 
awestn.  lubba,  mengl.  lobbe-kchng  'grosser  Stockfisch',  alt.  dän. 
lubbe  'eine  art  Stockfisch',  mnd.  lobbe  'Stockfisch',  mostnfrk. 
(Teuth.)  lobben  'eynreley  groit  stockvisch,  strumulus',  nengl. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHER. 


219 


lob  'klotz'  und  (trop.)  'flegel,  tölpel'  —  nnorw.  dial.  lubb  und 
lubba  'rundliches,  starkes  tier',  nschw.  dial.  lubbig  'dick,  klumpig', 
alt.  dän.  lubbe  'fetter  hund',  ndän.  lubbet  'fleischig,  fett',  nost- 
fries.  (D.  Koolm.)  lob(be)  'fleisch-  oder  fettmasse',  mnd.  lobbe 
grosser  hund',  nl.  lobbes  (mit  -es  als  diminutivsuffix)  'dick- 
sack' —  nhd.  naupen  und  nuppen,  noppen  'Schrullen,  grillen' 
(8.  DWb.  7, 474)  —  ahd.  rabbo,  mhd.  rappe  corvus  (vgl.  ahd. 
rabo)  —  nnl.  rob,  nnd.  (Brem.  -  nsächs.  wb.)  rubbe  'seehund' 

—  dL  (EiL)  robbe  'kaninchen',  engl,  rabbit  —  nl.  (EiL) 
schabbe  operculum,  lacerna,  penula  (vgl.  s.  222  zu  scuobba  etc.) 

—  nL  (Kil.)  schabbe  Scabies  (vgl.  ahd.  scaban  'kratzen'),  mnd. 
scabbe  'schäbiger  kerl'  —  nl.  (Kil.)  schabbe  tinea,  blatta  (vgl. 
mhd.  scabe  m.  gl.  bed.)  —  nl.  (Kil.)  schabbe  cavillum  und  ca- 
villatrix  (das  wort  ist  wegen  des  vocals  nicht  zu  der  s.  222  er- 
wähnten sippe  schobbe  scomma  etc.  zu  stellen)  —  aschw.  skrubba 
höhle,  Schlupfwinkel'  (vgl.  ags.  scra,fi  höhle')  —  tirol.  schroppen 
'holperige,  unebene  stelle',  bair.  schroppen  'erdhügelchen'  — 
afries.  snabba  'mund',  mnl.  mnd.  snabbe  rostrum  (zu  ahd.  snabul) 

—  mnd.  mengl.  sfubbe,  awestn.  stubbi,  stobbi,  aschw.  stubbi,  nl. 
(Kil.)  stobbe  truncus  —  mnd.  tobbe,  tubbe  'zapfen,  nagel'  — 
mhd.  (rheinfr.  niederrhein.)  züpe,  nhd.  zaupe  'hündin',  hess.  zopp 
m.  gl.  bed.; 

ags.  budda  'käfer'  —  nl.  (Kil.)  gadde  apua  —  westfäl. 
hodde  coagulum  =  hess.  hotten  —  mengl.  cod(de)  'schote,  balg, 
kissen',  awestn.  koddi  'kissen',  nnorw.  dial.  kodde  'kissen', 
kodd(e)  'hoden(sack)',  nschw.  kodd  'hodensack',  nl.  (Kil.)  kodde 
euleus,  testiculus  —  mnl.  codde  'keule'  —  mnd.  codde,  cudde 
'junges  schwein',  nl.  (Kil.)  kudde  porcus  (vgl.  mnl.  code  porcus) 

—  nl.  (Kil.)  kodde  jocus,  woher  koddi gh  facetus  —  schwäb. 
krotl  'kröte'  (vgl.  ahd.  krota)  —  ahd.  chratto  'korb'  (verw. 
mit  ags.  cradol  'wiege'?  vgl.  Kluges  Et.wb.  zu  kratze)  —  nl. 
paa\de)  'kröte',  mengl.  paddok  'kröte'  —  nl.  (Kil.)  podde 
kröte',  pudde  mustela  piscis  (vgl.  mnX.puut  rana,  \A.pude)  — 
ahd.  räddo,  mhd.  ratte  lolium  (vgl.  ahd.  räto,  as.  rädo)  —  ags. 
rddduc  'rotkehlchen'  (vgl.  ags.  rtW  'rot')  —  ahd.  scotto  'schot- 
ten)' (vgl.  as.  scuddian,  ahd.  scutten  quassare)  —  nl.  (Kil.) 
sladde,  slodde  mulier  sordida  und  sladde  linteum  tritum  — 
siegerl.  sodde  'pfütze',  mhd.  sutte  'lache,  pfütze'  (vgl.  ags.  seaö, 
afries.  säth,  mhd.  söt  'pfütze,  brunnen')  —  mnd.  sodde  'sud' 


Digitized  by  Google 


220 


VAN  n ELTEN 


(neben  gleichbed.  sode)  —  mh<L  eotte  'flausch,  was  zottig  herab- 
hängt ',  nl.  (KiL)  *ro<i(rfe)  '  fetzen  ',  awestn.  fodda  'wollenbüschel' 
(vgl.  ahd.  zoto  juba,  villus,  fimbria)  —  nl.  (Oudemans)  tad  (aus 
*tadde)  4 fetzen'  (vgl.  ahd.  zato,  -a  villus,  juba)  —  nl.  (KU.) 
t?a/Wc  fungus  und  laganum,  libi  admodum  tenuis  et  flaccidi 
genus  —  nl.  (KU.)  vodde  'läppen,  fetzen,  Wischtuch'; 

awestn.  baggi  'bündel',  mengl.  westfläm.  bagge  'kiepe'  — 
mnl.  bagge  'ferkel'  —  ags.  docga  canis  —  ahd.  häggo,  hü(c)b, 
schwäb.  höh,  Schweiz,  häh,  höh  4 haken'  (vgl.  ahd.  togo  m.gl. 
bedeut)  —  mnd.  knagge  'knorren,  dickes  stück',  mengl.  knaggie) 
'pflock,  knorren  im  holz',  nnd.  knagge  'knorren,  baumstumpt 
dickes  stück  brot,  hölzerner  wirber  -—  mnd.  mnl.  mengl.  coggt 
'breites,  rundliches  Seeschiff'  (verwant  mit  higel?  vgl.  Francks 
Et  wb.  zu  kogge)  —  Schweiz,  mäki  'mohn'  (vgl.  die  nebenfora 
mägiy  ahd.  mago)  —  schwäb.  mouh  'obstansammlung,  im  heu 
angelegt'  (vgl.  ags.  müga,  an.  mügi  'häufe'1))  —  nl.  pluggt. 
mM.  pflocke  (und  pflock,  vgl.  unten  5a)  —  mnd.  nl.  (KU.)  pogge 
'frosch'  —  ahd.  roggo,  rocco,  as.  roggo,  mnl.  rogge  'roggen'  (zu 
ags.  ry$e,  aisL  rugr)  —  mnd.  slagge  'beim  schlagen  abspringende 
metallsplitter'  —  ags.  sucga1  bachstelze'  —  mhd.  snäke,  schwäb. 
schnöh,  eis.  §nöh  'schnake'  —  ahd.  sneggo,  snecco,  nnd.  schnigge 
(vgl.  ags.  sncegel,  nnd.  snagel  limax  und  beachte  Beitr.  12, 521) 
—  nl.  vlagge  'fahne'  —  ags.  focgc  'füchsin'  (vgl.  got.  fauhö, 
ahd.  voha  m.  gl.  bedeut.)  —  awestn.  aschw.  vagga  'wiege'  (zu 
ahd.  waga  cunae)  —  ahd.  waggo,  tvacko  Ahd.  gll.  3,  212, 2. 
4,414,21,  mhd.  wacke  'kieselstein'  [wegen  des  Beitr.  12,521 
aufgeführten  Schweiz,  lunh  'hinge'  s.  das  unten  LXVIH  zu 
Jungunna  etc.  bemerkte;  in  Schweiz,  jttnki  'das  junge'  kann 
das  k  auf  anlehnung  an  junk  beruhen];  beachte  auch  als  in 
die  starke  flexion  übergetretene  bildungen  (vgl.  unten  5  a)  ags. 
sceabb  Scabies  (vgl.  s.  219  schabbe  Scabies)  —  awestn.  stMr 
truncus  (zu  stubbi,  s.S. 219)  —  ags.  codd  'tasche'  (vgl.  oben 
codde  'balg')  —  sowie  vielleicht  ags.  sceadd  'maifisch',  scrobb 
'gesträuch',  facg  'plattfisch',  puddas  sulcos  Germ.  23,  399,  zu 
denen  ich  keine  schwache  nebenform  zu  belegen  vermag  (awestn. 
gabb  könnte  zum  verb  gabba  gebildet  sein). 


')  Das  Beitr.  12, 521  aufgeführte  mücga  ist  im  Bosw.-Tollerscben  wb. 
nicht  verzeichnet. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


221 


Als  den  gnaW-,  woraus  knabb-,  und  gnabb-,  woraus  knapp-, 
zu  vergleichende  doppelfonnen  sind  zu  verzeichnen: 

bair.  grueppen  'grübe',  nl.  (Kil.)  grubbe  fovea  (mit  aus 
sehr  geschlossenem  ö  verkürztem  voc,  wie  schubbe,  s.  unten) 
und  mnd.  groepe  'mist-  und  jauchrenne',  nl.  (Kil.)  gruppe  fovea 

—  schwäb.  knaupd  'knorren',  Schweiz,  chnupo  'knäuel',  mnd. 
cnobbe,  cnttbbe  'knorren,  knoten  (auf  der  haut)*,  nl.  (Kil.)  knobbel 
tuber,  nodus,  globus  und  ranl.  cnoppe  'knorren,  knospe,  knorpel, 
knoten',  mnd.knoppe  'knoten,  zum  knoten  zusammengebundenes' 
(vgL  mhd.  knübcl  'knöchel')  —  nwestfläm.  kobbe  'federbusch 
(eines  vogels),  haarbusch,  hutkopf,  nhd.  koppe,  kuppe  'berg- 
koppe,  spitze  (eines  fingers,  nagels)',  bair.  koppen  'kröne  eines 
nadelbaumes,  fingerspitze',  Schweiz,  koppen  'federbüschel  (eines 
vogels)',  nl.  (Kil.)  kobbe  gallina,  nwestfläm.  kobbe  aranea  und 
nl.  (Kil.)  koppe  gallina,  mnl.  koppe  aranea,  as.  coppodi  cristatus 

—  ahd.  c{h)räpo,  mhd.  nhd.  kräpe  uncinus,  luxemb.  kröp  'haken', 
siebenb.  kröpen  'türhaken'  (s.  DWb.  5, 2062)  und  mnl.  krappe 
cardo,  nnd.  iskrappen  'eissporen',  ahd.  c(h)rüpho,  ehräpfo  un- 
cinus, ahd.  nhd.  krapfe  'haken'  sowie  mhd.  nhd.  krapf  fuscina 
(vgl.  unten  5  a;  beachte  auch  ahd.  chräfo,  ehr  äff o  uncinus  aus 
*kräpo  mit  p  wie  in  cnapa,  s.  oben  s.  217,  anm.  1,  oder  mit  p 
für  pp  nach  langer  silbe?)  —  nnl.  Krabbe  ' Schweinsrippchen' 
und  nl.  (Kil.)  krappe  pars  abscissa,  pars  carnis,  placenta, 
ofella,  crustum,  ahd.  kräpfo,  eräpho  artoerea,  mhd.  nhd.  krapfe 
.festgebäck'  (Kluges  deutung,  s.  Et.  wb.,  'so  nach  der  haken- 
artigen form  des  backwerks  benannt'  ist  wegen  der  nl.  be- 
deutungen  wol  abzulehnen)  sowie  mnl.  krap  'speckstiiek'  (vgl. 
unten  5a;  mrhein.  und  hess. krappel,  krcppel  'pfannkuchen'  haben 
zweideutiges  pp)  —  nl.  (Kil.)  nnd.  quabbe  'aalquabbe'  und 
mnd.  nl.  (Kil.)  quappe  m.  gl.  bedeut.  —  nnd.  (Br.-ns.  wb.) 
nobbe,  nubbe,  mhd.  noppe  'wollknötchen'  und  mnd.  mnl.  noppe 
m.  gl.  bedeut.  —  ahd.  lappa  'läppen',  nnd.  labbe  'hängelippe' 
und  ags.  afries.  lappa,  mnd.  mnl.  läppe  —  preuss.  rabc  (d.  h. 
rabbe,  vgl.  gleich  zu  erwähnendes  nnd.  ruhe)  'schorf  einer 
wunde',  mhd.  bair.  tirol.  rappe(n)  'kratze'  und  mhd.  rapfe 
kratze',  nl.  (Kil.)  rappe  Scabies,  crusta  vulneris  —  ahd.  rapa, 
rüppa,  nnd.rube  (d.h.  rubbe,  s.  Beitr.  9, 179)  'raupe'  und  mostnfrk. 
(Teuth.)  rüpe,  ruyppe,  bei  Kil.  als  Fri.  Hol.  Sicamb.  verzeichnete 
niepe,  roope,  ruype,  roepe  eruca  (henneb.  roppe,  thür.  ruppe, 


222 


VAN  HELTEN 


siebenb.  top,  vgl.  Beitr.  12,  144,  sind  zweideutig;  nnd.  rupe 
könnte  lehnwort  sein)  —  ahd.  scuobba,  sctwpa  squama.  mhd. 
schuoppe,  schuppe,  mostnfrk.  (Teuth.)  scoehe  idem,  nL  (Kil.) 
schobbe,  schubbe  idem  (wegen  des  w  vgl.  s.  221  zu  grubbe),  nl. 
(Kil.)  schobbe  operculuni,  tegumentum,  lacerna  und  mnd.  schöpe 
squama  (vgl.  das  s.  219  verzeichnete  schabbe  operculum  und 
mnd.  schöve  squama,  nl.  [Kil.]  schoeve  amiculum)  —  nl.  (Kil.) 
schobbe  scomma,  scurra  und  schoppe  ludibrium,  mnl.  scop,  ahd. 
scopf  'spott'  (vgl.  unten  5  a)  —  ahd.  trappa  und  ags.  trvppa 
'schlinge'; 

nl.  (Kil.)  knodde  nodus  und  ags.  cnotta  'knoten',  aofries. 
cnotta  'binde'  F20,  nuLJcnütr  nodus  (vgl.  unten  5a)  (vgl.  ahd. 
chnodo,  chnoto)  —  mnd.  peddik  medulla  und  mnd.  mnl.  pitte 
'mark,  kern',  nl.  (Kil.)  pctte  nucleus,  mnd.  mnl.  pH  (vgl. 
unten  5a;  man  beachte  auch  ags.  pida  medulla,  mnd.  pedik) 
—  wegen  as.  klcddo,  mnl.  clitte  etc.  sowie  mnl.  kladde,  klatte 
etc.  s.  unten  3; 

Schweiz,  bake  'backe'  und  ahd.  baccho,  mhd.  backe  (wegen 
ahd.  bahho,  aonfrk.  kinnebaco  vgl.  knapa  s.  217,  anm.  1)  —  ags. 
frocga  rana  und  aisl.  fraukr  (vgl.  unten  5a)  —  awestn.  kaggi 
•fass,  tonne'  und  vatnkakki  'wasserfass'  —  ahd.  chräcco  fuscina 
und  aisl.  krd kr  'haken'  (vgl.  unten  5a;  beachte  das  verwante  ahd. 
chrägo  m.  gl.  bedeut.)  —  mnd.  tagge  'zacke'  und  mnd.  mnl. 
tacke  'zweig,  zacke'. 


Vereinzelt  begegnen  auch  schwache  nominalbildungen  mit 
langer  stimmloser  Spirans  und  zwar  meist  neben  einer  lange 
tenuis  oder  media  aufweisenden  doppelform: 

ahd.  laffa  palma  (vgl.  got.  löfa,  aisl.  löft  'flache  hand')  — 
mhd.  schroffe  'felsklippe'  (vgl.  mhd.  schrove  m.  gl.  bedeut)  — 
ags.  snofl'a  'schnupfen'  neben  mnd.  snoppe  'nasenschleim',  mhd. 
snupfe  und  snüpfc  (vgl.  snaupfe  bei  Lexer)  'schnupfen',  aisl. 
snoppa  'schnauze'; 

as.  cledtha,  ahd.  cleddo,  chledda,  mostnfrk.  clesse  (Teuth.) 
und  mnl.  clisse,  clesse  'klette'  (mit  ss  aus  pp,  vgl.  Beitr.  9, 16*0) 
neben  gleichbedeut,  mostnfrk.  clettc  (Teuth.),  mnl.  clitte,  clette 
(in  den  Werd.  gll.  stehendes  cletto  Wadst.  91, 2  könnte  as.,  aber 
auch  ahd.  form  sein)  und  as.  kleddo  W adst.  77, 2.  84, 9  (ahd. 


3. 


GRAMMATISCHES 


223 


chletta,  -o  mit  tt  aus  dd  oder  aus  pp?)  sowie  ags.  cldte  (mit  t 
für  ft)  und  ahd.  cleito  (mit  *  aus  d  für  dd)  (vgl.  noch  mit  altem 
einfachen  conson.  ags.  cli de,  ahd.  chlcdo  oder  -a  und  ahd.  kleto 
oder-a;  in  ahd.  clethen  lappas  Diut.2, 333  kann  th  lange  oder 
kurze  spirans  darstellen)  —  mnl.  classe  (mit  ss  aus  pp)  lappa 
neben  gleichbed.  nl.  (EL),  nostfries.  &Z<i(frfe  —  mnl.  cJasse 
*  schmut  zklumpen '  neben  gleichbedeut.  mnl.  mnd.  clatte  (bei 
Walter  unrichtig  durch  'fetzen'  übersetzt)  und  mnl.  nnd.  kladde 
•schmutzklumpen,  fleck,  schmutz'  —  mnl.  closse  'kugel',  mostnfrk. 
dm  'klumpen'  (Teuth.)  neben  nl.  (Kü.)  clotte  'klumpen'  (es 
sei  denn  dass  letzteres  wort  zur  sippe  ahd.  chlöz,  mnd.  mnl. 
döt  'klumpen,  kugel'  gehöre)  —  mengl.  läppe,  ahd.  ladda,  latta 
neben  ags.  latta,  siebenb.  (s.  Beitr.  12,  144)  lats,  mnl.  lattc  'latte' 

—  ags.  moppe  tinea,  mhd.  motte  neben  mnl.  motte  (mnd.  mutte, 
aisl.  motH  sind  zweideutig:  altes  tt  oder  aus  pp  entstandenes?) 

—  ahd.  fethdhah,  fettah  (derivatum  zu  einem  verlorenen  schw. 
stamm  mit  -ah  als  diminutivsuffix); 

aofries.  crocha  'feuerbecken'  neben  ags.  crocca  'krug',  aisl. 
krukka  m.  gl.  bedeut.  (vgl.  ags.  cruce,  as.  krüka  urceus)  —  ags. 
pohha  'beutel'  neben  gleichbedeut.  pocca  —  mnd.  poche,  bair. 
pfochc  'blatter'  neben  gleichbedeut.  mnd.  mnl.  pocke,  ügs.pocc 
(vgl.  unten  5a),  bair.  pfucke  Schmeller2 1, 419  —  ags.  rohha, 
mnl.  röche,  mnd.  röche,  ruche  'rochenlisch'  neben  nschw.  rocka, 
ndän.  rokke  —  ahd.  scahho  promuntorium  (vgl.  aisl.  skagi  'kleines 
Vorgebirge')  —  mhd.  schache  'stück  einzelstehenden  waldes' 
(vgl.  aisl.  skögr  'hain')  —  ags.  scohha  lenocinium  neben  ags. 
scucca,  sccocca  'teufel,  Verführer'  —  fraglich  ist  wegen  des 
anlautenden  conson.  der  Zusammenhang  von  (mit  ags.  Örnh, 
aisl.  öro  'kiste'  verwantem)  schwäb.  druch  'truhe'  mit  ahd. 
schwachem  truccha,  Schweiz,  tntkchd  'truhe'  (und  ahd.  truha; 
das  ch  —  hh  könnte  auch  auf  hu  zurückgehen)  —  die  näm- 
liche Unsicherheit  waltet  ob  in  betreff  des  etymologisch  dunklen, 
neben  züya  ruga  erscheinenden  schwachen  fem.  zühha  'runzel'. 

Diese  ff,  pp,  hh  können  natürlich  nicht  als  die  ergebnisse 
regelrechter  entwickelung  gelten.  Der  im  aind.  zu  beobach- 
tenden tatsache  zufolge,  dass  die  sogen,  schwächsten  casus  auf 
■nds,  -nt,  -näm  etc.  ausschliesslich  zu  endbetonten  stammen 
stehen  {mürdhnds,  -ni,  -näm  etc.  zu  mürdhä,  -änam,  -dbhyas 
etc.),  sind  zu  den  nomina  mit  wurzelauslautender,  aus  tenuis 


Digitized  by  Google 


-  fr  i-*tt  riiix  t:h  Verners  gesetz 
x~f  '  rirnr^i       •s&irecäaiisg  des  stamme? 

-~t*»         -r2"».-  mi        fes»  -""T-  -'im««  etc,  bei  nicht- 

i.T.n^-^: -n.    I    j.  <r      irni^ar.  Lass  selegentlieh  in 
i-^t  ~  n  iirrtz±issc^r  irr  -  J.ea  i_i;e2»;r:e  durch  die  andere 
£2em.  ii  nirti  iL-  Lsa  Sei  -kc  od       etc.  auch  nen- 
irM  3L~  -S*^>  «s.        «ti  in  schwang  kaaa 
nni  nLTtiidr:  LT*  -  -i,  >  frr.  -  T*  <c:.  ar:  neogebildeten  -/Ws 
«l  -•  ^  r     n  tt  -^ji  i^-^lt^l   Ais  diesen  alten  oder 

ItrlrrO.  *CL  ^LT3.  £1X1  -Wi  AL  idTW.    Als  sich  nUD 

i      les  Lrrsei  rt  -V*  *c«l  sc^temies.         etc.  in  der  folge 
*  -eiL  fü-rj-i^-fa    ttu>  woraus  historische 

-Jh  -e:'-         -v-  *c\  .  t üi'.-^a  n  cen  nebeaformen  durch 
tfVCTpr  i-aL  at-^rÄCi  xxwlier.        etc.  für  (zu  Y 
l  fril-cir  sn^sses  >~U  :         =  -/*-  :  .'^-l 

"^"fsnsi  itr  jrzzx  -tsi**?  ±z^~r~z.z  von  doppelformen 

r_-  rrrem.  nfi  x.:i:e-'i:«r:.:-*;ec:.  stamm  beachte  die 

:Vä  ii  i  n-:  c  erriirt«  aI-L  s**;.ii  aas  «tum/*  und  cA«ofo 
iL*  r*  t  .r"  —  i^-x  |  *>m  axs  V  cd  mnd.  ptddik,  mnd.  mnL 
i  s.  s.2^f  i^s  ?.V  —  *ä  c:<V  aas  ^?i/>öm,  wozu 

i«.  *zs  .-V*--  fcV/o  oder  -a  aas  ^lüi 

r»ir7  :rz         .v.7  e:c.  ALS 

s.  3  ali  sr^r»;.  aas  si<mZ  neben  sterro,  as.  sfcfVi 
a^»  #;>r*;  —  aef  Är..*.~  .  ;cer  ätü?.; 5  l  Än>&j«$  (mit  durch  ans- 
ei-:: -izz  fär  regelrechtes  nur  stehender  endung)  etc.  hin- 
wei-eL de  aLi  furo.  eil±  ir.r^  rwrf»  ahd.  (k)raban,  ags.  Ära?/«, 
KilI  mnL  rar^i  «die  entstehnne  der  form  mit  d.h.  die 
enUrleisung  des  wort  es  in  die  o-declination,  bildet  eine  parallele 
zu  den  gleich  in  5a  zu  besprechenden  fallen1))  neben  auf 
hrotrus  etc.  hinweisenden  ahd.  mbbo,  mhd.  rappe. 

4. 

Osthoff  verlegt  in  seiner  anregenden  anmerkung  in  Beitr. 
8, 300  die  entstehung  von  langem  conson.  aus  einfachem  laut 
+  n'.  in  den  gen.  sg.  und  pL  (auf  -»es,  -nim).  Kauffmann  hält 
Beitr.  12,  543  vorgerm.  genetive  und  dative  sg.  auf  -«es,  •»» 

')  Wie  hraban  etc.  zu  rabo  etc.,  steht  ahd.  rogan,  ags.  hro;*,  aÜ 
'fischeier'  zu  ahd.  rogo. 


Digitized  by  Google 


GRAMM AT 


Mll 


225 


für  sebr  zweifelhaft,  wäre  aber  geneigt  anzunehmen,  dass  neben 
altem  gen.  pL  auf  -nöm  auch  ein  dat  pl,  wenn  nicht  durch- 
weg, so  doch  unter  umständen  mit  verwant  wurde;  für 
den  acc.  pl.  möchte  er  auf  grund  des  von  Kogel  restaurierten 
got.  auhsnuns  die  existenz  einer  schwächsten  casusform  betonen. 
Dass  eine  analogisch  mit  -w-  versehene  endung  des  dat  pL 
(-nümmiz  für  -ummiz  aus  -nmis)  zur  zeit  der  assimilation  exi- 
stiert haben  könnte,  ist  naturlich  nicht  in  abrede  zu  stellen, 
wenn  auch  die  endungen  got.  -tiam,  ags.  -www,  an.  -nom,  die 
im  hin  blick  auf  ags.  zu  crxen,  exen  (aus  einer  neubildung  ohsniz), 
oxna  stehendes  oxum  (selten  oxnum)  als  jüngere  neubildungen 
zn  gelten  haben,  nicht  zu  besagter  annähme  berechtigen 
(beachte  auch  Brugmanns  Grundr.  2, 719  und  vgL  unten  5a). 
Eine  alte,  altindischem  nds  des  acc.  pl.  entsprechende  suffix- 
form  ergibt  sich  nicht  nur  aus  auhsfiuns  (mit  erhaltenem  -u- 
in  zweiter  silbe  gegenüber  nach  IF.  14, 80  in  dritter  silbe 
zwischen  zwei  n  synkopiertem  -m-?),  sondern  auch  aus  der 
durch  -nuns  oder  -nunz  im  verein  mit  -nummiz  des  dat.  pl. 
(und  mit  etwaigem  -wuwi  oder  -nun  des  acc  sg.)  veranlassten 
Übersiedlung  in  die  «-declination  von  an.  gm  (wm),  biorn,  ahd. 
arn,  pl.  erni  (vgl.  got.  ara,  ahd.  aro  etc.,  ahd.  bero,  ags.  bera 
etc.');  ob  indessen  auch  altes  flelchitis  bez.  -unz  etc.  anzunehmen, 
ist  eine  andere  frage  (s.  unten  5  a).  Für  die  ehemalige  existenz 
aber  von  vorgerm.  den  aind.  -nas,  -ni  entsprechenden  -nes,  -ni 
spricht  der  in  allen  germ.  dialekten  auftretende  und  zwar 
(neben  vereinzelten  resten  der  schwachen  flexion  im  got.  ags. 
und  aofries.,  s.  Sievers,  Ags.  gr.  §  281,  anm.  1  und  Aofries.  gr. 
§  196)  vorhersehende  consonantstamm  wia»(w),  mon,  maÖr,  mannr, 
den  ich  jetzt  mit  rücksicht  auf  mana-  in  got.  matiamaurprja, 
•sefis  entschieden  (vgl.  IF.  14, 80)  auf  einen  schwachen  stamm 
zurückführen  möchte:  nur  bei  der  annähme  von  neben  den 
pluralbildungen  mit  -w-  (monnöm,  monnuns  und  monnumiz) 
geltenden  alten  singularformen  mit  -w-  begreift  sich  die  all- 
gemeine Übersiedlung  dieses  nomens  in  die  consonantische 
flexion  (nach  neben  -nez  für  -nes  und  -wt  neugebildetem  -wwm 
oder  -nun  des  acc.  sg.  ist  auch  für  den  zu  orö,  bero  oder  berö 
stehenden  acc.  sg.  das  gleiche  suffix  für  möglich  zu  halten). 

')  In  anbetracht  des  nicht  assimilierten  rn  sind  hier  natürlich  als 
Prototypen  örnumiz,  -nunz  anzusetzen. 


Digitized  by  Google 


226 


VAN  HELTEN 


5. 

a.  Neben  den  schwachen  nominalbildttngen  mit  langer 
tenuis  oder  media  begegnen  vielfach  starke,  nach  der  o-decli- 
nation  flectierte  formen: 

ahd.  knöpf,  mnl.  knop  (flect.  knoppe)  neben  mnd.  cnoppe 
*  knoten'  —  ags.  cropp  'sprössling'  neben  croppa  —  mhd.  krapf 
fuscina  neben  ahd.  chräpfo  uncinus  (s.  s.  221)  —  mnl.  krap 
'speckstück'  neben  nl.  (Kil.)  krappe  pars  carnis  etc.  (s.  s.  221) 
—  mnl.  scop,  ahd.  scopf  ludibrium  neben  nl.  (Kil.)  schoppe 
'spott'  (s.s.  222)  —  ahd.  scopf  'Wetterdach'  neben  zgs.sceoppa 
'halle,  hütte',  mnd.  schoppe  'scheune'  —  ahd.  stupf  'punkt' 
neben  stopfo  m.  gl.  bedeut  —  ahd.  topf  'kreisel'  neben  gleich- 
bedeut.  topho,  mhd.  topfe; 

&gs.$ncel(t)  und  nhd.  gnaUe  'Stechfliege'  —  ags.  codd  und 
aisl.  koddi  'tasche'  —  ahd.  chos  und  äiozzo  'kleid'  —  nl. 
(Eil.)  klot  gleba,  mhd.  klos  'klumpige  masse,  kugel'  und  nl. 
(Kil.)  Motte  gleba  —  mnd.  mnl.  pit  nucleus  und  mnd.  mnl. 
pitte  m.  gl.  bedeut.  (vgl.  s.  222)  —  aisl.  (zu  ags.  aofries.  cnotta, 
s.8.222,  zu  stellendes)  knütr  'knoten'  (aus  knüt[t]-); 

ahd.  hoc,  aisl.  bukkr,  bokkr  und  ags.  biicca,  aisl.  bokki 
hircus  —  ahd.  nacch  und  aisl.  hnakke,  -t  'nacken'  —  ags.  rcecc 
und  aisl.  rakki  'spürhund'  —  aisl.  rokkr  und  ahd.  roccho 
«rocken'  —  ags.  smocc,  aisl.  srnokkr  und  ahd.  smoccho  'Unter- 
kleid' —  ahd.  flec,  aisl.  flckkr  und  ahd.  fleccho  'flecken'  — 
aisl.  (zu  ags.  frocga  rana  zu  stellendes)  fraukr  rana  (aus 
frauk[k]-)  —  aisl.  (zu  ahd.  chräcco,  chrägo  'haken'  zu  stellendes) 
krdkr  (aus  kräk[k]-)  —  vgl.  auch  die  s.  223  und  220  aufgeführten 
pocc  neben  pocke,  pflock  neben  plugge; 

die  s.  220  aufgeführten  sceabb,  stubbr  etc.1). 

Die  tatsache,  dass  hier  beim  heraustreten  aus  dem  alten 
geleise  die  Strömung  sich  ausschliesslich  der  o-declination,  nicht 

l)  Für  die  starken  nomina  mit  langer  tenuis,  wie  ahd.  chapf  cacnmen, 
got.  skatts,  ags.  sceatt,  ahd.  atocc(h)  etc.  <  Beitr.  9, 167.  12, 515  ff.),  neben  denen 
keine  schwache  doppelform  überliefert  ist,  dürfte  die  nämliche  herknnft  aus 
schwachem  prototyp  als  möglich  gelten;  doch  wäre  hier  auch  ebensogut 
entstehung  aus  mit  -no-  gebildetem  derivatum  denkbar.  Nur  für  ahd.  spot, 
flect.  spotta,  und  mnl.  spot,  flect.  spotte,  ist  wegen  der  verschiedenen  con- 
sonanz  (ahd.  tt  aus  pp,  doch  mnl.  tt  aus  dd  für  dd,  vgl.  oben  s.  222  f.)  die 
annähme  von  altem  schwachen  nominalstamm  geboten. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


227 


der  consonantischen  zuwante,  nötigt  zu  der  folgerung,  dass  zur 
zeit  des  metaplasmus  die  in  der  schwachen  flexion  neben  -enez, 
eni  (bez.  -onez,  -oni),  -onöm,  oder  -onö(n),  -ommiz  (mit  o-  durch 
analogiebildung  nach  dem  -o-  des  nom.  gen.  acc.  pl.  für  altes 
ummiz)  oder  deren  fortsetzungen  einhergehenden  -n-losen 
endungen  nur  durch  das  paradigma  der  o-declination 
beeinflusst  wurden.  In  die  periode,  worin  solchen  schwachen 
casusendungen ,  -es,  -?',  -5m  oder  -ö(n),  -ummiz,  als  casussuffixe 
der  o-klasse  -csso  oder  -essa,  -oi  oder  eine  fortsetzung  desselben 
(  af,  -e%  -#»),  -öm  oder  -5(n),  -omiz  und  als  endungen  der  con- 
sonantischen flexion  -es  bez.  -ez,  -i,  -5m  oder  -o(n),  -umiz  zur 
seite  standen,  wäre  besagter  übertritt  demnach  auf  keinen  fall 
zn  verlegen:  zu  der  zeit  hätte  eben  der  einfluss  der  consonan- 
tischen declination  überwogen  und  so  den  übertritt  in  diese 
flexion  veranlasst  Versuchen  wir  es  daher  mit  einem  jüngeren 
Stadium,  und  zwar  mit  dem,  worin  nach  der  Wirkung  primärer 
vocalapokope  (Beitr.  28, 522  ff.)  und  der  entstehung  von  -u-  aus 
•o-  vor  m  als  flexionsbildungen  in  schwang  waren:  in  der 
schwachen  declination  flekkes,  -t,  -0  oder  -ö,  -umz  oder  -um, 
in  der  starken  o-declination  fisJces,  -V1  oder  -e*,  -ö  oder  -8,  -umz 
oder  -um  (für  -omz  oder  -om),  in  der  consonantischen  (der 
historischen  endung  bez.  nichtendung  gemäss  durch  analogie 
verallgemeinertes)  -ez  oder  -e  (oder  event.  -iz  oder  i,  vgl.  Beitr. 
28, 526,  anm.  3),  -i,  o  oder  -ö,  -umz  oder  -um.  Hier  standen 
sich  neben  indifferenten  suffixen  für  den  gen.  und  dat  pl.  die 
endung  von  flekkes  als  dem  suffix  des  gen.  sg.  der  o-declination, 
die  endung  von  flekki  als  dem  suffix  des  dat.  sg.  der  consonan- 
tischen flexion  entsprechend  gegenüber,  befand  sich  aber  die 
o-klasse  als  in  ihrer  Verwendung  vorhersehend  für  den  fall  der 
annectierung  entschieden  im  vorteil.  [Ausgeschlossen  ist  dem- 
zufolge die  annähme  eines  acc.  pl.  flekkuns  oder  -unz  (mit  ana- 
logischem -z),  bez.  -un,  der  im  verein  mit  flekki  zu  gunsten  der 
consonantischen  declination  gewirkt  hätte;  es  kann  für  diesen 
casus  nur  von  auf  neubildung  nach  dem  nom.  pL  beruhendem 
•onun(z)  bez.  -unun(z)  die  rede  sein.] 

Für  die  vereinzelten,  statt  mit  langem,  mit  ursprünglich 
einfachem  conson.  erscheinenden  o-stämmen,  ahd.  chnof  neben 
chnopf,  scof  'Wetterdach'  neben  scopf,  tof  'kreisel'  neben  topf, 
chrof  'kröpf  neben  chropf,  stock  'stock'  neben  stoccli,  scof 


Digitized  by  Google 


228 


VAN  HELTEN 


'dichter'  (=  ags.  sceop)  neben  scopf,  Schweiz,  block  neben  blohd 
(s.Beitr.9,167.  12, 515  ff.),  statuiert  Kluge  (Beitr.9, 171)  einen 
Wechsel  in  der  Stammbildung  zwischen  »-losem  suffii  und 
n-suffix,  während  Kauffmann  (Beitr.  12, 512  ff.)  die  formen  durch 
annähme  von  reduction  langer  consonanz  im  silbenauslam 
deuten  möchte.  Gegen  letztere  fassung  spricht  die  tatsache, 
dass  alte  reduction  von  im  silbenauslaut  nach  hochtonigem 
kurzen  vocal  stehender  länge  bis  jetzt  nicht  erwiesen  ist  (die 
Schreibungen  bed,  man,  net  etc.  sind  doch  kaum  massgebend 
für  die  ausspräche).  Für  nomina  wie  chrof,  stocJi  etc.,  neben 
denen  keine  schwache  form  belegt  ist,  könnte  allerdings  Kluges 
Vermutung  nicht  für  unwahrscheinlich  gelten.  Für  die  auf 
schwachen  prototypus  zurückzuführenden  chnof,  scof,  tof  (& 
s.226)  aber  dürfte  eben  dieser  herkunft  wegen  eine  andere 
deutung  der  einfachen  consonanz  entschieden  geboten  sein, 
nämlich  herleitung  derselben  aus  hwpes,  -i,  -ö,  -um(z),  deren  >p- 
aus  den  schwachen  formen,  denen  von  haus  aus  einfacher 
conson.  zukam,  für  das  regelrechte  -pp-  von  hwppes  etc.  ein- 
getreten war. 

b.  Regelrechte  kürzung  der  langen  consonanz  nach 
langer  silbe  ist  bekanntlich  von  Osthoff  und  Kluge  nach- 
gewiesen. "  Doch  finden  sich  hier  einige  ausnahmen  (zum  teil 
mit  vor  langer  consonanz  gekürztem  vocal,  insofern  nicht 
anlehnung  au  eine  nebenhergehende,  langen  vocal  vor  ein- 
fachem conson.  aufweisende  form  erhaltend  eingewirkt  hatte); 
man  beachte  unter  den  oben  aufgeführten  bildungen  aofries. 
bobba-  (s.217),  nhd.  tappe  (s.  217),  ahd.  dräppo  (s.  217),  ahd. 
trüppin,  nofries.  drubbel  (s.  218),  ahd.  häppa  (s.  218),  ahd.  räddo 
(s.219),  ags.  rüdduc  (s.  219),  ahd.  häggo,  hücko  (s.220),  hair. 
gmcppen,  nl.  grubbe,  gruppe  (s.  221),  ahd.  c{h)räpho,  chräpfo, 
mhd.  krapfe  uncinus  etc.  (s.221),  nnl.  krabbe  '  Schweinsrippchen  ', 
ahd.  kräpfo  artocrea  etc.  (s.  221),  ahd.  rtippa  'raupe'  etc.  (s.  221), 
ahd.  scuobba,  mhd.  schuoppc,  schuppe  squama  etc.  (s.  221),  ahd. 
chräcco  'haken'  (s.222); 

sowie  ahd.  gesläpfa  nupta,  mhd.  kütze  'kauz'  (Beitr.9, 178  f.), 
harpfe,  Schweiz,  balkda,  wulkcte  (Beitr.  12, 524.  525)'). 


*)  Eine  andere  benrteilung  erfordern  natürlich  mhd.  scharpf,  sarpf, 
gelpf  neben  scharf,  sarf,  gelf  :  die  im  ahd.  (vgl.  Braunes  gr.  §  131b)  geltende 


Digitized  by  Google 


G KAMM  ATISCHES. 


229 


[Als  nicht  durch  kürzung  entstandener  laut  hat  der  vocal 
zu  gelten  von  neben  den  formen  mit  a  (woraus  au)  begeg- 
nenden bildungen  nhd.  noppen,  nuppen  'Schrullen'  (s.  219), 
hess.  zopp  'hundin'  (s.  219),  nl.  podde  'kröte',  pudde  mustela 
piscis  (s.219),  mnd.  cnobbe,  cnubbe  etc.  'knorren'  etc.  (s.  221), 
henneb.  roppe,  thür.  ruppe  etc.  'raupe'  (s.  221),  mnd.  snoppe, 
mhd.  stiupfe  etc.  (s.  222)  :  aus  mhd.  schuppe  (für  schuoppe, 
s.  222)  geht  hervor,  dass  die  vocalkürzung  jüngeren  datums  ist 
als  die  entstehung  von  «o,  mithin  eine  viel  jüngere  erscheinung 
repräsentiert  als  der  wgerm.  Übergang  von  u  in  o] 

Die  regelwidrige  behandlung  der  consonanz  begreift  sich 
als  das  resultat  von  analogischer  erhaltung:  als  die  noch  nicht 
durch  ausgleichung  ihrer  doppelformigkeit  verlustig  gegangenen 
schwachen  nomina  sich  durch  das  gesetz  der  consonanten- 
kürzung  in  zwei  kategorien  trennten,  in  die  der  ursprünglich 
kurzsilbigen,  mit  alter  (den  in  Beitr.  9, 166  ff.  12, 521  ff.  ge- 
sammelten belegen  zufolge  in  historischer  periode  noch  zum 
teil  erhaltener)  einfacher  und  gedehnter  consonanz,  und 
die  der  ursprünglich  langsilbigen,  mit  alter  einfacher  und 
hiermit  zusammengefallener  gekürzter  consonanz,  konnte  in 
letzterer  kategorie  durch  anlehnung  an  die  zur  ersteren  ge- 
hörenden formen  die  alte  doppelbildung  sich  behaupten  bez. 
hergestellt  werden. 

6. 

a.  Wie  bei  den  nominalformen,  findet  sich  bei  den  mit 
-tifl-  gebildeten  verben  manchmal  lange  media  statt  oder  auch 
wo!  neben  einer  auf  -tn'  etc.  regelrecht  zurückgehenden  langen 
tenuis  (wegen  belege  solcher  bildungen  mit  -pp-  etc.  s.  Beitr. 
9, 163  f.): 

&gs.gabbian,  aisl.gabba  'spotten'  (doch  könnte  dieses  verb 
auch  denominativ  sein,  vgl.  aisl.  yabb  'spott'  und  beachte  andrer- 
seits das  s.  220  zu  diesem  nomen  bemerkte)  —  mnd.  grabbelt 
'greifen',  nl.  grabbden  'grapsen'  (vgl.  aksl.  grabiti  'greifen') 
—  nl.  (Kil.)  labben  lambere,  mnd.  labben  iecken,  schmutzig 

zweierlei  qualität  von  nach  r  und  /  stehendem,  ans  p  verschobenem  con- 
*on.  (ursprünglich  spirans  bei  tauto-,  aftricata  bei  heterosyllabischer  aus- 
spräche?) wurde  in  der  folge  regulär  zu  gunsten  des  f  aufgegeben,  aus- 
nahmsweise aber  beibehalten. 

Beitrage  zur  geschiente  der  deutschen  sprach«.  XXX.  1(5 


Digitized  by  Google 


230 


VAN  HELTEN 


essen  oder  trinken'  —  nl.  (Kil.)  schallen  scalpere  (vgl.  ahd. 
scalan  'kratzen'1)  —  mnl.  nl.  (Kil.)  schrahlen  scalpere  (vgl 
mnl.  schraven  m.  gl.  bedeut.)  und  mnd.  mnl.  schrohbcn,  schrubben 
'kratzen,  reiben,  scheuern'  (ro,  ru  =  altem  ru  im  ablaut  za 
ra)  —  mnl.  mnd.  stallen  'schlürfen',  mnd.  slullercn,  nl. 
leren  m.  gl.  bedeut.  —  mengl.  sollin  'seufzen'  (vgl.  mhd.  süft 
'seufzer',  ahd. safteön)  —  nl.  (Kil)  hobben,  -den  sultare,  oberd. 
hoppen  'hüpfen'  neben  ags.  hoppian,  nl.  (Kil.)  hoppen,  -elen 
oberd.  Hopfen  m.  gl.  bedeut.  (vgl.  noch  unten  c)  —  mnl.  crabten. 
cralbelen,  nhd.  krappein  neben  mnl.  crappclen  'kratzen'  —  ahd. 
kiscoppöt  onustum  Ker.gll.221,29,  mhd.  schoppc n  'stopfen'  neben 
nl.  (Kil.)  schoppen  obstipare,  replere,  mhd.  schöpfen  'stopfen' 

—  mengl.  snobbin  'seufzen'  neben  ahd.  snopffimn*)  singultu 
(vgl.  ahd.  snoffüan  m.  gl.  bedeut.  und  nl.  (Kil.)  snof,  smf 
singultus),  mnd.  tollen  'zupfen,  zwacken',  nl.  (Kil.)  tollen  tu- 
multuare  neben  mhd.  zupfen  'zwacken',  nl.  (Kil.)  toppen  to- 
multuare  —  nl.  icibbelen  (uielchn)  motitare  neben  wippen 
agitare,  vibrare  (vgl.  ahd.  ueilön,  ags.  wdfian  'schwanken'); 

ags.  dodelcttan *)  pulsare  Germ.  23, 399  —  broddian  neben 
brottettan2)  luxuriare  Zs.  fda.  9, 435; 

ags.  flocgian  emicare  Germ.  23, 399,  mhd.  flocken  'fliegen' 

—  ags.  hocjian  eminere  Germ.  23, 392  (zu  got.  hauhs  etc.)  - 
mengl.  waggin,  mhd.  n  ackcn,  nl.  (Kil.),  mnd.  tvagyelen  vacillare. 

Für  die  deutuug  dieser  -II-  etc.  ist  folgendes  zu  beachten. 
Der  bekannten  aind.  betonung  der  -n<7-stäinme  gemäss  sind 
für  diese  klasse  urgerm.  flexionsformen  anzusetzen  mit  -h- 
und  -n-.  Aus  der  Überlieferung  aber  ergibt  sich,  dass  bei 
diesen  verben  ausgleichung  stattgefunden,  und  zwar  entweder 
zu  gunsten  der  formen  des  sg.  praes.  ind.,  deren  betontes 
stammsuffix  die  bedingung  für  die  spätere  assimilation  des  -n 
enthielt,  oder  zu  gunsten  der  anderen  praesensbildungeu,  deren 
-w-  lautgesetzlich  erhalten  bleiben  musste  (beachte  ahd.  Urnen, 
stornen,  wcrnen,  ags.  leornian,  tvcecnian  etc.  und  die  eine  be- 
stimmte kategorie  bildenden  inchoativa  got.  -uahian,  -lundnan, 

')  Hierueben  nl.  (Kil.)  schobben  scalpere  als  neubildung  nach  deo 
wechselformen  (s.  gleich  unten  im  text)  schrobben  und  schrabben. 

")  Wegen  ähnlicher  fonnerweiterung  vgl.  ahd.  blecchazzen  'blitzen*  ia 
mnl.  blicken  'glänzen',  ahd.  napfezen  zu  ags.  hwrppian  dormitare.  ahd. 
trophezzeu  zu  trophbn  distillare. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


231 


tn,  Paursnan  etc..  an.  icakna,  slitna,  hnipna  etc.).  Durch 
munten  uniformierungsprocess  entstanden  die  verba  mit 
og.  tenuis  oder  aspirata  +  n-  zurückgehenden,  histori- 
p-  etc.  :  mittelstufen  -bb-  etc.  aus  -bb-  etc.  aus  -bn'. 
vu  überlieferte  bildungen  aber  mit  um  eine  stufe  zurück- 
uliebenen  -bb-  etc.  weisen,  wie  die  oben  in  2  besprochenen 
nominalformen,  auf  eine  in  der  entwickelung  stattgefundene 
bqnmong  hin,  die  nur  durch  ein  -b-  etc.  der  zum  paradigma 
gehörenden  flexionsformen,  also  durch  die  Spirans  von  -hn-  etc. 
der  ursprünglich  mit  unbetontem  stammsuffix  gesprochenen 
formen  veranlasst  sein  kann.   Also  vor  der  periode  des  Über- 
gangs von  -bb-  etc.  in  -bb-  etc.  noch  im  paradigma  -bb-  etc. 
und  -tn-  (mit  alter  Verteilung  oder,  was  wahrscheinlicher,  be- 
reits in  willkürlichem,  die  ausgleichung  vorbereitendem  Wechsel); 
dann  im  nachfolgenden  Stadium  z.  t.  nicht  durch  -bn-  etc.  be- 
einflusste  entwickelung  von  -bb-  etc.  zu  -bb-,  z.  t  erhaltung  von 
■hh-  etc.  durch  daneben  stehende  -bn-  etc.;  darauf  weitere  ent- 
wickelung von  -bb-  etc.  und  -bb-  etc.  und  Verdrängung  der  formen 
mit  -n-. 

b.  Lange  stimmlose  spirans  kam  den  -nä  -  bildungen 
ihrer  ursprünglichen  accentuierung  gemäss  von  rechtswegen 
nicht  zu,  und  es  kann  hier  demnach  solcher  consonanz  kein 
phonetischer  factor  zu  gründe  gelegen  haben.  In  dem  hh  von 
ahd.  lachen  Hesse  sich  die  folge  erblicken  von  anlehnung  des 
verbs  an  hlahhi-  (vgl.  got.  hlahjan,  ahd.  hlahhen,  ags.  hlieJihan): 
-hh-  für  aus  -gn-  entstandenes  -kk-,  das  erhalten  blieb  in  awfries, 
hlackia,  aisl.  hlakka.  Ueber  die  etymologisch  dunklen  ags.  hoffing 
orbis,  tcoffian  delirare,  lyffettan  'schmeicheln',  wlceffetere  'narr'  (?), 
diffe  defruto  (Beitr.  9, 159),  aus  gaffetung  'spott'  zu  folgerndes 
soffetan  vermag  ich  nichts  zu  sagen.  Ags.  tcuhhung  rabies  (zu 
mhd.  tcüchzen  'brüllen')  kann  hh  aus  hu  enthalten  oder  ono- 
matopoietische  bildung  sein,  wie  ags.  cohhettan  'husten,  kichern', 
mnl.  kuchen  tussitare,  mnl.  crochcn  m.  gl.  bedeut.,  &\id.chahhazzen, 
ags.  ceahheltan,  ahd.  kihazan  ridere,  mnl.  Schachen  ridere  u.dgl. 
Unklar  ist  mir  ags.  aus  mengl.  siyhin  'seufzen'  zu  folgerndes 
sihhian,  das  man  ungern  vom  starken  skan  suspirare  trennen 
möchte.  In  ahd.  spottön  und  mnl.  spotten  liegen  denominative 
vor  zu  alten  spoppö  und  spottö  (vgl.  s.  226,  anm.;  mnd.  spotten, 
aisl.  spotta  haben  zweideutiges  tt:  aus pp  oder  =  //  aus  dd  etc.?). 

16* 


Digitized  by  Google 


232 


VAN  HELTEN 


c.  Einige  verbalformen  mit  langer  tenuis  oder  media 
gewähren  >-flexion  und  uuigelauteten  wnrzelvocal:  mhd.  hüpfen, 
nl.  (KiL)  huppen,  huppelen  (ä*  aus  ü)  und  mit  66  (vgl.  oben  a) 
nl.  (Kil.)  hubbclen,  woneben  ags.  hoppian  etc.  (s.  oben  a)  — 
mhd.  rupfen,  woneben  mhd.  ropfen,  rupfen  mit  altem  -ppö- 
oder  -ppe  aus  -bnä-  (vgl.  got.  raupjan  vellere)  —  mhd.  slüpfen, 
ahd.  slupfen  —  mhd.  schupfen  'schleudern,  stossen',  woneben 
gleichbedeutendes  schupfen,  nl.  Schoppen  —  mhd.  bücken,  ninL 
buchen  (mit  ü°  aus  w),  woneben  mhd.  mnl.  bocken  —  ahd.  druccJwn, 
ags.  örycean,  mnl.  drucken  (mit  iV*  aus  iV)  (vgl.  ahd.  </rff/i  'fessel') 
—  ahd.  lucchen,  mhd.  ftfcfcen 4 locken',  woneben  locken,  ahd.  /ocÄö», 
ags.  loccian  —  ahd.  rucchen,  mhd.  rücken,  mnl.  rudtai  (mit  «V 
aus  /V),  woneben  mhd.  rocken,  rucken  —  ahd.  smucchen,  mhd. 
smücken  'an  sich  drücken'  (zu  mhd.  smiegen)  —  ahd.  zucdxen, 
mhd.  zücken,  aofries.  /t-tem  (s.  Beitr.  14,  273),  woneben  ahd. 

Für  die  deutung  derselben  sind  zu  vergleichen  die  griech. 
mit  -ttjjo-  gebildeten,  von  Brugmann  in  seinem  Grundr.  2,  981 
hervorgehobenen  verba  lesb.  xXivvco,  hom.  att.  xXcvco  aus  xhi  ico 
(woneben  lat.  inclinozre,  as.  hlinon)  etc. 

LXV.  Zur  Vorgeschichte  von  germ.  stimmloser  spirans 
+  tenuis  und  von  s(s)  aus  tt. 

Für  das  schwache  praeteritalsuffix  stellt  alter  stimmloser 
dental  fest  durch  germ.  pahta,  pahta,  warhta,  worhta  etc.  und 
got.  ahd.  as.  wissa,  wn.  vissa,  on.  risse,  ags.  wisse,  ahd.  muosa, 
got.  ahd.  as.  mahta  etc.  (ob  dieser  dental  nach  der  Wackernagel- 
Behagherschen  hypothese  auf  das  th  von  medialem  suffix  der 
2.  sg.  ind.  zurückzuführen  oder  als  das  resultat  eines  anderen 
entwickelungsganges  zu  fassen  sei,  kann  hier  unerörtert  bleiben). 

Für  die  schwachen  praeteritalformen  ist  alte  wechselnde 
betonung  anzunehmen:  einerseits  weisen  die  von  Sievers,  Beitr. 
9, 563  hervorgehobenen  nasjan,  tvasjan,  hausjan,  laisjan,  gasleip- 
Jan,  gatarhjan  etc.,  deren  stimmlose  spirans  keinenfalls  aus  den 
praesensbildungen  oder  dem  part.  praet.  herrühren  kann,  auf 
wurzelsilbenbetonnng  im  praet.  hin;  andrerseits  geht  in  be- 
stimmten formen  dieses  praeteritums  nichtbetonte  Wurzelsilbe 
hervor  aus  dem  schwundstufigen  vocal  von  germ.  wissa  (tcista\ 
kunpa,  paurfta,  gadaursta,  skulda  u.s.w. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


233 


Mit  rticksicht  auf  diese  Verschiedenheit  des  accents  Hesse 
sich  altes  p  von  got.  kunpa,  an.  kunna,  -e  (»n  aus  w/>),  ags. 
cuöe,  ahd.  konda1),  an.  unna,  -e,  ags.  uöe,  ahd.  owrfa  gegen- 
über altem  ö  von  got.  munda,  wn.  mwwfa2),  ags.  munde  'er- 
innerte mich',  an.  munda,  -e,  monda,  -c  'wurde',  got.  shdda, 
an.  shdda,  -e  (wn.  meist  skylda  etc.)3),  ags.  sceolde,  afries.  scolde, 
ahd.  scolta,  as.  skolda  deuten:  p  bez.  #  als  die  folge  einer  die 
ursprüngliche  doppelformigkeit  beseitigenden  uniformierung. 
Doch  erhebt  sich  bei  solcher  fassung  die  frage:  woher  die  ent- 
schiedene Vorliebe  für  p  bei  *kunpö~m,  *unpöm  im  gegensatz 
zu  der  in  *munö*öm,  *skulÖOm  zu  beobachtenden,  sich  der  nor- 
malen entwickelung  der  praeteritalbildungen  anschliessenden 
bevorzugung  des  61  Dass  bei  so  consequentem  gemeingerm. 
verfahren  der  zufall  sein  spiel  getrieben  hätte,  ist  kaum  an- 
zunehmen. Es  muss  hier  offenbar  ein  factor  tätig  gewesen 
sein,  der  den  abnormalen  sieg  der  stimmlosen  spirans  in  *kunpöm, 
*unpom  zu  veranlassen  vermochte. 

In  der  jüngeren  entwickelungsgeschichte  der  praeterito- 
praesentia  zeigt  sich  widerholt  bei  formell  sich  nahestehenden 
verben  analogische  neubildung.  Ahd.  konda,  onda,  as.  konsta, 
gionsta,  farmonsta  gewähren  durch  anlehnung  an  dorfta  (oder 
*thorfla),  -torsta  (oder  *-dorsta),  scolta  (oder  *scolda)  bez.  thorfta, 
dorsta,  skolda  entstandenes,  regelwidriges  o  (für  ti).  In  ahd. 
mugun  (neben  altem  magun),  as.  mugun  zu  mag  liegen  ana- 
logiebildungen  vor  nach  sculun  zu  scal  (vgl.  auch  Beitr.  15,214  f.); 
ebenso  in  spätws.  muge  nach  scule,  in  aofries.  mugun  nach 
*skulun  (statt  dessen  tiberlieferte  skilun,  skelen  mit  aus  dem 
opt.  stammenden  voc),  in  anorw.  muga  inf.  nach  skulu,  in  aschw. 
mugha  inf.  nach  skula  etc.;  vgl.  auch  ahd.  as.  mohla  (neben 
mahta)  zu  mag  nach  skolta,  skolda  zu  scal.    Umgekehrt  bietet 

')  Die  isolierten  ausnahmen  oii.  künde,  konde  (s.  Noreens  Aschw.  gr. 
§  555, 1,  anm.  1)  und  awfries.  koude  repräsentieren  natürlich  analogie- 
bildungen. 

l)  In  hiernebeu  überliefertem  muujni  kann  die  consonanz  wegen  des 
alten  gesetzes,  np  wird  zu  nn,  nicht  auf  altes  nfi  hinweisen. 

')  Aschw.  der  jüngeren  periode  angehörendes  nud  mschw.  skulle  ist 
natürlich  nicht  auf  shdp-  zurückzuführen;  die  form  entstand  durch  assimi- 
lierung ans  nhüde,  wie  rille  au«?  rüde  (vgl.  Noreen»  ARchw.  gr.  §  556,  3  mit 
*nm.  3.  553,19.  292,  1). 


Digitized  by  Google 


234 


VAN  HKLTEN 


der  anorw.  dialekt  skdkm  (neben  skolom)  nacli  *magum  (woraus 
megom).  Die  ahd.  2.  sg.  kanst  (woneben  darft,  scalt,  maht),  as. 
banst  (woneben  tharft,  skalt,  maht)  und  das  as.  praeteritum 
konsta,  -onsta  weisen  nach  dem  muster  von  -tarst,  *darst,  dorsta 
entstandene  endungen  auf:  kanst,  konsta,  -onsta  zu  alten  kam, 
-ann  nach  *darst  bez.  -tarst,  -dorsta  zu  altera  darr  bez.  tarr 
(dagegen  erhaltung  von  regelrechten  scalt,  maht,  skolda,  mahta 
zu  skal,  mag  mit  kurzem  cons.  im  auslaut;  as.  farmanst,  for 
monsta  durch  jüngere  analogiebildung  nach  kanst,  *anst,  konsta. 
-onsta;  dass  für  diese  formen  mit  -st,  -sta  analogiebildung 
geltend  zu  machen,  ist  zu  entnehmen  aus  as.  part.  küd  für 
kun])-,  dessen  regelwidrige,  durch  anlehnung  entstandene  con- 
sonanz  auf  vorsächs.  praet.  knnp-  hinweist).  Mit  langen  eon- 
son.  erscheinen  mhd.  s(ch)uUcn,  mnl.  sullm  zu  s(ch)a1,  sal  nach 
mhd.  kunnen,  mnl.  können  zu  kan;  umgekehrt  mit  kurzem 
conson.  mnl.  conen,  cuenm  (s.  meine  Mnl.gr.  §  222  r)  nach 
solen,  suelen.  Hiernach  ist  auch  für  eine  alte  periode  des  vor- 
germ.  ein  ähnlicher  Vorgang  denkbar,  d.  h.  es  konnten  die  zu 
Pur-hume,  Öur-zume  etc.  stehenden  praeteritalformen  die  zu 
kun-nume  stehenden  in  der  weise  beeinflussen,  dass  hier  kvnp. 
unj)-  daneben  geltende  kunÖ-,  und-  verdrängten  (während  zu 
mu-nume,  sku-lume  stehende  praeteritalbildungen  sich  solcher 
einwirkung  entzogen  und  in  der  folge  der  regel  gemäss  sich 
der  nebenform  mit  p  entledigten).  Eine  solche  beeinflussung 
aber  konnte  schwerlich  von  purft-,  Öurst-  ausgehen ;  m.  a.  w.  es 
sind  hier  alte  purfp-,  öursp-  zu  postulieren,  die  zur  ansetzung 
berechtigen  (direct)  von  für  pt,  st  eingetretenen  fp,  sp,  woraus 
überlieferte  ft,  st,  (indirect)  von  für  kt,  sp.  sk  eingetretenen 
hp,  sf,  sh,  woraus  überlieferte  ht,  sp,  sk. 

Nach  fp  etc.  aus  pt  etc.  ist  auf  tt  zurückgehendes  pp  an- 
zusetzen, woraus  ss  bez.  s.  Dieser  wandel  des  pp  ist  in  eine 
ziemlich  alte  periode  des  vorgerm.  zu  verlegen:  er  ist  nicht  nur 
älteren  datums  als  der  wandel  von  auf  analogischem  wege  aus 
pn  entstandenem)  pp  (vgl.  s.  223  f.),  das  (mit  ausnähme  eines  be- 
schränkten Sprachgebietes,  s.  s.  222  f.),  insofern  es  nicht  erhalten 
blieb,  zu  //  wurde,  sondern  er  muss  sogar  vor  oder  spätestens 
während  des  eintritts  von  pp  für  Jm  erfolgt  sein,  denn  bei 
erhaltung  von  aus  //  hervorgegangenem  />/>  zur  zeit  der  ent- 
stehung  von  auf  pn  beruhendem  pj>  wäre  für  die  so  zusamnien- 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


235 


gefallenen  längen  gleiche  behandlung  zu  erwarten;  die  ent- 
stehung  aber  von  für  pn  eingetretenem  pp  fiel  mit  dem  wandel 
von  ön  in  Öd  zusammen,  ist  also  eine  ältere  erscheinung  als 
die  Verschiebung  von  media  zu  tenuis,  die  bekanntlich  bereits 
vor  der  sprachlichen  berührung  zwischen  Germanen  und  Römern 
stattfand. 

Erwägung  des  hier  ausgeführten  dürfte  die  controverse 
betreffs  Chatti  und  Hassi,  Hessi  (vgl.  IF.  4, 341  ff.  und  Zs.  fda. 
43, 172  ff.)  zur  entscheidung  bringen:  das  tt  von  Chatti  kann 
nicht  als  lautsubstitut  gelten  für  pp,  woraus  ss  hervorgegangen 
wäre. 

LXVL  Zu  und.  (und  altmittelfrk.)  as.  altostnfrk.  -o 

aus  -*ta  und  verwantes. 

Gegenüber  normalem  -u  =  altem  -ti(-)  und  aus  -ö  begegnet 
bekanntlich  im  ahd.  uud  as.  nonnales  -o  aus  ua:  ahd.  horo, 
balor  gelo,  garo,  haro,  meto,  sneo,  brfo,  sllo,  pläo  etc.,  as.  balo-, 
9<iro,  naro,  missivaro,  horo,  meto,  smero,  skado,  knio,  kneo,  trio, 
treo,  hleo  'schütz',  frao-,  faho,  sneo.   Die  Zs.  fda.  36,  268  vor- 
geschlagene fassung,  aus  -oua  (für  -na)  hervorgegangenes  -o" 
sei  in  den  meisten  dialekten  zu  -o,  in  einigen  aber  zu  -u  ent- 
wickelt, ist  zu  unbegründet,  um  einleuchtend  zu  erscheinen. 
Dasselbe  gilt  von  dem  erklärungsversuch  (s.  Zs.  fda.  37, 123), 
wonach  -o  für  u  stände  durch  entlehnung  aus  -otvcs  etc.,  dessen 
o  in  schwachtoniger  silbe  aus  anorganischem  -u-  entwickelt 
wäre.   Dem  überlieferten  material  rechnung  tragend  und  in 
parallelen  entwickelungsprocessen  eine  stütze  findend,  dürfte 
dagegen  folgende,  eigentlich  auf  der  hand  liegende  deutung 
sein:  -o  aus  -#a  mit  durch  -a  umgelautetem  unsilbischen  de- 
ment, also  in  folge  eines  processes,  der  vor  der  Wirkung  der 
secundären  vocalapokope  (vgl.  Beitr.  28, 522  ff.)  und  nach  der 
entwickelung  von  -o(-)  der  endsilbe  zu  -ö(-)  eintrat  (wegen 
sneo,  knio  etc.  aus  sne-o,  knc-o  etc.  s.  weiter  unten).  Neben 
den  erwähnten  formen  ausnahmsweise  im  ahd.,  nicht  selten  bez. 
sogar  öfters  im  as.  erscheinende  harn  Rd.  Jb.  (s.  Braunes  Gramm. 
§  108,  anm.  1),  balu-,  guru,  nat  u,  falu,  hont,  sneu,  sku  (wegen 
deras.  belege  s.  Zs.  fda.  37, 124.  Wadst.  100. 23.  102,25.  Holt- 
hausens Gramm.  §  361)  haben  demnach  als  neubildungen  zu 
gelten:  sie  beruhen,  wie  ags.  snän;  hriiv  etc.,  auf  angleichuug 


Digitized  by  Google 


230 


VAN  HELTEN 


an  die  flectierten  formen  mit  -«-,  sind  mithin  als  auf  m  aus- 
lautende monosyllaba  zu  fassen.  Wegen  des  ahd.  neben  regel- 
rechtem cneo  belegten  sg.  kniu  s.  Beitr.  9, 537,  anm.;  als  gegen- 
stück  dieser  auf  entlehnnng  aus  dem  plur.  kniu  (für  kne-u  aus 
kneuu)  beruhenden  neubildung  begegnet  aus  dem  sg.  entlehnter 
ahd.  plur.  kneo,  knio. 

Nach  -o  aus  -ga  wäre  auch  mittelsilbiges  -o-  aus  -ga-  (für 
-ua-)  zu  erwarten  sowie  -gan  (für  -uan),  -oa  (für  -od  aus  -hü 
für  -uo~  aus  -uön)  und,  wenn  auf  -öz  zurückgehendes  -ö  noch 
vor  der  Wirkung  des  besprochenen  umlauts  zu  -a  geworden 
war,  ebenfalls  ga  (für  altes  -uöz;  dass  -ä  aus  -ön  und  mittel- 
silbiges -a-  aus  -o-  bereits  vor  der  entstehung  von  endsilbigen 
-a,  -a-  vorhanden  waren,  ist  aus  Beitr.  28, 505.  525  f.  29, 344  f. 
zu  ersehen).  Und  in  der  tat  finden  sicli  as.:  siola,  seola  (für 
vorliterarisches  seola  aus  saiual-),  aroa  nom.  pl.  fem.  Gott  2ö67. 
garoa  nom.  pl.  masc.  Cott,  675  (beides  mit  -a  aus  -öz,  vgl.  Beitr. 
28, 506  ff,;  wegen  fraha  laeti,  unfraha  maestos  s.  unten);  ein- 
schlägige formen  mit  an  und  -a  (aus  -ön)  sind  leider  nicht 
oder  nicht  sicher  belegt  (sineuua  nervum  der  Petri-gll.  Wadst. 
85,26  könnte  ahd.  sein1);  Cott.  2844  gewährt  garoes  mit  ana- 
logisch eingeführtem  g  für  regelrechtes  m).  Dagegen  erscheint 
im  Mon.  neben  garouues  2844  auch  garouua  675,  beides  mit 
svarabhakti  -  endung  für  regelrechtes  -ttes  und  analogisch  ent- 
standenes -ua.  Die  nämliche  aber,  zu  gunsten  des  u  wirkende 
ausgleichungstendenz  tritt  ausnahmslos  hervor  in  den  ahd.  be- 
legen: drauua,  thrauua  'drohung',  bräuua  (woneben  noch  andere 
neubildungen  dröa,  braa),  scnua,  -uuua,  -cuua,  -auua,  faruua. 
-auua,  -cuua,  -ouua,  garouua  etc.  [Eine  ahd.  directe  ent- 
sprechung  von  as.  siola  fehlt  :  das  normale  seht  geht  als  durch 
regelrechte  synkope  der  paemiltima  entstandene  form  zurück 
auf  se-u-l-  für  saiuul-  mit  durch  -u  des  nom.  und  dat.  sg.  aus 
-o-  hervorgerufenem  -«-,  das  voranstehendes  u  absorbierte;  da- 
neben ausnahmsweise  seulu  Is.  17, 12.  Möns.  frgm.  5,7,  -a  14. 6. 
deren  -u-  begreiflich  wird  durch  die  annähme  von  saiuul- 
(==  ags.  sdwol),  das  durch  einwirkung  von  ehemaligem  saiital- 

»)  Dasselbe  gilt  von  in  den  Petri-  und  den  Werd.  glossen  stehenden 
neubildnngen  gelau  coecinum,  -o  eroceus  Wadst.  76,11.  90,34,  gara  par(a)tos 
Wadst.  104,21,  deren  fehlender  halbvoral  auf  anlehnnng  an  die  flexion«- 
bildungeu  mit  -u,  -umu,  -um,  -un,  -hh  aus  -yu,  -yumu  etc.  beruht. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


237 


sein  n  zunächst  behauptete  und  erst  später  bei  der  Wirkung 
von  Sievers'  synkopegesetz  sein  einbtisste,  wodurch  -u- 
fur  -m-.J 

Neben  -o(-)  aus  -wa(-)  hat  -w(-)  als  die  regelrechte  fort- 
setzung  von  -mi(-)  zu  gelten.  Solches  -u-  begegnet  in  ahd. 
kikaruta  Rb  (s.  Ottniann  s.  48),  inkaruta,  -tCr  R,  garttta  Hild. 
(Braunes  Gramm.  §  363,  anm.  4d).  woneben  häufiger  garota, 
givarota,  kisalota  (zu  garmien,  fareuuen,  *salutten)  mit  durch 
anlehnung  an  garo  etc.  entstandenem  mittelvocal  (as.  finden 
sich  nur  nichts)Tikopierte  formen  gcmuida,  geriuuidc,  -un,  ge- 
mtuidun,  gigernuit,  gcgariuuit  etc.).  Unzweideutige  belege  für 
solches  -m  fehlen:  aus  der  as.  Schreibung  euu  Cott,  1421.  Mon. 
1416  geht  hervor,  dass  as.  seit(-)f  eu(-)  'gesetz'  (wegen  der 
belegstellen  s.  Zs.  fda.  37, 124,  wegen  des  Stammes  beachte  ags. 
*<k,  ce  aus  sniui,  ai^i)  sicher,  ahd.  seit  Möns  frgm.  10, 16  mög- 
licherweise als  mit  den  oben  besprochenen  neubiklungen  sneu 
etc.  in  einer  linie  stehend  gefasst  wurden,  in  der  regel  aber 
begegnen  unsere  /-Stämme  mit  eo  (ahd.  seo  als  norm,  as.  seo, 
$eo-,  eo,  eo-  neben  seu  etc.,  vgl.  Zs. fda.  a.a.O.),  d.h.  mit  nach 
dem  muster  von  sneo,  kleo  (letzteres  ahd.,  nicht  as.)  für  aus  regel- 
rechtem e-u  entstandenen  langdiphthong  eingetretenem  laut 
(sneuues  etc.  :  sneo  =  seuues  etc. :  seo);  es  könnte  demnach  in 
seu  etc.  allenfalls  die  alte  regelrechte  bildung  vorliegen,  deren 
langdiphthong  nur  für  das  Sprachgefühl  eine  andere  geltung 
erlangt  hätte,  ebenso  denkbar  aber  wäre  hier  auch  entstehung 
des  überlieferten  eu  als  für  normales  eo  eingetretener  neuer 
neubildnng.  Beachte  auch  ahd.  (h)leo,  (h)reo,  as.  hreo(-\  hreii(-) 
(letzteres  Cott.  4078.  4101).  jedoch  wegen  des  ursprünglichen 
um-,  iz-  Stammes  dieser  Wörter  (vgl.  ags.  hldw,  hldetc,  hrdw, 
hrcexc  und  s.  Sievers'  Gramm.  §  288)  unter  berücksichtigung  der 
möglichkeit  von  für  alte  hie,  hre  (aus  hle  u  für  hleuu  etc.)  ein- 
getretenen neubildungen. 

Nach  Braunes  Ahd.  gr.  §  108,  anm.  2  steht  ahd.  o  für 
nach  langem  vocal  nur  in  den  älteren  quellen  und  fällt  seit 
der  mitte  des  9.  jh.'s  überall  ab.  Doch  ist  der  ansatz  dieses 
Schwundes  schon  in  eine  etwas  frühere  zeit  zu  verlegen  mit 
rücksieht  auf  in  Rb  und  Rd  stehendes  see  Ahd.  gll.  1, 283, 10. 
637.4  (in  Rb  und  Rd  überlieferte  re  Ahd.  gll.  1,279, 17.  hre,  hreh, 
reh  mit  rees,  s.  Ottmann  zu  Rb  s.  48.  69.  sind  nicht  beweiskräftig. 


238 


VAN  HELTEN 


weil  hier  altes  hre  aus  hre-u,  s.  oben,  vorliegen  könnte).  So- 
dann aber  sei  zu  dieser  erscheinung  noch  folgendes  bemerkt. 
Das  durch  absorption  von  o  entstandene  e  weist  auf  aus  (-0 
hervorgegangenes,  monophthongisches  eo  als  Vorstufe  hin  (be- 
achte auch  cneo,  knio,  trio  aus  alten  kne-o,  tre-o).    Aus  in  der 
literatur  des  9.  jh.'s  zu  beobachtendem  nebeneinander  von  ft 
und  e  geht  hervor,  dass  zu  der  zeit  schwach  articulierte  aus- 
spräche des  zweiten  dementes  des  langdiphthonges  herschte. 
welche  die  zwischen  co  und  c  schwankende  Schreibung  ver- 
anlasste.   Nach  ahd.  sne,  hie,  n%  sc,  pri,  bli,  grä  etc.  sind  die 
(übrigens  nur  ausnahmsweise  erscheinenden)  as.  sc,  ehaft,  hrelik 
(s.  Holthausens  Gramm.  §  280)  zu  beurteilen.   Dass  der  lang- 
diphthong  in  unseren  nominalbildungen  nicht  durch  kürzung 
zu  co  wurde,  begreift  sich  als  die  folge  der  erhaltenden  ein- 
wirkung  von  e  der  flectierten  casus.   Wo  solcher  factor  fehlte, 
stellte  sich  für  eo  kurzdiphthong  ein,  der  mit  dem  alten,  au> 
eu  entstandenen  diphthong  zusammenfiel  und,  wie  dieser,  in  der 
folge  zu  io  wurde;  so  in  as.  siola  (woraus  jüngeres  scola)  und 
den  adverbien  ahd.  (n)co,  (71)10,  as.  (n)io,  (n)eo  (=  got.  aiw,  ni 
aiw),  ahd.  (h)wco,  (h)wio  'wie'  (aus  vorhistor.  haiua  für  hmuo(n\ 
das  sich  in  betreff  seiner  bildung  dem  aind.  ecam  1  so'  vergleicht: 
in  Exhort.,  L.  Sal.  und  R  begegnendes  hu  e  kann  dem  erörterten 
gemäss  nicht  auf  hueo  zurückgehen,  es  ist  zu  got.  kaitca  zu 
stellen  und,  wie  dieses,  als  die  fortsetzung  zu  denken  von  mit 
ved.  erä  'so'  zu  vergleichendem  prototyp  Iraiuö).    Auf  nicht 
durch  die  flectierten  casus  gestörte,  regelrechte  entwickelumr 
weisen  hin  die  vereinzelten  belege  ahd.  snio,  siolih  (s.  Braunes 
Gramm.  §  43,  amn.  6)  und  das  von  Kern  sen.  in  den  Taalkund. 
bijdragen  1,48  ff.  aus  Schenkungsur  kunden  von  kaiser  Friedrich 
(dat.  1174  und  1184)  citierte  sijctol  'seezoll'.    Ahd.  speo  und  $p< 
3.  sg.  praet.  ind.  (zu  spluuan)  sind  nicht  in  eine  linie  zu  stellen 
mit  snco,  sne  etc.    In  spe  liegt  das  resultat  vor  von  regel- 
rechter entwickelung  (aus  spaiue  durch  primäre  vocalapokope 
spe-u,  das  durch  secundäre  vocalapokope  spe  ergeben  musste): 
speo  kann  demnach  nur  neubildung  sein,  die  neben  durch  ein- 
wirkung  der  praesensforinen  für  sj)C  eingetretenem  *speu  ent- 
stand nach  analogie  der  einstmals  als  doppelformen  vorhan- 
denen monosyllabischen  seo,  sen,  sneo.  *sneu  etc.  (die  später. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


239 


wie  sich  aus  dem  vereinzelten  beleg  seu  ergibt,  durch  nahezu 
alleinherschende  ?o-formen  ersetzt  wurden). 

Nach  sneo  etc.  aus  alten  sne-o  etc.  sind  als  parallelen  aus 
alten  fra-o,  stra-o  entstandene  monosyllabische  frao,  strao  zu 
erwarten,  die  sich  in  der  tat  in  bair.  quellen  (Pa.  R.  Km  29) 
finden,  sonst  aber  mit  monophthongiertem  laut  begegnen  als 
ahd.  frö,  strö,  as.  frö-  (in  frömöd,  -muod,  -Ifco  M  1163.  2062. 
C2062.  3559.  MC  2677.  3041);  hierneben  na.  frao-  (in  fraomuod 
C  1163)  als  durch  anlehnung  an  die  kurzsilbigen  formen  (*falo 
etc.)  erhaltene  oder  hergestellte  disyllabische  bildung  (des- 
gleichen as.  faho  MC  1783);  ahd.  strau.  strou  (acc.  pl.)  durch 
ahstrahierung  aus  flectierten  *strauuucs,  *s frommes  etc.,  die 
selber  auf  zu  altem  strao  entstandene  neubildungen  zurück- 
gehen; und  as.  fra  Wadst.  18, 13.  58, 19  durch  abstrahierung 
aus  den  flectierten  casus,  die  vor  den  endungen  -»,  -umu,  -un 
etc.  ihr  m  eingebüsst  hatten  (vgl.  die  neben  letzteren  durch 
ausgleich  aufgekommenen  fraha  laeti  C  4725.  5896,  unfraha 
maestos  Wadst.  16, 27  mit  hiatusdeckendem  A-zeichen,  das  durch 
analogie  auch  in  frahmöd,  -muod  M  1011.  3559.  5982.  C  1011 
verwant  wurde;  neben  fraha  etc.  beachte  auch  fahora,  1.  -o, 
C  2236). 

In  altmittelfrk.  scado,  salo  (s.  Beitr.  22,  440)  erscheint  -o 
=  ahd.  as.  -o.  In  garoda  des  LW,  giycroda  der  Pss.  (Beitr. 
22, 140.  Altsüdmittelfrk  gr.  §  29)  könnte  -o-  =  -o-  von  ahd. 
'jarota  etc.  (s.  s.  237)  sein  oder  für  regelrechtes  -u-  stehen 
(wegen  -o-  aus  -u-  der  amfrk.  quellen  s.  Beitr.  22, 475.  Asnifrk. 
?r.  §22f).  Sonst  beachte  hier  scla  (Beitr.  22, 459.  Asmfrk.gr. 
S  29)  —  ahd.  sela;  siela  (Beitr.  a.  a.o.  und  466)  as.  siola; 
(n)ie{-),  tcie,  uuio  (Beitr.  22.  466.  Asmfrk.  gr.  §  14)  —  ahd.  as. 
(n)io,  ahd.  (h)wio. 

In  den  altostnfrk.  quellen  begegnen  yaro,  horo,  sco  und 
garu,  seu  (s.  Gramm.  §  35 f  und  20,  wo  indessen  noch,  wie  in 
§22.  die  alte  fassung  -o  für  u  aus  -ua  aufgestellt  ist;  der 
langdiphthong  tu  dürfte  hier,  mit  rücksicht  auf  die  in  diesem 
dialekt  zu  beobachtende  entsteh ung  von  anorganischem  u 
zwischen  langem  vocal  und  heterosy Habischem  u,  für  zwei- 
deutig gelten,  vgl.  §  17.  20  der  Gramm.).  Sonst  beachte  noch 
strö  (aus  altem  strao)  und  seht  ( nicht  auch  sila.  s.  §  20).  io, 
[n)it-  (s.  §  20  und  24,  anm.). 


Digitized  by  Google 


240 


VAN  HELTEN 


Ags.  bearu,  -o,  meolu,  -o,  geam,  -o  etc.  und  aofries.  (rästring.) 
balumon,  skadutcepen,  horutcerp  lassen  durch  ihr  silbischen  laut 
(nicht  halbvocal)  darstellendes  -u(-)  für  das  vorags.  und  vor- 
fries.  nichtentstehung  von  -ga  aus  -ua  erkennen. 

Durch  die  ahd.  amfrk.  as.  -o(-)  aus  -uo(-)  und  -{«a  aus  -m 
werden  die  ahd.  amfrk.  und  as.  formen  mit  vor  endungsvoeal 
neben  -/-  stehendem  -{'-  verständlich  (vgl  minnea,  sippea,  mäm 
etc.;  kunnru,  uuilleo)  biddcan,  vnytan,  icillco  etc.  und  s.  Braune* 
Ahd.  gr.  §  118,  anm.  1.  Asmfrk.  gr.  §  30^.  Holthausens  As.gr. 
§  172):  entwickelung  von  r  aus  /  vor  -a-  und  -ö  (aus  -önf-fe): 
dann  Verwendung  dieses  r  auch  für  vor  andrem  vocal  stehendes 
bez.  aus  i  (nach  langer  silbe)  hervorgegangenes  i,  wie  um- 
gekehrt manchmal  /  für  regelrechtes  e  (in  redia,  secchia  etc.: 
biddian,  ajgia  etc.).    Durch  vocalapokope  aus  -$a  für  -ja  ent- 
standenes -e  fehlt,  indem  die  endung  des  nom.  acc.  sg.  masc. 
und  nom.  acc.  sg.  ntr.  kurzsilbiger  Stämme  bekanntlich  auf 
•ir,  -tu  zurückgeht. 

I W  Ii.  Zur  entwickelung  von  altgerm.  JJ  und  tnr. 

L 

Brugmann  hat  in  seinem  Gnmdr.5  1, 283  und  seiner  Kurzen 
vergleich,  gramm.  s.  97  für  einige  germ.  bildungen  mit  auf 
kurzem  vocal  +  jj  zurückgehender  laut  Verbindung  entstehong 
des  Jj  aus  (  als  zweitem  dement  eines  diphthonges  und  >  der 
folgesilbe  wahrscheinlich  gemacht: 

got.  twaddje,  wn.  tveggia,  on.  tumggia,  ahd.  zicci(i)o,  a?. 
hrt'io  aus  duoi  io-  (?  wegen  dieses  prototyps  s.  aber  unten)  — 
got.  daddjan,  aschw.  d&ggia  'säugen'  aus  nach  aind.  dhayat» 
'er  saugt',  aksl.  dojy  'ich  säuge',  aind.  dhenus  i milchend '  et<- 
(s.  lirundr.2  1, 172)  anzunehmendem  prototyp  mit  aj  io-  für  -oy-io- 
(die  wort  stufe  mit  älterem  oi  lasse  ich  im  folgenden,  um  Weit- 
läufigkeit zu  vermeiden,  aus;  als  reflexe  des  von  Brugmann  an- 
gesetzt en  dh.>\-io  wären  historische  formen  mit  /  statt  a  bez. 
m  zu  erwarten,  wenn  anders  die  zurückfuhrung  von  schwach- 
stufigem  /  auf  »i  das  riclitige  trifft)  —  got.  iddja  aus  nach 
ved.  iyat  und  aind.  äyat  anzusetzenden,  mit  augment  versehenen 
Prototypen  i  'i  iom,  -cd  (oder  durch  analogische  neubildung  4$Y) 

»)  ten  Brinks  lierleituug  vuu  tu-  iu  ags.  evik  aus  i-o  mit  i-j-  =-  t°l 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES 


241 


—  aisl.  Frigg,  ahd.  Frln,  ags.  Frigedceg  aus  zu  aind.  preyas 
geliebt'  zu  stellendem  frel-lö-  oder-i*-1)  —  got.  waddjus,  aisl. 
veggr,  ags.  wds$  aus  uai-in-  mit  suff.  -lu-,  wie  got.  stubjus, 
drunjus  (zu  lat.  viere)'1)  —  ahd.  ei  (gen.  eies,  pl.  aisl. 
e99t  ags-  «y,  as.  «  (belegt  durch  eia,  eicro,  eiiero,  eiro),  mnl.  ei, 
nwfries.  aey  aus  aj-iaz  (?  vgl.  das  unten  zu  diesem  nomen  be- 
merkte). 3) 

Brugmanns  fassung  dieser  bildungen  und  die  daraus  für 
die  entstehung  aller  jj  aus  ü  gezogene  consequenz  gewinnt  in 
nicht  geringem  masse  an  Wahrscheinlichkeit  durch  den  umstand, 
dass  auch  für  die  anderen  formen  mit  altem  jj,  insofern  die- 
selben etymologisch  durchsichtig  sind,  ein  |-j  sich  sei  es  als 
ursprünglich  oder  als  durch  compromissbildung  bez.  anlehnung 
entstandene  basis  geltend  machen  lässt: 

ahd.  hei  'dürr'  (mit  dazu  gehörendem  ntr.  gihei  'hitze, 
dürre'  und  arheiyetun  'verdorrten',  8.  Beitr.  9, 543)  aus  zu  aksl. 
sijati  splendere,  sivü  cinereus,  lat.  cinis,  got.  hais  'fackel'  für 
Äcr|#>)  zu  haltendem  hai-xo-,  halle-  (-/o-,  -jjc-  nach  vocalisch 
auslautender  silbe,  wie  sich  aus  dieser  und  den  andern,  unten 
zu  erwähnenden,  gleichartigen  bildungen  sowie  aus  oben  an- 
gesetzten frel-lö-  etc.  ergibt;  nicht  also  das  sonst  nach  langer 

iddj-  (Zs.  fda.  23, 65)  ist  aufzugeben:  es  müsste  der  reflex  von  i-j-  nach  ags. 
Frigrdceg,  ctg,  clct$  etc.  als  erscheinen.  Wegen  einer  Vermutung  über 
'lie  eutstehung  von  eode  s.  Holthausen,  IF.  14,342. 

l)  Hierneben  zu  aind.  priyas  amatus  zu  haltende,  substantivierte  neutr. 
adjectiva  ags.  f'reo  (schwach)  'weih'  ans  frl-ö  oder  -ä  für  fri-\ö  oder  -yä, 
«w.  frt  (stark)  aus  fri-o  oder  -a  für  fri-jo  oder  -a  (wegen  I  aus  t-j  s.  Beitr. 
15, 467 f.;  wegen  der  Verwendung  dieser  termini  vgl.  die  neutra  lieb,  nl. 
titf  und  mnl.  dier  'mädchen',  eig.  'teueres'). 

*)  Weil  diesen  bildungen  as.  mnl.  aofries.  wei,  awfries.  wa(e)y  ent- 
sprechen müssten  (vgl.  die  im  text  verzeichneten  belege  mit  as.  mnl.  aofries. 
«',  awfries.  a[e]y),  sind  die  gleichbedeutenden  as.  weg  (belegt  durch  wfgos 
Hei.  1809),  mnl.  tceech,  afries.  wäg  von  waddjus  etc.  zu  trennen  und  vielmehr 
in  ved.  vieäti  'er  umgibt,  umfasst'  zu  halten.  Dasselbe  gilt  für  ags.  wag, 
träh  (man  beachte  die  belege  mit  ags.  <£$  aus  ajj).  Ob  mit  Kögel  (Beitr. 
9,543)  aus  Weisteti  auf  ahd.  wei  'wand'  zu  schliessen,  ist  sehr  fraglich: 
'  wandstätte '  hätte  doch  kaum  einen  sinn. 

*)  Die  von  Noreen  in  seinem  Abriss  s.  161  vorgeschlagene  deutung  von 
üslskegg  'bart'  als  zu  oxows  'schattig'  stehendem  und  eig.  'Schattierung' 
bezeichnendem  nomen  dürfte  aus  semantischem  gründe  schwerlich  ein- 
leuchten. 


Digitized  by^Google 


242 


TAN  HELTEN 


silbe  stehende  disyllabische  -i'o-,  -t>-;  vgl.  auch  die  obenLXVl 
erörterten  formen  mit  alten  -ua,  -ua-  etc.  nach  ai); 

ags.  der*,  mnd.  kky.  awfries.  clay  iehm'  (das  genus  nicht 
belebt  ),  mnl.  Uei(e)  ntr.  aus  zu  ags.  dam  iehm',  yXoivc  'kle- 
brige feuchtijrkeit'.  jri/ry,  ri«2  ieim',  aksl.  pitJM  'ton'  etc.  zu 
haltendem  /o-,  je-stamm  (das  nomen  ist  substantiviertes  adjectiv. 
eig.  =  'klebriges*); 

ahd.  scrci  (tiect.  screige  clamore,  giscriigin  clamoribus),  mbd. 
mnd.  schrei,  das  zurückgeht  auf  zu  satan  zu  stellenden  verbalen 
masc.  ? -stamm  scraiji-,  cumpromissbildung  aus  durch  regelrechte 
entwickelung  für  altes  scra-ii-  eingetretenem  scrai-  (woraus 
md.  schre)  und  scra-ii-,  das  durch  anlehnuug  einerseits  an  das 
normalparadigma  andrerseits  an  die  flectierten  formen  scra-iffii 
etc.  erhalten  blieb;  zu  diesem  screi  steht  ahd.  scrtiön,  miü. 
mnd.  schreien,  awfries.  scraya  (s.  meine  schrift  Zur  lexicologie 
des  awfries.  s.  54)  als  denominativ; 

ahd.  scrci  'er  schrie'  aus  scrai-ie,  durch  einwirkung  von 
ai  der  normal flexion  für  scra-ie  eingetretener  neubildung; 

ahd.  Uaiio,  as.  Heio  (s.  Beitr.  9,  543).  nwfries.  Haye  (Zur 
lexicol.  des  awfries.  s.  54)  aus  zur  sippe  aksl.  cena  'ehre',  aisl 
heiiir  'ehre'  gehörendem,  mit  -{o-  gebildetem  und  substantiviertem 
adject..  d.  h.  Jlai-iö;  vgl.  auch  aisl.  soknheggr  'kriegsmanu'  mit 
heggr  aus  starker  form  ha{-ioM\ 

zu  aind.  trüyate  'er  schützt'  zu  haltendes  aschw.  drceggc 
(gen.  -ggia)  'obdach'  (s.  Noreens  Abriss  s.  161),  ebenfalls  sub- 
stantiviertes, auf  ein  -jo-adjectiv  zurückgehendes  nomen  mit 
altem  qg-£ 

Für  die  etymologisch  dunklen  as.  Ida  'fels,  Steinplatte* 
(Hei.  M  2304  Idan  dat.  sg.,  M  4077  Ida  acc.  sg.  als  gelegent- 
lich nach  der  st.  flexion  gehend),  mnl.  hie,  leige,  ahd.  Leia, 
Leige  (s.  Beitr.  9,  543),  mnl.  hye,  awfries.  (aus  laeydc  'schiefern', 
s.  Zur  lexicol.  s.  54,  zu  erschliessendes)  laey(e)  (prototyp  lai-iön, 
das  zur  kategurie  der  in  Kluges  Nomin.  stammbild.  §  80— S3 
erwähnten,  mit  -jon,  -tön  gebildeten  und  'aus  einem  bestimmten 
stoff  herrührendes  oder  gefertigtes'  bezeichnenden  derivata 
gehören  kann),  ahd.  huaiiön,  ueiyön  'wiehern'  (parallelbildung 
zu  screiön?),  ags.  hncegan,  aisl.  gncggia,  mnl.  ncien,  mhd.  negcn 
(d.  h.  neigen)  'wiehern',  ags.  ccex  fem.,  aofries.  lex  masc,  awfries. 
Ica(e)y  masc.  'schlüssel'  (s.  Zur  lexic.  s.  54),  ags.  hwces  masc.  oder 


Digitized  by  Googli 


243 


ntr.(?),  mnd.  innl.  im  -molken*  ist  dem:,*::,  -cri^al^  -: -es  ; 
anzunehmen. 

Wegen  ticaddje,  tveggia  etc.  sei  noch  bemerkt,  dass  hier 
die  berech tigung  von  anknüprang  .in  l.oA  uni  iirai:  be- 
ruhender ansetzung  von  dmoi-fi-  is.  oben»  zu  b^zxeii-rlr:.  ia 
für  do/o/  im  hinblick  auf  d©<oc  *dop[eIt*  und  a^s.  ttr>'irn  bis 
(sowie  Öriicu,  as.  thritco  ter)  als  ba.-:?  za  gr'-.en  tat. 

Mehr  empföhle  sich  die  in  Brokmanns  Grus-ir.  2.  *x>7  vor- 
geschlagene gleichung  lit.  dctjä  =  urgernL  imai-i'*u)  «'.-ier 
■Om  bez.  duoi  löm\  beides  durch  anlehnang  an  >n  dat.  dual 
lit.  rfrem  (oder  dvem-  bez.  dvaim-y.  urgenn.  tu, ihn-  i«>ier  tuolm- 
etc.)  entstandene  neubildungen.  welche  die  alte  form  mit  kurzem 
voc.  (=  o  von  aksl.  zum  dat.  drema  st^hend«-iü  gen.  </"Ju  = 
aind.  dvayös)  verdrängten  (wegen  serm.  ö.  -0r  -a,  lit.  -«  des  gen. 
8.  Grundr.  a.  a.  o.).  Die  gleiche  bildung  begegnet  bekanntlich 
in  wn.  beggia,  on.  b&ggia. ') 

Statt  des  von  Brugmann  für  ei,  ckz  etc.  angesetzten  Pro- 
totyps ai-iaz  dürfte  ferner,  weil  sieh  hier  wol  historische 
reflexe  von  suffix  -iz-}  nicht  aber  von  -oz  linden,  vielmehr  ai-iizi-) 
anzunehmen  sein  als  conipromissbildung  aus  durch  regelrechte 
entwickelung  für  altes  a-\iz-  eingetretenem  alz-  und  durch  an- 
lehnung  an  aju*  erhaltenem  aiiz-\  ai>L  egg  (und  aus  krimgot. 
ada  zu  folgerndes  got.  addja  nom.  acc.  pL)  entspricht  dem  aus 
tkshjaje  'ei*  (für  ejo,  vgl.  Brugmanns  Grundr.  I2,  §  1035.  2)  zu 
erschliessenden  io-stamm  0/-/0-,  -je-. 

2. 

Das  jj  aus  j-(  führt  zu  der  consequenz:  tcic  (woraus  ggic  etc. 
bez.  wir)  aus  m  m  (vgl.  auch  Brugmanns  Grundr.-  1,331.  Kurze 
vergl.  gr.  s.  107).  Dieses  aber  lässt  sich  für  die  auf  n  ie  zurück- 
gehenden lautcomplex  aufweisenden  bildungen  geltend  machen 

')  Gegen  die  fassung  von  an.  öriggia  als  analogiebildung  nach  tveggia, 
tueeggia  erbebt  Osthoff  (Etym.  par.  139)  den  einwand.  da*s  öriggia  als  regel- 
rechte bildnng  durch  ahd.  drio  gestützt  werde,  das  wegen  des  dat.  drim 
kein  ans  dri  bez.  ihn  übertragenea  1  enthalten  könne.  Hierzu  aber  ist 
n  bemerken:  1)  dass  im  ags.  neben  dem  efc  bez.  e  bieteuden,  durch  die 
nominativform  beeinflussten  gen.  ticäza,  -zra,  \wiz{e)a,  -zra  ein  dat.  tmtm 
steht  (nur  north,  auch  tudtm  als  neubildung);  2)  dass  auf  lies,  tuira  und 
mud.  ttci(g)er  duorum  als  analogiebildungen  nach  t/mm,  drngkr  gegeu- 
stücke  gewähren  zu  an.  öriggia  nach  tveggia  etc. 


244 


VAN  HELTEN 


bei  der  annähme  von  durch  assimilation  aus  postvocalischem 
-tj-n-'  entstandener  dehnung  u-u «)  (wegen  des  auf  9u-u  zurück- 
zuführenden utcw  vgl.  das  oben  zu  daddjan  bemerkte  und 
beachte  n  aus  schwachstufigem  >u). 

Verbal bildungen  mit  alten  -na-:  aschw.  gnugga  'schaben' 
(s.  Xoreens  Abriss  s.  162)  aus  gnuu-uö-  für  ghtuu-nä-  (vgl.  aisl. 
gnüa  m.  gl.  bedeut.)  —  aisl.  snugga  'schielend  spähen'  (s.  Xureen 
a.a.O.)  aus  snuuuö-  für  smu-nä-  (vgl.  aisl,  snüa  'drehen'). 

Verbalbildungen  mit  altem  -wo-,  -ne-  (wegen  solcher  z.t 
mit  hochstufiger  Wurzelsilbe  erscheinenden  Stämme  vgl.  Brug- 
manns  Cii  undr.2,983f.):  got.  bligguan,  ahü.bliuuan,  zs.atbkuuan 
(belegt  durch  ntbliuuuid  excudit  Wadst.  100,39;  wegen  des  an- 
gesetzten eu  s.  unten  3),  mhd.  briuwen,  ags.  breouan,  as.  gibreti- 
uan  Werden,  lieber.  1,  4  b,  ahd.  hriuuan,  as.  hre(u)uuan,  ahd. 
chiuuan,  ags.  ceowan'%  aisl.  (h)ngggva  'stossen'  (vgl.  Noreens 
Aisl.  gr.  §  485,  anm.  3),  aus  tku-uo-,  -ue-  oder  bleu-uo-,  -ue-  etc. 
für  bhleu-no-,  -ne-  etc.;  dazu  im  praet.  sg.  ind.  got.  -bktggtc,  ahd. 
krau,  rou,  as.  hrau,  ags.  hreaw,  ahd.  kou,  ags.  ceaw,  aisl.  {h)nogg, 
in  der  anderen  praeteritalflexion  -blugguum,  -bluggwans,  ahd. 
blüun,  gebliun,  kaplüan,  aisl.  bruggenn,  -inn  (die  anderen  flexions- 
bildungen  des  isl.  verbs  fehlen),  ahd.  rtiuun,  chüun,  gicüuuan, 
aisl.  [h)nuggenn,  -hin,  aus  durch  entlehnung  von  uu  des  praes.-st. 
entstandenen  prototypen  —  mit  diesen  bildungen  in  eine  linie  zu 
stellende  ahd.  houuan,  ags.  heawan,  aisl.  hoggva,  aschw.  hugga 
aus  hau  uo-,  -ue-  für  kau-nö-,  -nc-\  dazu  durch  entlehnung  von 
uu  das  part.  ahd.  as.  -hauu(u)an,  ags.  geheawcn,  aisl.  hgggvenn. 
-inn,  aschw.  huggin  und  die  praeterita  ahd.  (oberd.)  hiu,  hiu- 
uuen,  as.  gihfai,  h&uuuun,  aonfrk.  hieuuon,  mnd.  hceu,  houw,  -en, 
ags.  heow,  aisl.  hioggom,  -um,  aschw.  hiog,  hioggom  (vgl.  Beitr. 
21,  452). 

Verbalbildungen  mit  -niö-,  -ni-  (vgl.  oben  LXIV,  6c):  aisL 


»)  Vgl.  dagegeu  aisl.  hlaun  'hüftbein'  (=  aind.  pBtf*f  'hüfte'),  got 
dauns,  hauns,  laun,  skauns,  ahd.  bona  faba,  aisl.  skaunn  'bedeckung. 
schild'  u.  ähul.  aus  paroxytoniertem  prototyp  (bekanntlich  hatten  die  tu-, 
no-,  wä-bilduugen  z.t.  suffix-,  z.t.  wurzel&ilbenbetonung).  Iu  got  -s/w« 
etc.  aus  seguni-  liegt  nicht  altes  ]f  als  diphthongscomponent  vor. 

')  Das  Beitr.  19,  432  über  chiuuan  etc.  bemerkte  ist  unrichtig:  aus  mnl. 
kauicen  (stamm  feflMfO-)  geht  kein  beweis  gegen  chiuuan  etc.  (stamm  leu-uo-) 
hervor. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATI8CHES. 


245 


byggva  und  byggia,  aschw.  byggia  'wohnen'  aus  buu-uio-,  ui- 
oder  buu-uio-,  -ul-  für  bhzu-niö-,  -ni-  (vielleicht  auch  north,  bya, 
as.  aus  bnida  zu  erschliessendes  büian,  die  indessen  auch  deri- 
vata  zu  bn  'wohnung'  sein  könnten)  —  aschw.  bryggia  (aus 
*bryggva)  'brauen'  —  aisl.  gyggva  'schrecken  einflössen'  (vgl. 
hierzu  aisl.  intr.-inchoat.  gugna  'erschrecken';  doch  könnten  in 
den  verben  auch  derivata  vorliegen  mit  -io-  bez.  -no~-  zu  ver- 
loren gegangenem  adject.  gugg(v)r  aus  guu-uo-  für  ghdu-nö-). 

Adjectivbildungen  mit  -ni-  bez.  -wo-,  -ne-  (wegen  solcher 
bildungen  mit  hoch-  oder  mittelstufigem  bez.  schwachstufigem 
wurzellaut  vgl.  Kluges  Nom.  stammbild.  §  228.  229): 

aisl.  sneggr  'hurtig'  (zu  got.  snhcan)  aus  snau-ui-  für 
snou-ni-  —  as.  hriuui  maestus  Hei.  5612,  aisl.  hryggr  (woher 
hryggva  'betrübt  machen')  aus  hruu-ui-  für  krzu-ni-  —  ob  in 
dem  etymologisch  dunklen  aisl.  dyggr  'treu'  ygg  gleichfalls  auf 
uu-ui  oder  etwa  auf  ugi  zurückgeht,  ist  m.  e.  fraglich1); 

got.  glaggicö,  -aba  (auch  glaggwuba,  das  sich  als  neubildung 
dem  umgekehrt  neben  harduba  überlieferten  hardaba  vergleicht), 
ahd.  glouuer,  as.  glatt,  ags.  gleaw,  aisl.  gloggr  sollers,  sagax, 
prudens  etc.  aus  glau-uo-,  -ue-  für  ghlou-nö-,  -ne-  (vgl.  dazu  ags. 
glowan,  aisl.  glöa  'leuchten');  daneben  auch  mit  altem  -ni-  aisl. 
gloggr  —  ags.  hneaw  parcus,  woneben  aisl.  hneggr  'spärlich, 
sparsam'  —  aisl.  snoggr  und  sneggr  'geschoren,  kahl'  (von 
Xoreen  im  Abriss  s.  162  zu  lat.  novacula  gestellt)  —  got. 
{•)triggtcs,  -tca,  -tcai  etc.,  woneben  ags.  getriewe,  as.  triuui,  ahd. 
gitriuuui,  aofries.  triüwe,  awfries.  trouice,  mnl.  trüwe,  troiitce, 
aisl.  tryggr  (-ver),  aschw.  trygger. 

Durch  Substantivierung  aus  ad jecti vischen  -ni-  bez.  -no- 
bildungen  hervorgegangene  masc.  oder  ntr.  nomina: 

aisl.  hygg,  aschw.  biug(g)  'gerste'  eig.  'durch  ackerbau  zu 
erzeugendes  bez.  erzeugtes'  aus  buu-ui-  bez.  buu-ui-  für  blizu-ni- 
(hierzu  vgl.  ags.  bc'oic  'getreide',  as.  bcuuo  gen.  pl.  'erntefelder' 
Hei.  2595.  afries.  be  'ernte',  die  indessen  nicht,  wie  den  ags. 
as.  belegen  gemäss  erscheinen  könnte,  auf  ein  prototyp  mit 
-euu-  aus  -eu-n-  zurückgehen,  sondern  auf  einer  basis  mit  -e-u- 

')  Zusammenstellung  von  aisl.  styggr  'unwillig'  mit  lit.  stoveii  'stehen' 
etc.  (g.  Koreens  Abriss  s.  162)  verbieten  mostnfrk.  (Teuthon.)  stugge  ferox, 
saevus,  nl.  stug  'unfreundlich'  (mit  ti*  für  ü),  die  auf  entstehung  des  gg 
aus  n  hinweisen. 

Beitrage  nur  geschiente  der  deutschen  spräche.    XXX.  \7 


Digitized  by  Google 


246 


VAN  HELTEN 


beruhen:  erstere  grundform  hätte  afries.  beu(tv)  bez.  biü(w) 
ergeben,  nicht  be,  das  nach  Zur  lexicoL  des  altwestfries.  s.  4  f. 
und  nach  Aofries.  gr.  §  164  auf  alte  beues,  -e  zurückzuführen 
ist)  —  aisl.  glygg  1  wind'  mit  ygg  aus  uuui  oder  w<ji?  —  anorw. 
glyggr  und  aisl.  anorw.  gluggr,  aschw.  glugger  (vgl.  Noreens 
Aisl.  gr.  §  327.  Aschw.  gr.  342, 17)  'lichtöffnung'  (zu  gloa  etc.) 
eig.  1  leuchtendes'; 

as.  dou  (in  milidou),  ags.  deaw,  ahd.  tou  aus  dauuo-  bez. 
äuu-uo-  für  dhou-nö-  (zu  aind.  dhävati  'fliesst')  eig.  'flüssiges' 
—  aisl.  roggr  'haarbüschel'  (vgl.  aisl.  rya  'schafe  scheren', 
denoniin.  zu  *rti  'wolle')  eig.  'zottiges'  —  ahd.  sou,  ags.  seaw 
succus  (zu  aind.  savam  'saft')  eig.  'ausgepreistes'  —  ahd.  spriu 
' spreu'  (zu  mhd.  sprcewen  'stieben')  eig.  'zerstiebendes'  —  as. 
iou,  mengl.  touw  stuppa  (etym.  dunkel1))  —  ahd.  kathau  dis- 
ciplina,  ags.  Öeatv,  as.  (hau  ritus,  mos,  awfries.  aus  taulic  'her- 
kömmlich' zu  folgerndes  tau  (vgl.  die  mit  s  anlautende  sippe 
aksl.  staviti  'hemmen',  lit  stove'ti  'stehen',  ahd.  stüa  in  stüatago 
'letztes  gericht',  got.  staua  'urteil,  gericht'  und  s.  Beitr.  17, 565) 
eig.  'feststehendes'. 

Durch  Substantivierung  aus  adjectivischen  -wo  -  bildungen 
hervorgegangene  feminina: 

aisl.  dggg,  aschw.  dog  'tau'  (neben  oben  erwähnten  masc 
bez.  ntr.  dou  etc.)  —  aisl.  rggg  'ziegenhaar'  neben  oben  er- 
wähntem masc.  roggr). 

Substantivische  -na -bildungen:  ahd.  (h)reuua,  (h)ri(u)uua, 
ags.  hreow  moeror,  poenitentia  aus  hreu-uö  für  kreu-nö  (dazu 
als  denom.  as.  hreuuon  poenitentiam  agere,  ahd.  hriuuön,  -en\ 
wegen  der  zweierlei  verbalstämme  von  aus  fl-nomina  gebildeten 
denominativen  vgl  IF.  14,  86)  — -  mhd.  schoutve  'schau'  (dem 
DWb.  8,2291  zufolge  sollte  das  wort,  da  es  auf  das  deutsche 
gebiet  beschränkt  wäre,  vielleicht  aus  dem  verb  schouicen  = 
ahd.  scouuön,  as.  skauuon,  ags.  sceawian,  awfries.  scouwia  [vgl. 
Beitr.  19, 378]  gefolgert  sein,  nicht  die  basis  des  Zeitwortes 
repräsentieren;  da  jedoch  scouuön  etc.,  wenn  kein  denomina- 
tivum,  nur  -nö-bildung  sein  könnte,  die  verbalen  -«a-stämme 
aber  nach  Brugmanns  Grundr.  2, 973  keine  Wurzelsilbe  mit 

l)  Das  wort  ist  ans  formellen  gründen  zu  trennen  von  dem  zur  wurzei 
teuh  gehörenden  aisl.  taug  'seil'. 


GRAMMATISCHES. 


247 


hochstufigem  laut  aufweisen,  hat  unser  verb  als  denominativ 
und  mhd.  schouwe,  das  übrigens  dem  mnd.  und  mnl.  nicht 
fremd  war,  als  altes  -nä-derivatum  zu  gelten,  das  in  den  ahd. 
und  as.  quellen  zufälligerweise  nicht  belegt  ist,  in  den  ags. 
und  afries.  ebenfalls  durch  zufall  oder  in  folge  von  frühzeitigem 
Verlust  fehlt)  —  got.  triggwa,  ahd.  trcuua,  triuua,  as.  treu(uu)a, 
aofries.  tre(u)we,  triütve,  anorw.  tryggvar  (pl). 

Schwache  masculina  und  feminina,  die  in  den  mit  -nes, 
-Mi  etc.  gebildeten  flexionsformen  (vgl.  oben  LXIV,  4)  durch 
assimilierung  u-u  aus  u-n-'  erhielten:  got.  skuggwa  mit  altem 
-«M-M-  aus  -&u-n-  ')  —  aisl.  skugge-,  -i,  ahd.  scüwo,  ags.  scuwa 
umbra  (das  nomen  ist  seiner  bedeutung  wegen  von  got.  shuggwa 
zu  trennen  und  zur  sippe  aind.  shunöti  1  er  bedeckt',  oxvtog, 
lat.  scütum,  aisl.  skaunn  'schild,  bedeckung'  etc.  zu  stellen)  — 
aisl.  ugla  und  ahd.  üuuila,  üla,  ags.  üle  'eule',  diminutiv  zu 
*uggwö  bez.  *üwö  aus  9u-n-  (nicht  umgelauteter  wurzeivocal 
im  nord.  und  ags.  durch  anlehnung  an  das  simplex  oder  indem 
das  suffix  nicht  -i'Z-,  sondern  -ah  enthielt). 

3. 

Aus  vorgot.  ggj  (woraus  historisches  ddj),  an.  ggi  und  got. 
ggw,  an.  ggv,  wofür  Braune  (Beitr.  9, 545  f.)  den  lautwert  g*j 
(palatale  explosiva  -f  palat  spirans)  bez.  g7w  (velare  explosiva 
+  labio- velare  spirans)  nachgewiesen  hat,  ergibt  sich,  dass 
zwischen  diesen  affricatlauten  und  den  alten  ij,  u  u  als  mittel- 
stufe  eine  palatale  bez.  labio- velare  spirans  gestanden  hat: 
zwischen  der  für  halbvocal  (und  vocal)  |  (i)  bez.  u  (u)  er- 
forderlichen Wölbung  des  oberen  bez.  hinteren  (unteren)  zungen- 
rückens  und  der  für  g*j  bez.  g*w  erforderlichen,  bedeutend 
stärkeren,  also  durch  intensiv  gesteigerte  muskel- 
wirkung  erzeugten  Wölbung  der  einen  bez.  der  anderen 
zungenpartie  liegt  eine  durch  geringere  energiesteige- 
rung  hervorzurufende  Wölbung,  welche  die  ausspräche  von 
spirans  j  bez.  w  ermöglicht.   Diese  qualität  aber,  welche  dem- 

>)  Das  von  Noreen  in  seinem  Abriss  s.  162  neben  skuggtca  verzeichnete 
aisl.  skygna  'spähen'  ist,  wie  dessen  basis  skygn  'klarsehend',  aus  der  in 
rede  stehenden  formenkategorie  zn  streichen  nnd  vermutlich  zu  mhd.  gucken, 
gucken  aus  gukkian,  gukkön  mit  kk  aus  gn-  zu  stellen  (wegen  g  aus  gh  zu 
»*  ans  sgh  vgl  Siebs  in  Kuhns  Zs.37,319). 

17* 

Digitized  by  Google 


248 


VAN  HELtEN 


gemäss  als  die  desjenigen  lautes  (des  jj  bez.  wie)  anzusetzen 
ist,  der  zunächst  für  semivocalische  länge  eintrat  (daraus  durch 
fortgesetzte  energiesteigerung  die  affricatae),  ist  auch  für  das 
westgerm.  als  erste  entwickelungsstufe  zu  postulieren  auf  grund 
der  er  wägung:  dass  den  für  indog.  diphthong  eu  erscheinenden 
aofries.  in,  iö  und  as.  iu  eine  e  enthaltende,  durch  aofries. 
(rüstring.)  trc(u)we,  as.  ütbleuuan,  gibreuuan,  hre(u)uuan,  hre- 
uuon,  hreuuuog  (C  3094),  hreuuag  (C  4030),  treu(uu)a  belegte 
lautverbindung  gegenübersteht  (hriuonda  C  5947  ist,  wenn  die 
lesart  für  richtig  zu  gelten  hat,  als  denominativ  zu  hriuui  zu 
fassen;  dem  as.  hriuuig  liegt  ein  prototyp  mit  vor  -i-  der 
endung  aus  e  entstandenem  i  zu  gründe)  und  so  zu  der  folge- 
rung  nötigt,  dass  während  der  entstehung  von  iu  aus  altem  m 
die  auf  prototyp  euu  zurückgehende  lautverbindung  keinen 
diphthong  eu  enthielt.  Erst  durch  vocalisierende  ein  Wirkung 
von  e  auf  den  ersten  teil  von  wtv  (aus  mm)  entstand  ein  neues, 
in  den  oben  citierten  fonnen  vorliegendes  eu;  aus  solchem 
diphthong  aber  gieng  durch  fortgesetzte  entwickelung,  durch 
widerholte  einwirkung  von  u  auf  den  ersten  teil  des  diphthongs, 
das  iu  hervor,  das  sich  in  ahd.  bliuuan,  hriuuan,  hri(u)uua 
etc.  vorfindet  (woneben  nach  Braunes  Ahd.  gr.  §  30,  anm.  2  sehr 
seltenes,  in  (h)reuan  Is.  und  H,  treuua  Tat.  begegnendes  eu, 
das  wol  auf  in  einigen  mundarten  noch  nicht  zu  vollem  tu 
entwickelten,  als  eu  gesprochenen  laut  hinweist)  und  als  Vor- 
stufe zu  gelten  hat  von  aofries.  (nichtrüstring.)  triatee  *),  mnd. 
brüteen,  rüwen,  trüwe  (subst.). 

Also  ost-  und  nordgerm.  ü  zu  jj;,  woraus  glj,  uu  zu  wir, 
woraus  g7w; 

westgerm.  ü  zu  jj,  woraus  ij,  m#  zu  ww,  woraus  utc. 

LXVIII.  Zu  germ.  -ni-  (woraus  -nn^-)  aus  -n  -f- 1 
(oder  daraus  entstandenem  dental)  + 

Kluge  und  Brugmann  verzeichnen  im  Grundr.  f.  germ.  phil. 
I2, 379  bez.  im  Gi*undr.  d.  vgl.  gr.  1»,  707  eine  reihe  von  formen, 
deren  aus  -n  +  dentalem  verschlusslaut  (nach  Kluge  d)  +  i- 
entstandenes  -ni-  bez.  -nni-  auf  zur  zeit  der  synkope  des 
dentals  nach  langer  silbe  stehendes  antevocalisches  i  lün- 


')  Mithin  eintritt  der  accentverschiebung  nach  entstehung  dea  neuen  tu. 


Digitized  by  Google 


GRAMMATISCHES. 


249 


wiese.  Mit  dieser  annähme  stehen  zwei  tatsachen  im  wider- 
sprach: 1)  dass  die  Scheidung  zwTischen  -i-  nach  langer  und  -j- 
nach  kurzer  Stammsilbe  als  eine  noch  zur  zeit  der  secundären 
vocalapokope  im  wgerm.  vorhandene  erscheinung  feststeht  (vgl. 
Bei tr.  21, 437  f.);  2)  dass  die  dehnung  von  conson.  vor  -x-  eine 
ältere  lautentwickelung  ist  als  die  primäre  vocalapo-  und  -Syn- 
kope (vgl.  Beitr.28,530f.).  Nach  1.  könnte  -ndy  (oder  -ndj-) 
für  altes  -ndi-,  mithin  auch  -ni-  für  -ndi-  (oder  -ndj-)  erst  nach 
der  secundären  vocalapokope  eingetreten  sein;  nach  2.  aber 
war  -nni-  aus  -ni-  bereits  vor  der  primären  vocalapokope 
vorhanden.  Ein  Schwund,  wie  der  von  Kluge  und  Brugmann 
postulierte,  wräre  also  nur  nach  ursprünglich  kurzer 
silbe  möglich.  Er  lässt  sich  anstandslos  plausibel  machen: 
für  mit  aind.  satyas  'wirklich'  (vgl.  Kuhns  Zs.  24,  345)  zu 
identificierendes  got.  sunjis  und  dazu  gehöriges  sunja,  aus 
sm//o-,  -ie-  bez.  -iö-  oder  -ie-,  denen  i  als  nach  kurzer  silbe 
stehender  laut  von  rechtswregen  zukam,  sowie  für  aus  sntip- 
oder  -iß-  stammendes  ags.  synn  (vgl.  azn  'schuld')  (woneben 
ahd.  sunta,  as.  sttndia,  aisl.  synd  mit  eig.  nur  dem  auf  altes 
mti  zurückgehenden  nom.  sg.  sund  bez.  stmdi  etc.  zukommender 
dentaler  mute). 

Es  ist  demnach  die  synkope  in  eine  periode  zu  verlegen, 
worin  altes,  nach  aus  n  entwickeltem  im  stehendes  noch 
nicht  nach  dem  muster  der  formen  mit  ursprünglich  langer 
Stammsilbe  silbisch  geworden  wrar  (ob  der  dental  als  t  oder 
als  eine  dessen  fortsetzungen  verklang,  möchte  ich  einstweilen 
unentschieden  lassen). 

Für  die  von  den  beiden  forschem  neben  sunjis,  -ja,  synn 
ins  feld  geführten  formen  mit  -nn(x)-  ist  aber  wegen  der  den- 
selben zu  gründe  liegenden  prototypen  mit  von  haus  aus  langer 
Stammsilbe  eine  andere  deutung  besagter  consonanz  geltend 
zu  machen. 

Ahd.  wrendo  und  ags.  wrenna  1  Zaunkönig'  repräsentieren 
beide  substantivierte  adjectivbildungen  mit  stamm  wrandi- 
oder  -iö-  bez.  wranni-  (aus  wrandni-  oder  wrandni-  etc.)  eig. 
'ungestümer'  (vgl.  aksl.  vrqtü  ferox  und  beachte  den  eigen- 
artigen, huschenden  gang  des  vogels,  der,  wie  sich  Brehm, 
Vögel  2, 178  ausdrückt,  'überaus  schnell  über  den  boden  dahin- 


250 


VAN  HELTEN 


hüpft,  so  dass  man  eher  eine  maus  als  einen  vogel  laufen  zu 
sehen  glaubt'). 

As.  henginnia  'das  hängen'  (nach  Kluge  aus  kankentt,  doch 
sind  m.  w.  keine  participialformen  mit  altem  -ent-  für  das  germ. 
belegt)  vergleicht  sich  den  durch  -nl,  -n{ö-  oder  -nie-  zu  einem 
adjectiv  gebildeten  abstracta  as.  tcöstunnia  (zu  teöstu-,  vgl 
as.  tcösti,  ahd.  wuosti,  ags.  tceste  und  aofries.  tcöst)  bez.  -innig, 
ahd.  tcuostinna  (anlehnung  an  tcösti  etc.)  ' wüste'  (eig.  'das 
wüst  sein'),  as.  fastunnia  'fasten'  (zu  fastu-,  vgl.  ahd.  festi  und 
ags.  fast,  as.  fast)  und  berechtigt  zu  der  Vermutung  eines  ver- 
loren gegangenen  adjectivs  mit  -t-  hangt-  'hängend'. 

Für  ahd.  hcfihanna  obstetrix  Ahd.gll.  1,285,49  mit  teran- 
nun  (pl.)  gll.  2,  728, 13,  von  Kluge  auf  kapyontyä  zurückgeführt 
von  Brugmann  =  got.  liafiandci  gestellt  (die  wgerm.  form 
müsste  so  ff  statt  f  v  aufweisen),  liegt  es  nahe,  an  composition 
zu  denken  aus  einem  auf  verbalabstractum  hafini  hervor- 
gegangenen hefi  und  einem  'alte  frau'  bezeichnenden,  zu  ahd. 
ana  'grossmutter',  ano  'grossvater',  lat.  antis  zu  stellenden, 
schwachen  femininum  mit  aus  alten  flexionsformen  auf  -nes, 
-ni  etc.  (vgl.  oben  LXIV,  4)  herrührendem  nn  (beachte  auch 
ahd.  Anno). 

Ahd.  lungun(na),  aofries.  lungene,  ags.  langen  fem.,  von 
Kluge  zu  as.  lungundian  pulmone  gehalten  (Wadstein  113, 17 
liest  lungandian),  lässt  sich,  wie  ahd.  lungin{n)a  als  -nh, 
-niö-  oder  -n^-stamm  den  oben  erwähnten  tcöstunnia  etc.  zur 
seite  stellen:  basis  ein  den  aind.  laghus,  lit  lengvas  'leicht', 
Uaxvg  'schnell'  entsprechendes,  altes  langu-  (verwante  bü- 
dungen  sind  ags.  lungrc  cito,  ahd.  as.  lungar  strenuus);  bedeu- 
tung  aus  'leicht,  beweglich  sein'  durch  Übertragung  entstan- 
denes 'leichtes,  bewegliches'  [wegen  in  semantischer  hinsieht 
zu  vergleichender  bezeichnungen  für  'pulmo'  vgl.  Kluge,  Et, 
wb.  zu  lunge;  ags.  langen  hat  den  wurzelsilbenvocal  des  alten 
nom.  sg.  langun  (durch  primäre,  vor  der  umlautswirkung 
erfolgte  apokope  von  -/  aus  -i,  vgl.  Beitr.  28, 502.  522.  523), 
den  endungsvocal  der  flectierten  casus  mit  -enn(t)-  aus  -unni-; 
andere  zu  langa-  stehenden  derivata  sind  ahd.  lunga,  mhd. 
lunge  fem.,  aisl.  lunga  ntr.,  beides  mit  Verlust  von  -a-  vor  den 
fl-haltigen  endungen;  Schweiz,  lunkd,  s.  Winteler  s.  61.  Bach- 
maun  s.  25,  mit  durch  -u-  hervorgerufener  dehnung  gg,  woraus 


GRAMMATISCHES. 


251 


kk;  neben  lungene  begegnendes  aofries.  lungernsiama  'fistel- 
erguss  aus  der  lunge'  verdankt  sein  r  wol  der  anlehnung  an 
ein  dem  abd.  lungar  etc.  entsprechendes  *lunger  'rasch';  in 
dem  oben  citierten  lungandian  vermute  icli  durch  voran- 
stehendes -an-  veranlassten  Schreibfehler  für  lungandi  dat.  sg. 
fem.  eines  compositums  aus  lunga  und  and  (=  aisl.  -i-stamm 
pnd  'atem',  aofries.  and-  in  andern  'fenster',  nacli  Beitr.  14,232 
eig.  'türchen  zum  atmen')  =  'das  atmen  der  lunge',  woraus 
durch  Übertragung  'das  atmende']. 

Neben  mhd.  eint,  mnd.  Und  'zacke,  zinke',  aisl.  tindr  'zahn 
am  rade'  begegnendes,  von  Kluge  und  Brugmann  auf  tendi- 
oder  tindi-  zurückgeführtes  ahd.  zinna  (pl.  -«»),  mnd.  mnl. 
tinne  pinna  begreift  sich  als  schwaches  femininum,  dessen  con- 
sonanz  aus  den  alten  flexionsbildungen  mit  -nes,  ~ni  etc.  her- 
vorgegangen war  (-mm-  aus  -n  -f  dental  -f  m-). 

Für  das  von  Kluge  zu  ags.  diminutiv  trendil  masc.  Orbis, 
mnd.  trendel  1  Scheibe,  runder  kuchen'  (aus  trandil1))  gestellte 
ahd.  (rennila  turbo  ('kreisel  oder  Wirbelwind'?)  ist  an  dimi- 
nutivbildung  zu  denken  aus  fem.  mit  -ni-  abgeleitetem  nomen 
=  'drehendes'  (eig.  'drehung'). 

Von  Brugmann  zu  ags.  bend,  got,  band*  fem.  gehaltenes, 
gleichbedeutendes  ags.  benn  (belegt  durch  benne  nom.  acc  pl., 
-mim  dat.  pl.,  vgl.  Bosw.-Toller  i.  v.  benn)  ist,  wie  tranni-,  auf 
-wt-stamm  zurückzuführen. 

Ahd.  minna,  as.  minnea,  -ia  'erinnerung,  liebe'  verbindet 
Brugmann  direct  mit  got.  ntr.  gaminju-,  doch  dürfte  aisl.  miniar 
'gaben  zum  andenken'  wol  eher  zu  der  annähme  eines  der 
ahd.  as.  bildung  zu  gründe  liegendem  Stammes  mnjfi-  oder  -jß- 
fuhren. 


')  Vgl.  hierzu  in  mnd.  um  ...  freut,  umme  (den)  trent  'ringsum  in, 
so  um  herum,  ungefähr*,  mnl.  gleichbedeutendem  om(me)  trent,  tränt  er- 
haltene« trand  bez.  trend  'kreis',  maj*e.  -/-stamm  (mit  aus  dem  pl.  her- 
rührendem e,  wie  in  mnd.  mnl.  neben  sträng  erscheinendes  streng)  und  zu 
trand»-  im  ablautsverhältnis  stehende  mnd.  trint,  front,  truiul  'rund',  aofries. 
trind  umbe,  trund  um  'um  ...  herum'. 

GRONINGEN.  W.  VAN  HELTEN. 


Digitizecf^y  Google 


BEMERKUNGEN 
ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 

Obwol  ich  aus  erwägungen  persönlicher  art  auf  eine  von 
mir  selbst  zu  besorgende  dritte  ausgäbe  meines  gotischen 
etymologischen  Wörterbuches  verzichten  muss,  will  ich  doch 
nicht  unterlassen,  den  neuesten  etymologischen  versuchen 
gegenüber  Stellung  zu  nehmen  und  meine  gegenbemerkungen 
zu  veröffentlichen.  Seit  dem  erscheinen  meines  durch  Th.  von 
Grienbergers  Untersuchungen  zur  got.  wortkunde  (Wien  1900) 
veranlassten  aufsatzes  (Bei tr.  27, 113  ff.)  ist  neben  vereinzelten 
schlagenden  etymologien  manche  neue  Vermutung  geäussert 
worden,  deren  Widerlegung  mir  geboten  erscheint.  Auch 
zweifle  ich  jetzt  an  manchem,  was  ich  früher  geglaubt  habe. 
Die  zahl  der  möglichkeiten  ist  ja  unerschöpflich,  zumal  wenn 
wir  vor  keiner  Wurzelzerstückelung  und  vor  keiner  sema- 
siologischen  Willkür  zurückschrecken.  Die  wurzeldeterminativ- 
theorie  enthält  zwar  gewis  einen  richtigen  kern,  ist  aber  für 
die  etymologische  Wissenschaft  nur  verhängnisvoll  gewesen, 
indem  sie  die  aufmerksamkeit  von  wirklichen  entsprechungen 
gut  beglaubigter  Wörter  auf  täuschende  ähnlichkeiten  hypo- 
thetischer abstractionen  hinlenkte.  Auch  das  bewegliche  f 
hat  schon  unfug  verursacht  und  bedroht  die  solide  forschung 
mit  neuen  gefahren.  Und  die  bedeutungslehre  sucht  zwar 
richtig  die  semasiologischen  möglichkeiten  durch  die  beobach- 
tung  lebender  sprachen  kennen  zu  lernen,  vergisst  aber  gar 
zu  oft,  dass  sich  mit  parallelen  eben  nur  möglichkeiten  er- 
weisen lassen  und  dass  viele  wege  nach  Rom  führen.1) 


')  Im  folgenden  ist  die  seit  1.  juni  1904  erschienene  literatur  nur  gaux 
ausnahmsweise  berücksichtigt. 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


253 


1.  abrs.  Trifft  Lidens  erklärung  (Stud.  zur  aind.  und  vergl. 
sprachgesch.  s.  74  ff.)  das  richtige,  so  ist  Grundtvigs  conjectur 
zu  Hymiskviöa  12, 4  (afr  . . .  dss)  kaum  haltbar,  denn  abrs  ist 
dann  nicht  4 stark'  im  eigentlichen  sinne,  sondern  vielmehr 
hochgradig,  ungemein,  heftig'  (das  mit  got.  dbraba  so  ziem- 
lich gleichbedeutende  an.  afarliga,  das  Lid6n  nicht  belegen 
konnte,  steht  Ivensssaga  ed.  Kolbing  s.  87).  Es  bleibt  aber 
die  möglichkeit,  dass  'schrecklich'  die  grundbedeutung  von 
abrs  sei  und  dass  wir  mit  Stokes  (Urkelt.  Sprachschatz  s.  50) 
an  kelt  *obno-  'furcht'  anzuknüpfen  haben.  Wertlos  ist  der 
vergleich  von  thrac.  aßpo-  (Kretschmer,  Einl.  in  die  geschiente 
der  griech.  spräche  s.  249,  fussnote).  Auch  Johanssons  com- 
binationen  (IF.  3, 239  ff.)  sind  aufzugeben. 

2.  afaikan.  Für  die  neueste  auffassung  von  aikan  als 
*aikkanan  aus  *ai$nanan  (Hoffmann,  FEPA2,  abh.  für  August 
FSek  s.  39)  ist  die  reduplicierende  flexion  des  verbums  jeden- 
falls nicht  günstig.  Auch  halte  ich  es  nicht  für  sicher,  dass 
das  siraplex  aikan  von  haus  aus  die  bedeutung  'zueignen'  hatte, 
denn  es  ist  sehr  wol  möglich,  dass  diese  ursprünglich  nur  auf 
die  composita  mit  in-  und  ga-  beschränkt  war,  und  dass  erst 
aus  den  Zusammensetzungen  ein  einfaches  eihhan,  eihhön  'zu- 
sagen' abstrahiert  wurde.  Damm  behalten  wir  das  rechte  bei 
einem  erklärungsversuche  von  aikan  von  der  bedeutung  'sagen' 
auszugehen,  womit  aber  nicht  gesagt  sein  soll,  dass  ich  die 
früher  von  mir  vorgetragene  auffassung  (aikan  eig.  'äussern' 
zuaksl.  iza  Beitr.  27, 114)  für  mehr  als  eine  Vermutung  gelten 
lassen  möchte. 

3.  afar.  Die  stelle  Luc.  1, 5  (us  afar  Abijins)  macht  einige 
Schwierigkeit.  Grienbergers  gedanke  an  eine  kürzung  aus 
(ifarleibandam  befriedigt  nicht.  Es  sei  daran  erinnert,  dass 
Peters  (Gotische  conjecturen,  Leitmeritz  1879,  s.  3  f.)  afar  an- 
sprechend in  afaram  (dat.  plur.  zu  *afara  'nachkomme')  ge- 
ändert hat. 

i.afgups.  Germanische  analoga  erwähnt  Tamm,  Et.  svensk 
ordbok  s.  17.  Mit  bildungen  wie  *afgrundus,  afgups  vergleiche 
man  ähnliche  im  aind.,  wo  das  vorgesetzte  apa-  ebenfalls  pri- 
vative kraft  hat,  z.b.  apakalmasha-  'frei  von  Sünde',  apatushära- 
•frei  von  nebel',  dpatüla-  'ohne  wedel',  dpanäbhi-  'ohne  nabel', 
äpabarhish-  'ohne  barhish-abschnitt',  apabhaya-,  apabhi- ' furch t- 


Digitized  by  Google 


254 


THLENBECK 


los',  apamUrdhan-,  dpapras-,  apaflrsha-,  dpa&rshan-  'kopflos'. 
apa^astra-  'waffenlos',  apagüla-  'ohne  spiess',  apa^oka-  'kumraer- 
los\  Zu  afliaims  'von  der  heimat  entfernt',  wo  die  eigentliche 
bedeutung  von  af  noch  klar  hervortritt^  lassen  sich  z.  b.  aini 
apapätra-  'von  dem  die  geschirre  fern  gehalten  werden',  dpa- 
vrata-  'vom  rrato-  abgeneigt,  ungehorsam'  als  parallelen  an- 
führen. An  hd.  abgott,  abtceg  erinnern  aind.  apamürga-  'Seiten- 
weg', apamftyu-  'plötzlicher,  unnatürlicher  tod',  apaya^as-  'nn- 
ehre,  schände',  apa^abda-  'üble  nachrede,  verdorbene  wortform, 
ungrammatische  spräche'. 

5.  aflcipan.  Zu  germ.  *lipanan  'gehen'  stellt  Schräder 
(Reallex.  s.  928)  lat.  libra  'wage,  pfund'  aus  *liprä  (woraus  siciL 
XiTQct),  indem  er  von  einer  wz.  *leith-  ausgeht  und  sich  auf 
die  bedeutungsentwickelung  von  ahd.  icäga,  ags.  tc<k$,  an.  tag 
zu  got.  gaxvigan  als  parallele  beruft.  Aber  Ubra  lässt  sich 
nicht  auf  eine  indog.  grundform  mit  th  zurückfuhren,  denn 
unter  allen  umständen  scheinen  th  und  t  in  lat  t  zusammen- 
gefallen zu  sein  (vgl.  Meillet,  MSL.  10,  276  und  Verf.,  IF.  13, 
213  ff.),  weshalb  von  verwantschaft  mit  *li])anan  [dazu  jetzt  Bar- 
tholomae,  Zs.  f.  d.  wortf.  6, 231]  nicht  die  rede  sein  kann. 

6.  afmauips.  Mit  ahd.  muo(j)an,  muodi.  lat.  möles,  gr. 
ftmZoq  u.s.w.  beruht  afmauips  auf  einer  langdiphthongischen 
wurzel  *möu-,  *w*m-,  *mü-,  woneben  aber  schon  in  der  Ursprache 
durch  entgleisung  ein  secundärer  ablaut  *mö-,  *mo-,  *m*-  auf- 
gekommen war  (vgl.  zu  solchen  erscheinungen  Reichelt,  KL 
39, 1  ff.).  Anders  wird  das  Verhältnis  zwischen  *möu-  und  *mö- 
von  Persson  beurteilt  (Wurzelerw.  s.  147.  üppsalastudier  s.l80ff.). 
während  Prellwitz  (BB.  20, 309  ff.)  nur  den  monophthongischen 
ablaut  *mö-,  berücksichtigt.  Mit  Bugge  (Beitr.  13, 316 1) 
und  Hirt  (Beitr.  22, 229.  Ablaut  s.  95)  die  germ.  sippe  zu  gr. 
xd(4va),  aind.  catw(/)-  zu  stellen,  ist  nicht  empfehlenswert,  weil 
dann  der  ablaut  afmauips  :  ahd.  muodi  unerklärt  bliebe  und 
dazu  noch  der  offenbare  Zusammenhang  mit  f/öjXoc  und  mötes 
zerrissen  würde.  Auch  Perssons  anknüpfung  von  *mö(«)-  an 
aind.  dmiti,  dmiva,  amind-  (Wurzelerw.  s.  147,  fussnote  2.  Üpp- 
salastudier s.  186)  ist  wegen  des  auf  eine  aj- wurzel  hinweisen- 
den i  und  der  abweichenden  bedeutung  von  amf-  nicht  ohne 
bedenken.  Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  lat  moveo,  das 
Grienberger  s.  8  heranzieht,  weder  formell  noch  semasiologisch 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


255 


recht  zur  wz.  *möu-  passen  will  (vgl.  mein  Etym.  wb.  der  aind. 
spräche  s.  225.  Hirt,  Ablaut  s.  105.  151). 

7.  afslaupjan.  Grienberger  s.  9  betrachtet  afslaupjan 
und  afslaupnan  als  denominativa  von  einem  abstractum  *sla- 
icipa  oder  *$laupa  zu  einem  adjectiv  *slawa-  'erschlafft,  kraftlos'. 
Beachten  wir  aber  die  bildungsweise  der  verba  auf  -jan  und 
nan,  so  werden  wir  eher  geneigt  sein  mit  Diefenbach  (Vergl. 
wb.  2, 265  f.)  und  Johansson  (Beitr.  14, 322  f.)  von  einem  ver- 
lorenen starken  verbum  *sliupan  oder  aber  von  einem  adjectiv 
*$1aupa-  auszugehen.  Dazu  kommt  noch,  dass  ein  *slatcipa 
nicht,  wie  es  Grienberger  für  möglich  hält,  im  abgeleiteten 
verbum  sein  i  eingebüsst  hätte,  und  dass  wir  uns  andererseits 
zu  einem  adjectiv  *slatca-  kein  abstractum  *slaupa  denken 
können.  Wenn  Grienberger  sich  auf  junda  (=  lat.  juventa) 
beruft,  so  vergisst  er,  dass  dieses  von  einem  consonantstamme 
(aind.  yüvan-)  abgeleitet  ist,  während  *slaupa  zu  einem  indog. 
o-stamme  gebildet  wäre.  Leider  kennen  wir  die  eigentliche 
bedeutung  von  slaupjan  nicht,  weshalb  wir  besser  tun,  von 
etymologischen  Vermutungen  abzusehen. 

8.  afswaggwjan.  Vielleicht  ist  das  ganze  wort,  das  nur 
2.  Cor.  1, 8  cod.  A  belegt  ist  (swaswe  afswaggwidai  weseima  jal 
Uban),  aus  dem  got.  vocabular  zu  streichen.  Ansprechend 
vermutet  Cromhout  (Leidener  doctoralthese  15.  oct.  1900)  ein 
durch  nach  Wirkung  von  stvaswe  verschriebenes  af(sw)aggwidai. 
Zu  *afaggwtdai  vgl.  gaaggwidai  (2.  Cor.  4, 8).  Ohne  afswagg- 
irjan  aber  können  wir  die  ursprüngliche  qualität  des  gutturals 
von  ahd.  swingan  nicht  genau  bestimmen. 

9.  agls.  Mit  recht  vergleicht  Stokes  (Urkelt.  Sprachschatz 
R.  8)  agls  ' schimpflich',  wovon  aglus  'beschwerlich',  usagljan 
belästigen',  aglaitei,  aglaiti  'unkeuschheit',  aglait  - gastalds 
'schändlichen  gewinn  erstrebend'  nicht  zu  trennen  sind,  mit 
ir.  dil  'schände'  und  aind.  aghd-  'böse'  (anders  über  aghd- 
Sütterlin,  IF.  4, 92  f.,  dessen  etymologie  ich  nicht  in  mein  Etym. 
wb.  der  aind.  spräche  s.  3  hätte  aufnehmen  sollen).  Bis  soweit 
kann  ich  mich  mit  Wiedemann  (BB.  28, 50  f.)  vereinigen,  der 
auch  in  seiner  auffassung  von  *aglaita-  Bugge  (Beitr.  24,  438) 
und  Grienberger  s.  10  f.  gegenüber  recht  haben  wird  (vgl.  auch 
Johansson,  Nord,  studier,  Uppsala  1904,  s.477).  Wie  aber  kommt 
er  dazu  von  einer  wurzel  mit  der  bedeutung  'sich  heftig  be- 


25r, 


l'HLENHECK 


wegen'  oder  ' wallen'  auszugehen?     Haben  wir  denn  der 
wallungswurzeln  nicht  schon  mehr  als  genug?   Auch  wenn 
Wiederaann  gr.  a\Xvq  'finsternis,  nebel'  in  die  sippe  von  agh 
hineinziehen  will,  entgeht  mir  der  gesichtspunkt,  von  welchem 
aus  diese  combination  als  möglich  erscheinen  könnte.  Vollends 
unglaublich  ist  auch  seine  Vermutung,  dass  in  serb.  slov.  ochol 
'hoffärtig,  hochmütig'  eine  Wurzelerweiterung  mit  indog.  s  vor- 
läge ('slav.  ocJi-  =  indog.  *«&$-'),  denn  russ.  cholja,  cholitl  (Mi- 
klosich  s.  88)  lassen  doch  keinen  zweifei  darüber,  dass  o-  in 
ochol  die  bekannte  präposition  ist  (vgl.  auch  das  von  Koz- 
lovskij,  Aren,  f.  sL  phiL  11, 383  fL  herangezogene  russ.  nachal). 
Kehren  wir  aber  zu  agls  zurück.   Früher  meinte  ich,  dass 
agls  u.  s.  w.  mit  agis  verwant  sein  könnten,  indem  ich  zugleich 
Zusammenhang  von  agis  mit  aggteus  für  möglich  hielt.  Wenn 
aber  aghä-,  wie  ich  jetzt  glaube,  mit  agls  zu  verbinden  ist 
dann  haben  wir  bei  dieser  sippe  —  im  gegensatz  zu  indog. 
*aügh-l  —  von  velarem  gh  auszugehen  und  ist  verwantschaft 
mit  aggteus  ausgeschlossen.    Die  grundbedeutung  von  agls, 
aglus  u.s.w.  scheint  4  böse'  zu  sein,  aus  welchem  gründe  ich 
auch  die  combination  mit  dem  wegen  der  nasallosigkeit  eben- 
falls von  aggwus  zu  trennenden  agis  aufgeben  muss. 

10.  ahaks.  Dass  in  aJiaks  ein  farbenname  steckt,  ist  auf 
grund  zahlreicher  parallelen  recht  wahrscheinlich  (vgl.  Schräder. 
Reallex.  s.  852  ff.).  Nur  ist  lat.  aquilus,  das  Grienberger  s.  11 
vergleicht,  wegen  des  qu  wol  besser  ferne  zu  halten.  Bedenken 
wir  aber,  dass  lit.  baländis  'wilde  taube'  ursprünglich  ' weiss' 
bedeutet  haben  wird  (Persson,  De  origine  ac  vi  primigenia 
gerundii  et  gerundivi  latini  s.  33),  dann  dürfte  es  nahe  liegen, 
ahaks  mit  gr.  cdxQo<;  'blassgelb,  blass'  zu  verbinden.  Was  den 
consonantismus  betrifft,  verhielte  ahaks  sich  zu  coxqoq  wie 
ahana  zu  axvtj.  In  andern  Worten:  wir  hätten  von  indog.  kh 
auszugehen. 

11.  aha.  Apr.  ape,  lit.  hpe  'fluss',  wozu  apr.  aptis  'brunnen' 
ein  deminutivum  ist  (vgl.  Mt.  upuie),  gehört  zu  a,md..äpas  'wasser', 
nicht  —  wie  Grienberger  s.  12  meint  —  zu  aha,  lat.  aqua.  In 
den  satom-  sprachen  ist  aha  noch  nicht  widergefunden,  denn 
aind.  kd-  'wasser'  lässt  sich  zu  etymologischen  zwecken  nicht 
verwerten  und  aevä-  in  devävant-  und  dergl.  heisst  nicht  'wasser', 
sondern  'ross'.   Dass  man  darauf  verfallen  konnte,  aevävatim 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


257 


Rv.  10,97, 7  als  'wässerig'  aufzufassen,  ist  wunderlich  genug, 
denn  v.  4  hätte  uns  eines  bessern  belehren  sollen:  oshadhtr  tti 
mätaras,  tdd  vo  devir  upa  bruve,  saneyam  dgvam  gäm  väsa 
ätmänam  tdva  piirusha.  Vgl.  Johansson,  IF.  2,  20  f.  Zupitza, 
Germ.  gutt.  s.  60.  Verf.,  Et  wb.  der  got.  spräche2  s.  5. 

12.  aibr.  Das  wort  ist  zu  sehr  der  verschreibung  ver- 
dächtig, als  dass  wir  uns  eigentlich  viel  den  köpf  darüber 
zerbrechen  sollten.  Wenn  aibr  richtig  überliefert  ist,  so  kann 
es  doch  nicht  mit  Grienberger  s.  12  f.  aus  *aiwbra-  'das  gesetz- 
mäßig dargebrachte'  erklärt  werden  (den  gedanken,  dass  aibr 
eine  verdunkelte  Zusammensetzung  mit  dem  stamme  von  bairan 
wäre,  finden  wir  übrigens  schon  bei  Diefenbach,  VergL  wb.  1, 11). 
Nicht  weniger  verfehlt  ist  die,  ich  weiss  nicht  von  wem,  her- 
rührende Vermutung,  dass  aibr  eigentlich  'schweineopfer'  be- 
deutet hätte  und  mit  hd.  eber  verwant  wäre! 

13.  aigan.  Mit  unrecht  will  Bugge  (Beitr.  24, 449  f.)  aigan 
von  aind.  tf-  trennen  (vgl.  Wiedemann,  BB.  28,  55  ff.).  Vom 
arischen  abgesehen  ist  aigan  ausserhalb  des  germ.  nicht  wider- 
gefunden, denn  das  osk.  wort,  das  Schräder  (Reallex.  s.  172) 
heranzieht,  ist  aus  mehr  als  einem  gründe  ferne  zu  halten. 

14.  aihtrön.  Weder  Johansson  (Beitr.  15, 223)  noch  Grien- 
berger s.  13  vermögen  uns  ganz  zu  überzeugen.  Wäre  aihtrön 
ein  desiderativum  zu  aigan,  so  würde  es  kaum  ohne  object 
gebraucht  werden  können,  und  Grienbergers  etymologie  ( :  gr. 
oixxgog)  würde  uns  besser  befriedigen,  wenn  aihtrön  nicht 
betteln',  sondern  'bemitleiden'  oder  'mitleid  erregen'  bedeutete. 
Ist  aihtrön  etwa  von  einem  zu  aind.  ihate  'erstrebt,  begehrt' 
gehörigen  nominalstamm  abgeleitet?  Bei  Bartholomaes  auf- 
fassung  von  ih-  (1F.  5, 215  ff.)  wäre  dies  freilich  unmöglich. 
Wenn  aihtrön  aber  wirklich  mit  xhatt  zusammengehört,  so  wird 
das  ai  wol  als  ai  =  indog.  i  zu  betrachten  sein  (germ.  *ixtro- 
aos  indog.  *igh-tro-  mit  derselben  vocalstufe  wie  avest.  izyciti). 

15.  ainakls.  Grienberger  s.  14  denkt  an  eine  Zusammen- 
setzung von  ain-  und  -akls,  das  dann  zu  an.  aka  gehören  sollte. 
Diese  auffassung  ist  mir  nicht  wahrscheinlich,  denn  aka  be- 
deutet nicht  'gehen'  oder  'fahren'  im  allgemeinen,  sondern  'mit 
einem  fuhrwerk  fahren'.  Darum  ist  ahd.  einfara  'solivaga' 
keine  schlagende  parallele. 

16.  ainlif.  Grienberger  s.  14  identifiziert  got.  -lif  mit  lit 


Digitized  by  Google 


258 


ÜHLENBECK 


-lifo.  Ist  das  /  in  ttcalif  wie  in  wulfs  durch  den  einfluss  des 
vorhergehenden  w  zu  erklären  und  ist  der  labial  in  ainlif  erst 
durch  angleichung  an  ttcalif  zu  stände  gekommen? 

17.  airus.  Das  Verhältnis  von  airus  zu  arundi  bleibt 
auch  nach  Bugges  ausführungen  (Beitr.  24, 430  ff.)  dunkel. 
Dennoch  scheint  es  mir  voreilig,  mit  Wood  (s.  IF.  Anz.  11,205). 
Grienberger  8. 15  und  Wiedemann  (BB.  28, 46)  von  zwei  ganz 
verschiedenen  wurzeln  auszugehen.  Können  wir  nicht  indog. 
e\i) :  ?i  zu  gründe  legen?  Wenn  uns  auch  dieser  ausweg  ver- 
sagt —  im  allgemeinen  war  ja  schon  frühe  zu  i  contrabiert 
worden!  —  so  möchte  ich  noch  eher  an  irgend  eine  Wort- 
mischung denken,  als  die  Wörter  ganz  von  einander  trennen. 

18.  a  ips.  Keine  der  mir  bekannten  etymologien  dieses  gera.- 
keltischen  Wortes  ist  einwandfrei.  Gegen  Osthoffs  Vermutung, 
dass  ai])s  mit  gr.  alvog  zu  verbinden  sei  (BB.  24, 199  ff.),  spricht 
der  vocalismus  von  ir.  öeth,  während  die  von  Tamm  (Et.  svensk 
ordbok  s.  119)  angenommene  grundbedeutung  'gang'  (zur  wz. 
*ej-)  für  ein  so  charakteristisches  wort  zu  farblos  ist  Auch 
Grienbergers  gleichsetzung  von  aips  mit  gr.  okoq  (s.  16)  be- 
friedigt nicht,  denn  weder  von  'los,  Schicksal',  noch  von  Un- 
glück, Untergang,  tod'  lässt  sich  leicht  zur  bedeutung  'eid' 
eine  brücke  schlagen.  Wiedemann  (BB.  27, 212)  meint,  dass 
aips  mit  ahd.  ewa  und  eidum  auf  dem  begriffe  des  festmachen? 
oder  bindens  beruht,  ohne  dieses  aber  durch  den  nachweis 
einer  passenden  wurzel  erhärten  zu  können.  So  bleibt  denn 
die  erklärung  des  wortes  noch  zu  finden. 

19.  aiwiski.  Nach  Flensburg  (Stud.  auf  dem  gebiete  der 
indog.  wurzelbildung  1, 52  ff.)  wäre  aiwisks  von  einem  s-stamme 
mit  -fco-suffix  abgeleitet  und  mit  gr.  alävrjq,  aiävoq  'schmerz- 
lich, traurig',  denen  er  ebenfalls  einen  s-stamm  (*«//ac-)  zu 
gründe  legt,  nahe  verwant.  Diese  auffassung  scheitert  aber 
uu  dem  umstand,  dass  aiwisks,  ags.  eewise,  wie  Grienberger 
*.  1 7  und  Wood  (Mod.  lang,  notes  16,  309)  mit  recht  hervor- 
kwtwii,  zunächst  auf  *aiwjan,  ags.  äwan  'verachten'  beruht 
\\  u  haben  es  in  aiwisks  also  mit  dem  gewöhnlichen  adjectiv- 
>,um\  iaÄu-  zu  tun  [vgl.  jetzt  Schröder,  Beitr.  29, 557]. 

•JO.  aisasmipa.  Zu  der  in  -smipa  u.s.w.  enthaltenen 
wui'Ad  aUvllt  Wood  (Am.  journ.  of  phil.  21, 181)  noch  lit.  smailits, 
dv^on  tafoutungen  er  aber  nicht  gerecht  wird.   Bei  Kurschat 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


259 


finden  wir:  smailüs  'spitz,  naschhaft,  geil'  (also  nicht  'sharp, 
keen,  bold,  greedy'),  smilineti  'fortgesetzt  etwas  naschen, 
leckern',  smtlius  'näscher,  Zeigefinger',  smtle  'näscherin*.  Die 
verba  smaTlinti  und  smailduti  sind  denominativ.  Die  grund- 
bedentnng  von  smailüs  ist  wol  4 fein,  dünn'  oder  ähnliches. 

21.  akrs.  Wie  man  aus  IF.  Anz.  13. 10  ersehen  kann,  hat 
auch  das  aind.  die  bedeutung  'weide'  im  gegensatz  zu  Acker- 
land' nicht  erhalten.  Vielmehr  werden  die  djräh  den  bergen 
gegenübergestellt  (vgl.  die  stellen  bei  Grassmann  und  im  Petersb. 
wb.).  Das  wort  djra-  bedeutet  'fläche,  ebene',  und  Rv.  4, 1, 17 
(d  stmjo  hrhatds  tishthad  djrän)  ist  von  den  hohen  (oder  grossen) 
flächen  des  himmels  die  rede.  Wenn  indog.  *agrö-  jemals  die 
bedeutung  'triff  gehabt  hat  so  lässt  sich  dies  aus  dem  über- 
lieferten Sprachmaterial  nicht  mehr  erweisen.  Ich  kann  Hirt 
in  seinen  bemerkungen  gegen  Schräder  nur  beistimmen.  Was 
Meringer  (IF.  16, 184)  über  die  bedeutungsentwickelung  von 
*agrö-  sagt>  hängt  wie  viele  andere  seiner  speculationen  in 
demselben  aufsatze  ganz  in  der  luft. 

22.  aljan.  Mit  unrecht  habe  ich  aljan  'eifer'  zu  aind. 
an«,  aryd-  gestellt  (vgl.  über  die  bedeutungen  dieser  Wörter 
Geldner,  Ved.  stud.  3,  73  ff.).  Vielleicht  ist  Johansson  (Zs.  fdph. 
31,298)  auf  der  richtigen  fährte. 

23.  anasilan.  An  der  verwantschaft  von  -silan  mit  lat. 
silere  ist  nicht  zu  rütteln,  alles  weitere  aber  ist  unsicher.  Vgl. 
einerseits  Brugmann  (Grundr.  1*  791),  andererseits  Osthoff 
(Parerga  s.  68  f.)  und  Grienberger  s.  23.  Ich  möchte  eine  Ver- 
mutung äussern,  welche  sich  zwar  nicht  mit  Brugmanns 
ineinung,  wol  aber  mit  den  ansichten  der  beiden  letztgenannten 
forscher  verträgt  Das  aind.  kennt  ein  wort  selaga-  'räuber, 
Wegelagerer'  (wovon  mit  vrddhi  säilagd),  das  wie  eine  Zu- 
sammensetzung mit  -ga-  'gehend'  aussieht.  Ist  das  erste  com- 
positionsglled  etwa  ein  mit  sitere  ablautendes  adjectiv  *sela- 
'still,  schweigend'  und  heisst  selaga-  eigentlich  'der  still  ein- 
hergeht'? 

24.  anatrimpan.  Von  Siebs' combinationen  (KZ. 37, 310) 
dürfte  nur  dieses  richtig  sein,  dass  -trimpan,  hd.  trampeln  mit 
mnd.  strampen  'heftig  auftreten',  hd.  strampeln,  strampeln  zu- 
sammenhängen könnte. 


Digitized  by  Google 


2~> 


25.  andlahts.  Grienberger  s.24f.  stellt  andbahts,  das  er 
iLit  umhaaus  für  urverwant  hält,  zu  lit.  be'gti  'laufen'  (vgL 
ItikltKch  5v.  12).  wogegen  aber  zu  bemerken  ist.  dass  ein  4o- 
particip  nicht  als  zeitloses  nomen  agentis  fungieren  konnte. 
Mit  rr  Lt  sagt  Brugmann  (Grundr.2.206):  'der  begriff  der 
Vollendung,  des  vollendet -seins  und  in  folge  davon  zuständlichen 
scheint  ii.\s  wesentliche  bedeutungselement  bei  den  vom  verbal- 
stamm  aus  grbildrten  formen  gewesen  zu  sein.'  VgL  über 
andUihts  mein  Et.  wb.  der  got.  spr.1  s,  13  f.  und  Tamm.  Et.  svensk 
ordU  k  S.7L 

2*1  ati  ihruskan.  Grienberger  s.  25  f.  nimmt  den  alten 
gedanken  wider  auf.  dass  andhruskan  (nach  ihm  mit  r)  mit 
lat.  scrütur  zu  verbinden  sei.  Nicht  gern  aber  möchte  ich 
andhruskan  von  an.  hör  skr  losreissen.  aus  welchem  gründe 
auch  Meillets  Vorschlag,  das  wort  als  eine  contamination  von 
Vduskan  (wz.  "Ileus  )  und  *furskan  (:jihd.  forscön)  zu  erklären 
(De  Indo-Europaea  radice  mcn-  s.25)  mir  nicht  gefallen  will. 
Verwantschaft  mit  hardus  (s.  Brugmann,  Grundr.  1',  385.  2,240) 
ist  wegen  der  bedeutungsdifferenz  nicht  wahrscheinlich.  Eher 
ist  horskr  (:  andhruskan)  mit  an.  hraJr,  hress,  hross  und  ihren 
verwanten  in  den  andern  dialekten  zu  lit.  krec2iu  'schütte'. 
krataü  'schüttele  fortwährend'  zu  stellen  (vgl.  Persson,  Wurzel- 
erw.  s.  167.  fussnote  1).  Semasiologisch  ähnlich  ist  Woods  ety- 
mologie  (Joura.  of  germ.  phiL  2,  215),  welche  an  lat.  curro  an- 
knüpft, ohne  aber  den  wahrscheinlichen  Zusammenhang  von 
horskr  mit  hraör  zu  beachten. 

27.  andstaldan.  Man  könnte  versucht  sein,  got  and- 
staldan,  gastaldan  mit  lit.  staldas,  apr.  staldis  'stall,  auf  ein 
indog.  *st(h)axl-dh-  zurückzuführen.  Ist  staldas  (staldis)  aber 
nicht  eher  ein  lehnwort  aus  germ.  *stadld-,  wie  nach  Sievers 
(IF.  4, 337  f.)  die  ältere  form  von  *stalla-,  ahd.  stal  gelautet  hat? 

28.  andstaurran.  Grienbergers  ansatz  einer,  vorgerm. 
wz.  *sthur-  (s.  2G)  ist  ganz  willkürlich,  denn  germ.  ur  (or)  kann 
ja  auch  die  tiefstufe  zu  er  sein.  Andstaurran,  ahd.  storren  ist 
doch  nicht  von  ahd.  star  und  seineu  verwanten  zu  trennen? 

29.  ans.  Falls  Grienberger  s.  27  mit  recht  ans  als  'träger' 
erklärt,  dann  ist  verwantschaft  mit  aind.  dnas  Lastwagen \ 
lat.  onus  'last'  (Hoffmann,  BB.25, 108)  recht  wol  möglich,  nicht 
aber  der  von  Wood  (Joura.  of  germ.  phil.  2,  213)  vermutete 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WOKTSCHATZ. 


261 


Zusammenhang  mit  aind.  asi-,  lat.  ensis  'schwert'.  Zu  einer 
wz.  *on-  ' tragen'  stellt  sich  unmittelbar  als  nomen  agentis 
gr.  ovoq  'esel',  das  also  nicht  ursprünglich  ein  neutraler 
.«-stamm  gewesen  sein  wird  (vgl.  mein  Etym.  wb.  der  aiud. 
spräche  s.  7). 

30.  arbaips.  Mit  recht  bemerkt  Kluge6  s.  18,  dass  Schweiz. 
arten,  nassau.  erwd  als  moderne  neuschöpfungen  zu  betrachten 
sind.  Aber  auch  wenn  diese  dialektformen  bei  der  erklärung 
von  arbaips  aus  dem  spiele  bleiben  müssen,  bleibt  es  möglich, 
arbaips  von  einem  verbum  *arban,  *arbaida  abzuleiten  (vgl. 
Wiedemann,  BB.  28, 45  f.  gegen  Bugge,  Beitr.  24, 439).  Die  sippe 
von  lit.  ddrbas  ist  wol  von  arbaips,  aksl.  rabü,  robti  u.s.  w. 
ferne  zu  halten,  denn  Wood  (Mod.  lang,  notes  16,306)  ver- 
gleicht mit  ddrbas  ansprechend  ags.  {$e)deorf  'arbeit,  an- 
strengung,  mühe'  (ge)deorfan  ' arbeiten,  sich  mühen'. 

31.  arniba.  Ags.  eornost,  ahd.  ernust  stehen  begrifflich 
zu  fern.  Mit  arniba  laG<palÖ>$  (wozu  Grienberger  s.  29)  ver- 
gleiche ich  an.  ern  'brisk,  vigorous',  crnligr  'of  brisk,  stout 
appearance'.  Aussergerm,  verwante  kann  ich  nicht  nachweisen. 

32.  arwjö.  Das  von  Johansson  (Beitr.  15, 224)  heran- 
gezogene gr.  dQai6$  'dünn,  schwach'  scheint  ursprünglich  mit 
/  angelautet  zu  haben  (s.  Leo  Meyer,  Griech.  etym.  1,  263) 
und  bleibt  darum  besser  aus  dem  spiele.  Gehört  arujö  zu  lit. 
drvas  'frei'?  Oder,  wie  Grienberger  s.  29  f.  annimmt,  zu  an. 
i>rr  'schnell,  freigebig',  ags.  earu,  as.  aru  'bereit',  womit  avest. 
aurva-,  aurvant-  'schnell',  aind.  drvan(t)-  'rennend'  verglichen 
werden?  Torbiörnsson  (Die  gemeinslav.  liquidametathese  1.  63) 
verbindet  an.  orr  mit  lit.  drvas,  was  mir  im  hinblick  auf  dr- 
ran(t)-  nicht  geraten  erscheint. 

33.  astap.  Bugges  armenische  etymologie  (IF.  5, 172) 
möchte  ich  jetzt  nicht  mehr  für  wahrscheinlich  halten.  Auch 
Grienbergers  erklärung  aus  vorgerm.  *ad-stati'  (s.  31)  leuchtet 
nicht  ein  (anders  freilich  urteilt  Johansson,  Nord,  studier  1904, 
s.  469).  Falls  wir  es  wirklich  mit  indog.  *sth3ti-  zu  tun  haben, 
so  wird  das  anlautende  a  von  astap  auf  verschreibung  be- 
ruhen, wie  schon  vor  jähren  Peters  (Gotische  conjecturen, 
Leitmeritz  1879,  s.  4  f.)  vermutet  hat.  Er  liest  Luc.  1,4 
icaurdei  stap. 

34.  asts.   Weitgehende  Vermutungen  über  die  verwant- 

Beitrige  zur  gescbichte  der  deutschen  spräche.    XXX.  18 

Digitized  by  Google 


202 


rULKXBECR 


schaft  von  indog.  *ozdo-  findet  man  bei  Johansson,  IF.  14, 323. 
Selbst  csche  und  espe  mochte  er  in  die  sippe  hineinziehen,  ein 
gedanke.  der  sich  nicht  ohne  Gewaltsamkeit  durchführen  lisst 
An.  askr,  ags.  cesc,  ahd.asc  ist  ja  nicht  von  Mt.ttsis,  apr.  icoasis, 
russ.jVi.vt  n/  u.s.w.  zu  trennen  und  an.  ysp,  ags,  <tsp,  ahd.  aspa 
ist  die  genaue  entsprechung  von  lett.  apsa,  urslav.  *osa  (vgl 
Beitr.  2(3, 295).  Führt  Johansson  auch  apsa  und  osa  auf  indo?. 
*ozduü  aus  *od{z)duä  zurück?  Wie  schön  passt  lit.  ajwsas 
zu  dieser  grundform!  Es  ist  nicht  erfreulich  zu  sehen,  wie 
viel  Scharfsinn  ausgezeichneter  forscher  auf  nur  zum  Wider- 
spruch herausfordernde  etymologien  verschwendet  wird! 

3.">.  atisks.  Warum  verwirft  Grienberger  s.  31  die  alte 
gleichung  got.  atisks  :  lat.  ador?  Ist  atisks  aber  —  wie  er 
annimmt  —  eine  germ.  neuschöpfung  zu  *atjan,  so  fragt  sich, 
wie  die  bedeutung  so  rasch  von  'Sättigung'  über  'Viehweide' 
zu  'saatfeld'  fortgeschritten  ist?  Und  wäre  atisks  nicht  eine 
recht  sonderbare  ableitung  von  *atjan?  Die  sippe  von  an. 
clskr,  elska  schw.  fem.,  ihka  schw.  verb.  ist  selbst  zu  sehr  der 
erkliirung  bedürftig,  als  dass  sie  die  bildungsweise  von  atishs 
erläutern  könnte. 

30.  audahafts.  Tm  gegensatz  zu  Grienberger  s.34  halte 
ich  hw.auöinn,  ags.  caden,  as.  ödan  'geschenkt,  verliehen',  sowol 
wegen  der  bedeutung  wie  der  form,  für  das  particip  eines 
starken  verbums.  Die  grundbedeutung  von  an.  auör,  ags.  ead, 
as.  öd,  ahd.  öl  'besitz,  gut,  reichtum'  wird  auf  grund  von  auöinn 
als  'gäbe'  anzusetzen  sein,  und  wir  haben  dann  eine  gute 
parallele  zu  gabei  'reichtum',  das  sicher  nicht  von  gilxin  ge- 
trennt werden  darf,  um  es  an  lat.  cöpia  (Bugge,  Beitr.  12, 416  i.) 
anzuschliessen.  Audags  'glückselig'  ist  eigentlich  'reich',  wie 
aus  den  andern  germ.  dialekten  hervorgeht,  und  es  verhält 
sich  zu  auda-  'reichtum'  wie  gabcigs  zu  gabei.  Nach  dem  ge- 
sagten dürfte  weder  an  Zusammenhang  mit  wadi  (Wood,  Mod. 
lang,  notes  10,  309)  noch  an  verwantschaft  mit  aind.  dvati 
(Johansson,  Nord,  studier  1904,  s.462)  zu  denken  sein. 

37.  aühsa.  Zu  aühsa,  aind.  ukshdn-  stellt  Wiedemann 
(BB.  27, 220)  armen,  ustr  'söhn'.  Warum  verbindet  er  ustr 
nicht  eher  mit  aind.  üshtar-  (ushtdr-)  'pflugstier',  ushtra-  'büffel. 
kamel',  avest.  ustra-  'kamel'  (wozu  Johansson,  IF.  2,  60  ff.)? 
Meillets  etymologie  von  ustr  (MSL.  7, 162)  habe  ich  augen- 


Digitized  by  Google 


ZÜM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


203 


blicklich  nicht  zur  band.  Bartholomaes  anknüpfung  an  aind. 
puträ-  oder  an  indog.  *sünu-,  *sftiü-  (Stud.  zur  indog.  Sprach- 
geschichte 2, 33)  ist  äusserst  zweifelhaft.  Die  ähnlichkeit  von 
ustr  und  dustr  kann  von  haus  aus  bestanden  haben  und  gerade 
die  Ursache  davon  sein,  dass  ustr  —  eigentlich  ein  nomen 
agentis  zu  einer  wurzel  mit  der  bedeutung  'semine  irrigare' 
—  ein  wort  für  'söhn'  geworden  ist. 

38.  aurahi.  Grienbergers  erklärung  (s.  36  f,)  —  welche 
einen  nominativ  auraJijö  voraussetzt  —  ist  zu  künstlich,  um 
wahrscheinlich  zu  sein.  In  keiner  hinsieht  befriedigend  ist 
Bezzenbergers  Vorschlag  (BB.  26, 66),  aurahi  mit  lat.  Onus  zu 
verbinden. 

39.  awö.  Anders  als  Schräder  (Reallex.  s.  308)  und  Wiede- 
raann  (BB.  27, 222  f.)  sehe  ich  in  indog.  *auo-,  *auä-  ein  lall- 
wort.  Ganz  unwahrscheinlich  ist  die  von  Delbrück  (Verwant- 
schaftsnamen  s.  104  f.)  gutgeheissene  etymologie,  welche  das 
wort  als  eine  ableitung  von  aind.  dvati,  lat.  avtre  betrachtet. 
Ist  gr.  aia  'erde'  als  entsprechung  von  lat.  avia  'grossmutter' 
zu  atcö  zu  stellen  (Brugmann,  IF.  15, 94  ff.)? 

40.  azets.  Martin  (Zs.  fda.  46, 186  ff.)  erklärt  azets  als 
az-ets  'an-ässig,  anbeissig'  im  sinne  von  'appetitlich,  zum  essen 
reizend,  lecker',  was  auf  grund  der  bedeutung  'leicht'  nicht 
einwandfrei  ist.  In  jeder  hinsieht  anfechtbar  ist  Grienbergers 
auffassung  von  azets  als  ableitung  mit  suffix  -tta-  (s.  40). 
Darin  berühren  sich  die  beiden  erklärungs versuche,  dass  sie 
in  az-  die  präposition  sehen.  An  entlehnung  aus  armen,  azat 
'frei'  (Bugge,  LF.  5, 172  f.)  ist  wegen  des  e  und  wegen  der  ab- 
weichenden bedeutung  kaum  zu  denken. 

41.  badi.  Die  bedeutungen  'bett'  und  'polster'  passen 
schlecht  zu  gr.  ydtvT}  (xa&prj)  'krippe',  das  Wiedemann  (BB. 
28,72)  mit  badi  verbinden  will. 

42.  bagms.  Kann  in  bagms  nicht  eine  Wortmischung  vor- 
liegen, indem  *bauma-  (ags.  beam,  as.  böm,  ahd.  boum)  mit 
*bagna-  (aschw.  bagn)  zu  einem  worte  zusammenschmolz?  Mit 
Grienberger  s.  42  *baunia-  aus  *bagma-  herzuleiten,  geht  nicht 
an,  denn  ags.  seam,  ahd.  soum,  worauf  er  sich  beruft,  ent- 
stammt dem  vulgärlat.  sauma,  nicht  unmittelbar  der  urspr. 
form  sagma.  Noch  weniger  geraten  ist  es,  mit  Meringer  (IF. 
10, 157  f.)  bagms  von  *bautna-  ganz  zu  trennen.   Bei  meiner 

18* 

Digitized  by  Google 


2f>4 


* 

ÜHLENBECK 


contaminationshypothese  wäre  *bauma-  als  'gewächs*  zu  indog. 
*bhcuä-  zu  stellen  (so  schon  Johansson,  Beitr.  15, 224  f.),  bagn 
dagegen  würde  zu  einer  mit  gh  oder  k  auslautenden  wurzel 
gehören.    Eine  Sammlung  ähnlicher  confusionsbildungen  wie 

die  von  mir  vermutete  (*bauma  *bagna-  :  *bagma-)  findet 

man  bei  Johansson,  Zs.  fdph.  31, 300  f. 

43.  bairabagms.  Wiedemanns  ganz  willkürliche  etymo- 
logie  von  baira-  (BB.  28, 61  f.)  bedarf  kaum  der  Widerlegung. 

44.  bandwa.  Mit  Leo  Meyer  (Got,  spräche  s. 59)  ist  bandtm 
zu  gr.  (f  alvm  zu  stellen.  Die  grundform  des  wortes  ist  *bhon-tuä, 
nicht  *bhan  tuä  (Feist,  Got.  etyro.  s.  15),  denn  (f  alvm  beruht 
ebenso  wie  ßalvto  (wz.  *guem-)  auf  einer  e- wurzel  (vgl.  mein 
Et.  wb.  der  aind.  spräche  s.  195  s.  v.  bhdnati).  Die  bedeutungs- 
ent wicklung  von  bandwa  ist  dieselbe  wie  von  aind.  ketu-  'licht- 
erscheinung,  zeichen,  banner'.  Diese  auffassung  ist  jedenfalls 
derjenigen  vorzuziehen,  welche  bandwa  als  eine  ableitung  von 
bindan  betrachtet  (Diefenbach,  Vergl.  wb.  1, 296  ff.  Kögel  Gesch. 
der  deutschen  lit.  1, 1, 17,  fussnote). 

45.  bansts.  Grienberger  s.  43  stellt  bansts  zu  bindan.  Ist 
dies  richtig,  dann  müssen  wir  bansti-  auf  indog.  *bhondzdhi- 
aus  *bhondh-s4i'  zurückführen,  während  wir  das  s  von  batise 
u.  s.  w.  als  Vereinfachung  von  ss  aus  indog.  dzh,  urspr.  dh  s  zu 
betrachten  haben  (vgl.  Brugmann,  Grundr.  1»,  628).  Wiedeniann 
(BB.  28, 61)  gibt  eine  andere  etymologie  von  bansts,  welche  sich 
zum  teile  au  alte  combinationen  Diefenbachs  (Vergl.  wb.  1,274) 
anschliesst,  semasiologisch  aber  unvorteilhaft  davon  abweicht. 
Im  gründe  findet  sich  auch  Grienbergers  gedanke  schon  bei 
Diefenbach. 

46.  barizeins.  Tamm  (Etymologisk  svensk  ordbog  s.26) 
meint,  dass  es  auf  grund  von  lat.  far  bedenklich  ist,  an  eine 
c-wurzel  anzuknüpfen  [was  ich  nicht  zugebe].  Dieser  einwand 
gegen  die  &atraw-etymologie  trifft  aber  auch  seine  eigene  Ver- 
mutung, dass  in  bariz-  eine  zweisilbige  form  der  wurzel  von 
aind.  bhf  sh/f  vorläge,  denn  auch  hier  haben  wir  es  mit  e-voca- 
lismus  zu  tun  (s.  Stokes,  Urkelt.  Sprachschatz  s.  172  f.).  Ich 
möchte  bariz-  jedenfalls  als  bar-iz-  auffassen,  wozu  lat,  far  (rr) 
und  slav.  *bor§-hio  die  Schwundstufe  des  suffixes  repräsentieren 
würden.  Falls  das  u  von  avest.  baourva-  'speise'  zum  suftlx 
gehört  und  aiud.  bhärvati  'kaut,  verzehrt  '  eig.  ein  denominativum 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


205 


zu  *bhar-va-  ist,  so  kann  bar-iz-  als  ein  altes  wort  für  'speise' 
dazu  gestellt  werden.  Eine  ähnliche  bedeutungsentwicklung 
beobachten  wir  bei  aind.  dnna-  'speise,  reis'.  —  Die  mytho- 
logischen combinationen  bei  Schräder  (Reallex.  s.  870  f.)  sind 
zu  unsicher. 

47.  barusnjan.  Grienbergers  ausführungen  (s.  43  f.)  sind 
zu  phantastisch.  Die  slavische  sippe,  deren  er  als  parallele 
bedarf,  beurteilt  er  unrichtig,  denn  nicht  'rot',  sondern  'schön' 
ist  die  ursprüngliche  bedeutung  von  russ.  krdsnyj  (vgl.  Mi- 
klosich  s.  137).  Hat  das  von  slav.  krasa  nicht  zu  trennende 
nord.  hros  etwa  auch  einmal  'röte'  bedeutet?  Doch  auch  von 
dem  mangel  an  guten  parallelen  abgesehen,  ist  Grienbergers 
*rusnjan  :  *rusni-  :  *rudjan  zu  ags.  rudu  'röte'  nicht  beson- 
dere überzeugend.  Beziehung  zu  gariuds  'ehrbar',  eig.  'er- 
rötend', ist  auch  semasiologisch  kaum  denkbar,  denn  wie  leicht 
der  begriff  der  schamhaftigkeit  aus  dem  des  errötens  sich 
entwickeln  kann  (vgl.  aind.  lajjatc  'schämt  sich'  aus  rajyate 
'rötet  sich',  E.  Leumann,  WZKM.  3, 345),  so  schwer  ist  es,  sich 
eine  entwicklung  von  'röten'  —  denn  das  wäre  doch  die  eigent- 
liche bedeutung  von  *rudjan  und  *rusnjan  —  zu  tvaeßttv 
vorzustellen.  Und  schliesslich  glaube  ich  nicht,  dass  das  got. 
das  neutrum  ba  ähnlich  gebrauchen  konnte  wie  die  Nordmänner 
ihr  bdÖi  (z.  b.  vildi  Halh  bceöi  kjosa  ok  deila,  Laxd.  c.  14). 
Wir  haben  also  barusnjan  als  ein  wort  zu  betrachten. 

48.  bauan.  Hesychs  (paittv  ■  xoutv  hätte  Hoffmann  (BB. 
21, 137)  an  der  einheit  des  germ.  bauan  in  allen  seinen  be- 
deutungen  nicht  irre  machen  sollen.  Am  besten  lassen  wir 
(farttv  aus  dem  spiele. 

49.  baur.  Falls  alban.  bir  'söhn'  mit  recht  hierher  ge- 
stellt wird  (s.  Brugmann,  Grundr.  1*,  465),  so  haben  wir  schon 
ein  indog.  *bherö-  'söhn'  anzusetzen. 

50.  bau]>s.  Grienberger  s.  45  vermutet  ursprüngliche 
Identität  von  bauda-  mit  dauba-,  welches  letztere  die  ältere 
consonantenfolge  bewahrt  hätte.  Dies  ist  allerdings  möglich, 
obwol  bauda-  sich  auch  anders  erklären  Hesse  (vgl.  neuestens 
Meillet,  MSL.  10,282.  Karsten,  Beitr.  zur  germ.  wortkunde  s.28. 
Meringer,  IF.  IG,  155  f.).  Beispiele  solcher  fernversetzungen  aus 
verschiedenen  indog.  sprachen  findet  man  bei  Brugmann  (Grundr. 
l5?873ff.  Kurze  vergl.  gramm.  s.249),  aus  modernen  deutschen 


Digitized  by  Google 


ITHLKKHKCK 


dialekten  bei  H.  Schroeder  (Beitr.  29, 355).   Zweifelhaft  ist  das 
von  H.  Kern  (Feestbnndel  M.  de  Vries  s.  45  ff.)  beobachtete  Um- 
stellungsverhältnis zwischen  slav.  gub-  und  got.  biugan,  denn 
gub-  entspricht  zunächst  ags.  geopan,  giap  (Verf.,  Beitr.  26.569. 
.7.  H.  Kern,  Album  Kern  s.  254  f.),  aber  der  von  demselben  ge- 
lehrten angenommene  Zusammenhang  von  slav.  zld-  (:  htiedün) 
mit  got.  deigan  darf  trotz  des  scheinbar  auf  älteres  «  hin- 
weisenden o  von  russ.  zodcij  wol  für  sicher  gelten.   Noch  ein 
bei  Brugmann  nicht  erwähntes  beispiel  ist  lit  kepenos  :  aksL 
pccenl  'leber',  dessen  Zugehörigkeit  zu  kepu  :  peka  nicht  er- 
wiesen ist.    Im  vorübergehen  will  ich  auch  das  Verhältnis  von 
kepu  zu  pd(t  mit  einigen  worten  streifen.   Gr.  (iqtoxuxoc,  das 
meist  mit  lit.  kepu  zu  indog.  *pckv-  gestellt  wird,  macht 
Schwierigkeiten  wegen  des  x,  denn  aus  *kvoj)o-  hätte  gr.  *xoxo-, 
nicht   xoxo-  werden  müssen.    Wiedemann  (Lit.  praeteritum 
s.  192)  ist  geneigt,  kepu  und  aproxo^oc  von  *peku-  zu  trennen 
Wenn  man  sich  dazu  entschliessen  kann,  was  immerhin  be- 
denklich ist,  so  bietet  sich  die  möglichkeit  dar,  an.  haf,  ags. 
hmf  'rneer'  unterzubringen  (vgl.  Kluge«  s.  156)  :  germ.  *hafa- 
liesse  sich  als  'das  siedende'  mit  kepu  und  -xo.toc  zu  einer 
wz.  *kep'  'sieden'  stellen.    Aus  *k*ep*  dagegen  vermag  ich 
haf  nicht  zu  erklären,  denn  meiner  anschauung  nach  hätte 
*kuöpO'  im  germ.  nur  *hafa-  ergeben  können.  —  Kehren  wir 
nach  dieser  abschweifung  zu  bauda-  :  dauba-  zurück,  so  bleibt 
noch  übrig,  gegen  Grienbergers  zweifelnd  ausgesprocheneu 
bedeutungsansatz  'leer'  einsprach  zu  erheben,  weil  dieser  sich 
nicht  mit  den  bedeutungen  der  zu  dauba-  gehörigen  Wörter 
(z.  b.  nl.  dof  'glanzlos,  dumpf")  in  einklang  bringen  lässt. 

51.  bidagwa.  Thurneysen  (IF.  8, 212),  Cromhout  (Leidener 
doctoralthese  15.  oct,  1900)  und  Grienberger  s.  4(3  lesen  bidaga, 
welche  conjectur  wegen  des  folgenden  was  sehr  wahrscheinlich 
ist.   Die  änderung  in  bidaqa  ist  aufzugeben. 

52.  bigatrdan.  Ahd.  gcrta,  das  Grienberger  s.  40  mit 
unrecht  heranzieht,  ist  entweder  mit  slav.  *£irdi  'Stange'  zu 
verbinden  oder  —  was  vielleicht  den  vorzng  verdient  —  nach 
Sievers  (Zum  ags.  vocalismus  s.  24  ff.)  zu  beurteilen. 

53.  bigitan.  Die  verwantschaft  von  germ.  *getanan  mit 
lat.  prehemlo,  gr.  yavöuvco  ist  wegen  der  nasallosigkeit  des 
germ.  Wortes  etwas  problematisch  (über  lat.  praeda,  das  man 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


207 


aus  *prai'hcda  hat  erklären  wollen,  s.  Hoffmann,  BB.  20,  133  f.). 
Oder  beweist  lit.  pasigendu,  pasigesti  'vermissen'  (vgl.  Brug- 
mann, Kurze  vergl.  gramm.  s.  515),  dass  das  n  in  prehendo 
nicht  wurzelhaft  ist?  Für  die  bedeutungsentwicklung  von 
pasigendu  könnte  man  sich  auf  russ.  chvatattsja  cego  ^plötzlich 
nach  etwas  greifen,  etwas  vermissen'  berufen.  Wol  sicher  mit 
*gttanan  verwant  ist  aksl.  gadati  'raten',  dessen  nebenform 
fjatati  sich  vielleicht  durch  germ.  einfluss  (vgl.  an.  gdta  'rätsel') 
erklären  lässt.  Sind  auch  lit.  godus  'habgierig,  geizig',  gödas 
'habgier',  godetis  'gierig  sein',  godhigas  'gierig'  hierher  zu  stellen? 

54.  bihait.  Mit  recht  nimmt  Oomhout  (Leidener  doctoral- 
tliese  15.  oct.  1900)  an,  dass  bihait  sich  in  seiner  bedeutung 
nahe  an  ags.  bt'ot  u.s.w.  anschliesst.  Auch  im  got.  ist  bihait 
so  viel  wie  jilpctvide,  und  bihaitja  ist  einer,  der  oft  solche 
prahlreden  äussert. 

55.  bijandzup  pan.  Mit  Oomhout  (Leidener  doctoral- 
these  15.  oct.  1900)  ist  bidjandzup  pan  zu  lesen.  Damit  erledigt 
sich  auch  Grienbergers  Vermutung  (s.  40),  dass  *bijan  sich  als 
verbale  kurzform  zu  einem  vollen  verbum  stellen  lasse. 

56.  bimampjan.  Mit  dem  Verhältnis  von  bimampjan  zu 
{itftqofjai,  fiofiff?']  vergleichen  sich  fälle  wie  aind.  dmbu  'wasser', 
ST.  oftßQoa  'regen'  :  aind.  dmbhas  'wasser',  abhrd-  'wölke',  gr. 
<l<P{>6i;  'schäum'  (vgl.  Brugmann,  Gründl*.  I'2,  033).  Mit  Holt- 
hausen (s.  IF.  Anz.  15, 102)  zu  einem  fem.  *mampa  aus  *mombhnü 
unsere  Zuflucht  zu  nehmen,  ist  nicht  nötig.  Noch  anders  Grien- 
berger  s.  48. 

57.  biniuhsjan.  Mit  Grienberger  s.  48  für  die  andern 
germ.  dialekte  eine  grundform  ohne  h  anzunehmen  und  niuhsjan 
zunächst  davon  zu  trennen,  scheint  mir  durchaus  unzulässig. 
Brugmann  (IF.  13, 153  ff.)  will  niuhsjan  in  einen  weiten  Zu- 
sammenhang einreihen,  ohne  aber  ganz  das  richtige  zu  treffen. 
Offenbar  gehört  niuhsjan  eng  zusammen  mit  russ.  njüchatl 
'riechen,  schnüffeln,  schnupfen',  poln.  niuchac  'schnupfen',  serb. 
njtwiti  'schnüffeln',  deren  ch  (s)  sich  am  besten  aus  indog.  ks 
erklären  lässt.  So  gewinnen  wir  ja  die  möglichkeit,  niuhsjan 
und  njuchatX  auf  eine  indog.  vvz.  *neuks-  zurückzuführen  (anders 
Berneker,  IF.  10, 153  f.).  Schon  Diefenbach  (Vergl.  \vb.  2, 110) 
hat  niuhsjan  und  njüchatl  zusammengestellt,  ohne  aber  auf  die 
lautverhältnisse  einzugehen. 


Digitized  by  Google 


208 


UHLENllECK 


58.  bireks.  Der  nominativ  zu  birekjai  (bireikjai)  lautet 
wol  bireks  (bireite).  Wood  (Journ.  of  germ.  phil.  2.229)  ab- 
strahiert aus  dem  angesetzten  nominativ  hi-reks  irrtümlich 
einen  a-stamm  und  führt  das  wort  demnacli  auf  ein  indog. 
-wo-particip  zurück,  freilich  mit  hinzufügung  eines  *perhaps\ 

59.  biugan.  Die  flexion  von  biugan  zeigt  in  keiner  germ. 
mundart  gramm.  Wechsel,  weshalb  Zugehörigkeit  von  ahd.  IM 
zweifelhaft  ist.  Für  indog.  k  spräche  lit.  buklus  iistig,  schlau* 
('primarily  xrooked»'  Wood,  Mod.  lang,  notes  19,4),  für  indog. 
ffh  dagegen  gr.xrvx-  (Meillet,  Notes  d'etymologie  grecqne  s.  8ft). 
F'alls  slav.  güb-  mit  Kern  hierher  zu  stellen  ist,  so  mnss  die 
vorauszusetzende  consonantenumstellung  schon  frühe  statt- 
gefunden haben,  denn  ags.  £&ip,  geopan  weist  mit  güb-  auf 
eine  indog.  wz.  *gheub-  hin,  deren  consonantismus  weder  zu 
biugan  noch  zu  aind.  bhujdti,  gr.  (fivyco,  lat.  fugio  vollkommen 
stimmt  (über  fernversetzung  von  consonanten  vgl.  no.  50). 

00.  biufis.  Die  bedeutungsentwicklung  denke  ich  mir  jetzt 
folgendermassen.  Einmal  wird  germ.  *beuda-  ein  verbalabstrac- 
tnm  zu  *bvudanan  gewesen  sein  und  u.a.  'anbieten,  darbringunp' 
bedeutet  haben,  ähnlich  wie  aind.  niredana-  zu  dem  mit  *&cm- 
dtinan  gleichbedeutenden  niredayati  Später  gebrauchte  man 
es  concret  für  das  dargebotene,  insbesondere  für  das  mit  speisen 
besetzte  dargebotene  holzbrett.  So  lässt  sich  die  alte  etymo- 
logie  biufis-  :  biudan  aufrecht  halten  (anders  (irienberger  s.  50). 

61.  bin  indan.  Der  formenbestand  von  tvindan  weist 
durchaus  auf  eine  indog.  wz.  *ucndh-  und  Meringer  (IF. 
In",  172  ff.)  wird  recht  haben,  wenn  er  nicht  nur  das  deutsche 
wand,  sondern  auch  aind.  vandhüra-  i wagenkorb'  zur  ver- 
gleichung  heranzieht.  Auch  wandua,  an.  vondr  kann  hierher 
gehören,  lässt  aber  auch  andere  deutungen  zu.  Dagegen 
glaube  ich  die  wz.  *uendh-  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  in 
aksl.  ada  1  fischhaken '  widerzufinden,  denn  was  die  lautliche 
seite  betrifft,  kann  ada  aus  *vada,  indog.  *uondha  entstanden 
sein  wie  asu  aus  *VQ$ii  (:air.  fes)  und  osa  aus  *vosa  (:lit. 
vapsä),  während  ada  als  'gewundene  gebogene'  (vgl.  Diefen- 
bach, Vergl.  wb.  1, 147)  sieh  zu  tvindan  verhalten  könnte  wie 
hd.  anyel  zu  aind.  dücati  'biegt,  krümmt'  (vgl.  mein  Et.  wb. 
der  aind.  spräche  s.  3  s.  v.  aitkds,  s.  4  s.  v.  dücati). 

02.  blandan.   Im  gegensatz  zu  Hoffmann  (FEPA1)  Abh. 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


209 


für  Ang.  Fick  s.  58)  meine  ich,  dass  blandan  und  blinds  nicht 
von  einander  getrennt  werden  dürfen,  denn  die  begriffe  'um- 
gerührt, gemischt,  verwirrt'  und  'trübe,  dunkel'  gehen  fast 
unmerkbar  in  einander  über.  Die  bedeutungen  der  wz.  *bhlendh- 
decken  sich  grossenteils  mit  denjenigen  der  wz.  *menth-  1  um- 
rühren, mischen,  verwirren,  trüben'  (vgl.  Miklosich  s.  189  f.), 
der  aber  kein  wort  für  'blind'  entsprossen  ist  (wol  spricht 
man  im  russ.  von  smutnyj  vzyljad,  stnutnyje  ylaza  'trüber 
blick,  trübe  äugen').  Anders  als  Liden  (Stud.  zur  aind.  und 
vergl  sprachgesch.  s.  78)  möchte  ich  auch  bei  *bhlendh-  von 
•umrühren'  als  grundbedeutung  ausgehen.  Dafür  spricht  vor 
allem  der  parallelismus  mit  *mcnth-. 

63.  blet'ßs.  Das  wort  sieht  doch  nicht  aus  wie  eine  ab- 
Mtung  von  indog.  *melit-  'honig'  (Hirt.  Ablaut  s.  122).  Wäre 
davon  ein  adjectiv  abgeleitet  (wie  aind.  madhurd-  von  mddhii), 
m  wurde  es  sich  wol  näher  an  das  Substantiv  anschliessen. 

64.  bliyywan.  Wood  (Mod.  lang,  notes  15,  327  f.)  und 
<Trienberger  s.  50  f.  stellen  got.  *blau/)u-,  blaupjan  zu  bliyywan. 
Mit  Wood,  der  bliyywan  auf  indog.  *mlcuö  zurückführt,  ist  für 
*blau])u-  eine  grundform  *ml6utu"  anzunehmen.  Näher  als  die 
von  Wood  verglichenen  mit  m  anlautenden  Wörter  stehen 
vielleicht  serb.  mlaviü  'hauen,  schlagen',  slov.  mluua  'hasel- 
rute  zum  reif,  denen  ein  indog.  *mlöu-  zu  gründe  gelegt 
werden  kann,  welche  aber  von  Torbiörnsson  (Die  gemeinslav. 
liquidametathese  1,89)  mit  gleichem  rechte  aus  *mohi-  erklärt 
werden  (vgl.  no.  121).  Aus  lautlichen  gründen  verwerflich  ist 
die  noch  von  Hoffmann  (BB.  20, 131)  vertretene  gleichung  got. 
bliggwan  :  lat.  fllyo. 

65.  blötan.  Gegen  Grienberger  s.  51  ist  zu  bemerken,  dass 
das  auf  grund  der  übrigen  dialekte  sicher  reduplicierende 
verbum  sich  schwerlich  als  ein  junges  denominativum  auf- 
fassen lässt. 

66.  blöp.  Ansprechend  ist  der  gedanke,  in  bhip  einen 
farbennamen  zu  suchen  (vgl.  z.  b.  aind.  rudhird-  und  $onita-). 
Das  von  Grienberger  s.  52  verglichene  lat.  flavus  dürfte  aber 
wegen  anderer  näher  liegenden  combinationen  nicht  geeignet 
sein,  um  blöp  erklären  zu  helfen.  Eher  können  wir  mit  Hirt 
(Ablaut  s.  90)  an  die  sippe  von  aind.  mala-  'schmutz'  denken, 
welchenfalls  die  bedeutung  'blut'  sich  m.  e.  zunächst  aus  'rot', 


Digitized  by  Google 


270 


riU.KXBECK 


nicht  etwa  unmittelbar  aus  'schmutzig)'  oder  1  dunkelfarbig" 
entwickelt  haben  wird.  Zu  mala-,  malind-  u.s.w.  gehören  ja 
auch  Wörter,  welche  eine  hellere  färbe  als  -schwarz'  oder 
'blau'  bezeichnen:  lat.  mulkus  4 rötlich';  cymr.  mchjn,  com. 
milin,  bret.  mvhn  'gelb'  (Stokes,  Urkelt.  Sprachschatz  s.  213) 
Dass  die  begriffe  'schmutzig,  dunkel'  und  'rot'  einander  nahe 
stehen,  ersehen  wir  auch  aus  lit.  dtrqia  'es  ist  schlechtes 
Wetter*,  es  regnet  stürmisch',  ddrgana,  dargus  oras  ' regnichtes 
wetter'  :  ags.  dcorc  'dunkel'  :  ir.  dag  'rot'  (s.  Tijdschr.  voor 
ned.  taal-  en  letterk.  10. 288  f.  und  Stokes.  Urkelt.  Sprachschatz 
s.  149). 

<S~.  böka.  Die  annähme  Bartholomaes,  dass  kurd.  büi 
'eine  art  ulme'  mit  lat.  fagus  u.s.w.  auf  einer  langdiphthon- 
gischen  basis  beruhe  (IF.  1>.  271  ff.),  ist  keineswegs  notwendig. 
W  ir  können  ja  mit  gleichem  rechte  kurd.  buz  mit  slav.  *btäi 
'hollunder'  (s.  Miklosich  s.  2t»)  verbinden,  denn  so  wie  so  haben 
wir  bedeutungsversehiedenheit.  Mit  recht  bemerkt  schon 
Wiedemann  (BB.  28, 13),  dass  das  ü  von  kurd.  buz  die  an- 
knüptung  an  ftlgus  'etwas  zweifelhaft1  macht. 

t>8.  braifts.  Weder  Bugge  (Beitr.  24, 453  f.)  noch  AViede- 
mann  (BB.  28T  34  ff.)  ist  es  gelungen,  etwas  brauchbares  vor- 
zubringen, und  nicht  glücklicher  ist  Siebs  (KZ.  .37,  306  f.),  der 
—  freilich  mit  lobenswerter  Zurückhaltung  —  zunächst  die 
sippe  von  lit.  brydoti  'hineingewatet  dastehen',  braidyti  'fort- 
gesetzt waten' heranzieht,  welche  offenbar  durch  ablautsentglei- 
sung  aus  derjenigen  von  lit.  bredü,  bnsti  'waten'  (:  aksl.  bredq) 
hervorgegangen  ist.  Und  die  bedeutungen  passen  auch  gar 
nicht!  Zusammenhang  von  braida-  mit  *spraidjan  ist  ebenso 
problematisch  wie  die  ganze  hypothese  über  indog.  sp(h)>  ans 
*  h  bh-.    Leider  befriedigt  auch  Grienberger  s.  53  nicht. 

69.  briggan.  Morphologisch  steht  briggan  dem  aind. 
brmhati  'kräftigt,  stärkt,  vermehrt,  fördert'  so  nahe,  dass  niau 
versucht  ist,  an  verwantsehaft  zu  denken.  Könnte  man  von 
'vermehren,  fördern'  ausgehend  irgendwie  zur  bedeutung 
'bringen'  gelangt  sein?  Eine  zwingende  erklärung  von  briggan 
ist  noch  nicht  «gegeben  (vgl.  neuestens  Brugmaun,  IF.  12, 154  ff. 
Wiedemann,  BB.  27, 228  ff.).  Auch  zu  brmhati,  Midnt-  stelle 
ich  an.  bringa  'brüst',  dessen  bedeutungsentwicklung  an  aind. 
rdlcshas  :  ühshati  oder  an  brusts  (s.  no.  72)  erinnert.  Semasio- 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


271 


logisch  verwant  ist  Zupitzas  erklärung  von  bringa  (Germ,  glitt, 
s.  120).   Noch  anders  Wiedemann  a.a.O. 

70.  brikan.  Siebs  (KZ.  27, 304)  vermutet  Zusammenhang 
zwischen  *bhrfaj-  1  brechen'  und  der  in  lit.  spragit,  sprogsth 
u.s.w.  vorliegenden  wurzel.  Es  macht  aber  den  eiiidruck,  dass 
*sp(lt)er?g~  urspr.  nicht  das  brechen  an  sich,  sondern  den  da- 
durch verursachten  schall  bezeichnet  hat  (vgl.  Persson,  Wurzel- 
erw.  s.  17). 

71.  brunjö.  Die  neuesten  etymologischen  versuche  sind 
nicht  überzeugend.  Wood  (s.  IF.  Anz.  11, 205)  erklärt  das 
wort  als  'something  to  be  borne',  Grienberger  s.  53  operiert 
mit  einer  wz.  *bhrü-  'hervorragen',  Wiedemann  (BB.  27. 235  ff.) 
vergleicht  alban.  brint  'rippe'  und  gr.  r/p// v  (ffQovtco,  (/QaCo). 
Mit  Stokes  (Urkelt,  Sprachschatz  s.  184)  und  Schräder  (Real- 
lex,  s.  612)  ist  brunjö  wol  als  eine  entlehnung  aus  dem  kelt. 
zu  betrachten,  denn  das  einfache  n  von  brunjö  gegenüber  dem 
im  (aus  nd)  der  kelt.  Wörter  darf  bei  einem  lehnworte  nicht 
schwer  wiegen. 

72.  brusts.  Ich  vermute,  dass  die  formen  mit  eu  (an. 
Injöst,  ags.  breast,  afries.  briust,  as.  briost)  unursprünglieh  sind 
und  ihren  vocalismus  der  volksetymologischen  ein  Wirkung  einer 
nicht  verwanten  Wortsippe  verdanken  (in  betracht  käme  etwa 
an.  brjota,  ags.  breotan  'brechen',  mhd.  brieten  'hervorbrechen, 
aufschwellen,  knospen',  wozu  das  an  brusts  nahe  anklingende 
as.  brüst ian  'knospen'  oder  —  was  mir  aber  nicht  so  wahr- 
scheinlich ist  —  ags.  beost,  ahd.  biost  'biestmilch',  dessen  neben- 
foroien  an.  abrystur  und  nhd.  dial.  brkst  sich  nach  Kluge 6  s.  43 
ihrerseits  an  brüst  angelehnt  haben).  Aber  dann  lässt  das 
plur.  tantum  brusts  'brüste'  sich  mit  ru  aus  y  als  eine  ableitung 
der  indog.  wz.  *bh(e)r(e)s-  'hervorragen'  betrachten  (vgl.  mein 
Et.  wb.  der  aind.  spräche  s.  205  s.v.  bhrshtish).  Gegen  ältere 
et yinologien  Wiedemann  (BB  27, 220  ff.),  dessen  eigene  aufstel- 
lungen  mich  nicht  überzeugen. 

73.  brnj)s.  Gegen  Wiedemann  (BB.  27, 200)  bemerke  ich, 
dass  slav.  *midva,  *mülviti  wegen  der  lautfolge  nicht  gut  zu 
aind.  brdvUi,  avest.  mraoiti  passt.  Schwerer  wiegt  sein  sema- 
siologischer  einwand  gegen  die  etymologie  braps  :  brdvUi, 
Nvelche  ich  dennoch  aufrecht  halten  möchte.   An  verwantschaft 


Digitized  by  Google 


272 


UIILKXHECK 


von  braps  mit  lit.  marft  (zuletzt  Wiedemaun  a.a.O.  s. 205 ff.) 
ist  wegen  des  genn.  u  nicht  zu  denken. 

74.  bugjan.  Vielleicht  heisst  btnjjan  urspr.  'verhandeln, 
verkaufen'  und  hat  sich  die  bedeutung  'kaufen'  erst  secundär 
entwickelt  oder  sie  ist  aus  frabugjan  losgelöst  (natürlich  schou 
in  urgerm.  zeit).  Dann  können  wir  es  zur  indog.  wz.  *bJtcug{hy 
(*bhe%k-'t)  'ablegen,  wegtun,  sich  einer  sache  entledigen*  stellen, 
welche  im  got.  durch  usbaugjan,  im  lat.  durch  fungor  repräsen- 
tiert wird.  Diese  Wurzel  ist  zuerst  von  Osthoff  (IF.  5, 293  tf.) 
ins  rechte  licht  gerückt.  Anders  über  buyjan  Grienberger  s.  54 
und  Srhrader  (Reallex.  s.  329),  welche  es  mit  biugan  zu  ver- 
mitteln suchen. 

75.  daühts.  Meringers  'ducken  beim  eingange  in  die  tür 
des  hauses'  (IF.  Iii,  113)  ist  nicht  besonders  ansprechend.  Eher 
könnte  Holthausen  (Anz.  fda.  24, 33)  oder  Grienberger  s.  79  das 
richtige  treffen. 

70.  deigan,  Ueber  das  Verhältnis  von  deigan  zu  slav. 
zid-  s.  das  unter  no.  50  bemerkte. 

77.  dis-.  Frverwantschaft  mit  lat.  dis-  (Grienberger  8.56) 
ist  unmöglich,  denn  anlautendes  indog.  dh  tritt  im  lateinischen 
als  f  auf  (fämuSf  fCmina). 

78.  dishniupan.  Grienberger  s.56f.  vergleicht  balt.  bmb- 
'biegen'.  Wenn  man  etwas  zu  stark  biegt,  so  bricht  oder  zer- 
reisst  es.  Anders  legt  Grienberger  sich  die  bedeutungsent Wick- 
lung zurecht,  indem  er  ohne  grund  an  das  biegen  der  ringer  denkt. 

79.  disskreitun.  Die  wz.  *skrcj[d-  bedeutet  ursprünglich 
sowol  'reisseil,  ritzen'  wie  'einen  kreischenden  laut  von  sich 
gt-ben'.  Vor  der  laut  Verschiebung  kam  neben  *i>krexd-  ein  s-loses 
*krejfi'  auf,  das  später  zu  hat-  wurde  (as.  hrltan,  nl.  rijten); 
nach  der  laut  Verschiebung  entstand  ähnlicherweise  neben  sknt- 
(got.  shreitan,  nhd.  dial.  schreisscn)  ein  s-loses  krit-  (mhd.  kri;ai, 
mnd.  knien,  nl.  krijten).  Vgl.  Verf.  (Beitr.  26, 301)  und  Holt- 
hausen (s.  IF.  Anz.  15, 102).  Anders  über  krtt-  Siebs  (KZ.37,319). 
der  das  mit  *krUan  'schreien'  verwante  *kritjön  'einritzen'  nicht 
beachtet.  Verfehlt  ist  auch  G Hellbergers  gedanke  (s.  57),  dass 
skreitan  eine  nebenform  mit  r  zu  lat.  scinderc  wäre,  denn  dieses 
ist  wegen  got.  skaidan  in  eine  andere  ablautsreihe  zu  stellen. 
[Vgl.  jetzt  H.Schroeder,  Beitr.  29, 518  f.] 

80.  diwans.  Lat,  fnnus,  das  Sommer  (s.  IF.  14,235)  hierher 


Digitized  by  Google 


ZFM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


273 


stellt,  ist  wol  mit  Osthoff  (TF.  5, 296  ff.)  ferne  zu  halten.  Eine 
neue  etymologie  von  diwans,  daups,  dauflus  versucht  G Hell- 
berger s.  58  ( :  gr.  Ot'co),  ohne  aber  die  alte  und  ansprechende 
gleichung  an.  deyja  :  aksl.  daviti  zu  widerlegen. 

81.  drauh s n a.  Ausser  Grienberger  s.  58  f.  ist  noch  Bezzen- 
berger  (BB.  23, 298,  fussnote)  zu  vergleichen.  Dass  drau(h)sna 
irgendwie  zu  driusan  gehört,  ist  mir  äusseret  wahrscheinlich. 

82.  drigkan.  Das  richtige  hat  wol  Zupitza  (Germ.  gutt. 
s.  161),  der  ähnlicherweise  —  vor  Grienberger  und  mir  —  ahd. 
stcdahan  zu  aksl.  vltkq,  gestellt  hat.  Semasiologisch  unwahr- 
scheinlich ist  Woods  gleichung  drigkan  :  lit.  drignas  'feucht'  : 
drangüs  4  lau  wann'  (Mod.  lang,  notes  18, 15  f.). 

83.  dugan.  Grienbergers  auffassung  von  \\t  daüg  (s.  55) 
halte  ich  für  durchaus  verfehlt. 

84.  duginnan.  Ich  gebe  Wiedemann  (BB.  27, 193  ff.)  zu, 
dass  Bugges  etymologie  nicht  für  sicher  gelten  darf. 

85.  dumbs.  Neben  mhd.  stum  steht  eine  nebenform  mit 
h  (p)  im  auslaut,  welche  Siebs  (KZ.  37, 311)  dazu  verleitet, 
verwantschaft  mit  got.  dumbs,  ahd.  tumb  anzunehmen.  Aber 
mhd.  stumb  (stump)  lässt  sich  ganz  einfach  durch  angleichung 
an  tumb  (tump)  erklären. 

86.  dwals.  Lat.  stultus  ist  eine  zu  schwache  stütze  für 
die  annähme,  dass  es  neben  *dhul-  ein  gleichbed.  *st(h)ul-  ge- 
geben habe  (Siebs,  KZ.  37, 313). 

87.  faian.  Wiedemann  (BB.  28,38,  fussnote)  vergleicht 
faian,  dass  er  ohne  grund  von  fjan  trennt,  mit  aksl.  poja 
'singe'  und  gr.  xatuv  Mobgesang'.  Semasiologisch  zwar  mög- 
lich, aber  nicht  wahrscheinlich.  Indem  ich  an  verwantschaft 
von  faian  mit  fijan  festhalte,  so  wird  doch  die  ansieht,  dass 
lat.  prior  hierher  gehöre,  aufzugeben  sein  (vgl.  die  bei  Osthoff, 
Suppletivwesen  s.  64  angeführte  literatur). 

88.  fathufriks.  Grienberger  s.  62  meint  germ.  *freka- 
auf  indog.  *preknö-  zurückführen  zu  dürfen,  aus  welcher  grund- 
form  aber  nur  *frekka-  hätte  entstehen  können.  Auch  beachtet 
er  nicht,  dass  lit.  perku  u.s.w.  im  guttural  von  indog.  *pre&- 
' fragen'  abweichen. 

89.  fairgunl  Wiedemann  (BB.28, 7)  bemerkt  mit  recht, 
dass  Hercynia  nicht  von  indog.  *perhio-  'eiche'  abgeleitet  sein 
kann,  denn  *perku~  hätte  im  gallischen  entweder  *r>y>-  oder, 


Digitized  by  Google 


274 


OfiLKKBSCK 


wenn  die  in  quercus  vorliegende  assimilation  auch  für  da* 
keltische  vorauszusetzen  ist,  vielmehr  *j)erp-  ergeben  müssen. 
Weiter  aber  kann  ich  Wiedemanns  ausfiihrungen  nicht  bei- 
pflichten. Er  meint  nämlich  (a.  a.  o.  s.  9)  auf  grund  von  aksL 
pragü  '  schwelle'  und  pregynji  (pregynja)  'berg',  dass  die 
wurzelauslautende  tenuis  von  Hercynia  nicht  ursprünglich, 
sondern  an  die  stelle  eines  g  aus  indog.  gh  getreten  ist,  wo- 
gegen aber  eingewendet  werden  kann,  dass  pregynji  (pregynja) 
ein  lehnwort  aus  dem  germ.  sein  wird,  und  dass  nicht  die 
mindeste  notwendigkeit  vorhanden  ist,  pragü  mit  Hercynia- 
fairguni  zu  verbinden.  Dagegen  finde  ich  —  anders  als  Wiede- 
mann  a.  a.  o.  s.  10  ff.  —  es  nicht  geraten,  an.  Fjprgynn,  Fjgrgyn, 
lit.  Perkünas  von  Hercynia- fairguni  zu  trennen.  In  slav. 
Perunü  sehe  ich  eine  an  die  wz.  *per-  '  schlagen'  und,  was  das 
suffix  betrifft,  an  die  nomina  agentis  auf  -unü  angelehnte  Um- 
gestaltung von  *Perkynü  =  lit.  Perkünas  (ähnlich,  aber  ver- 
wirrt Ivanov,  Izvestija  otdelenija  Russkago  jazyka  i  slovesnosti 
imp.  akad.  nauk  8, 144  ff.).  Aind.  Parjdnya-  aber  lässt  sich 
kaum  mit  unserer  sippe  vermitteln.  Zu  welcher  wurzel  fair- 
guni u.s.w.  gehören  und  durch  welche  entwicklungsstufen  sich 
die  bedeutung  'berg'  entwickelt  hat,  wissen  wir  nicht.  Grien- 
bergers  anknüpfung  an  die  indog.  wz.  *perk-  in  gr.  xiqxvg; 
und  verwanten  (s.  62  f.)  scheitert  an  dem  k  von  Perkünas. 

90.  fairlrus.  Wiedemanns  besprechung  dieses  Wortes 
(BB.  28, 1  ff.)  verdient  alle  beachtung.  Dennoch  kann  ich  mich 
nicht  dazu  entschliessen,  der  gleichung  fairhus  :  aind.  pdreu-, 
pärevd-  unbedingt  beizustimmen.  Leider  ist  die  urgerm.  be- 
deutung von  fairhus  —  ßgr  —  feorh  —  ferah  uns  nicht  bekannt. 
An  sich  wäre  es  ebenso  gut  möglich,  von  der  abstracten  be- 
deutung 'leben',  wie  von  der  concreten  'leib'  oder  'ein  best, 
körperteil'  auszugehen.  Man  denke  nur  an  hd.  leib,  nl.  Ujf 
oder  an  russ.  zivöt  'leben,  leib,  bauch'. 

91.  faskja.  Scheftelowitz  (BB.28,294)  vergleicht  armen. 
heths  '  radreif en'!   Aber  faskja  ist  aus  lat.  fascia  entlehnt, 

92.  fafia.  Gehört  fapa  etwa  mit  secundärem  ablaut  zu 
indog.  *pö(j)-  'schützen'?  Man  hätte  anzunehmen,  dass  ein 
indog.  *pdtä  oder  *potä  schon  frühe  paroxytonon  geworden 
wäre.  Für  die  ablautsentgleisung  und  die  alte  accentzurück- 
zielumg  vergleiche  man  das  wol  ebenfalls  zur  wurzel  *Mi> 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


275 


gehörige  und  zunächst  für  *poH-  stehende  indog.  *pöti-  'herr'. 
Anders  über  fa]>a  Kluge6  s.  102.  Grienberger  s.  05. 

93.  faüratani.  In  dem  zweiten  compositionsgliede  möchte 
ich  lieber  ein  wort  für  'an Weisung,  zeichen'  als  für  'meteorische 
lichterscheinung'  (Grienberger  s.  65)  oder  'ramus  sortilegus* 
(Bugge,  Beitr.  24, 447)  erblicken.  Auch  Wiedemann  (BB. 28, 53  f.) 
meint,  dass  Grienbergers  erklärung  von  Seiten  der  bedeutung 
noch  bedenken  entgegenstehen,  Bugges  hypothese  aber  verwirft 
er  aus  lautlichen  und  semasiologischen  gründen. 

94.  fera.  Wegen  ahd.  fiara  ist  jede  etymologie,  welche 
an  eine  wz.  *per-  anknüpft  (Kick,  BB.  24, 203.  28, 106.  Grien- 
berger s.  66  f.)  als  verfehlt  zu  bezeichnen.  Wenn  'seite  des 
körpers'  die  ursprüngliche  bedeutung  von  fera  ist,  so  können 
wir  es  auf  *(s)phe(i)rä  zurückführen  und  es  als  eine  ableitung 
von  *s})hc(iy  'sich  ausdehnen'  betrachten.  Eine  semasiologische 
parallele  ist  an.  siöa,  ags.  stde,  ahd.  s\t(t)a  'seite'  :  an.  stör 
•lang,  weit,  herabhängend',  ags.  sid  'weit,  gross,  ausgedehnt' 
(s.  Kluge«  s.  362). 

95.  filhan.  Die  grundbedeutnng  von  germ.  *felxanan  ist 
schwer  zu  erfassen,  aber  ich  kann  mich  nicht  mit  Wiedemann 
(BB.  28, 24)  dazu  entschliessen,  anzunehmen,  dass  in  ags.  fcolan 
zwei  verschiedene,  etymologisch  nicht  zusammenhängende  verba 
stecken.  Vielleicht  trifft  die  Ebel'sche  gleichung  filhan  :  aind. 
pjrndkU  doch  das  richtige,  denn  die  erklärung  von  aind.  parc- 
aus  indog.  *pelk-  hat  durch  meine  etymologie  von  germ.  *folka- 
(Beitr.  26, 310 f.)  eine  stütze  gewonnen.  Zur  bedeutungsentwick- 
lung  vgl.  Tamm,  Et.  svensk  ordbok  s.  29.  Was  ich  Beitr.  27, 118 
über  filhan  gesagt  habe,  nehme  ich  jetzt  zurück. 

96.  filigri.  Mit  einem  germ.  präfix  fi-  ist  es  zu  schlecht 
bestellt,  um  filigri  mit  Kluge  (Pauls  Grundr.  I2.  478.  508)  und 
Johansson  (Nord,  studier,  Uppsala  1904,  s.  483)  aus  *(e)pi-lcghrio- 
zu  erklären.  Warum  sollten  wir  denn  eigentlich  filigri  von 
filhan  trennen? 

97.  filufaihs.  An.  feigr,  ags.  fcege,  ahd.  feigi  'dem  tode 
verfallen'  ist  zunächst  von  faiha-  'bunt'  zu  trennen  und  mit 
J.  Grimm  zu  lit  patkas  'dumm'  zu  stellen  (vgl.  Bezzenberger, 
BB.  27, 176,  fussnote.  Wiedemann,  BB.  28,  36  ff.).  Nach  dem 
alten  Volksglauben  trübt  sich  ja  der  verstand  des  dem  todes- 
geschick  verfallenen  (s.  Cleasby  -Vigfusson  s.  149  s.  v.  friyr). 


Digitized  by  Google 


27fi 


Auch  der  ind.  sprach  Weisheit  ist  diese  Vorstellung  nicht  fremd. 
Mit  unrecht  aber  behauptet  Wiedemann  (a.a.O.  s.  38).  da« 
patkas  nicht  mit  piktas  'böse'  verwant  sein  könne.  Oder  ist 
russ.  durnoj  'schlecht'  nicht  mit  poln.  durny  'töricht'  identisch? 

98.  fisks.  Woods  erklärung  von  fisks  als  'wassertier'  zu 
air.  esc  'wasser'  (Mod.  lang,  notes  15, 95)  ist  bedenklich,  weil 
*pci$kO't  *pi$ko-,  *pisli-  jedes  äussern  Zeichens  der  ableitung 
von  eiuera  stamme  *piska~  entbehrt.  Oder  sieht  Wood  in  /Üb 
etwa  eine  kurzform  zu  einem  mit  aind.  jalacara-  gleichbedenten- 
den  worte? 

99.  fit  an.  Das  wort  mit  Wiedemann  (BB.  28, 39)  and 
altern  gelehrten  als  'schwellen'  zu  deuten  und  es  mit  aind. 
pdyaie  u.s.w.  zu  verbinden,  geht  wegen  der  transitiven  con- 
struction  (fianzei  aftra  fita  Gal.  4,  19)  nicht  an.  Vgl.  Beitr. 
27,  118  f. 

100.  flauts.  Falls  flauts  zu  an.  fljöta  u.s.w.  gehörte, 
würde  es  kaum  etwas  anderes  als  'fliessend'  bedeutet  haben. 
Darum  kann  ich  Grienberger  s.  70  nicht  beistimmen. 

101.  födjan.  Mit  recht  stellt  man  hierher  das  nicht  von 
lat.  pasco  zu  trennende  aksl.  pasq  (anders,  aber  verfehlt  Zu- 
bat y.  Aich.  f.  sl.  phil.  13, 478  ff.  und  Verf.,  Et.  wb.  der  got.  spr.1 
s.  39).  Ueber  das  Verhältnis  von  fodjan  zu  aksl.  pitati  s.  Ost- 
hoff. Suppletivweseu  s.  55  f.  Reichelt,  KZ.  39, 12. 

102.  fötubaürd.  Grienberger  s.  71  ist  wol  auf  der  rich- 
tigen spur.  Ich  stelle  germ.  *borda-  aus  *bhrdho-  zu  aind. 
bardh-  'abschneiden',  bardhaka-,  bardhaki(n)-  'Zimmermann'. 
Dazu  auch  ahd.  bret,  ags.  brcd,  mnl.  bert,  das  von  Wiedemann 
(BB.  28, 35  f.)  nach  dem  vorgange  Ficks  anders  beurteilt  wird? 
Slav.  *bürti  'waldbienenstock',  das  Schräder  (Reallex.  s.  88)  mit 
¥borda-  vergleicht,  ist  unklar.  Auch  Stokes  (KZ.  35, 151)  und 
Bugge  (Beitr.  24, 453  f.)  befriedigen  nicht. 

103.  fragij).  Grienbergers  erklärung  (s.72)  ist  wol  jeder 
andern  vorzuziehen.  Dem  von  ihm  construierten  *fragjan  stellt 
sich  aksl.  prositi,  prosa  (*prosig)  an  die  seite. 

104.  fragildan.  Wahrscheinliche  beziehungen  ausserhalb 
des  germ.  sind  noch  nicht  gefunden;  nur  dieses  steht  fest,  dass 
wir  gildan  auf  grund  von  aschw.  gjalla  auf  indog.  *ghelt-  oder 
*ghelt-  zurückführen  müssen,  weshalb  aksl.  ilcdq,  als  lehnwort 
zu  betrachten  ist  (vgl.  Osthoff,  IF.  4,  268  ff.).   Es  wird  aber 


Digitized  by  Googl 


Zl'M  GOTISCHEN  WORTSCHATZ 


277 


erlaubt  sein,  das  freilich  erst  spät  auftretende  und  prakritisch 
gestaltete  aind.  haUa-  (*harta-)  'markt'  mit  gildan  zu  ver- 
binden. Als  indog.  grundforni  von  hatta-  ist  dann  entweder 
*yhelto-  (*ghelto-)  oder  *gholto-  anzusetzen  (vgl.  got.  gild,  an. 
gjald  u.s.w.  aus  einer  endungsbetonten  form  mit  c-stufe).  Siebs' 
versuch,  gildan  mit  sJculan  zu  vermitteln  (KZ.  37,  320)  lehne 
ich  ab. 

105.  frahinpan.  Um  hinpan  seiner  wz.  *km-  'capere' 
anzupassen,  erklärt  Wiedemann  (BB.  27, 197  f.)  den  dental  für 
ableitend.  Unsicher. 

106.  fraisan.  Das  wort  ist  eher  mit  Brugmann  (Grundr. 
1»  925),  Wood  (Mod.  lang,  notes  16, 309)  und  Hoffmann  (FEPA2S, 
abh.  für  August  Fick  s.  38)  als  eine  Zusammensetzung  mit  fra- 
aufzufassen  als  mit  Bugge  (Beitr.  24, 435  f.)  und  Hirt  (Ablaut 
s.  121)  zu  gr.  xttQa,  xttQuco,  lat.  expcrior  u.s.w.  zu  stellen. 
Wiedemann  (BB.  28, 48)  entscheidet  sich  nur  gegen  Bugges 
auffassung  der  lautverhältnisse,  aber  auch  Hirts  wz.  *perei-  ist 
zu  hypothetisch. 

107.  fraitc.  Obwol  unsicher,  ist  Hirts  versuch  fraitc  mit 
gr.öjrc/pra  zu  vermitteln  (Ablaut  s.  112),  nicht  nur  allen  ältern 
erklärungen,  sondern  auch  Wiedemanns  gleichung  fraiw  :  lat. 
pracgnans  (BB.  28, 43  f.)  vorzuziehen. 

108.  fraslindan.  Grienbergers  vergleich  von  lit.  sklendziu, 
sklfsti  1.  'fliegen,  schweben',  2.  'eine  flüssigkeit  so  in  ein  ge- 
fäss  giessen,  dass  es  überfliesst'  (s.  74),  ist  semasiologisch  un- 
wahrscheinlich. Vermutlich  haben  wir  es  im  lit.  mit  zwei 
etymologisch  verschiedenen  verba  zu  tun.  Zum  zweiten  sklendziu 
('giesse,  dass  es  überfliesst')  stelle  ich  an.  ags.  hland  'urin', 
indem  ich  von  einer  wz.  *(s)klendh-  ausgehe  (anders  über  hland 
Zupitza,  Germ.  gutt.  s.  118).  Was  fraslindan  betrifft,  mag  die 
erklärung  aus  indog.  *sleidh-  'gleiten'  das  richtige  treffen,  denn 
eine  passende  wz.  *slendh-  kann  ich  nicht  nachweisen.  Oder 
verhält  fraslindan  sich  zu  ags.  forglendrian  ähnlich  wie  ags. 
slidan  zu  gltdan,  ohne  mit  den  letztgenannten  Wörtern  zusammen- 
zuhängen? Vgl.  Johansson,  Beitr.  14, 326  und  Siebs,  KZ.  37, 320. 

109.  fraweitan.  Woods  anschauung  über  die  bedeutungs- 
entwicklung  der  wz.  *ueid-  (Publ.  of  the  mod.  laug,  assoc.  of 
America  14,324.  Mod.  lang,  notes  16,24)  teile  ich  nicht,  Lit. 
vaidas  'zank,  streit'  ist  wol  nicht  mit  ahd.  triff if  as.  witi,  ags. 

Beiträge  rar  geschiebte  der  deutschen  spräche.    XXX.  \[) 


Digitized  by  Google 


278 


t'HLEXBECK 


tci'tc,  an.  viti  'strafe'  zu  verbinden,  sondern  eher  mit  der  ur- 
sprünglichen bedeutungr  'Zwiespalt'  zur  wz.  *ueiedh-  (in  aind. 
vidhyati  ils.w.)  zu  stellen.  Analoga  sind  russ.  razdor  und  aind. 
bhtda-. 

110.  freis.  Wie  die  bedeutung  'frei'  sich  aus  'lieb'  ent- 
wickeln konnte,  zeigt  Schräder  (Reallex.  s.  80G).  Wir  brauchen 
also  nicht  mit  Wood  (Mod.  lang,  notes  16, 310)  freis  von  aind. 
priyd-  zu  trennen.  Wood  meint,  dass  freis  die  indog.  präpo- 
sition  *pro-  enthalten  könne;  warum  aber  lautet  das  wort  dann 
nicht  *fraija-? 

111.  frisahts.  Gegen  Grienbergers  erklärung  von  frisahts 
als  abstractum  zu  saihan  (s.  75 f.)  spricht  vor  allem  das  o, 
denn  ein  indog.  *$ok*ti-  zu  *seku-  ist  —  wie  er  schon  selbst 
hervorhebt  —  doch  wenigstens  befremdend.  Auch  Brugmann 
(1F.  13, 104),  der  das  wort  in  fris-aiits  zerlegt  und  -ahts  mit 
gr.  0915  gleichsetzt,  indem  er  die  wz.  *okv-  sonst  noch  in  oha 
und  seinen  verwanten  widerzufinden  meint,  vermag  mich  nicht 
zu  überzeugen,  weil  doch  die  sippe  von  aha  und  ahd.  ahtön, 
dem  -ahts  in  fris-ahts  sich  besonders  nahe  anschliessen  würde, 
etwas  gauz  anderes  als  'sehen'  bedeutet. 

112.  fula.  Die  Zugehörigkeit  von  \&t.jmllus  ist  nicht  ganz 
sicher  und  wir  können  auch  darüber  zweifeln,  ob  das  u  von 
fula  auf  u  oder  ,  zurückgeht  (vgl.  Hii%  Ablaut  s.  39.  Stolz,  IF. 
15,  G7).  Nur  letzternfalls  darf  alban.  pjeX  'zeuge,  gebäre'  heran- 
gezogen werden. 

113.  gabaurjaba.  Das  adjectiv  gabaurja-  'lustig,  willig', 
wozu  *gabaurjön  'sich  belustigen',  gabaurjöpus  'lust,  vergnügen', 
ist  nicht  als  ableitung  von  gabaür  'schmaus'  verständlich  und 
überhaupt  ist  es  fraglich,  ob  es  etwas  mit  bairan  zu  tun  habe. 
Gehört  gabaurja-  (gabaurja-?)  mit  der  ursprünglichen  bedeutung 
'erregt,  stürmisch'  in  die  sippe  von  an.  byrr,  ags.  byre  'gün- 
stiger wind',  aksl.  burja  'stürm',  lat.  furo,  furia,  furor  (s.  weiter 
Et,  wb.  der  aind.  spräche  s.  203  s.v.  bhurdti)?  Anders  Kluge6 
8.136  s.v.  gebühr. 

114.  gadaula.    Grienberger  s.  78  erklärt  gadauka  als 
'zusammen  eintunkend',  während  Meringer  (IF.  16, 142  f.),  der 
Grienbergers  Vermutung  auf  grund  culturhistorischer  data  mit 
recht  verwirft,  an  das  'ducken  in  dieselbe  hütte'  denkt  Eher 
&  (jadanfai  als  'bodengenosse'  aufzufassen  und  gehört  es, 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ 


279 


entweder  mit  k  aas  vorgerm.  g  oder  aber  mit  h  aus  kk  aus 
vorgerm.  gn,  zu  lit  dügnas  'boden',  das  schon  von  Zupitza 
(Germ.  gutt.  s.  161),  aber  unter  ganz  andern  Voraussetzungen, 
zusammen  mit  gadauka  erwähnt  wurde.  Es  wird  ein  mit 
*flatja-  (Schade  s.  204  a)  synonymes  *daula-  anzunehmen  sein, 
wozu  gadaukan-  wie  gahlaiban-  zu  hlaiba-.  Leider  ist  uns  kein 
*gaflatjan-  (ags.  *$eflet(a,  ahd.  *gaflezzo  :  ags.  flett,  ahd.  flezzi) 
überliefert,  das  sich  in  allen  hinsichten  mit  unserem  worte  ver- 
gleichen Hesse. 

115.  gafaürds.  Gegen  die  auffassung  von  gafaürds  als 
'Zusammenkunft'  könnte  man  höchstens  anführen,  dass  das 
germ.  sonst  nur  *fardi-  (ags.  fierd,  ahd.  fart),  nicht  aber  *furdi- 
als  abstractum  zu  faran  gebraucht.  Jedenfalls  ist  Grienbergers 
etymologie  (s.  80  f.)  abzulehnen. 

116.  gafaurs.  Nicht  mit  faran  zu  verbinden  sind  gafaurs 
'gesittet,  enthaltsam'  und  unfaurs  'ungesittet,  geschwätzig' 
(Grienberger  s.  81  überzeugt  mich  nicht).  Wood  (Mod.  lang, 
notes  16,  310)  vergleicht  gr.  xavQot,  xava>,  ohne  auf  die  be- 
deutungsentwicklung  einzugehen.  Vielleicht  aber  geht  -fauri-, 
dessen  eigentliche  bedeutung  'rein'  gewesen  sein  kann,  auf 
*pöuari-  zurück,  und  gehört  es  mit  lat.  pürus  zur  indog.  wz. 
*peuä  'reinigen,  läutern'.  Aber  auch  wenn  das  wort  -fauri- 
(nicht  -fauri-)  lautete,  können  wir  an  die  wz.  *peuü  anknüpfen, 
denn  kurzer  sch wundstuf envocal  liegt  in  aind.  pundti  vor. 

117.  gagrefts.  Obwol  die  allermeisten  nomina  actionis 
auf  4h  tiefst ufenform  der  wurzel  zeigen,  wird  es  doch  erlaubt 
sein,  gagrefts,  gagreif ts  mit  Wood  (Mod.  lang,  notes  16,  310) 
als  solch  ein  nomen  zu  grcipan  aufzufassen,  denn  durch  an- 
lehnung  an  das  imperfectpräsens  entstandene  vollstufige  //-ab- 
stracta  sind  nicht  unerhört.  Darum  ist  kein  genügender  grund 
vorhanden,  mit  Grienberger  s.  83  f.  ein  *grepan  als  grundlage 
von  gagrefts,  gagreifts  anzunehmen. 

118.  gairu.  Lit.  galre,  das  Zupitza  (Germ.  gutt.  s.  171) 
heranzieht,  kann  aus  einer  ableitung  von  germ.  *$aiza-  (an. 
gmr,  ags.  gar  u.s.w.)  entlehnt  sein.  Vielleicht  gehört  gairu 
mit  *zaiza-  und  andern  Wörtern  (vgl.  Grienberger  s.  85  f.)  zu 
aind.  hinöti  'setzt  in  bewegung,  treibt  an,  schleudert'. 

119.  galeiks.  Mit  recht  bemerkt  Wood  (Mod.  lang,  notes 
18,15),  dass  die  annähme  von  urverwantschaft  zwischen  lit. 

19* 

Digitized  by  Google 


278 


rm, EN  BECK 


des  letzteren  Wortes 
At.   Darum  trenne  ich 
wnen  nächsten  verwarten 


xc He,  an.  vtti  'strafe'  zu  verbinden 
sprünglichen  bedeutung  'z wiespal ' 
vidhyati  u.  s.  w.)  zu  stellen.  Anal 

bheda-.  ^Aöinmlichen  weise  ans  ga- 

llo, freis.   Wie  die  be       ^n  g  auf  indog  ^  zurQck. 

idt  *tiqqi-  'ähnlich,  angenehm' 

'J^BR  (BB.  28, 41  f.)  trennt  gamaijts 
>«S  mit  an.  meiöa  'verletzen,  ver- 
,iflch  nach  Zupitzas  bemerkungen 


wickeln  konnte,  zeigt  Sehr: 
also  nicht  mit  Wood  (M< 
priyd-  zu  trennen.  W( 
sition  *j>ro-  enthalten  1 
nicht  *fraija-? 

111.  frisahts 
als  abstractum  zu 
denn  ein  indog. 
hervorhebt  —  «' 
(1F.13, 164),  c1 
gl*,  otpu  glei< 
und  seinen 
zu  überzeu 
dem  -ahts 
etwas  gr 
11? 
sicher 
fula  a 
15, 07 
gezo 


identifizieren  möchte.    Auch  sonst 


i  '  £  begriff  der  körperlichen  Verletzung 
entwickelt  (vgl.  an.  mein  'Verletzung. 
''ad''  me^nn  'körperlichen  schmerz  ver- 
rj  **V*</>  'ändern'  u.s.w.;  ähnlich  wird  aind. 
nach  für  'gebrechen,  krankheit,  wunde' 


^         Die  von  Torbiörnsson  (Die  gemeinster. 
\     |     herangezogenen  serb.  mlaviti  'schlagen', 
^o^  j^te  zum  reif  gehören  wol  zunächst  zn 
$P  $  Entscheidend  für  meine  auffassung  von 
^ i*  *L    klruss.  mlavvi  'schwach'  (Miklosich  s.  198). 


W( 

i>- 
Ii 


mit 


0. 


Zji.0^*  mir  aber  sehr  fraglich  ist  (bei  Dal  und  Pis- 
■       nar  tn1janJJ)-    I™  letzten  gründe  sind  bliggtean 
ejnander  verwant  (s.  Wood,  Mod.  lang,  notes 

Auf  grund  der  abweichenden  bedeutungen 
-        Genossenschaft,  genösse'  und  an.  gaman,  ags. 
Ifflan  'freude'  als  zwei  verschiedene  Wörter 
*\1  #    vjfl.  Wadstein,  IF.  5, 8.  Grienberger  s.  87.  Wiede- 
^0t*  9mmn  ^t  gewis  ursprünglich  ein 
/fl    $-*h*0in(i'  m  u.s.w.,  und  ich  vermute, 

^ti^  ^  *ltn  neutrum  man  'maneipium'  sich  ähnlich 

flf».  Pieses  wor*  habe  *cn  schon  früher  be- 
w  ^''^120).    Lat.  nimbus  'regen,  regenschauer, 

.heo  l^'r'das  ^Vood  (Am-  i°urn- of  Phil- 21> 179)  hierher 

1      .<     flt'Pe  4    »liat«    mit    noüolinliT     7iir   W»  *ftchh~ 


>lk«*B<fUC"iH>rt  ener  m^  nasalinfix  zur  wz. 
re^'^h^-  ^  .  rtfjt'bj,  aind.  nubhas  u.s.w. 


1.  -**  f 


Die 


in 

be- 


Google 


g  vi«.  «1.- ./  i.  1       -.-a  T-r  r.-rzr 


Jim  WiIb  i  La  ^r-t-i^r  n  -  ...  j.  ytl  «.  ..  *i 
terger 

127.  f«#:c  |f  J  i.  i  1     I.fc*  .r-  ...     i<  V  l  LIir  öts«tT  « j 

äa^MLkei'^s  «ttL  V  ~c~f      IT  £  -~ .-  fL  :»rir*:rJ  mx 

von  Fuss,  straia  tr:~~ZL.  }•  Ii.  /-  ;i.  T-fJt  ic-:»ta  ^r-.c. 

s^ro/a  ich  ni  L;  IZipSL  kftXl- 

128.  gatarnyj*.  zvzm  t-tctll'TZLT  IT.  ;w  17*1  is:  i  J- 
Mgeben.  Zweifle*  ri.i^  E:C  U^ri  :?  i.  Vrl 
auch  Wood  «Ifod.  Ulf.        Ii'.  cl .  . 

129.  gatveo.  Mit  i£.  2^  ?.:-:Z  Tilrsri-eiil::-  v;n 
an-9a/,  ags-jeaf,  &&  ^u*  zn  tnü«L  Ausser  tri*.  *>;  i-  >:^k«s» 
l>kelt.  Sprachschatz  &.  IOoi  ist  axh  zr.  z  ^  -weide*  .Sc Iraker. 
Reallei.  s.  %39j  heranzuriTir^. 

130.  gaumjan.  Warum  GrieLberger  s.$o  die  erkUntng 
von  gaumjan  aus  *ga-(a)Hmjan  (vgl  noch  Johansson,  Nord, 
studier,  Uppsala  11*4.  s.  461)  *h«Vh>t  unwahrscheinlich'  findet 
»t  nicht  zu  ersehen.  Was  er  selbst  beibringt,  i>t  äusserst 
zweifelhaft.  Mhd.  giuden  -großtun,  prahlen,  in  geräuschvolle 
freude  sein,  Verschwendung  treiben',  das  Grienberger  mit 
'juumjan  verbinden  möchte,  stelle  ich  vermutungsweise  in  lit, 


Digitized  by  Google 


280  ÜHLENBECK 

lyyus  'gleich'  und  galeiks  der  erklärung  des  letzteren  Wortes 
als  'dieselbe  gestalt  habend'  widerspricht.  Darum  trenne  ich 
—  anders  als  Wood  —  lygas  mit  seinen  nächsten  verwanten 
von  galeiks,  das  ich  nach  der  altherkömmlichen  weise  aus  ga- 
und  Utk  erkläre.  Zu  lyyns,  dessen  g  auf  indog.  gu  zurück- 
gehen kann,  gehört  wol  nur  kelt.  *Uqqi-  'ähnlich,  angenehm 
(Stokes,  Urkelt.  Sprachschatz  s.  251). 

120.  gamaips.  Wiedemann  (BB.  28, 41  f.)  trennt  gamaifc 
von  maidjan  und  verbindet  es  mit  an.  meiöa  'verletzen,  ver- 
stümmeln', das  ich  aber  auch  nach  Zupitzas  bemerkungen 
(BB.  25, 98  f.)  mit  maidjan  identifizieren  möchte.  Auch  sonst 
hat  sich  gelegentlich  der  begriff  der  körperlichen  Verletzung 
aus  dem  des  veränderns  entwickelt  (vgl.  an.  mein  'Verletzung, 
beschädigung,  krankheit',  meinn  'körperlichen  schmerz  ver- 
ursachend1 zu  aksl.  meniti  'ändern'  u.s.w.;  ähnlich  wird  aind. 
vikara-  'Veränderung'  auch  für  'gebrechen,  krankheit,  wunde 
gebraucht). 

121.  gamalwjan.  Die  von  Torbiörnsson  (Die  gemeinslav. 
liquidametathese  1, 89)  herangezogenen  serb.  mlaviti  'schlagen, 
slov.  mlava  'haselrute  zum  reif  gehören  wol  zunächst  zu 
bliggtvan  (s.  no.  64).  Entscheidend  für  meine  auffassuug  von 
mlaviti,  mlava  wäre  klruss.  mlavyj  'schwach'  (Miklosich  s.  198). 
dessen  existenz  mir  aber  sehr  fraglich  ist  (bei  Dal  und  Pis- 
kunov  finde  ich  nur  mljavyj).  Im  letzten  gründe  sind  bliggican 
und  malte jan  mit  einander  verwant  (s.  Wood,  Mod.  lang.  note> 
15,  327). 

122.  gamun.  Auf  grund  der  abweichenden  bedeutnngen 
sind  got.  gaman  'genossenschaft,  genösse'  und  an.  gaman,  ag> 
Samen,  as.  ahd.  gaman  'freude'  als  zwei  verschiedene  Wörter 
zu  betrachten  (vgl.  Wadstein,  IF.  5, 8.  Grienberger  s.  87.  Wiede- 
mann, BB.  27, 202).  Got.  gaman  ist  gewis  ursprünglich  eit 
collectivum  zu  mana-  in  manasefcs  u.s.w.,  und  ich  vermute 
dass  auch  das  altn.  neutrum  man  'maneipium'  sich  ähnlich 
(aus  *g-mana-)  erklären  lässt. 

123.  ganipnan.  Dieses  wort  habe  ich  schon  früher  be- 
sprochen (Beitr.  27, 120).  L&t  nimbus  'regen,  regenschauer. 
regenwolke,  nebel',  das  Wood  (Am.  journ.  of  phil.  21, 179)  hierher 
stellen  möchte,  gehört  eher  mit  nasalinfix  zur  wz.  *nehh-  in 
lat.  nebirfa,  gr.  viqoq,  vtf/t'Xr],  aind.  ndbhas  IL  S.W.    Die  bc- 


Digitized  by  LiOOQle 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


281 


dingungen,  unter  welchen  c  im  lat.  zu  i  wurde,  sind  freilich 
noch  nicht  genau  bekannt. 

124.  gansjan.  Auch  die  jüngsten  versuche,  dieses  hoff- 
nungslose wort  zu  deuten  (vgl.  Grienberger  s.  89  f.  Wiedemann, 
13B.  27, 204  f.)  sind  als  gescheitert  zu  betrachten. 

125.  garedan.  Dass  indog.  *redh-  aus  *re-  weitergebildet 
ist,  lässt  sich  nicht  erweisen,  weshalb  Woods  combinationen 
(Mod.  lang,  notes  17, 10)  als  haltlos  bezeichnet  werden  müssen. 

126.  garchsns.  Wood  (Journ.  of  germ.  phil.  2,229)  ver- 
bindet garehsns  mit  röhsns,  welches  wort  ich  (Beitr.  27, 129  f.) 
seitdem  als  ein  ni  -  abstractum  zu  aind.  rdkshati  erklärt  habe, 
ohne  aber  entfernteren  Zusammenhang  mit  lit,  rdkmti  'schliessen' 
u.s.w.  zu  leugnen.  Wie  aber  denkt  Wood  sich  die  bedeutungs- 
entwicklung  von  garehsns?  Hätten  wir  von  der  bedeutung 
'das  schliessen'  auszugehen?  Aber  raksh-  bedeutet  nur  'schützen' 
und  'wehren',  nicht  aber  -schliessen'.  Ich  glaube,  dass  wir 
garehsns  zunächst  —  und  vielleicht  überhaupt  —  von  röhsns 
trennen  müssen.  Im  gegensatz  zu  röhsns  wird  garehsns  ein 
««-abstractum  sein,  aber  zu  welchem  verbum?  Vgl.  ausser 
Wood  a.a.O.  noch  Diefenbach  (Vergl.  wb.  2, 169)  und  Grien- 
berger s.  91. 

127.  gastaurknun.  Russ. strögij  ist  wol  aus  dieser  sippe 
auszuscheiden  (vgl.  Mikkola,  IF.  6,  349  ff.,  dessen  beurteilung 
von  russ.  straza  neben  storöza,  poln.  straz,  straza  neben  ströz, 
stroza  ich  nicht  billigen  kann). 

128.  gatarnjan.  Bugges  Vermutung  (IF.  5, 174  f.)  ist  auf- 
zugeben. Zweifellos  richtig  Holthausen  (IF.  14,  340  f.).  Vgl. 
auch  Wood  (Mod.  lang,  notes  16, 310). 

129.  gatwö.  Mit  an.  gata  ist  gatwö  wahrscheinlich  von 
an.  gat,  &gs.geat,  as.gat  zu  trennen.  Ausser  kelt.  *gad-  (Stokes, 
Urkelt.  Sprachschatz  s.  105)  ist  noch  gr.  x«£0)  '  weiche'  (Schräder, 
Keallex.  s.  839)  heranzuziehen. 

130.  gaumjan.  Warum  Grienberger  s.  95  die  erklärung 
von  gaumjan  aus  *ga-(a)umjan  (vgl.  noch  Johansson,  Nord, 
studier,  Uppsala  1904,  s.  461)  'höchst  unwahrscheinlich'  findet, 
ist  nicht  zu  ersehen.  Was  er  selbst  beibringt,  ist  äusserst 
zweifelhaft.  Mhd.  giuden  'grosstun,  prahlen,  in  geräuschvoller 
freude  sein,  Verschwendung  treiben',  das  Grienberger  mit 
gmmjan  verbinden  möchte,  stelle  ich  vermutungsweise  zu  lit. 


282 


UHLENBECK 


gawUiit,  gaOsti  'sausen,  summen,  heulen,  weinen,  jammern',  apsi- 
gaüdes  'angetrunken'. 

131.  gaunön.  Eine  ähnliche  bildung  wie  gaunön  ist  bei 
indog.  *gheuä  'rufen'  sonst  nicht  nachgewiesen  (serb.  zovnuti 
'einmal  rufen'  kann  nicht  in  betracht  kommen).  Dennoch  ist 
die  Zugehörigkeit  zu  dieser  wurzel  kaum  zu  bezweifeln  und 
auch  Grienberger  s.  95  entscheidet  sich  dafür.  Nur  ist  Iii 
zave'ti  'zaubern'  vielleicht  aus  dem  kreise  der  verwanten  Wörter 
zu  streichen  (s.  Leskien,  IF.  13, 117  ff.).  Froehde's  etymologie 
(BB.  21, 325  ff.)  ist  wegen  der  klar  hervortretenden  schall- 
bedeutung  von  gaunön  ganz  unwahrscheinlich  (über  lat.  ßnus 
s.  Osthoff,  IF.  5, 296  ff.). 

132.  gaurs.  Ist  an.  gaurr  'elender  kerl'  mit  got.  gaurs 
identisch  oder  gehört  es  in  die  sippe  von  ags.  gor  'schinutz' 
(vgl.  Franck  s. 309  s.v.  goor)?  Gegen  Grienberger  s. 96  be- 
merke ich,  dass  gaurs  nicht  von  air.  gür  .?.  ger  (Stokes,  IF. 
12,192)  und  von  slav.  *zuriti  'betrüben'  losgerissen  werden 
kann.  Auch  as.  gornön,  gnornön,  grornön,  ags.  gornian,  xnor- 
nian,  grornian  beurteilt  er  schief,  denn  wir  haben  auf  grund 
von  as.  gruri,  ags.  sryre  von  einer  grundform  mit  r  —  r  aus- 
zugehen, wodurch  Zusammenhang  mit  gaurs  oder  mit  ags.  gor 
ausgeschlossen  ist.  Falls  wgeini.  *grur~  (*gror-)  auf  *gnu-, 
indog.  *ghrus-  zurückgeht,  kann  slav.  *gruchati  'krachen'  (Mi- 
klosich  s.  80)  verwant  sein.  Auch  das  mehrdeutige  slav.  *gru.€t 
'kummer'  liesse  sich  zu  wgerm.  *grur-  stellen. 

133.  gaici.  Das  wort  kaun  auf  indog.  *ghou%o-  zurück- 
gehen und  eine  ableitung  von  *gheuä  'rufen'  sein.  Die  be- 
(leutungsentwicklung  wäre  dann  'ruf  >  'gerichtsbann,  heer- 
bann'  >  'gerichtsbarkeit  und  deren  gebiet'  >  'gau'  (vgl.  hd. 

ann,  gebiet).  Anders  Schräder  (Keallex.  s.  799).  Grienberger 
s.96.  Scheftelowitz  (BB.28,310). 

134.  gawidan.  Aus  dem  slav.  vergleiche  ich  aksl.  sü-vaditi 
'jüngere',  sü-vada  'streit'  (wozu  sit-vaditi,  su-vazdati  'dissociare'). 
Aksl.  sü-vada  'streit'  verhält  sich  ähnlich  zu  *uedh-  'binden', 
sü-vaditi  'jüngere'  wie  aind.  *samyuga-  'kämpf  zu  yundjmi,  lat. 
jungo  (wozu  auch  got.  jiuhan).  Man  könnte  süvada  'streit' 
freilich  auch  zu  aind.  vad-,  väda-,  vi-väda-  stellen,  aber  dies  ist 
doch  nicht  so  wahrscheinlich  wie  die  anknüpfung  an  gatcidan. 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


283 


Vgl.  über  *uedh-  'binden'  sonst  noch  Noreen,  Uppsalastudier 
8. 197.  Fick,  BB.  28, 106.  Meringer,  IF.  16, 177.  [17, 142  f.]. 

135.  guter isqan.  Wood  (Jonrn.  of  germ.  phil.  2,  231  f.) 
meint,  gawrisqan  könne  doch  mit  aind.  vracc-  zusammenhängen: 
wir  hätten  nur  anzunehmen,  dass  dem  germ.  verbum  ein  nominal- 
stamm zu  gründe  läge,  der  sowol  'a  hewing  off  wie  'that  which 
is  hewn  or  plucked  off,  fruit'  bedeutete.  Aber  dann  wäre  ga- 
wrisqan doch  wol  schwach  gewesen,  was  ich  auf  grund  von 
an.  roskinn  —  trotz  Grienberger  s.  96  f.  —  für  äusserst  unwahr- 
scheinlich halte.  Zu  cymr.  gwrysg(en),  das  Stokes  (ürkelt 
Sprachschatz  s.  286)  hierher  stellt,  vgl.  Foy,  IF.  6, 323.  Auch  aind. 
trkshd-  ist  ferne  zu  halten.  —  Mit  unrecht  hat  Peters  (Gotische 
conjecturen,  Leitmeritz  1879,  s.  8  ff.)  gawrisqand  ändern  wollen. 

136.  gazds.  Grienberger  s.  97  möchte  aksl.  gvozdl  für  ein 
lehnwort  aus  dem  germ.  halten.  Aber  wie  erklärt  er  dann 
das  v  des  sla vischen  Wortes?  Bei  der  annähme  von  urverwant- 
schaft  könnte  man  an  alte  doppelformen  mit  und  ohne  u  denken. 
Auch  der  bedeutungsunterschied  (' Stachel'  —  'nagel,  keil')  lässt 
sich  bei  urverwantschaft  besser  begreifen.  —  Ueber  ags.  gierd 
vgl.  jetzt  Sievers,  Zum  ags.  vocalismus  s.  24  ff. 

137.  geigan.  Anders  als  Grienberger  s.  81  f.  halte  ich 
geigan  für  eine  ähnliche  reduplicationsbildung  wie  reiran.  Also 
gei-gai-  wie  rci-rai-  und  gei-g-ö  wie  rei-r-ö.  Schon  Leo  Meyer 
(Got.  spräche  s.  17)  hat  bei  geigan  an  reduplication  gedacht.  — 
Vgl.  zu  geigan  noch  Meringer,  IF.  16, 135. 

133.  gibla.  Die  ohne  ethnikon  bei  Hesych  überlieferte 
glosse  yaßaXuv  .  kyxtyaXov  ?}  xe(pafo}v  gehört  wahrscheinlich 
nicht  hierher  (s.  Hatzidakis,  IF.11,319). 

139.  gilpa.  Vgl.  zu  meinen  bemerkungen  (Beitr.  27, 120  f.) 
Niedermann,  IF.  15, 106  f. 

140.  göPs.  Lagercrantz  (KZ.  35, 287  ff.)  vergleicht  ein  gr. 
*X«rob\  Aber  warum  sollten  wir  göda-  von  slav.  goditi  trennen? 

141.  gramjan.  Zu  indog.  *ghrem-  stellt  Hoffmann  (BB. 
25, 108  f.)  noch  gr.  x«QM>  das  entweder  'kampfbegier'  oder 
'kämpf  bedeutet.  Zweifelsohne  gehört  yaQ^}  zu  was 
auch  von  Prellwitz  s.354  und  Leo  Meyer  (Griech.  etym.  3, 304) 
verkannt  wird.  Man  denke  nur  an  aind.  rdna-,  wobei  sich 
ebenfalls  die  bedeutung  'kämpf  aus  'freude'  entwickelt  hat. 
Mit  gramjan  hat  x^QM  nichts  zu  tun. 


Digitized  by  Google 


284 


U HL EN BECK 


142.  gramst.  Mit  recht  vergleicht  Diefenbach  (Vergl.wb. 
2,  427)  die  sippe  von  lit.  gremidu,  gremsiti  'laut  schaben; 
grdmdyti  'ausschrapen';  nur  ist  zu  bemerken,  dass  wir  -st  in 
gramst  als  suffixal  zu  betrachten  haben.  Gramst  bedeutet 
also  eigentlich  '  schabsei ',  nicht  'das  knirschende,  knackende, 
rauschende',  wie  G  Hellberger  s.  98  f.  annimmt.  Die  wz.  *ghrem- 
vereinigt  —  ähnlich  wie  *skreb-  —  die  bedeutungen  'rauschen' 
und  'schaben'.  Wie  Wood  (Mod.  philology  1,  236)  sich  die 
bedeutungsentwieklung  von  gramst  zurechtlegt,  ist  aus  seiner 
kurzen  darstellung  nicht  ersichtlich. 

143.  gras.  Ich  möchte  gras  und  mhd.  gntosc  nicht  gern 
von  ahd.  gruoan,  gruoni  trennen.  Vermutlich  ist  die  zu  gründe 
liegende  wurzel  als  *ghrö-  anzusetzen  und  als  eine  nebenform 
von  *yldö-  in  gr.  gAcopcfc,  xXvq  zu  betrachten.  Dann  aber  ist 
lat.  grämen,  dessen  a  nicht  recht  passen  will,  wol  ferne  zu 
halten.  Auch  Hoffmann  (BB.  26, 141)  bemerkt,  dass  grämen 
nicht  sicher  mit  gras  zusammengehört,  sondern  auch  andere 
erklärungen  zulässt.  Vielleicht  ist  grämen  mit  germen  ver- 
want  (Persson,  WurZelerw.  s.  123  f.),  aber  an  verwantschaft  mit 
as.  kr  ad,  ahd.  hat  'kraut',  das  zu  ags.  crudan  und  gr.  ßovo) 
gehört  (s.  Beitr.  27, 126),  ist  aus  mehreren  rücksichten  nicht 
zu  denken.  Auch  mit  gr.  yQinmq  ( :  -/quo,  aind.  gras-)  lässt 
grämen  sich  nicht  verbinden. 

144.  gretan.  Die  gleichung  gretan  :  aind.  hräd-  wäre  mit 
bestimmtheit  abzulehnen,  wenn  Meillet  (MSL.  10,280)  mit  ge- 
nügendem gründe  hräd-  zu  gr.  y/da^a  und  dor.  xtxXaönv  stellte. 
Das  ist  aber  nicht  der  fall,  denn  es  liegt  viel  näher,  hräd; 
Hrädüni'  mit  aksl.  gradü  zu  verbinden.  Gr.  ydXa^a  ist  mehr- 
deutig: vielleicht  trifft  Solmsen  (Arch.  f.  sl.  phil.  24, 579)  das 
richtige.  Auch  was  gretan  betrifft,  bleiben  wir  zwischen  ver- 
schiedenen möglichkeiten  schwanken  (vgl.  noch  Johansson,  IF. 
14, 278.  Wiedemann,  BB.  27, 239  f.  Wood,  Mod.  philology  1, 237). 

145.  grids.  Nach  Siebs  (KZ.  37, 321)  wäre  grids  zu  einer 
indüg.  wz.  *ghreidh-  zu  stellen  und  mit  ahd.  scritan,  scrit  ver- 
want,  Aber  wie  vertragen  lat.  gradior  u.  s.  w.  sich  mit  Siebs' 
Vermutungen?   [Vgl.  jetzt  H.  Schroeder,  Beitr.  29, 553]. 

146.  grundu.  Zweifelnd  vergleicht  Siebs  (KZ.  37, 322) 
die  gruppe  von  lit.  grindls  'dielenbrett',  aksl.  grqda  'balken', 
gegen  welche  auffassung  vor  allem  das  adjectiv  an.  grunnr 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


285 


'seicht'  angeführt  werden  muss.  Auch  sein  zweiter  erklärungs- 
vorsehlag,  der  an  lit.  grimstu,  grimsti  anknüpft,  ist  unsicher 
(vgl.  mein  Et.  wb.  der  got,  spr.'2  s.  120  s.  v.  qrammipd).  Vgl.  über 
grundu-  Beitr.  27, 121  f. 

147.  gunds.  Holthausens  gleiehung  gunds  :  gr.  xarftvkn 
(KZ.  28, 282)  ist  nicht  ohne  bedenken,  denn  xarfrvlrj  ist  viel- 
leicht mit  xctv&6c  verwant,  das  wegen  aksl.  latu  auf  Hantho- 
znrückgeführt  werden  muss  (vgl.  Prellwitz  s.  137).  Ganz  un- 
wahrscheinlich ist  Grienbergers  auffassung  von  gunds  als  eine 
participialbildung  zu  gr.  yiw  (s.  100  f.).  Falls  die  bedeutung 
'eitergeschwür'  sich  aus  'durch  einen  schlag  verursachte  wunde' 
entwickelt  haben  kann,  so  dürfen  wir  gunds  als  ein  -fo-parti- 
cipium  der  wz.  *guhcn-  'schlagen'  betrachten  und  es  mit  aind. 
hatn-  gleichsetzen.  Das  früher  von  mir  mit  gunds  verglichene 
rofig.  zud  1  jucken'  steht  wol  begrifflich  zu  ferne. 

148.  gup.  Das  vielumstrittene  gujt  ist  nicht  mit  Wood 
(Mod.  lang,  notes  16, 310)  zu  aksl.  goveti  zu  stellen,  denn  dieses 
hatte  ursprünglich  eine  nicht  so  beschränkte  bedeutung  wie 
•religiöse  vereri'  :  vgl.  czech.  hoveti  'pflegen',  obersorb.  hovic 
'günstig,  dienlich  sein',  serb.  ugoveti  'es  einem  recht  machen, 
befriedigen'  (Miklosich  s.  75)  und  ferner  lat.  foverc  (Zupitza, 
Germ.  gutt.  s.  172)  oder  lat,  farerc  (Wood,  Publ.  of  the  mod. 
lang,  assoc.  of  America  14,326).  Noch  unwahrscheinlicher  ist 
Meringers  erklärung  von  gu}>  als  'trankopfer'  zu  gr.  ^tw  (IF. 
16, 153). 

149.  haban.  Nach  Zupitza  (KZ.  37, 387  ff.)  bestünde  zwi- 
schen Jiabere  und  haban  dasselbe  Verhältnis  wie  zwischen  aind. 
hrd;  avest,  zwd-  und  aind.  rrad-,  gr.  xaQÖia,  lat.  cor,  got, 
Juiirtö.  Aber  wenn  haban,  hafts  zu  lat.  capto,  capitis  gehören 
(vgl.  IF.  13,216),  ist  das  Verhältnis  nicht  ganz  dasselbe,  denn 
*ghabh-  und  *kap-  weichen  auch  im  auslaut  von  einander  ab. 
Für  Zupitza  ist  das  freilich  keine  Verhinderung,  uralten  Zu- 
sammenhang anzunehmen.  Und  wer  weiss,  ob  er  nicht  im 
rechte  ist?  Ein  greifbares  resultat  lässt  sich  auf  dem  von 
ihm  eingeschlagenen  wege  kaum  erreichen.  Wie  dem  aber 
auch  sei,  mit  got.  gäbet  'reichtum',  das  nicht  von  giban  ge- 
trennt werden  darf  (vgl.  no.  36),  hätte  Zupitza  habere  nicht 
verbinden  sollen. 

150.  haidus.  In  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche  -  s.69  ist 


Digitized  by  Google 


2Rß 


UHLENBECK 


lit.  skaidrüs  wegen  seines  d  im  wurzelauslaut  zu  streichen  (es 
gehört  mit  lett,  skaidrs  zu  lit.  skedziu  'scheide'). 

151.  haifsts.  Grienberger  s.  104  s  tel  1 1 haifsts  zu  Kit szeptis, 
szaipytis  'die  zähne  fletschen,  das  gesteht  spottend  verziehen'. 
Aber  wir  dürfen  haifsts  und  an.  heipt  doch  kaum  von  a?s. 
hebst,  heeste,  ahd.  heisti  trennen,  für  deren  bedeutungen  die 
gesichtsverzerrung  kein  geeigneter  ausgangspunkt  ist.  Nach 
Grimm  (s.  Diefenbach,  Vergl.  wb.  2, 506  f.)  und  Grienberger  s.  232 
wären  die  westgerm.  Wörter  freilich  mit  ushaista  zu  verbinden, 
das  aber  nicht  'ohne  heftigkeit'  oder  ähnliches  bedeutet,  son- 
dern das  griechische  töTtQq&elg  übersetzt. 

152.  haihs.  Ir.  caech  'blind  of  an  eye'  und  leth-caech 
'with  one  eye  asquint'  (s.  Stokes,  KZ.  37, 254  f.)  sind  nicht  von 
einander  zu  trennen,  denn  die  bedeutungen  'einäugig'  und 
'schielend'  lassen  sich  beide  aus  einer  grundbedeutung  'schief 
erklären  (vgl.  einerseits  russ.  krivöj  1.  'schief,  krumm',  2.  'ein- 
äugig', andererseits  russ.  kosöj  1.  'schräg,  schief,  2.  'schielend'). 
Aus  'einäugig'  hat  sich  bei  lat.  caecus  weiter  die  bedeutun? 
'blind'  entwickelt  Wenn  nun  indog.  *kaiko-  (mit  zwei  velaren 
k  wegen  aind.  kekara  'schielend')  ursprünglich  'schief  bedeutet 
hat,  wird  gr.  xaixtüc,  das  Prellwitz  s.  133  wie  lat,  aquilo  : 
aquilus  :  lit.  aklas  als  'der  dunkele'  erklären  möchte,  ferne  zn 
halten  sein  (vgl.  Leo  Meyer,  Griech.  etym.  2, 239). 

153.  haimöpli  Germ.  *öj>ala}  *ö]>ila-  'erbsitz',  wozu  mit 
-/0-suffix  got.  haimdjdi,  ist  gewis  eine  secundäre  vrddhi-ableitung 
von  germ.  *a])ala-  '(edles)  geschlecht'  und  hat  ursprünglich  'auf 
das  geschlecht  bezüglich,  dem  geschlechte  angehörig'  bedeutet. 
Es  ist  also  eigentlich  ein  adjectiv  wie  aind.  käula-  (=  ktdina  ) 
zu  kula-.  lieber  die  etymologie  von  *a]>ala-  s.  Schräder,  Real- 
lex.  s.  815.   Anders  über  haimöjdi  u.s.w.  Grienberger  s.  104  f. 

154.  haims.  Ich  muss  Grienberger  s.  105  zugeben,  dass 
die  baltischen  mit  k  anlautenden  Wörter  stark  der  entlehnung 
aus  dem  germ.  verdächtig  sind. 

155.  h  air da.  Auch  hier  kann  entlehnung  der  baltoslav. 
Wörter  aus  dem  germ.  vorliegen  (vgl.  zuletzt  Osthoff, Parerga  1.9). 

15G.  hairpra.  Mit  aksl.  crcsla  'lumbi'  {*kert-slo  )  wird 
hairpra  nichts  zu  tun  haben.  Für  Zusammenhang  mit  hairlö 
dagegen  spricht  das  nebeneinander  von  germ.  */*er/>ra-  und 
*hre})ra-,  dem  das  Verhältnis  von  got.  hairtö  und  aind  grad- 


Digitized  by  Googl 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


287 


entspricht.  Vgl.  aber  auch  Wood  (Mod.  lang,  notes  17,  8),  der 
die  gleichung  hairpra  :  haürds  durch  analoga  stützt. 

157.  haitan.  Dem  artikel  in  meinem  Et.  wb.  der  got. 
spräche2  s.  70  f.  ist  ein  hinweis  auf  Brugmann  (IF.  6,94)  und 
Hoff  mann  (rEPA2,  abh.  für  August  Fick  s.  40  f.)  hinzuzufügen. 

158.  haiza-.  Grienbergers  auffassung  von  haha-  als 
*kaid-so-  zu  lat.  caedere  u.s.w.  (s.  106  f.)  scheitert  an  dem  z. 
Aus  *kaid-so-  hätte  doch  wol  nur  *hais(s)a-  entstehen  können! 

159.  hakids.  Wie  schon  Diefenbach  (Vergl.  wb.  2,  513) 
andeutet,  gehört  hakuls  wahrscheinlich  zu  gevm.Viakan-  'haken', 
so  dass  der  mantel  von  den  Germanen  nach  der  fibula  benannt 
wäre  (vgl.  Schräder,  Reallex.  s.  433.  S.  Müller,  Nord,  altertums- 
kunde,  Sachregister  s.  v.  Iii gelnadeln).  Anders  Kluge6  s.  166 
und  Justi  (Zs.  fda.  45, 421),  nach  denen  hakuls  mit  einem  namen 
der  ziege  zu  verbinden  wäre;  wider  anders  Grienberger  s.  107, 
der  das  wort  als  eine  ableitung  von  an.  haha  'kinn'  betrachtet. 

160.  halbs.  Im  gegensatz  zu  Grienberger  s.  107  f.  und 
Wood  (Am.  journ.  of  phil.  23, 195  f.)  bleibe  ich  dabei,  das  b  als 
wurzelhaft  zu  betrachten,  denn  ich  sehe  gar  keinen  grund, 
die  alte  gleichung  halbs  :  aind.  kalp-  aufzugeben.  Pedersen 
(KZ.  38, 374)  stellt  halbs  freilich  zu  aksl.  chlapü,  chlaku,  chlasiü, 
als  deren  ursprüngliche  bedeutung  er  'unpaar'  ansetzt,  aber 
wie  ich  IF.  16, 93  ff.  dargetan  habe,  steht  die  ganze  hypothese 
Pedersens  über  slav.  ch  aus  indog.  kh  auf  zu  schwachen  füssen. 

161.  haldis.  Eher  mit  gramm.  Wechsel  zu  an.  hallr,  ags. 
kahl,  ahd.  hald  'geneigt'  (Diefenbach,  Vergl.  wb.  2,  517  f.)  als 
zu  haldan  (Grienberger  s.  108  f.). 

162.  halis.  Holthausens  Vermutung  (IF.  14, 340),  obwol 
semasiologisch  ansprechend,  ist  wegen  des  hypothetischen  Cha- 
rakters des  adjectivs  *hals  —  gr.  xoXog  zu  unsicher.  Halis 
könnte  auch  zu  einem  worte  für  'mühe'  oder  'not'  gehören 
(vgl.  aind.  krcchrcna,  krcchräd,  duhkhena,  duhkhäd  u.  dgl.). 

163.  halks.  Ist  'leer'  die  eigentliche  bedeutung  des  Wortes, 
dann  kann  sich  diese  aus  'hohl'  entwickelt  haben  (vgl.  Diefen- 
bach. Vergl.  wb.  2, 519  f.  Grienberger  s.  109  f.)  und  dürfen  wir 
an  ags.  hole  'hollow,  cavity'  und  weiter  an  die  sippe  von  got. 
ushulön  anknüpfen.  Andere,  mir  nicht  wahrscheinliche  Ver- 
mutungen findet  man  bei  Zupitza  (Germ.  gutt.  s.  107),  Pedersen 
(KZ.  38, 374  f.)  und  Wood  (Am.  journ.  of  phil.  23, 195). 


288 


rilLENBECK 


164.  hals.  Stokes  (IF.  12, 187)  hat  indog.  Hoho-  auch  im 
keltischen  widergefunden  (air.  coli  ,t  ccann).  Dagegen  ist  aksl. 
klasu  'ähre',  das  ebenfalls  auf  eine  grundform  *kolso-  zurück- 
geht, von  hals  zu  trennen  und  eher  als  eine  ableitung  von 
aksl.  koljy,  klati  zu  betrachten  (s.  Solmsen.  Beitr.  27, 366). 

165.  halt 8.  Sicher  verwant  sind  russ.  koldyka,  koldykati, 
weshalb  die  erklärungsversuche  Woods  (Ani.journ.of  phil.  23, 196) 
und  Pedersens  (KZ.  38, 374)  als  niüssig  zu  bezeichnen  sind.  Vgl. 
noch  Stokes  (Urkelt.  Sprachschatz  s.  82). 

166.  handugs.  Nach  Grienberger  s.  110  wäre  handugs 
mit  lit.  kdndu  'beisse'  verwant,  das  aber  mit  gr.  tuhMMb 
'beisse,  kratze',  xvcodaXop  'schädliches,  gefährliches  tier,  xvojöwr 
'zahn  am  jagdspiess'.  xvtbdög  'zapfen,  achse'  (eig.  'zahn1)  auf 
eine  indog.  wurzel  mit  auslautender  media  hinweist,  wozu  das 
(/  von  handugs  nicht  stimmt  (vgl.  Prellwitz  s.  154.  Leo  Meyer. 
Griech.  etym.  2.  330  f.  Hirt,  Ablaut  s.  93).  Eine  sichere  er- 
klärung  von  handugs  ist  noch  nicht  gefunden  (vgl.  neuesten* 
H.  Kern,  Tijdschr.  voor  ned.  taal-  en  letterk.  20, 245  f.  Wiede- 
inann, BB.  27, 198). 

167.  handtts.  Was  hat  Zupitza  (Germ,  glitt,  s.  183)  doch 
eigentlich  dagegen,  hatidus  mit  hinpan  zu  verbinden?  Für 
diese  erklärung  spricht  die  analogie  von  gr.  #/(>,  armen.  cbepn, 
alban.  dort  'band'  :  aind.  hdrati  'nimmt'.  Vgl.  noch  Wiede- 
mann  (BB.  27, 198).  Anders,  aber  nicht  überzeugend,  Grien- 
berger s.  110,  der  den  schon  von  Zupitza  als  nicht  sehr  wahr- 
scheinlich bezeichneten  vergleich  von  apr.  kuntis  'faust'  ver- 
teidigt und  lit,  khnste  (wozu  Brugmann,  Grundr.  I3.  410)  hin- 
zufügt. 

168.  hansa.  Zupitza  (Germ.  gutt.  s.  109)  und  Helm  (Beitr. 
29, 194  ff.)  treffen  darin  zusammen,  dass  sie  beide  hansa  zu 
lat.  cvnsirc  stellen.  Wie  Zupitza  sich  die  bedeutungsentwick- 
lung  denkt,  ist  nicht  deutlich  zu  ersehen,  Helm  aber  bat 
seine  etymologie  semasiologisch  zu  begründen  versucht  indem 
er  alle  in  historischer  zeit  begegnende  bedeutungen  auf  'die 
abschätzung  oder  auch  das  durch  die  abschätzung  ermittelte 
mass,  den  wert  oder  die  menge  eines  dinges1  zurückführt 
Grossen  nachdruck  legt  Helm  auf  den  umstand,  dass  hansa  in 
den  Urkunden  des  mittelalters  zuerst  in  der  bedeutung  'Handels- 
abgabe'  gebraucht  wird,  welche  sich  ungezwungen  aus  *ab- 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ.  289 

Schätzung'  erklären  lässt.  Von  'abschätzung'  zu  'menge,  schar' 
zu  gelangen,  scheint  mir  aber  nicht  so  leicht.  Wiedemann 
(BB.  27, 212)  will  hansa  auf  *kont-sä  zurückführen  und  mit 
hinfian  verbinden,  wodurch  freilich  die  von  ihm  nicht  berück- 
sichtigte bedeutung  Handelsabgabe'  ebenso  gut  wie  bei  der 
Helm'schen  auffassung  erklärt  würde.  Aber  wie  hätte  die 
bedeutung  'menge,  schar'  sich  aus  'fang'  entwickeln  können? 

169.  hatis.  Ahd.  häzussa  'hexe'  hat  nichts  mit  luitis  zu 
schaffen  (s.  Franck,  Geschichte  des  wortes  hexe  s.  34  ff.  gegen 
Xoreen,  IF.  4, 324  ff.). 

170.  haubij).  Das  wort  ist  nicht  mit  Berneker  (IF.  10, 152) 
und  Scheftelowitz  (BB.  28,  157  f.)  von  lat.  caput  zu  trennen, 
sondern  sein  diphthong  ist  vielmehr  mit  Zupitza  (Germ.  gutt. 
s.  104)  dem  einfluss  eines  begrifflich  identischen  oder  wenig- 
stens bedeutungsverwanten  Wortes  zuzuschreiben.  Grienbergers 
abweichende  erklärung  (s.  111),  welche  voraussetzt,  dass  *kaput 
sich  im  germ.  zu  *haud  entwickelt  hätte,  lässt  sich  lautlich 
nicht  rechtfertigen. 

171.  hauns.  Wie  man  aus  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche2 
s.  75  ersehen  kann,  fehlt  es  nicht  an  befriedigende  anknüpfung 
ausserhalb  des  germanischen.  Der  alten  gleichung  got.  Antut* 
=  lett.  kauns  —  gr.  xavvoq  '  xaxog  keine  rechnung  tragend, 
schlägt  Meillet  (Etudes  sur  l'etym.  et  le  vocab.  du  vieux  slave 
1, 174)  etwas  neues  vor,  indem  er  hauns  mit  aksl.  chudü,  armen. 
xun  und  gr.  xovpog  auf  eine  mit  kh  anlautende  wurzel  zurück- 
führen möchte.  Ob  chudü  und  xun  mit  einander  zusammen- 
hängen, will  ich  nicht  entscheiden;  was  den  anlaut  betrifft, 
könnten  sie  sich  gegenseitig  verhalten  wie  slav.  *ch(xitl :  armen. 
xind,  xand  (s.  IF.  16, 96),  aber  warum  sollen  wir  chudü  denn 
eigentlich  von  aind.  kshudrd-,  kshödati  trennen?  Gr.  xoi^og 
ist  zu  vieldeutig,  als  dass  es  ernstlich  für  die  beurteilung  von 
hauns  in  betracht  käme.  Ich  bleibe  ruhig  bei  der  alten  ety- 
mologie,  umsomehr  weil  ich  nicht  glaube,  dass  kh  durch  slav.  ch 
vertreten  wird.  Meillet  beruft  sich,  abgesehen  von  den  bereits 
(IF.  16, 93  ff.)  erledigten  beispielen,  noch  auf  aksl.  chochotati  : 
armen,  xaxankh  :  aind.  kakhati  :  gr.  xaxd^co,  welche  Wörter 
am  besten  als  schallnachahmungen  der  einzelsprachen  auf- 
gefasst  werden,  und  auf  aksl.jjfäft  ' kahlheit '  :  lit,  'kahl', 
wo  wir  wol  doch  mit  entlehnung  seitens  der  Litauer  (pttkas 


290 


ÜHLENBECtf 


aus  slav.  *plXchü,  vgl.  czech.  plchy)  zu  tun  haben.  Biese  ent- 
lehnung  hätte  aber  schon  in  alter  zeit  stattgefunden.  Es 
Hesse  sich  zwar  auch  denken,  dass  slav.  *plech-,  *pllch-  auf 
*ploik-s-,  *plik-s-  zurückginge  und  mit  lit.  pMas  urverwam 
wäre.  Nur  werden  wir  nicht  zu  einer  wz.  *phxhh-  unsere  Zu- 
flucht nehmen  dürfen,  um  den  offenbaren  Zusammenhang  der 
slav.  Wörter  mit  lit,  pDhas  zu  erklären. 

172.  ha  um.  Air.  com,  das  aus  dem  lateinischen  stammen 
wird  (s.  Osthoff,  Parerga  1,39),  darf  nicht  als  beleg  von  indog. 
or  angeführt  werden.  So  werden  got,  haürn  und  lat,  comu 
einander  näher  gerückt,  denn  beiden  können  formen  mit  r  zu 
gründe  liegen. 

173.  hausjan.  Der  oft  angenommene  Zusammenhang  mit 
ausö  (s.  zuletzt  Grienberger  s.  111)  ist  ganz  unwahrscheinlich. 
Vgl.  Berneker  (IF.  10,  151)  und  Bezzenberger  (BB.  27, 145  f.). 

174.  hc])jö.  Verwantschaft  mit  lat.  catinus  und  gr.  xorvXt;, 
deren  gegenseitiges  Verhältnis  ebenfalls  der  klärung  bedarf, 
ist  recht  zweifelhaft.  Vielleicht  hat  Grienberger  s.  112  f.  das 
richtige  getroffen. 

175.  Hilms.  Von  ur verwantschaft  mit  lit.  szdlmas,  apr. 
salmis  'heim',  das  durch  slav.  Vermittlung  aus  dem  germ. 
stammt  (s.  Brückner,  Die  slav.  fremdwörter  s.  140  und  Miklo 
sich  s.  338),  darf  kaum  die  rede  sein,  denn  die  wz.  *iel-  'ver- 
bergen', woraus  szdlmas  hätte  neu  gebildet  werden  können, 
ist  dem  baltoslav.  sonst  ganz  fremd  und  an  ein  aus  indog. 
urzeit  ererbtes  wort  für  'heim'  zu  denken,  ist  culturhistorisch 
nicht  gerechtfertigt  (vgl.  Schräder,  Reallex.  s.  3G4  ff.).  Tor- 
biörnsson  (Die  gemeinslav.  liquidametathese  1, 100)  hätte  den 
zunächst  klruss.  Ursprung  von  szdlmas  nicht  anzweifeln  sollen. 

176.  himins.  Mit  E.Schröder  (s.Solmsen,  KZ.  37, 590,  fuss- 
note  2)  ist  as.  ahd.  himil  durch  dissimilation  der  zwei  benach- 
barten nasale  zu  erklären,  so  dass  nicht  an  besondere  engen 
Zusammenhang  mit  gr.  xfjtXtftoov  zu  denken  ist.  Grienberger 
s.  113  erklärt  die  J-form  richtig,  aber  in  seiner  auffassung  von 
himina-  als  einem  medialparticip  zu  einem  germ.  *hf-  'leuchten' 
kann  ich  ihm  bei  der  äusserst  fraglichen  existenz  dieses  *hi- 
(denn  hhvi  ist  anders  zu  erklären!)  nicht  folgen.  Mit  grösserer 
bestimmtheit  als  früher  sehe  ich  in  himins  ein  altes  wort  für 
'decke'  (wie  lit.  dangus  zu  dengiit),  denn  das  a  von  camisia 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTI>CHTy  WvET?CElTT. 


dürfte  kein  unüberwindliches  hiL:er~is  s^b.  cn  rir  * 
eine  e-wnrzel  anzunehmen. 

177.  hindar.  Wiederum  (BB.27.  lv^<  «*Leint  i^imv, ,'<f* 
von  hindar  zu  trennen,  was  durcLa^s  hl^lIv^z  is~.  VrL  über 
Äwtfar  u.s.  w.  Osthoff.  Parenra  L  *2ö9  f. 

178.  Ä/aitr.  Meringer  (TF.  16. 117  ü»  iLriüT.  die  S'aven 
hätten  ihr  chlerü  'stall'  aus  got  Mai*  entlehnt:  und  das  zu 
einer  zeit,  wo  das  germ.  wort  noch  'wohnhaus.  hürte*  bedeutete. 
Aber  ist  Matte,  das  in  keinem  dialekte  etwas  anderes  als 
'(grab)hüger  oder  'grab*  bedeutet,  jemals  eine  bezeiebnung 
des  Wohnhauses  gewesen?  Es  liegt  doch  viel  näher,  die  be- 
deutung  von  Matte  unmittelbar  mit  der  vun  lat.  citrus  zu  ver- 
binden. Auch  Grienbergers  auffassung  von  hlaitc  als  iager 
(der  toten)'  (s.  37)  tragt  dem  engen  Zusammenhang  von  hlaitc 
und  chrus  keine  rechnung. 

179.  hleibjan.  Vielleicht  lässt  die  Sippe  von  hie ibjan  sich 
mit  aksl.  slepu  'blind'  (aus  *kloipo-?)  auf  eine  wz.  *k1ap-  'be- 
decken, verhüllen'  zurückführen.  Anders  über  hleibjan  Grien- 
berger  s.  116  und  Wood  (Am.  journ.  of  phil.  23, 197).  über  slepu 
Miklosich  &  307. 

180.  hleipra.  Meringer  (IF.16,120)  legt  sich  die  tatsachen 
besser  zurecht  als  Grienberger  s.  117.  Nur  möchte  man  für 
hleipra  und  hlija  dieselbe  bedeutungsentwicklung  voraussetzen. 
Zu  hlijans  (Vilitcans?)  vgl.  noch  Stokes,  IF.  12, 186  f. 

181.  hneitcan.  Einer  andeutung  Cosijns  (Tijdschr.  voor 
ned.  taal-  en  letterk.  8,  247)  folgend,  könnte  man  die  frage 
stellen,  ob  hneitcan  nicht  mit  aksl.  niknqti,  nicati  'pronum  esse' 
verwant  sei.  Das  fehlen  eines  k  im  slav.  anlaut  Hesse  sich 
etwa  durch  dissimilation  (*knik-  >  ntfe-)  erklären.  Slav.  nik- 
lässt  sich  aber  auch  anderswo  unterbringen  (vgl.  Cosijn  a.a.O. 
und  Verf.,  Et.  wb.  der  aind.  spräche  s.  151  s.  v.  nyän).  Zu  hneitcan 
vgl  Brugmann,  Grundr.  I2, 680. 

182.  hnupö.  Grienberger  s.  118  beurteilt  hnujtö  wol  richtig. 
Verwantschaft  mit  gr.  xrt&og  ist  dadurch  aber  nicht  aus- 
geschlossen, wenn  wir,  abweichend  von  Thumb  (KZ.  36, 190  ff.), 
dem  griech.  worte  ein  indog.  *knutho-  zu  gründe  legen. 

183.  hölön.  Die  beste  Übersetzung  von  hölön  ist  wol  'ver- 
leumden' (s.  Grienberger  s.6f.).  Von  den  bei  Diefenbach  (VergL 
wo.  2, 593)  herangezogenen  Wörtern  kommen  die  folgenden  in 


202 


ÜHLEKBECK 


betracht:  ags.  hol  1  Verleumdung',  hölian  'verleumden',  holunga, 
holinxa  'vergebens',  ahd.  huolian  'frustrari',  an.  hol  'lob,  eigen- 
lob,  prahlerei',  häla  'preisen,  prahlen'.  Die  grundbedeutnng  der 
ganzen  sippe  ist  offenbar  'gerede,  geschwätz',  weshalb  wir  am 
besten  von  einer  schallwurzel  ausgehen.   Ich  vergleiche  lett. 

0 

hilft t  'schwatzen',  lit.  kalbä  'rede',  kalbü,  kalbet  i  'reden',  gr. 
xaXtoj  'rufe',  lat.  caläre  'rufen'  (=  ahd.  Jialön),  aind.  kala- 
'undeutlich  vernehmbar,  leise  tönend'  u.s.w.,  wozu  auch  lat. 
calumnia  'Verleumdung'.  Die  von  Wood  (Journ.  of  germ.  phiL 
2,215)  und  Grienberger  a.a.O.  versuchte  anknüpfung  an  ahd. 
helan  scheitert  an  den  bedeutungen  der  mit  hölön  verwanten 
germ.  Wörter.   Auch  gr.  xrjXtco  ist  wol  ferne  zu  halten. 

184.  hraiwadübö.  Hraiwa-  ist  noch  stets  dunkel.  Woods 
vergleich  von  lit.  krelvas,  aksl.  krivü  'schief,  krumm'  (Mod. 
lang,  notes  18. 15)  befriedigt  nicht  und  auch  Wiedemann  (BB. 
28, 31  ff.)  bietet  uns  nichts  zwingendes.  Das  von  Stokes  (Ur- 
kelt.  Sprachschatz  s.  97)  herangezogene  air.  cri  'fleisch,  leib'  ist 
lautlich  mehrdeutig,  könnte  aber  höchstens  mit  hraiwa-  wurzel- 
verwant  sein  (nach  Wiedemann  a.  a.  o.  wäre  *krexo-  die  grund- 
forra  von  cri).  Ist  hraiwa-  'leiche'  etwa  mit  aind.  kltbä-  'un- 
vermögend, entmannt,  unmännlich,  verzagt,  feig'  zu  vergleichen? 
Dann  wäre  klibd-  (mit  b  aus  v)  auf  ein  indog.  *kriitö-  zurück- 
zuführen, womit  hraiwa-  (aus  *kr6i<>uo-?)  im  ablaut  stehen 
könnte.  Die  bedeutung  'leiche'  hätte  sich  aus 'schwach'  oder 
'verstümmelt'  entwickelt.  Die  jüngsten  versuche  Bugges  (Beitr. 
24,  427  f.)  und  Grienbergers  (s.  119),  hraiwa-  mit  lit.  kraüjas 
u.s.w.  zu  vermitteln,  hat  auch  Wiedemann  a.a.O.  mit  recht 
abgelehnt. 

185.  hröps.  Wood  (Mod.  lang,  notes  16,310)  vergleicht 
an.  hrapa  'stürzen,  eilen',  das  aber  eher  mit  russ.  korobiti 
'krümmen',  czech.  krabiti  'hohlrund  machen,  falten'  auf  einer 
wz.  *kcreb-  'vertere'  beruht,  [Vgl.  jetzt  H.Schroeder, Beitr. 29,528]. 

18G.  hröt.  Sehr  ansprechend  identificiert  Liden  (Nord, 
studier,  Uppsala  1904,  s.  432  ff.)  hröt  mit  iran.  *sräda-,  npers. 
saräy,  saräi,  sarä  'palast',  das  nach  ausweis  der  aus  dem  pers. 
entlehnten  semit.  Wörter  ursprünglich  'tak  eller  betäckt  rum' 
bedeutet  hat.  Ganz  sicher  ist  Lidens  etymologie  aber  nicht, 
denn  hröt  könnte  auch  mit  aksl.  krada  'rogus,  fornax,  altare' 
verwant  sein  (Bezzenberger,BB.27, 170).  Alle  älteren  erklärungs- 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


293 


versuche  von  hröt  —  auch  derjenige  Wiedemanns,  IF.  1, 194  — 
sind  abzulehnen  [vgl.  noch  H.  Schroeder,  Beitr.  29, 520]. 

187.  hugs.  Das  mit  kugs  verwante  gahugds  ist  immerhin 
der  annähme,  dass  das  g  aus  einer  indog.  tenuis  entstanden 
sei  (vgl.  jetzt  noch  Scheftelowitz,  BB.  28, 282. 312),  nicht  günstig. 
Brugmann  (Grundr.  l',406.  2,1275,  fussnote)  sucht  sich  die  laut- 
verhältnisse  irgendwie  zurechtzulegen,  aber  es  ist  doch  ein- 
facher, von  einer  wz.  *keugh-  auszugehen.  Wird  mit  hugs  der 
geist  etwa  als  'der  versteckte'  bezeichnet  und  dürfen  wir  aind. 
kuh-  'verstecken'  in  kuhaka-  'gaukler,  taschenspieler;  gaukelei, 
betrügerei',  kuhara-  'höhle',  kühn-  'neumond'  heranziehen? 
Dazu  vielleicht  auch  slav.  *kuzlo  'zauberei'  (s.  Miklosich  8.150), 
das  sich  nicht  gut  als  lehnwort  erklären  lässt  und  dagegen 
ausgezeichnet  zu  aind.  kuhaka-  'gaukler;  gaukelei'  passen 
würde.  Dann  wäre  die  wurzel  als  *keugh-  anzusetzen  und  der 
artikel  kuhakas  in  meinem  Et.  wb.  der  aind.  spräche  s.  Ol  danach 
zu  berichtigen.  Zur  erläuterung  der  begrifflichen  seite  erinnere 
ich  an  die  uralte  Vorstellung,  dass  die  seele  in  der  gestalt 
eines  kleinen  menschen  oder  tieres  im  körper  versteckt  sei. 
Nach  meiner  Vermutung  wäre  hugs  eigentlich  so  viel  als  der 
antarapürusha-  der  alten  Inder  (vgl.  Mbh.  3,297, 17  tatah  Ha- 
tyavatah  käyät  pägabaddham  vagam  gatam  \  ahgushthamatrum 
purusham  nigcaicarsha  Yamö  balät). 

188.  hunds.  Ausführlich  Osthoff,  Parerga  1, 199  IT.  Seine 
etymologie  hunds  :  faihu  überzeugt  mich  nicht  und  Ich  glaube 
kaum,  dass  wir  den  uralten  namen  des  hundes  jemals  befrie- 
digend erklären  werden.  Der  hund  ist  das  älteste  liaiiHÜeY 
und,  wenn  indog.  *k(u)uon-  ursprünglich  'pecuarius'  hedoUtet 
hätte,  so  müsste  es  einen  andern  ältern  namen  verdrängt  haben, 
womit  der  hund  in  der  jägerperiode  bezeichnet  winde. 

189.  hunsl.  Ich  möchte  hunsl  {?kunt-slo-'S)  nicht  gern  von 
lit.  szveütas,  aksl.  svtfü,  avest.  spmta-  'heilig'  trennen.  Melden« 
erklärung  von  hunsl  als  'tötung'  zu  gr.  wdrot  (l  l>:i>AXt  ftbk. 
für  August  Fick  s.  294  ff.)  ist  zu  farblos.  Noch  anders  (irien- 
berger  s.  121  f. 

190.  hüs.  Scheftelowitz  (BB.  28, 150)  stellt  hüs  mit  an. 
hauss  'schädel'  zu  aind.  gushi-,  das  'höhlung  eines  rohrs'  be- 
deutet und  vielleicht  besser  sushi-  geschrieben  wird.  Aber 
auch  wenn  das  wort  gushi-  lautete,  so  kann  es  doch  auf  sushi- 

Beitrage  tur  geschichte  der  deutsches  ipracbc    XXX.  20 


Digitized  by  Google 


294 


MHLENBECK 


zurückgehen,  ähnlich  wie  cuslika-  (=  avest.  huska-)  aus  *su$hka- 
entstanden  ist.  Mit  an.  hauss  hat  cushi-  nichts  zu  schaffen, 
denn  hauss  entspricht  vielmehr  dem  aind.  kösha-  'behälter. 
Was  hüs  betrifft,  sehe  ich  keinen  grund,  den  gedanken  an 
Zusammenhang  mit  huzd  aufzugeben  (vgl.  Brugmann,  Grundr. 
1  >,  704). 

191.  kaiteis.  Vgl.  Wiedemann  (BB.  27, 213,  fussnote),  der 
ohne  genügenden  grund  haiteis  von  keits  trennt.  Ich  halte  lit, 
kvetijs  nach  wie  vor  für  ein  lehnwort.  Das  Verhältnis  kretiß 
'weizenkorn'  :  kveceiat  'weizen'  erklärt  sich  durch  das  vorbild 
der  andern  getreidenamen. 

192.  keits.  Es  ist  unnötig,  bei  der  erklärung  von  keits 
zu  der  annähme  einer  contamination  seine  Zuflucht  zu  nehmen, 
wie  Meillet  (Ktudes  sur  Tetym.  et  le  vocab.  du  vieux  slare 
s.  179)  es  neuerdings  getan  hat.  —  Zu  krimgot.  wichtgata  vgl. 
Loewe  (IF.  13, 9  f.),  dessen  ansieht  ich  nicht  teilen  kann. 

193.  köpan.  In  der  sippe  von  ahd.  houf  begegnet  uns 
nirgends  die  indog.  lautfolge  *kuäb-  (*kuäp-\  weshalb  die  sema- 
siologisch  unwahrscheinliche  etymologie  Grienbergers  (s.  124  f.) 
auch  in  lautlicher  hinsieht  keine  empfehlung  verdient  Eher 
könnte  man  fragen,  ob  köpan  nicht  irgendwie  zur  wz.  *keuep- 
'sieden,  wallen;  hauchen;  rauchen;  heftig  bewegt  sein,  zürnen, 
begehren'  (s.  mein  Et.  wb.  der  aind.  spräche  s. 58  s.v.  kupyati) 
gehören  könnte,  denn  diese  zeigt  auch  in  afkapjan,  apvaptwn 
germ.  p. 

194.  ibns.  Bisher  gibt  es  über  *ebna-  nur  unsichere  Ver- 
mutungen (vgl.  Johansson,  Beitr.  15,229  t  Grienberger  s.  125  f. 
Wiedemann,  BB.  28, 73  f.).  Falls  das  e  auf  vorgerm.  •  zurück- 
geht und  das  b  nicht  aus  m  entstanden  ist,  kann  *etna-  mit 
ahd.  -eiba,  langob.  -aib  'gau'  verwant  sein,  denn  die  bedeutung 
'gau'  lässt  sich  wol  aus  'ebene'  erklären.  Anders  über  -eiba, 
-aib  Liden,  Stud.  zur  aind.  und  vergl.  sprachgesch.  s.  52  ff. 

195.  iddja.  Ags.  eode  ist  fernzuhalten  (vgl.  Sievers,  Zum 
ags.  vocalismus  s.  52.  Holthausen,  IF.  14, 342). 

1 96.  infeinan.  W enn  infeinan,  wie  Grienberger  s.  1 27  f. 
vermutet,  ursprünglich  der  ablautsreihe  von  beitan  angehört, 
so  ist  es  kaum  mit  der  von  demselben  gelehrten  herangezogenen 
sippe  von  faian  zu  vermitteln.  Auch  begrifflich  ist  Grien- 
bergers etymologie  äusserst  gezwungen. 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ, 


295 


197.  intrusgjan.  Die  hauptschwierigkeit  ist  die  laut- 
folge sg.  Eine  brauchbare  etymologie  ist  mir  nicht  bekannt 
(vgl.  zuletzt  Grienberger  s.  130.  Schräder,  Reallex.  s.  586). 

198.  inu.  Grienbergers  bemerkungen  (s.  130  f.)  enthalten 
nichts,  was  neu  und  richtig  zugleich  wäre.  Holthausen  (IF. 
14,341)  möchte  auch  lat.  sine  zu  inu  stellen;  es  gehört  aber 
eher  in  die  sippe  von  sundrö. 

199.  inwidan.  Wie  inwidan  sich  begrifflich  mit  gawidan 
vermitteln  Hesse  (vgl.  Grienberger  s.  131),  verstehe  ich  nicht. 
Bedeutet  das  in  inwidan  enthaltene  widan  eig.  'leer  machen' 
oder  ähnliches  und  gehört  es  mit  indog.  i  zu  aind.  vidhura- 
1  vereinsamt,  ermangelnd,  mangelhaft,  elend,  widerwärtig',  vidhü- 
' vereinsamt  (?),  mond',  vindhdte  'mangelt'?  Hierher  auch  got. 
mdutcö,  aind.  vidhdvä,  lat.  viduus,  vidua  u.s.w.  Got.  in-wida 
wäre  ein  indog.  aoristpräsens  *uidhö,  doch  hätte  sich  im  ablaut 
wahrscheinlich  an  gawida  (*uedhö)  angelehnt. 

200.  iumjö.  Die  etwas  künstliche  erklärung  Johanssons 
(Beitr.  15,  230  f.)  ist  wol  aufzugeben  (vgl.  Bezzenberger,  BB. 
21,316,  fussnote.  Grienberger  s.  134.  Brugmann,  IF.  13, 155). 

201.  iusila.  Sowol  iusila  wie  iusiza  sind  nicht  recht  klar 
(vgl.  noch  Bartholomae,  IF.  5, 221,  fussnote.  Cromhout,  Leidener 
doctoralthese  15.  oct.  1900).  Wenn  Cromhout  iusila  'avtctq1  mit 
recht  von  iusiza  wisan  l6iafftQnv'  trennt,  so  stehen  uns  noch 
andere  wege  zur  erklärung  offen.  Wir  könnten  z.  b.  vermuten, 
dass  die  bedeutung  'linderung'  sich  bei  iusila  aus  'labung  des 
dürstenden',  also  aus  'befeuchtung'  oder  dergl.  entwickelt  hätte, 
und  an  die  wz.  *eues-  'feucht'  (s.  Johansson,  IF.  2, 63)  anknüpfen. 

202.  ja.  Auch  die  neuesten  erklärungsversuche  (Grien- 
berger s.  134  f.  Solmsen,  IF.  14, 436)  befriedigen  nicht, 

203.  jer.  Die  Vermutung  Schräders  (Reallex.  s.  395),  dass 
jcr  ursprünglich  die  zeit  bezeichnet  habe,  in  dem  man  sich  zu 
Wanderungen  oder  zum  ziehen  auf  die  weide  aufmachte,  ist  zu 
unsicher. 

204.  jiuleis.  Zu  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche 2  s.  91  f. 
(vgl.  Beitr.  27, 123  f.)  ist  noch  nachzutragen,  dass  Kögels  er- 
klärung von  an.  jol  aus  *ieu-lo-  zu  lat.  Julius  und  lit.  jaünas 
u.s.w.  (Gesch.  der  deutschen  lit.  1, 1, 37  f.)  abzulehnen  ist,  weil 
sie  der  ags.  form  seohhol  keine  rechnung  trägt. 

20* 


ÜHLENBECK 


205.  jukuzi.  Der  vergleich  von  lat.jw</erMm  ist  aufzugeben 
(s.  Noreen,  IF.  4, 325.  Streitberg,  IF.  14,  494  f.). 

206.  Jcalbö.  Wechsel  der  reinvelaren  und  labiovelaren 
guttural  reihen,  wie  ich  den  in  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche2 
s.  92  f.  angenommen  habe,  ist  mir  jetzt  nicht  mehr  wahrschein- 
lich. Im  allgemeinen  dürfte  Zupitza  (Germ.  gutt.  s.  77  f.)  das 
richtige  getroffen  haben  (zu  an.  krof,  kryßa  vgl.  aber  Wood 
Mod.  lang,  notes  16, 306).  Noch  anders  Osthoff,  Parerga  1, 312  t, 
fussnote. 

207.  kalds.  Aksl.  zlcdica  und  die  übrigen  auf  urslav.  *zeU- 
zurückgehenden  formen  (s.  Torbiörnsson,  Die  gemeinslav.  liquida- 
metathese  1, 106)  gehören  wol  eher  zu  gr.  x«*a£«  (Solmsen. 
Aren.  f.  sl.  phil.  24, 579).  —  Ueber  die  von  kalds  abgeleiteten 
Wörter  für  'brunnen,  quelle'  handelt  Karsten,  Beitr.  zur  germ. 
wortkunde  s.  20  ff. 

208.  kaürus.  Siebs'  combinationen  (KZ.  37,  317)  sind  zu 
willkürlich.  Grösseren  wert  hat  Stokes'  nachweis  eines  kelt. 
verwanten  (IF.  12, 186). 

209.  Je  int  us  ist  noch  nicht  befriedigend  erklärt  (vgl.  zuletzt 
Grienberger  s.  140).  E.  F.  Kossmann  erlaubt  mir,  seine  mit  einer 
Vermutung  Schades  übereinstimmende  auffassung  mitzuteilen: 
'kintus  Mt.5,26  gibt  xoÖQavtng  i.e.  quadrans  >ein  viertel  ass«  in 
einer  bedeutung  wider,  die  schon  lange  vorher  sogar  dem  ganzen 
ass  zukam  (viatica  ad  assem  perdere  Horaz  u.  ö.).  Eine  zahlbezeich- 
nung  muss  wol  in  dem  worte  stecken,  und  zwar  eine  römische, 
da  die  Goten  zur  zeit  des  Ulfilas  keine  eigne  münzprägung 
hatten.  Nun  ist  kintus  völlig  identisch  mit  quintus  in  vulgärer 
ausspräche  (quinque  non  cinque  App.  ad  Prob.),  ein  wort,  das 
sich  freilich  in  der  offiziellen  terminologie  der  zeit  nicht  findet, 
aber  doch  als  vulgäre  münzbezeichnung  wol  denkbar  ist:  ent- 
weder wenn  man  es  neben  quadrans  stellt,  und  Verwechslung 
der  vier-  und  fünf  zahl  annimmt,  was  bei  den  vielfachen 
mischungen  des  decimalen  und  duodecimalen  Systems  im  alt- 
germ.  (vgl.  quentchen  =  ljA  lot)  wol  erlaubt  ist,  Oder  aber 
als  anzusetzende  locale  bezeichnung  für  den  quinatius,  den 
halben  denar,  die  kleinste  münze,  die  damals  in  römischen 
münzstätten  ausgegeben  wurde  (gütige  mitteilung  von  dr.  Jul 
Palm).  Die  bildung  mit  /  brauchte  an  sich  nicht  auf  ein  lat. 
ordinale  zurückzugehen,  nebenformen  quinquarius,  quintarius 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WOBTSCHATZ.  297 

finden  sich,  wenn  anch  später  oder  in  anderer  bedeutung  (s. 
Du  Gange,  und  quinquessis  =  qumUsti*  Diefenbach.  Gl«**.), 
wozn  noch  einwirkung  des  allgemein  üblichen  flüssigkeitsmasses 
sextarius  (ags.  sester,  ahd.  sextäri)  kommen  könnte.  Da  aber 
schwer  einzusehen  ist,  wie  ein  *hntareis  im  volksmund  als 
hntus  hätte  erscheinen  sollen,  so  wird  plausibler  sein,  eine 
directe  Umsetzung  der  distributiven  bildung,  die  ja  ihren  sinn 
eingebüsst  hatte,  in  die  gewis  geläufigere  ordinale  (vgl.  quar- 
tarius,  quartm  ohis,  nl.  hcartje  u.  ä.)  anzunehmen.  Ein  ähn- 
liches überschlagen  bei  Du  Gange  tquart  valant  quatre  deniers^'. 

210.  kniu.  Gr.  xqo/vv  ist  wol  nicht  hierher  zu  stellen  (vgl 
Hirt,  IF.  12, 224). 

211.  kr ius tan.  Das  mit  hriustan  verglichene  slav.  *grusti 
kummer'  ist  mehrdeutig,  denn  es  könnte  auch  mit  as.  gruri, 
a^s.  zryre  'schrecken',  as.  g(r)ornön,  gnornön,  ags.  g{r)ornian, 
tnornian  'trauern,  klagen'  zu  einer  wz.  *ghreus-  gehören,  welche 
auch  in  slav.  *gruchati  'krachen'  vorzuliegen  scheint  (vgl. 
no.  132).  Falls  wir  kriastan  mit  lit.  grüdiiu  verbinden  wollen, 
haben  wir  uns  von  dem  st  rechenschaft  zu  geben,  denn  aus 
U  (d  -f- 1)  wäre  ss,  nicht  st  entstanden. 

212.  kukjan.  Vielleicht  ist  got.  kukjan,  ofries.  kükken 
onomatopoetisch  und  dasselbe  mag  von  an.  kok  'kehle'  gelten 
(vgl.  auch  nl.  kokhalzm).  Es  gibt  aber  auch  andere  möglich- 
keiten:  vgl.  Siebs  (Mitteil,  der  schles.  gesellsch.  für  volksk.  1903, 
heft  10,  no.  1  und  2,  s.  15)  und  Wood  (Mod.  lang,  notes  19,  2). 
Grienbergers  auffassung  (s.  142  f.)  ist  mir  aus  mehreren  gründen 
nicht  wahrscheinlich. 

213.  kunawida.  Auch  Schräder  (Reallex.  s.  422)  und 
Meringer  (IF.  16, 178)  überzeugen  mich  nicht. 

214.  laggs.  In  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche2  s.  97 
citiere  ich  ap.  dranga-.  Man  lese  statt  dessen  np.  dirang  (ap. 
"dranga-). 

215.  laikan.  Zu  laikan  vgl.  noch  Mikkola  (BB.  25,  75) 
und  Hoff  mann  (rEPJZ.  abh.  für  August  Fick  s.  41).  Grien- 
berger  s.  144  meint,  dass  lett.  lekt,  Ickät  'springen,  hüpfen'  ans 
laikan  entlehnt  sei.  Mit  unrecht,  denn  lekt,  Ukat  sind  nicht 
von  lit.  lekiit,  ükti  'fliegen'  zu  trennen,  das  nichts  mit  laikan 
zu  schaffen  hat,  aber  gewis  mit  aksl.  leteti,  letati  zusammen- 
hangt (vgl.  Brugmann,  Grundr.  1»  585). 


Uli  LEK  BECK 


210.  lais.  Wood  (Mod.  lang,  notes  18, 17)  stellt  noch  einige 
wöiter  zur  wz.  *lcis-  'gehen'  :  lit.  lesas  'mager',  lystu  'werde 
mager',  aksl.  Hehn  'arm,  beraubt,  böse,  schlecht'.  Aber  wie 
denkt  er  sich  die  bedeutungsentwicklung?  M.  e.  lassen  wir 
U;sas,  lystu,  lichu  besser  beiseite. 

217.  lamb.  Ausser  Hirt  (Ablaut  s.  122)  ist  noch  Osthoff 
(Parerga  1,302  ff.)  zu  vergleichen.  Gegen  die  annähme  einer 
engen  morphologischen  beziehung  zu  gr.  tXaqog  spricht  aber 
der  umstand,  dass  lamb  ursprünglich  ein  s-stamm  gewesen  ist. 
Ost  hoff  (a.a.O.  s.  309  ff.)  urteilt  freilich  anders. 

218.  lasiws.  Die  forscher,  welche  sich  in  der  letzten  zeit 
mit  lasiws  beschäftigt  haben  (Grienberger  s.  145.  Solmsen,  IF. 
13. 140  ff.),  lassen  aksl.  losl  'gering,  mager'  beiseite.  Aber  lest 
kann  doch  aus  *losjo'  entstanden  sein,  und  passt  semasiologisch 
sehr  gut  in  die  von  Solmsen  behandelte  Wortsippe.  Was  lasitrs 
betrifft,  so  macht  das  suffix  einige  Schwierigkeit.  Vielleicht 
geht  das  w  zunächst  auf  gut  zurück  und  haben  wir  *lösiteo 
als  indog.  grundform  anzusetzen  (zum  labiovelaren  Haut  vgl. 
Brugmann,  Grundr.  2, 238). 

219.  lafiön.  Die  geistreichen  Vermutungen  Meringers  (IF. 
10,  114  ff.)  lassen  sich  wol  hören,  weil  sie  den  bedeutungen  von 
lajwn  und  lapaleikö,  das  kaum  vom  verbum  abgeleitet  sein  kann, 
in  genügender  weise  gerecht  werden.  Aber  auch  die  alte 
etymologie,  welche  von  dem  begriff  des  wollens  ausgeht,  ist 
recht  wol  möglich,  denn  sie  wird  durch  die  sichere  parallele 
von  aind.  ketayati  'fordert  auf,  ladet  ein'  zu  keta-  'wille.  ab- 
sieht' gestützt.  Meringer  widerlegt  zwar  Kluges  nicht  schwer 
zu  widerlegenden  bedeutungsansatz  'liebevoll  behandeln',  doch 
hat  er  es  nicht  für  nötig  erachtet,  auf  die  gleichung  lapön  : 
gl*.  XTtv  einzugehen.  Der  den  germ.  Wörtern  zu  gründe  liegende 
nominalstamm  könnte  *Oto-  (mit  un ursprünglich  accentuierter 
tiefstufe  der  wurzel  wie  germ.  *mur]>a-  aus  *mHo-  u.  dergL  s. 
Brugmann,  Grundr.  2, 208)  gelautet  haben. 

220.  leihts.  Ob  Meillet  (Etudes  sur  l'etym.  et  le  vocab. 
du  vieux  slave  s.  164  ff.)  mit  recht  die  formen  mit  und  ohne 
nasal  von  einander  trennt,  möchte  ich  bezweifeln.  Das  n  von 
*letigh  [s.  Mansion,  Glitt,  grecques  s.  45  ff.]  kann  infix  sein. 

221.  leih.  Der  artikel  leik  in  meiuem  Et  wb.  der  got 
spräche1  s.  100  bedarf  mehrfach  der  berichtigung  (s.  no.  119). 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


200 


Woods  etymologie  von  leih  (Mod  lang,  notes  18, 15),  welche 
von  der  bedeutung  'gefallenes'  ausgeht,  ist  in  Widerspruch  mit 
dem  tatsächlichen  gebrauch  des  Wortes.  Dass  die  bedeutungen 
'äusseres'  und  4 leib'  sich  aus  deiche'  oder  'aas'  entwickelt 
hätten,  ist  mir  bis  auf  weiteres  nicht  glaublich.  Man  denke 
sich  z.  b.,  dass  die  Russen  ihr  pddali  für  lebende  körper  zu 
gebrauchen  anfiengen!  Oder  sind  cadäver  und  jirmpa  jemals 
für  'leib'  und  'äusseres'  gebraucht  worden? 

222.  liugan.  Der  von  Wood  (Journ.  of  germ.  phil.  2, 223  f.) 
angenommene  Zusammenhang  zwischen  liugan  'lügen'  und  liugan 
heiraten'  ist  zwar  vielleicht  möglich,  aber  bleibt  jedenfalls 
unbeweisbar,  so  lange  die  von  ihm  vermutete  wz.  *leugh-  'biegen' 
in  keiner  spräche  auftaucht.  Warum  aber  sollte  es  unwahr- 
scheinlich sein,  dass  die  indog.  Ursprache  gleichlautende  Wörter 
mit  weit  auseinander  liegenden  bedeutungen  besessen  hätte? 
l'nd  ganz  gleichlautend  werden  die  wurzeln  nicht  einmal  ge- 
wesen sein,  denn  liugan  :  laug  weist  auf  *lcughc-,  liugan  :  Im- 
gaida  aber  auf  Veugke-. 

223.  UuPön.  Mit  Wood  (Am.  journ.  of  phil.  23,200)  ist 
liupön,  das  zunächst  von  liupa-  (awi-liup)  abgeleitet  ist,  zu  aksl. 
ljutü  'saevus',  gr.  Xvöca  'raserei'  u.s.w.  zu  stellen.  Für  die 
Zugehörigkeit  von  liupa-  zur  wz.  *leid-  'ekstatisch  sein,  rasen' 
spricht  die  parallele  von  an.  öör  'poesie',  kymr.  gwaud  'lied' 
zu  germ.  *wöda-  'wütend'  (vgl.  air.  fdith,  lat,  vates  'scher, 
dichter').  Zu  künstlich  ist  Kögels  etymologie  (Gesch.  der  deutsch. 
Iii  1, 1, 7),  nach  welcher  liujta-  als '  auflösung  der  verschlingungon 
der  reihen  (beim  tanze)'  aufzufassen  und  mit  gr.  Xv<o  'läse'  zu 
verbinden  wäre. 

224.  lubjaleis.  Wood  .(Am.  jouru.  of  phil.  23,201)  will 
lubja-  und  air.  luib  in  die  sippe  von  slav.  *lubü  'bast'  hinein- 
ziehen. Aber  wie  gelangt  man  von  einer  wurzel  mit  der  be- 
deutung 'abschälen,  abziehen'  zu  einem  worte  für  'heilkraut, 
zauberkraut'  oder  für  'pflanze'  im  allgemeinen?  Ist  'pflanze' 
etwa  als  'aus  dem  boden  herausgezogenes'  aufzufassen  und 
ist  die  bedeutung  'heilkraut,  zauberkraut,  gift'  nur  eine  ein« 
schränkung  von  'pflanze'? 

225.  magan.  Wiedemann  (BB.  28,62  ff.)  fasst  aksl.  moga 
als  lehnwort  auf,  was  richtig  sein  mag.  Wenn  er  aber  sagt, 
uns  berechtige  dazu  der  umstand,  dass  es  ausser  mostl  keine 


Digitized  by  Google 


300 


ITHLENBKCK 


weiteren  primären  bildungen  zu  mogq  gebe,  so  irrt  er  sich, 
denn  aksl.  vclhnoza  'magnat'  und  russ.  podmöga  1  hilf e,  beistand' 
schliessen  sich  unmittelbar  dem  verbum  an.  Aber  solche 
primäre  bildungen  stehen  der  annähme  früher  entlehnung  nicht 
im  wege. 

226.  mag  us.  Bei  Wiedemanus  auffassung  von  mogq  wird 
es  möglich,  magas  zugleich  mit  magan  und  mit  air.  macc,  akymr. 
map  zu  verbinden  (vgl.  BB.27,221.  28, 63  f.). 

227.  mail  Mit  recht  verwirft  Wiedeniann  (BB.  28, 47 f.) 
Bugges  Vermutung  (Beitr.24,433f.)  über  Zusammenhang  zwischen 
mail  und  aind.  mala-.  Ob  aber  mail  mit  Grienberger  s.  153  f. 
zu  gr.  (tialvo)  gestellt  werden  darf,  ist  wegen  der  verwickelten 
ablautsverhältnisse  von  utaivo  etwas  zweifelhaft. 

228.  mail  an.  Wiedemann  (BB.  28,  49  f.)  vergleicht  zu- 
nächst gr.  filöag  '  . . .  &tjq(ov  ri,  öteo&iov  tovz  xvdpovc  (He- 
sych.),  das  von  Fick  (BB.  28, 103  f.)  mit  ags.  mite,  ahd.  mi;a 
verbunden  wird.  Die  beiden  combinationen  schliessen  einander 
nicht  aus.  Weiteres  findet  man  noch  bei  Solmsen,  KZ.  37, 584. 
Mit  Grienberger  s.  154  und  Hoffmann  {VEPA2,  abh.  für  August 
Fick  s.  45  f.)  einen  besonders  engen  Zusammenhang  mit  smeitan 
anzunehmen,  scheint  mir  wegen  des  verschiedenen  ablaute* 
nicht  geraten  und  Bugges  anknüpfung  an  lat  tondo  (Beitr. 
24, 437  f.)  hat  auch  bei  Wiedemann  berechtigten  Widerspruch 
gefunden. 

229.  malma.  Die  sippe  von  lit.  melmfi,  malm'u  (s.  Tor- 
biörnsson,  Die  gemeinslav.  liquidametathese  1, 87)  ist  wegen  der 
stark  abweichenden  bedeutungen  von  got.  malma  zu  trennen. 
Fick  l4,  109  stellt  lit.  melmu  zu  aind.  mdrman-  'gelenk,  offene 
stelle  des  körpers,  schwache  seite',  das  aber  andererseits  kaum 
von  armen,  marmin  'leib,  fleisch'  (*mrmeno-?  Hübschmann,  Ar- 
men, gramm.  1, 473)  losgerissen  werden  kann.  Haben  wir  es 
hier  mit  einem  fall  des  wechseis  r  :  l  zu  tun?  Oder  ist 
marmin  aus  einem  iranischen  dialekte  entlehnt?  Ein  dem  aind. 
mdrman-  entsprechendes  wort  scheint  aber  im  iranischen  nicht 
nachgewiesen  zu  sein. 

230.  mammö.  Dass  mammö  mit  mimz  verwant  sei  (vgl. 
Mikkola,  BB.  22,  241  ff.  Wood,  Journ.  of  germ.  phil.  2,  216  i 
Grienberger  s.  154)  ist  mir  nicht  recht  glaublich.  Das  wort 
macht  vielmehr  den  eindruck,  ursprünglich  ein  lallwort  der 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


301 


kinder  gewesen  zu  sein  und  die  mutterbrust  bezeichnet  zu  haben. 
Die  bedeutungsentwicklung  wäre  dann  etwa:  'mutterbrust'  > 
'brüst  im  allgemeinen'  >  'leib'  >  'fleisch'.  Man  könnte  sich 
aber  auch  denken,  dass  ein  lallwort  *mammü  unmittelbar  auf 
das  fleisch  (als  nahrungsmittel)  bezogen  wäre. 

231.  manags.  Weder  Brugmann  (Grandr.  2,  971)  noch 
Pedersen,  KZ.  38, 354)  berücksichtigen  air.  metiicc,  kymr.  mymjch 
(Stokes,  Urkelt.  Sprachschatz  s.  210).  Dasselbe  scheint  auch  von 
Heinpls  mir  nur  im  auszug  (IF.  Anz.  15, 102)  bekannten  ety- 
mologie  zu  gelten.  Das  kelt.  wort  lässt  sich  aber  doch  kaum 
als  entlehnung  aus  dem  germ.  auffassen. 

232.  manna.  Die  von  Hempl  (s.  IF.  Anz.  15, 102)  be- 
hauptete identität  von  aind.  manu-  'mensch'  und  lat,  manus 
iiand'  ist  mir  nicht  wahrscheinlich.  M.  e.  ist  die  bedeutung 
•mensch'  bei  indog.  *mönu-  uralt,  denn  sie  kehrt  wider  bei  dem 
wurzelverwanten  *mon(e)n-,  got.  manna.  Dagegen  mag  got, 
manwas  (wozu  manwipa,  manicjan)  mit  lat.  manus  zusammen- 
hängen (anders  Grienberger  s.  155  f.). 

233.  marikreitus.  Die  annähme,  dass  marikreitus  sich 
an  ein  mit  nl.  krijt  verwantes  wort  angelehnt  habe,  halte  ich 
mit  Grienberger  s.  141.  156  für  unnötig.  Vgl.  Johansson,  Nord, 
studier,  Uppsala  1904,  s.  458  f. 

234.  marka.  Die  bedeutung  von  an.  mgrJc  'wald'  erklärt 
sich  einfach  dadurch,  dass  die  grenzgebiete  zwischen  den  an- 
siedlungen  durch  wald  und  wildnis  gebildet  wurden  (vgl. 
Schräder,  Reallex.  s.  307),  und  hat  sich  gewis  erst  aus  'grenze' 
entwickelt.  Den  ausführungen  Wiedemanns  gegenüber  (BB. 
28, 78  ff.)  verhalte  ich  mich  durchaus  ablehnend. 

235.  marzjan.  Auch  Franck  (KZ.  37, 130  f.)  ist  es  nicht 
gelungen,  meine  zweifei  an  der  identität  von  marzjan  und  aind. 
nmrshayati  völlig  zu  beseitigen.  Dagegen  hat  die  gleichung 
got.  marzjan  :  slav.  *mXrz-,  *morz-  (s.  Miklosich  s.  193)  in  der 
letzten  zeit  durch  die  erörterung  Zupitzas  über  slav.  z  (KZ. 
37. 396  ff.)  an  Wahrscheinlichkeit  gewonnen.  Dasselbe  gilt  von 
der  ansprechenden  etymologie  slav.  *dirz-  (s.  Miklosich  s.  43)  : 
got,  yadaürsan.  Es  wundert  mich,  dass  Zupitza  weder  *mTrz- 
noch  *dhz-  unter  seinen  beispielen  erwähnt,  umsomehr  weil 
sie  sich  mit  seinem  lautgesetz  leicht  genug  in  einklang  bringen 
lassen.   Wenn  man  nämlich  annimmt,  dass  das  z  in  aksl. 


Digitized  by  Google 


302 


UHLKNHECK 


drüzülü,  mss.  dcrzlij  und  aksl.  mrüztdu,  mruzostt,  mraziti,  russ. 
mcrzlcij,  mvrzostf,  serb.  mraziti  durch  den  einfluss  der  laut- 
gesetzlichen formen  aksl.  drüzati,  ärüznqU,  russ.  derzdt),  der:- 
nütt  und  aksl.  mruzeti,  russ.  merzctt,  mcrzttt  an  die  stelle  des 
vor  dem  tone  erhaltenen  s  getreten  sind,  so  bedarf  Zupitzas 
regel  kaum  einer  niodification.  Nur  muss  bemerkt  werden, 
dass  der  stimmhafte  verschlusslaut  und  das  r  hier  durch  einen 
vocal  getrennt  sind. 

230.  mats.  Die  darstellung  der  bedeutungsent Wicklung  in 
meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche 2  s.  107  f.  halte  ich  jetzt  für  ver- 
fehlt, und  auch  Sommer  (IF.  11, 265  f.)  scheint  nicht  das  rich- 
tige zu  treffen.  Vgl.  Grienberger  s.  15G  f.  und  Thurneysen,  LF. 
14,  132  f. 

237.  mcgs.  Es  ist  ganz  willkürlich,  die  vrddhi-bildung 
mcgs  von  magus  zu  trennen.  Gäbe  es  kein  magus,  so  wurde 
Wiedemanns  vergleich  von  lit.  mtgti  'wolgefallen'  (BB.  28, 65t) 
sich  wol  hören  lassen. 

238.  midjungards.  Der  artikel  in  meinem  Et.  wb.  der 
got.  spräche2 s.  110  ist  nach  Brugmann  (IF.  14, 5)  zu  berichtigen. 

239.  mikils.  Das  a  von  lat.  magnus  steht  der  üblichen 
Zusammenstellung  mit  fifyag  u.  s.  w.  nicht  im  wege  (s.  Hirt,  Ab- 
laut s.  15  f.).  Darum  kann  ich  Wiedemann  (BB.  27, 221)  nicht 
beistimmen. 

240.  milhma.  Das  wort  ist  zu  vieldeutig,  um  zu  irgend- 
welcher Sicherheit  gelangen  zu  können  (vgl.  noch  Grienberger 
s.H>0f.  und  Torbiörnsson,  Die  gemeinslav.  liquidametathesel, 88). 
Gehört  milhma  etwa  mit  gr.  fitlnofiat,  fioXjty  zu  einer  wz. 
*mclku-  1  tönen'?  Das  /*  kann  vor  m  aus  h  entstanden  sein 
und  'der  tönende'  wäre  ein  passender  name  für  die  gewitter- 
wolke.  Von  'gewitterwolke'  zu  'wölke'  im  allgemeinen  ist 
nur  ein  kleiner  schritt 

241.  mundön.  Es  ist  nicht  geraten,  mit  Osthoff  (s.  IF. 
Anz.  15, 104  f.)  von  einer  nasallosen  wurzel  auszugehen. 

242.  munps.  Dass  mun])s  nichts  mit  ahd.  mala  zu  tun  hat. 
womit  Grienberger  s.  b'G  und  Detter  (Zs.  fda.  42, 57)  es  noch  zu- 
sammenstellen, hat  Liden  (Uppsalastudier  s.  79  f.)  gezeigt.  Zur 
wz.  *mcn-  'hervorragen'  vgl.  noch  Fick,  BB.  28, 104  f. 

243.  nati.  Gr.  vqövg  gehört  nicht  hierher  (s.  Brugmann, 
IF.  11, 273  ff.). 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


244.  nauh.  Oder  lautet  das  wort  nauh?  Vgl.  Brugmann, 
Die  demonstrativpronomina  s.  66,  fussnote. 

245.  naus.  Jetzt  entscheide  ich  mich  für  urverwantschaft 
mit  aksl.  navl  u.s.w.  (so  auch  Grienberger  s.  164).  Das  von 
Hoffmann  (BB.  25, 107  f.)  herangezogene  vsvevxivai  •  tt&vrjxtvai 
ist  sicher  nichts  anderes  als  'sich  geneigt  haben'  zu  vtvm  und 
hat  also  ferne  zu  bleiben.  Vgl.  Theocritus  XXII,  203  und  eine 
verszeile  des  Antimachus  von  Kolophon,  an  welchen  stellen  das 
perf.  von  rnm  so  viel  als  '(im  kämpfe)  niedergesunken  sein' 
bedeutet  (freundliche  mitteilung  meines  hiesigen  collegen  van 
Leeuwen). 

246.  nau])s.  Got.  nau])i-  (naudi-),  apr.  nauti-  ist  verbal- 
al>stractum  zu  einer  wz.  *näu-  (vgl.  schon  Peters,  Beitrag  zur 
goth.-hochd.  Wortforschung  1871,  s.  5  ff.).  Mit  aksl.  nqzda,  nqditi 
und  nuzda,  nuditi  (s.  Osthoff,  Parerga  1,  355,  fussnote)  lässt  es 
sich  kaum  vermitteln  [vgl.  noch  Meringer,  IF.  17, 152  f.]. 

247.  nclv(a).  Ich  sehe  nicht  ein,  warum  der  vergleich  von 
alban.  nes  'morgen'  (Brugmann,  Grundr.  I2, 148)  mehr  empfeh- 
taug  verdienen  soll,  als  Zupitzas  etymologie  (Germ,  glitt,  s.60  f.). 
Vgl.  Wiedemann.  BB.  28, 56. 

248.  neitcan.  Ich  erinnere  an  Peters'  conjectur  *nai}  = 
mhd.  neit  (Got.  conjecturen,  Leitmeritz  1879,  s.  5  ff.).  Ist  sie 
richtig,  so  ist  das  verbum  neiwan  aus  dem  gotischen  Wort- 
schätze zu  streichen.  Grienbergers  auffassung  des  zweifel- 
haften Wortes  (s.  165  f.)  ist  jedenfalls  zu  künstlich. 

249.  niuklahs.  Ansprechend  ist  Brugmanns  Vermutung 
(IF.  12,184,  fussnote  1),  dass  das  /  durch  dissimilation  aus  n  ent- 
standen sei,  wodurch  anknüpfung  an  gr.  vioyvoq  ermöglicht 
wird.  Man  könnte  freilich  den  einwand  erheben,  dass  indog. 
tm  vor  dem  haupttone  germ.  gg  und  weiter  durch  den  letzten 
akt  der  lautverschiebung  kk  ergeben  hätte,  aber  Brugmann 
würde  dieser  Schwierigkeit  entgehen  durch  die  annähme,  dass 
die  dissimilation  der  beiden  n  älter  sei  als  die  in  andern  fällen 
unter  denselben  accentbedingungen  regelmässig  eintretende 
assimilation  von  gn  zu  gg  (kk).  Grienbergers  erklärung  (s.  167) 
ist  jedenfalls  nicht  so  wahrscheinlich. 

250.  nota.  E.  F.  Kossmann  will  das  wort  in  folgender 
weise  erklären  (schriftliche  mitteilung):  'nota  Mc.  4,  38  (ana 
nötin  Iv  x\i  jtQVfivy).  Könnte  dies  nicht  einfach  lat  nauta  sein? 


Digitized  by  Google 


304 


UJILKNDECK 


Vulgär-lat.  o  =  au  bedarf  keiner  belege.  Da  der  schiffsmann. 
der  das  boot  lenkte,  hinten  sass  (daher  jrpiy/r^rij.:),  so  konnte 
'beim  bootsmann  sitzen'  identisch  werden  mit  'hinten  sitzen'. 
Die  präposition  ana  setzt  freilich  voraus,  dass  die  metonymie 
bootsmann  —  bootsmannsbank  schon  eine  vollzogene  gewesen 
sein  müsste.'  Diese  erklärung  ist  der  meinigen  (Beitr.  27, 128) 
vorzuziehen  [vgl.  noch  Meringer,  IF.  17, 151  f.]. 

251.  qairrus.  Grienbergers  erklärung  von  qairrus  (s.171  f.) 
steht  den  älteren  etyniologien  (vgl.  noch  Siebs,  KZ.  37,  317) 
semasiologisch  an  Wahrscheinlichkeit  nach.  Von  der  bedeutung 
'tönend1  kann  man  nicht  leicht  zu  'still,  ruhig,  zahm'  gelangen. 

252.  qistjan.  Doch  wol  eher  mit  Hirt  (Beitr.  23, 352) 
und  Wood  (Mod.  lang,  notes  17,9)  zur  wz.  tyies-,  wie  schon 
Diefenbach  (Vgl  wb.  2, 487)  vermutet  hat,  als  mit  Brugmaun 
(IF.6, 103)  zu  lit.  gendü  u.s.w. 

253.  qipan.  Aind.  gadati  'sagt,  spricht',  das  nach  Beitr. 
29,333  auf  indog.  *yed-  beruht  (lautgesetzlich  wäre  *jadaii, 
aber  das  g  von  jagüda  ils.w.  ist  auch  in  das  präsens  ein- 
gedrungen), hat  mit  qi/mn  nichts  zu  schaffen.  Wiedemanns 
vergleich  von  air.  bei  'mund,  lippe'  (IF.  1,513)  wird  richtig 
sein,  denn  bei  lässt  sich  ausgezeichnet  als  eine  Z-ableitung  der 
in  qipan  enthaltenen  wurzel  auffassen.  Eine  andere  etymologie 
von  bei  hat  Siebs  (Mitteil,  der  schles.  gesellsch.  für  volksk.  1903. 
lieft  10,  no.  1  und  2,  s.  8,  fussnote)  vorgeschlagen,  indem  er  an 
lat,  (kelt.)  bäsium  und  andere  Wörter  für  'kuss'  anknüpfte  (KZ. 
37,310  möchte  Siebs  bei  zu  qipan  stellen). 

254.  qipus.  Grienbergers  gleichung  qipus  :  lat.  vitulus 
(s.  173)  gehört  zu  dem  besten,  was  in  den  letzten  jähren  auf 
dem  gebiete  der  germ.  etymologie  vorgebracht  ist.  Vgl.  sonst 
noch  über  qipus  Wood  (Mod.  lang,  notes  17,9. 19,2)  und  Meringer 
(IF.  10, 164). 

255.  qrammipa.  Nach  Grienberger  s.  174  läge  dem  ad- 
jectiv,  wovon  qrammipa  (oder  besser  *krammipa)  abgeleitet  ist, 
eine  medioparticipialbildung  zur  wz.  *guer-  'verschlingen'  zu 
gründe.  Aber  einmal  lässt  sich  die  bedeutung  'feucht'  nicht 
aus  'verschlungen  werdend'  erklären  und  andermal  hätte  vor* 
germ.  mn  doch  wol  eher  Dw  ergeben.  Und  wie  wäre  bei  Grien- 
bergers auffassung  das  einfache  m  von  an.  hramr  zu  beurteilen? 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


305 


—  Verfehlt  ist  Peters'  Vermutung  (Got.  conjecturen,  Leitmeritz 
1879,  &  12  ff.). 

256.  raupjan.  Das  von  Wood  (Mod.  lang,  notes  16,  310) 
herangezogene  lit.  rubä  'raub,  plünderung'  (wozu  ein  denom. 
rubyti)  ist  ein  lelmwort  aus  dem  deutschen  (s.  Brückner,  Die 
slav.  fremd  Wörter  s.  16  f.). 

257.  razäa,  Ueber  das  Verhältnis  von  ags.  reord  zu  got 
razäa  vgl.  Sievers,  Zum  ags.  vocalismus  s.  25.  —  Grienbergers 
etymologie  (s.  175)  ist  nicht  einmal  so  wahrscheinlich  wie  die 
in  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche2  s.  122  erwähnten  unsichern 
Vermutungen.  Am  meisten  durfte  die  gleichung  razäa  :  rödjan 
für  sich  haben. 

258.  rign.  Vgl.  Hoffmann  (BB.26, 136),  der  verwantschaft 
mit  lat.  rigäre  befürwortet.  Aber  rign  lässt  verschiedene 
grund  formen  zu  und  leider  ist  ausserhalb  des  germanischen 
kein  nomen  nachgewiesen,  dem  es  sowol  in  der  wurzel  wie  im 
suffix  entsprechen  könnte. 

259.  riurs.  Das  vielfach  verglichene  lat.  rutre  ist  mehr- 
deutig: vgl.  Hoffmann,  BB.  26, 142. 

260.  «ata«.  Ich  sehe  keinen  zwingenden  grund  dazu,  gr. 
tWi  von  saian  u.s.w.  zu  trennen,  wie  nach  Curtius'  Vorgang 
von  Hirt  (IF.  12,  229  ff.)  und  Osthoff  (Parerga  1, 197  f.)  ge- 
tan wird. 

261.  saihan.  Nur  wenn  saihan  ursprünglich  'glänzen' 
bedeutet  hat,  wird  es  mit  *seku-  'tönen'  in  ags.  secgan  u.s.w. 
(s,  Zupitza,  Germ.  gutt.  s.  72  f.)  verwant  sein.  Vgl.  Beitr.  29, 336  f. 

262.  sair.  Woods  annähme,  dass  im  anlaut  ein  p  ge- 
schwunden sei  (IF.  13, 119  f.),  ist  ebenso  unbeweisbar  wie  Hirts 
Vermutung  über  einen  ursprünglichen  anlaut  ks  (Beitr.  23, 354). 

263.  saiwala.  Woods  neue  etymologie  (Mod.  lang,  notes 
18,15)  ist  der  alten  gleichung  saiwala  :  aloXog  nicht  vorzu- 
ziehen (s.  Beitr.  27, 130).  Eine  etymologie  ist  anerkannter- 
massen  um  so  wahrscheinlicher,  wenn  wir  nicht  nur  wurzel- 
verwantschaft,  sondern  auch  identitat  der  suffixe  constatieren 
können. 

264.  sakan.  Nach  Wood  (IF.  13,119)  soll  in  sakan  wie 
in  sair  ein  anlautendes  p  verloren  sein.  Warum  nicht?  Denn 
alles,  wovon  man  das  gegenteil  nicht  erweisen  kann,  hat  als 
möglich  zu  gelten.   Aber  wenn  ein  anderer  behaupten  sollte, 


306 


UHLENBECK 


dass  der  ursprüngliche  anlaut  ks  oder  ts  oder  gott  weiss  was 
gewesen  wäre,  so  hätte  seine  behauptung  gerade  denselben  wert 

265.  saldra.  Grienbergers  erklärung  von  saldra  als  un- 
mittelbarer ableitung  mit  comparativischem  suffix  zur  wz.  *säl- 
'salz,  salzen'  (s.  180)  ist  mir  aus  dem  gründe  nicht  wahrschein- 
lich, dass  sali,  saltan  im  germ.  festes  t  haben.  Vgl.  noch  Wood, 
Am.  journ.  of  phil.  24, 40. 

266.  saljan.  Es  ist  ein  glücklicher  gedanke  Grienbergers 
(s.  180)  saljan  'wohnen'  mit  lat.  soler e  zu  verbinden.  Was 
Stokes  (IF.  12,  192)  aus  dem  keltischen  heranzieht,  ist  zu 
unsicher. 

267.  saljan.  Wood  (Am.  journ.  of  phil.  24, 40 ff.)  stellt 
vieles  zusammen,  was  bei  strenger  Wahrscheinlichkeitsrechnung 
besser  auseinander  zu  halten  ist.  Die  indog.  etymologie  ver- 
liert sich  stets  mehr  in  einem  irrwalde  haltloser  möglichkeiten. 
Wras  saljan  'opfern'  betrifft,  hat  Osthoff  (Beitr.  13, 457  ff.)  wol 
das  richtige. 

268.  sarwa.  Grienberger  s.  180  f.  trägt  den  bedeutungen 
von  ags.  searu,  sierwan  keine  rechnung. 

269.  sauls.  Mit  an.  süla,  ags.  syl,  ahd.  sül  '  Säule'  und 
ahd.  swelli  'schwelle'  beruht  sauls  auf  einer  zweisilbigen  wurzel 
(vgl.  Kluge«  s.  329.  358  und  Grienberger  s.  182).  Das  l  ist 
suffixal,  wie  aus  ags.  swer  'säule',  nhd.  dial.  schwire  'pfähl', 
aind.  svdru-  'opferpf osten'  (s.  Kluge«  s.  359)  hervorgeht.  Anders 
über  süla  u.s.w.  Wood,  Am.  journ.  of  phil.  21, 181. 

270.  saürga.  Im  gegensatz  zu  Grienberger  s.  182  bleibe 
ich  dabei,  das  g  als  wurzelhaft  zu  betrachten,  obwol  ich  über 
die  verwantschaftsbeziehungen  des  Wortes  nicht  zu  klarheit 
gekommen  bin.  Falls  wir  an  lit.  sergiu,  sdrgas  anzuknüpfen 
haben,  so  werden  auch  aksl.  strega,  strazX,  stram  heranzuziehen 
sein  (vgl.  Mikkola,  IF.  6, 349  ff.  und  Torbiörnsson,  Die  gemein- 
slav.  liquidametathese  1, 28  ff.).  Anders  über  strega  ils.w. 
Sütterlin  (IF.  4, 101  f.)  und  (zweifelnd)  Zupitza  (Germ.  gutt. 
s.  180,  fussnote  2). 

271.  saups.  Semasiologisch  ist  das  wort  nach  Grimm 
(Myth.*  s.  32)  zu  beurteilen,  lieber  die  ursprüngliche  gestalt 
der  wurzel  vgl.  Brugmann,  Grundr.  1 2,  790. 

272.  sels.  Auch  nach  Meringers  bemerkungen  über  sfls 
(IF.  16, 151)  halte  ich  Schroeders  etymologie  für  verfehlt.  M.  e. 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ 


307 


tritt  vorgerm.  dl  nur  als  germ.  tl  auf.  Auch  die  beiden 
erklärungsvorschläge  Woods  (Beitr.  24,  531  f.  und  Am.  journ. 
of  phil.  24, 40  f.)  sind  zu  unsicher. 

273.  sibja.  Es  ist  ziemlich  gleichgiltig,  wie  man  das  wort 
erklären  will,  denn  die  Urbedeutung  lässt  sich  doch  nicht  mit 
Sicherheit  ermitteln.  Nur  sollen  wir  es  nicht,  wie  Grienberger 
s.  184  zu  tun  scheint,  von  aind.  sabhd  trennen. 

274.  sidus.  Die  alte  etymologie  von  sidus,  sidön  ist  doch 
wahrscheinlich  genug,  um  einen  neuen  erklärungsversuch  (vgl. 
Wood,  Mod.  lang,  notes  16, 310  f.  18, 13)  unnötig  zu  machen. 

275.  sinßs.  Das  von  Flensburg  (Studien  auf  dem  gebiete 
der  indog.  wurzelbildung  1, 64  f.,  fussnote  3)  herangezogene  lat. 
transenna  ist  besser  ferne  zu  halten. 

276.  sipöneis.  Entlehnung  aus  dem  slav.  halte  auch  ich 
jetzt  für  unwahrscheinlich.  Aber  Grienberger  s.  186  f.  befrie- 
digt ebenso  wenig  wie  Much  (Beitr.  17, 33). 

277.  siulcs.  Die  Verbindung  von  siulcs  und  ahd.  swach  mit 
ahd.  swehhan  ist  nicht,  wie  Wood  (Publ.  of  the  mod.  lang, 
assoc.  of  America  14, 310)  meint,  'a  good  example  of  the 
superiority  of  phonetic  comparison  over  such  as  are  based  on 
similarity  of  meaning',  sondern  vielmehr  ein  beispiel  ganz  will- 
kürlicher, nur  auf  anklang  beruhender  wortvergleichung.  Gegen 
Wood  kann  es  nicht  genug  betont  werden,  dass  die  phonetische 
möglichkeit  eines  etymologischen  Zusammenhangs  bei  stark 
abweichenden  bedeutungen  keineswegs  als  Wahrscheinlichkeit, 
geschweige  denn  als  Sicherheit  betrachtet  werden  darf,  selbst 
dann  nicht,  wenn  diese  weit  auseinander  liegenden  bedeutungen 
sich  irgendwie  zusammenreimen  lassen,  was  ja  fast  immer  der 
fall  ist.  Ich  leugne  nicht,  dass  Wood  gelegentlich  unsere 
semasiologische  erkenntnis  gefördert  hat  und  dass  einige  gute 
etymologien  von  ihm  herrühren:  aber  in  den  meisten  fällen 
vergisst  er,  dass  die  von  ihm  als  sicher  oder  wahrscheinlich 
hervorgehobene  möglichkeit  nur  eine  aus  vielen,  nicht  mehr 
und  nicht  weniger  berechtigten  möglichkeiten  ist.  Gegen  Wood 
einerseits  und  gegen  Breal  andererseits  behaupte  ich,  dass 
sowol  die  bedeutung,  wie  die  lautgestaltung  in  gleichem  masse 
berücksichtigt  werden  müssen.  Die  etymologische  methode  in 
gesetzen  zu  formulieren  ist  freilich  etwras  unerreichbares,  denn 
im  gründe  entscheidet  doch  das  subjective  wahrscheinlichkeits- 


308 


UHLENBECR 


geftilil.  —  Etwas  positives  über  siuks  und  abd.  stcach  weiss 
ich  nicht  vorzubringen  (vgl.  ausser  Zupitza,  Germ.  gutt.  s.  165 
noch  Scheftelowitz,  BB.28,307  und  Pedersen,  KZ.  39, 483). 

278.  skaidan.  AVenn  man  lat.  caedo  beiseite  lässt,  bleibt 
kein  grund  übrig,  weshalb  wir  von  einer  aj-wurzel  (vgl.  Hirt 
Ablaut  s.  147)  ausgehen  sollten.  Ausführlich  über  die  ablauts- 
verhältnisse  Hoffmann,  FEPA2,  abh.  für  August  Fick  s.42ff. 

279.  skalja.  Eher  zu  lit.  skeliu,  skelti  'spalten'  alszugr. 
öxiXXm  'trockne'  (vgl.  Schräder,  Reallex.  s.  988). 

280.  skalks.  G  Hellberger  s.  187  stellt  skalks  mit  suffixalem 
k  (indog.  g)  zu  skidan.  Dann  wäre  skalks  etwa  so  viel  als 
skyldr  maör,  aber  mit  anderer  bedeutungsschattierung.  Nur 
kann  ich  Grienbergers  erklärung  wegen  der  anzunehmenden 
ungewöhnlichen  bildungsweise  nicht  für  richtig  halten.  Anders, 
aber  ebenfalls  unwahrscheinlich  Wood  (Journ.  of  germ.  phü. 
2, 232),  der  zunächst  an  engl,  sktdk,  dän.  skulke,  schwed.  skolka 
anknüpft,  aber  doch  das  /.■  als  suffix  betrachtet,  um  skalks  als 
'cringing  fellow'  erklären  zu  können. 

281.  s  kam  an.  Es  ist  mir  nicht  ganz  klar  geworden,  was 
Grienberger  s.  187  f.  eigentlich  mit  seiner  wz.  *ska-  'schneiden' 
meint  (vgl.  auch  seine  etymologie  von  skatts,  das  sich  m.  e. 
viel  leichter  aus  einer  mit  dental  auslautenden  wurzel  erklären 
lässt).  Auch  ist  mir  Zusammenhang  von  skaman  mit  an.  skammr 
trotz  des  doppel-m  von  an.  skgmm  'schniach',  skamma  'ver- 
unehren'  recht  zweifelhaft. 

282.  skaudaraip.  Unter  den  von  Wood  (Mod.  lang,  notes 
17,10)  mit  raipa-  (aus  *roibhno-?)  verglichenen  Wörtern  könnten 
zunächst  in  betracht  kommen:  ags.  rdfian  [=  an.  reifa  'ein- 
wickeln'] in  der  Zusammensetzung  drdfian  'loswickeln',  an.  riß 
•zusammenbinden,  zusammennähen'.  Sicher  auszuscheiden  sind 
an.  reifa  (ausgenommen  in  der  bedeutung  'einwickeln')  und  rtifr 
'froh,  heiter'. 

283.  skeinan.  Krimgot.  scliediit  gehört  nicht  hierher  (vgl. 
zuletzt  über  das  dunkle  wort  Loewe,  1F.  13, 11  f.). 

284.  skeirs.  In  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche5  s.  133 
ist  air.  cir  nach  Stokes  (KZ.  37, 255)  zu  streichen.  Mit  unrecht 
vermutet  Stokes  jetzt  Zusammenhang  von  skeirs  (das  mit  skeinan 
auf  einer  c^'-wurzel  beruht)  mit  dem  im  vocalismus  abweichen- 
den air.  eäir,  caer  'flaninia,  pruna'. 


Digitized  by 


ZUM  G0TI8CHEN  WORTSCHATZ 


309 


285.  skildus.  Das  urteil  über  die  von  Schräder  (Real- 
lex.  s.  721)  aufgeworfene  frage  muss  ich  den  keltologen  über- 
lassen. 

286.  slcöhsl.  Schräder  (Reallex.  s.  871  f.)  vermutet  als 
ursprüngliche  bedeutung  'der  dahingegangene,  verstorbene' 
und  beruft  sich  auf  die  analoge  bedeutungsentwicklung  von 
aind.  preta-.  Ich  denke  aber  bei  dem  neutrum  sköhsl,  das  zu 
ags.  scacan  gehören  wird,  vielmehr  an  das  spukhafte  sich- 
herumtreiben der  geister.  Wider  anders  Mekler  (rEPAS,  abh. 
für  August  Fick  s.  254  f.),  der  ebenfalls  an  scacan  anknüpft 
aber  sköM  als  'das  schütteln,  rütteln'  >  'Schüttler,  rüttler' 
iiuffasst. 

287.  skuft.  Der  anklang  des  semasiologisch  weit  abliegen- 
den skiuban  hätte  Grienberger  s.  190  f.  nicht  verleiten  sollen, 
skuft  damit  zu  verbinden.  —  Lautlich  unmöglich  ist  die  glei- 
chung  apr.  scebelis  :  got.  skuft  (Berneker,  Die  preuss.  spräche 
&  321). 

288.  skulan.  Litkaltas  'schuldig',  kaltl  'schuld'  vertreten 
die  s-lose  nebenform  der  in  got.  skulan,  lit.  sketiti,  skolä  u.s.w. 
enthaltenen  wurzel  (vgl.  Siebs,  KZ.  37, 320). 

289.  slahan.  Vielleicht  hat  das  mit  slahan  verglichene 
avest.  hardc-  (wozu  aind.  srkd-)  indog.  r  (vgl.  Scheftelowitz, 
BB.  28,  305). 

290.  slaihts.  Zu  beachten  ist  noch  Zupitza,  BB.  25,  97. 
Ganz  willkürlich  betrachtet  Grienberger  s.  191  f.  slaihts  als  eine 
participialbildung  zur  wz.  *legh-  'liegen',  welche  bekanntlich 
keine  nebenform  mit  anlautendem  s  aufweist. 

291.  sniwan.  Zunächst  vergleichbar  ist  die  schon  von 
Schade  s.  839  herangezogene  sippe  von  aksl.  snova,  snujq,  (vgl. 
Miklosich  s.  312).  Russ.  snovdtl  bedeutet  geradezu  'schnell  hin 
und  her  gehen,  huschen'  (z.  b.  narod-to  tak  i  snujct,  odin  tuda, 
drugoj  sjuda,  Ostrovskij,  Socmenija9  3, 252).  Anders,  aber  kaum 
richtig,  Hirt,  Ablaut  s.  120. 

292.  snutrs.  Grienbergers  etymologie  (s.  195)  ist  an- 
sprechend. Die  gleichung  got.  snutrs  :  gr.  voc<;  ist  zwar 
möglich,  gibt  aber  keine  rechenschaft  von  dem  t  (indog.  d)  in 
snutrs.  Mit  gr.  aÖQog  (:  aind.  sändra-)  wird  snutrs  nichts  zu 
tun  haben. 

293.  sparwa.   Nach  Brugmann  (IF.  13, 100,  fussnote  1) 

Beiträte  ror  geschieh*  der  deutschen  sprach«.   XXX.  21 


310 


ÜIILEKBECK 


wol  nicht  als  1  flatterer sondern  als  4 scharrer'  zu  deuten.  Ein 
objectives  kriterium  fehlt. 

294.  spill.  Die  combinationen  von  Siebs  (KZ.  37, 305)  sind 
zu  unsicher. 

295.  sprautö.   Dasselbe  gilt  von  Siebs,  KZ.  37,303t 

296.  Stamms.  Grienbergere  erklärung  (s.  198)  ist  in  laut- 
licher hinsieht  bedenklich.  Dürfen  wir  etwa  aind.  stimita- 
'schwerfällig,  träge,  still,  unbeweglich,  nass'  (woneben  timita- 
und  eine  präsensbildung  timyatt)  zur  vergleichung  heranziehen? 
Germ,  stam-  =  aind.  stim-  =  indog.  *storo-?  Eventuelle  balto- 
slav.  beziehungen  von  stam  ms  gibt  Zubaty,  SB.  der  k.  böhm 
ges.  der  Wissenschaften  16  (1895),  s.  26  f.  (aksl.  tomiti  gehört 
nicht  in  diesen  Zusammenhang,  sondern  zu  aind.  tdmyati:  s.  Verf., 
Et.  wb.  der  aind.  spräche  s.  111). 

297.  standan.  Hirts  erklärung  von  *sthä-  aus  *stö(u>7- 
(IF.  12, 195  ff.)  Ist  zwar  möglich,  aber  unbeweisbar. 

298.  stibna.  Mit  recht  bezeichnet  J.Schmidt  (Krit.  der 
sonantentheorie  s.  133)  die  gleichung  got.  stibna  :  gr.  öropa 
wegen  der  begrifflichen  Verschiedenheit  als  nicht  gerechtfertigt. 
Grienberger  s.  199  stellt  stibna  zu  gr.  oxivm,  das  er  fälschlich 
in  özi'vco  zerlegt.  Nur  dann  lässt  stibna  sich  von  der  wz. 
*sten-  (s.  mein  Et,  wb.  der  aind.  spräche  s.  342)  ableiten,  wenn 
man  das  hypothetische  vorgerm.  *stcmnä  durch  dissimilation  aus 
*s/e(n)-»m-ä  erklären  darf. 

299.  stigqan.  Das  verbum  beruht  nicht,  wie  Wood  (Publ. 
of  the  mod.  lang,  assoc.  of  America  14, 303  f.)  und  Grienberger 
s.  199  annehmen,  auf  einer  ej-wurzel,  sondern  ist  eher  mit 
Osthoff  (Parerga  1,  363  ff.)  auf  eine  eji-wurzel  zurückzuführen. 

300.  stikls.  Nach  Grienberger  s.  199  wäre  stikla-  ursprüng- 
lich Einzelnes  glasstück'.  Wie  verträgt  sich  damit  die  bedeu- 
tung  von  aksl.  sttklo? 

301.  stilan.  Das  in  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche2  s.  140 
herangezogene  keltische  wort  ist  eher  nach  Stokes  (IF.  12, 192 1) 
zu  beurteilen.  Ost  hoff  s  erklärung  (Beitr.  13, 460  f.)  steht  dann, 
so  weit  ich  sehe,  nichts  mehr  im  wege.  Andere,  aber  wol  sicher 
verfehlt,  Grienberger  s.  199  f.  und  Siebs,  KZ.  37, 307. 

302.  stiur.  Ueber  kelt.  *taruo-,  womit  Persson  (üppsala- 
studier  s.  187  ff.)  nicht  gut  fertig  werden  konnte,  lehrt  un> 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


311 


Vendryes  (MSL.  12,41)  vielleicht  das  richtige  (*taruo-  für  *tauro- 
durch  einwirk ung  von  *ueruä-,  air.  ferb  'kuh'). 

303.  stöma.  Die  alte  auffassung  von  stöma  als  -men- 
ableitong  von  *$tha-  ist  doch  viel  einfacher  als  Schroetters  ver- 
such, stöma  mit  ags.  stapol,  ahd.  staphal  zu  vermitteln  (Zs.  fda. 
42,  68). 

304.  stubjus.  Woods  etymologie  (Journ.  of  germ.  phil. 
2, 225  f.),  welche  von  einer  wurzel  mit  der  bedeutung  'schlagen' 
ausgeht,  ist  nicht  einleuchtend  (vgl.  Beitr.  26, 308  f.). 

305.  sugil  Wood  (Mod.  lang,  notes  16,  306)  trennt  sugil 
von  sauil  und  stellt  es  zu  ags.  swegl  'himmel,  sonne',  swegle 
'glänzend',  as.  swigli  '  hell,  strahlend'.  Diese  Wörter  beruhen 
mit  swögfan,  swögatjan,  swegnjan,  swegnifia,  swiglön,  swiglja 
auf  einer  wurzel,  welche  sowol  'tönen'  wie  'glänzen'  bedeutet 
(vgl.  Grienberger  s.  205).  Ueber  sugil  aber  zweifle  ich,  denn 
sein  g  könnte  derselben  art  sein  wie  das  g  in  ahd.  jugund 
und  dergl.  (s.  Bugge,  Beitr.  13, 504  ff.  Noreen,  Urgerm.  lautlehre 
s.  153).  Ungern  entschliesst  man  sich  dazu,  den  zufall  für  die 
Übereinstimmung  mit  aind.  svär  verantwortlich  zu  machen. 

306.  suns.  Falls  ags.  sona,  ahd.  sän,  sär  zu  lat.  sertis, 
air.  str  und  weiterhin  zu  got.  seipus  gehören  (vgl.  Wood,  Mod. 
lang,  notes  18, 15),  müssen  wir  got.  suns  wegen  seines  ab- 
weichenden vocalismus  (indog.  n  oder  un?)  ferne  halten. 

307.  sunus.  Wenn  Wiedemann  (BB.  27, 220)  auf  grund 
von  aind.  sunöti  meint,  indog.  *sünu-  müsse  den  künftigen  er- 
zeuger,  nicht  wie  aind.  sutd-  den  erzeugten  bezeichnet  haben, 
so  bleibt  er  uns  den  beweis  schuldig,  dass  sunöti  überhaupt 
mit  sanü-,  süte,  savitdr-  u.s.w.  verwant  sei.  Die  bedeutungen 
liegen  weit  genug  auseinander  und  zudem  können  wir,  obwol 
Vermischungen  stattgefunden  haben,  su-  'auspressen'  noch 
deutlich  als  anit- wurzel,  sü-  'erzeugen'  als  set-wurzel  erkennen. 
Ueber  gr.  vioc,  das  Wriedemann  nahe  an  vti  anschliesst,  vgl. 
Delbrück,  Verwantschaftsnamen  s.  77. 

308.  supön.  Die  richtige  erklärung  gibt  Schade  s.  843 
(vgl.  Wood,  Mod.  lang,  notes  15,  96  und  Grienberger  s.  202  f.). 

309.  sats.  Dieselbe  vocalstufe  liegt  nicht  nur  in  aind. 
süddyati,  süda-,  sondern  auch  in  lit.  südau,  siulyli  'salzen'  vor. 
Vgl  für  die  bedeutung  lit.  saldüs,  aksl.  slculüku  'süss'  :  got. 
salt  u.s.w. 

21* 


Digitized  by  Google 


312 


TTHLENBECK 


310.  supn.  Eher  mit  Wood  (Mod.  lang,  notes  16,311) 
zu  an.  sjöör  u.  s.  w.  als  mit  Grienberger  s.  203  f.  zu  mhd.  $ut(t)e 
(dieses  wort,  das  auch  die  bedeutungen  'lache,  pfütze,  liölle* 
zeigt,  wird  zu  sieden  gehören). 

311.  swarts.  Zu  Osthoff  (Parerga  1, 94  ff.)  vgl.  Nieder- 
mann (IF.  15, 116  ff.).  Zweifelhaft  ist  verwantschaft  von  swarts, 
l&t.sordes,  sordidus  mit  \&t.suäsum  'Schmutzfleck'  (aus  *suard-to-? 
Niedermann  a.  a.  o.  s.  120,  fussnote  3).  Vgl  noch  Brugmann, 
Grundr.  1 324. 

312.  stveiban.  Bei  russ.  brositX  hat  die  bedeutung  'von 
etwas  ablassen,  mit  etwas  aufhören,  etwas  aufgeben'  sich  aus 
'werfen'  entwickelt.  Auch  got.  stveiban  kann  ursprünglich 
'werfen'  bedeutet  haben  und  mit  aind.  kshipdti  'wirft,  schleu- 
dert' auf  einer  wz.  *(k)s(u)eip-  beruhen  (s.  darüber  mein  Et. 
wb.  der  aind.  Sprache  s.  71).  Vgl.  Diefenbach  (Vergl.  wb.  2,357  ff.) 
und  Wood  (Mod.  lang,  notes  16, 20  f.). 

313.  swers.  Siebs  (KZ.  37, 317)  will  swers  von  lit.  sverti 
trennen  und  lit.  svarüs  als  deutsches  lehuwort  erklären.  Und 
warum  das?  Nur  um  swers  und  kaürus  aneinanderetyniolo- 
gisieren  zu  können!  Dazu  kann  ich  mich  nicht  verstehen. 
Habe  ich  nicht  recht,  wenn  ich  sage,  dass  das  bewegliche  s 
gefährlich  wird?  —  Dass  gr.  *}(>a>c  mit  stvers  zusammenhängen 
sollte  (Schräder,  Reallex  s.  25),  will  mir  nicht  einleuchten. 

314.  Steibis.  Grienbergers  erklärung  (s.  205)  ist  nicht  neu 
(vgl.  Schade  s.  905). 

315.  stvikns.  Grienberger  s.  205  vergleicht  gr.  ayvug,  das 
er  auf  *ofayvo~  zurückführt,  und  beruft  sich  für  den  ablaut 
auf  got.  airJcns  :  gr.  tlp/o'c.  Sehr  hübsch,  aber  der  Spiritus 
asper  von  dyvoc,  äyiog,  äyog,  ago//«/  ist  nicht  aus  su,  sondern 
aus  i  entstanden  (vgl.  aind.  yaj-).  Auch  ist  das  s  von  Steibis 
nach  ausweis  der  verwanten  dialekte  ein  indog.  i,  weshalb 
anknüpf ung  an  germ.  *sutkanan  (Schade  s.  915.  Wood,  Mod.  lang, 
notes  16, 307)  lautlich  gerechtfertigt  ist. 

316.  swiltan.  Mit  recht  verwirft  Siebs  (KZ.  37, 315)  den 
gedanken  an  Zusammenhang  mit  ags.  swelan  (vgl.  Diefenbach, 
Vergl.  wb.  2,  366.  Schade  s.  912.  Brugmann,  Grundr.  2, 1052. 
Grienberger  s.  206);  nur  hätte  er  seine  eigene  Vermutung  nicht 
drucken  sollen.  M.  e.  haben  wir  scharf  zwischen  indog.  gv  und 
yu  zu  unterscheiden.   Selbst  wenn  das  s  in  swiltan  wirklich 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


313 


ein  präfix  sein  sollte  und  wenn  zwischen  dem  s  und  dem  w 
ein  guttural  geschwunden  wäre  —  was  man  wol  behaupten, 
aber  nicht  beweisen  kann  — ,  auch  dann  hätten  wir  kein  recht, 
an  indog.  *gitel-  anzuknüpfen.  Derselbe  einwand  trifft  mehrere 
der  von  Siebs  angenommenen  etyraologien  (vgl.  no.  313  und 
no.  318). 

317.  stcinps.  Wenn  swinps  eine  participiale  bildung  zu 
got.  *$waian,  nl.  guttaten  ist,  so  wird  ein  vorgerm.  *sue-nt' 
anzusetzen  sein  (vgl.  Grienberger  s.  206).  Daraus  wäre  swinps, 
*sudntO'  weitergebildet  wie  winds,  *uentö-  aus  *ue-nt-.  Ist  es 
aber  nicht  besser,  swinps  nach  Stokes  (Urkelt.  Sprachschatz 
s.  323)  zu  beurteilen? 

318.  stcumfsl  Siebs'  erklärung  von  ahd.  swimman  (KZ. 
37,310)  scheitert  an  derselben  klippe  wie  seine  etymologien  von 
stccrs  und  swiltan. 

319.  tains.  Solmsens  Vermutung  (ßeitr.  27, 363)  ist  jeden- 
falls neben  der  von  Wood  (Publ.  of  the  mod.  lang,  assoc.  of 
America  14, 334)  und  Grienberger  s.  207  vorgeschlagenen  ety- 
mologie  (wozu  Wiedemann,  BB.  28, 53  f.)  in  erwägung  zu  ziehen. 

320.  tandjan.  Die  möglichkeit,  dass  wir  von  tttnd-  aus- 
zugehen haben  und  dass  tand-  und  Und-  durch  ablautsentglei- 
snng  zu  erklären  seien,  hätte  ich  in  meinem  Et.  wb.  der  aind. 
spräche  s.  127  nicht  so  bestimmt  leugnen  sollen.  Vgl.  den  auszug 
aus  Osthoffs  Vortrag  IF.  Anz.  1, 82. 

321.  timrjan.  Germ  *tim(b)ra-  verhält  sich  nach  Bezzen- 
berger  (BB.  27, 153  f.)  zu  gr.  öaftaQ(r)  ähnlich  wie  gr.  xojtqoq 
zu  aind.  cdkft.  Wir  haben  von  einem  neutralen  r-  (»-)  stamme 
mit  der  bedeutung  'gezimmer'  auszugehen.  Dieser  ansprechende 
gedanke  bestätigt  die  an  sich  schon  wahrscheinliche  Zugehörig- 
keit von  *tim(b)ra-  zu  gr.  ötfinj  und  entzieht  der  gleichung 
*tim(b)ra-  :  aksl.  dqUi,  dqbrava  den  schwankenden  boden. 

322.  trauan.  Zu  trauern,  traust i,  trigywa,  triygtcs,  tritt 
vgl.  die  schöne  abhandlung  Osthoffs  'Eiche  und  treue'  (Parerga 
1,98  ff.). 

323.  trudan.  Wie  bei  stigqan  und  tandjan  möchte  Osthoff 
(Parerga  1,  372  f.,  fussnote)  auch  in  diesem  falle  eine  cw-wurzel 
zu  gründe  legen.  Dagegen  spräche,  wenn  wirklich  hierher  zu 
stellen,  das  von  Stokes  (IF.  12, 187  f.)  herangezogene  air.  am- 
drad  (cun-drath)  [vgl.  noch  Holthausen,  IF.  17, 293]. 


314 


UHLENRECK 


324.  tuggl  Kann  germ.  *tw'/g1a-  'gestirn'  nicht  mit  lit. 
dtng(a)  'scheint,  dünkt',  dtngotis  'sich  dünken'  auf  einer  wz. 
*dngh-  'glänzen,  scheinen'  beruhen?  Mit  n  (nicht  n)  will  ich 
nur  auf  die  litauische  intonation  hinweisen  (vgl.  Hirt,  Akzent 
s.  143).  Anders  über  *tuiigla-  Grienberger  s.  210  f.  (vgl.  Diefen- 
bach, Vergl.  wb.  2, 673),  über  <Ting(a)  Prellwitz,  BB.  22, 128  ff. 

325.  tuggö.  Es  würde  keine  besondere  kraft  erfordern, 
das  hochaufgetürmte  hypothesengebäude  Fays  (Journ.  of  germ, 
phil.  3, 92  ff.)  umzustürzen.  Für  mich  bleibt  die  identität  von 
tuggö  -n-  mit  lat.  lingua  (*dingua)  unser  einziger  fester  anhalts- 
punkt. 

326.  twcifls.  Die  suffixgestaltung  des  wahrscheinlich  von 
der  zweizahl  abgeleiteten  Wortes  ist  befremdend.  Vielleicht 
trifft  Solmsen  (Beitr.  27, 359)  das  richtige. 

327.  pähö.  In  der  semasiologischen  begründung  der  — 
auf  wen  zurückgehenden?  —  gleich ung  ])ähö  :  lit  tdnhts 
stimmen  Wood  (Journ.  of  germ.  phil.  2, 217  f.)  und  Grienberger 
s.  212  überein.  Wie  kann  Wood  sprechen  von  'the  reason  why 
this  connection  has  not  been  made  before',  wenn  er  selber  anf 
Fickl4,442  verweist,  wo  fiahö  mit  tdnhis  zu  aind.  tandkti 
gestellt  wird?  Seine  bemerkung  'Etymologists  seem  to  forget' 
u.s.  w.  ist  an  dieser  stelle  schlecht  angebracht.  Es  scheint  mir 
überhaupt,  dass  die  etvmologen  eher  zu  viel  als  zu  wenig  mit 
semasiologischen  Spitzfindigkeiten  aneinanderkitten.  Dass  ' t he 
significations  b,  c,  d  may  be  entirely  distinct  from  each  other 
and  yet  easily  derivable  from  a  common  meaning  a\  wird 
jedermann  zugeben,  aber  daraus  ist  doch  nicht  zu  folgern,  dass 
die  bedeutungen  b,  c,  d  von  einer  bedeutung  a  abgeleitet  sein 
müssen?  Dieses  zu  seiner  unnötigen  methodologischen  be- 
merkung; was  ])ähö  betrifft,  kann  ich  ihm  nur  beistimmen. 
Ganz  unstatthaft  ist  die  Vermutung  Schräders  (Reallex.  s.  866). 

328.  parihs.  Der  neueste  erklärungsversuch  (Grienberger 
s.  213)  ist  nicht  überzeugender  als  die  altern  (vgl.  Diefenbach, 
Vergl.  wb.  2, 699.  Leo  Meyer,  Got.  spräche  s.  135.  Peters,  Got 
conjecturen,  Leitmeritz  1879,  s.  13  f.). 

329.  paürnus.  Ob  Jtaurnus  von  alters  her  ein  «-stamm 
gewesen  sei,  lässt  sich  nicht  entscheiden,  denn  aksl.  Mnü  könnte 
auch  mit  aind.  tp\a-  auf  *tmo-  beruhen.  Deshalb  ist  es  gewagt, 
mit  Flensburg  (Stud.  auf  dem  gebiete  der  germ.  wurzelbildung 


Digitized  by  Google 


ZTW  GOTISCHES  WORTSCHATZ. 


1. 85  ff.)  einen  besonders  engen  morphologischen  Zusammenhang 
zwischen  Jxiürnus  und  aind.  tarnte,  gr.  tqvo»  anzunehnjtiL 

330.  ßaürp.  In  meinem  Et  wb.  der  got.  spräche*  s.  150 
ist  gr.  rtQffiror,  rtQafivor  wol  auszuscheiden  (s.  Flensburg.  Sind, 
auf  dem  gebiete  der  indog.  wurzelbildung  L76). 

331.  ]>eihan.  Feist  ( Got.  et ym.  s,  120 )  und  Osthoff  (IF. 
8, 40  ff.)  meinen  lit.  temkit,  üiii  wegen  des  bedeutuiigsunter- 
schiedes  ferne  halten  zu  müssen.  Ich  gebe  zu.  das-  die  Ver- 
mittlung der  bedeutungen  einige  Schwierigkeit  nacht,  möchte 
aber  doch  die  möglichkeit  offen  halten,  das«  sie  sich  irgendwie 
vermitteln  lassen. 

332.  peihs.  Anders  als  ran  Helten  (Beitr.  27. 137  ff. )  halte 
ich  'zu  bestimmten  zeiten  stattfindende  völlig  Versammlung"  für 
die  älteste  erreichbare  bedeutung  von  ]<"<?,  weshalb  für  mich 
kein  grund  vorliegt,  dieses  wort  von  pcihs  zu  trennen.  Auch 
Wood  (Mod.  lang,  notes  19. 1)  hält  an  di^  zusaiimjengeh<'rigkeit 
von  ptihs  und  ping  fest.  I>ie  slav.  Wörter,  welche  van  Hellen 
(a.a.O.  s.  143)  mit  ping  vergleicht  sind  vielmehr  na<  h  Mikloskh 
s.3501  zu  beurteilen  (zu  slav.  stellt  sieh  aus  dem  cerni 
an.pungr  -schwer',  s,  Zupitza.  Germ,  gutt  s.  181). 

333.  peikö.  Grienbergers  etymologie  (s.215j  ist  unwahr- 
scheinlich. Warum  sollten  wir  pafrö  von  aksL  taoa  —  und 
von  peihan  —  trennen?  Ursprünglich  wird  *tiiik-uä-n-  wie 
*tokk'jä  die  'dichte,  compacte  wölken  masse,  gewitterwolke1 
bezeichnet  haben  (vgl.  lit.  tdnkus  -dicht'  und  als  parallele 
für  den  bedeutungsübergang  'dicht,  compact"  zu  -wölke*  aind. 
ghana). 

334.  piubs.  Dazu  noch  air.  Uol  'dieb*  (s.  Stokes,  IF.  12. 
192  f.)?   Vgl.  übrigens  Beitr.  27, 133. 

335.  piuda.  Ansprechend  erklärt  Meillet  (Etudes  sur 
letym.  et  le  vocab.  du  vieux  slave  &  175)  aksl.  tuldl,  siuidl 
'aXXoTQto^  als  ableitnng  von  einem  aus  got  piuda  entlehnten 
worte.  Leider  ist  ein  slav.  *tjuda,  aksl.  *siuiat  wovon  *t{j)udji, 
*($)tu£df  abgeleitet  sein  könnte,  nicht  nachgewiesen.  Auf  den 
umstand  'que  lette  tauta  designe  ä  date  ancienne  surtout  un 
peuple  etranger'  möchte  ich  kein  gewicht  legen  (apr.  wird 
tauta  für  das  eigene  land  gebraucht:  en  Prosiston  tautan). 

336.  piahsjan.  Das  von  Grienberger  s.  210  und  Wood 
(Mod.  lang,  notes  16,311)  herangezogene  aksl.  tUtka,  th's'ti 


3n> 


Uli  LEX  RECK 


'klopfen,  schlagen'  steht  begrifflich  zu  ferne.  Auch  beurteilt 
Wood  die  baltischen  Wörter  unrichtig,  denn  lit.  tulköczius 
'mörserkeule'  verrät  sich  schon  durch  sein  suffix  als  lehnwort 
aus  dem  slavischen  (russ.  tolkdc,  klruss.  tovkdc)  und  apr.  UaJm 
(Euch. 52)  lässt  sich  wegen  der  lautfolge  kaum  als  einheimisches 
wort  auffassen  (s.  Berneker,  Die  preuss.  spräche  s.  184  f.). 

337.  prafstjan.  Grienberger  s.  217  möchte  prafstjan  eher 
mit  gr.  TQtxo)  verbinden,  aber  sein  'trost'  als  'wendung  des 
gemütes'  hat  für  mich  nichts  überzeugendes.  Wie  Cromhout 
(Leidener  doctoralthese  15.  oct.  1900)  und  Osthoff  (Parerga  1, 
130  f.)  halte  ich  an  verwan tschaft  mit  TiQxo  fest.  Auch 
übrigens  ist  Grienberger  in  seinen  bemerkungen  zu  prafstjan 
nicht  glücklich.  Aus  dem  germ.  vergleicht  er  nach  dem 
zweifelnden  vorgange  Diefenbachs  (Vergl.  wb.  2,  715  f.)  ags. 
fröfor,  as.  frotra  (fruodra),  ahd.  fluobara,  ohne  das  anlautende 
f  erklären  zu  können.  Nur  dann  Hesse  sich  diese  Vermutung 
aufrecht  erhalten,  wenn  man  das  anlautende  f  durch  assiinila- 
tion  an  den  inlautenden  labial  erklären  dürfte,  was  ich  nicht 
zu  entscheiden  wage. 

338.  Pramstci  Der  gedanke  an  entlehnung  von  aksl. 
chrastl  'scarabaeus'  aus  got.  pramstci  ist  aufzugeben.  Das 
richtige  über  chra£tl  lehrt  Miklosich  8.91 

339.  prcihan.  Wie  ich  aus  Karsten  (Beitr.  zur  germ. 
wort  künde  s.  6,  fussnote)  ersehe,  hat  Hellquist  (Ark.  f.  uord.  Iii. 
11,  318  ff.)  noch  eine  ganze  reihe  germanischer  Wörter  ver- 
glichen. Zu  den  aussergerm.  beziehungen  gehöit  noch  avest. 
pruxta-  'zusammengedrängt'  (Bartholomae,  Zs.  f.  d.  wortf.  4, 252). 
Auf  grund  dieses  iran.  Wortes  dürfen  wir  annehmen,  dass  die 
bedeutung  'dringen,  drängen'  —  neben  'dröhnend  stossen'  oder 
dergl.?  —  in  die  indog.  urzeit  hinaufreicht. 

340.  prütsfill.  Es  ist  nicht  leicht,  sich  über  die  verwant- 
schaft  dieses  Wortes  endgiltig  zu  entscheiden:  vgl.  noch  Karsten, 
Beitr.  zur  germ.  wortkunde  s.  10  f.  und  Ost  hoff,  Parerga  1, 351, 
fussnote.  Jedenfalls  aber  gehört  prütsfill  mit  air.  trosc  'aus- 
sätzig' zusammen  (Stokes,  Urkelt.  Sprachschatz  s.  139.  Karsten 
a.a.O.  s.  11). 

341.  ptdan.  In  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche2  s.  153 
ist  aksl.  toliti  zu  streichen.   Vgl.  Solrasen,  Beitr.  27, 367. 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


317 


342.  Jmthaurn.  Wood  (Mod.  lang,  notes  16, 307)  sagt  mit 
recht,  dass  wir  bei  an.  fijota  u.s.w.  nicht  von  'stossen'  als 
irrundbedentung  auszugehen  haben.  Ob  die  bedeutung  'tonen, 
rauschen'  auf  'schwellen'  zurückgeht,  bleibt  zweifelhaft. 

343.  ßwahan.  Die  bedeutung  'waschen'  hat  sich  wol 
eher  aus  'schlagen'  (Grienberger  s.  219)  als  aus  'abreiben' 
(Wood.  Journ.  of  germ.  phil.  2, 227  f.)  entwickelt.  Oder  spricht 
an.  fvdl  'seife'  für  die  letztere  ansieht?  Kaum,  denn  es  wird 
nichts  anderes  als  'mittel  zum  waschen'  sein.  Dass  sich  aus 
reiben'  die  bedeutung  'waschen'  entwickeln  kann,  darf  nicht 
bezweifelt  werden,  und  Wood  beruft  sich  auf  gute  parallelen, 
aber  in  dem  falle  von  pteahan  ist  mit  Grienberger  vor  allem 
auf  apr.  twaxtan  'badequast'  gewicht  zu  legen.  Auch  Wood 
nimmt  übrigens  Zusammenhang  an  mit  Wörtern,  deren  bedeu- 
tung er  zunächst  auf  'schlagen'  zurückführt,  so  dass  er  sich 
mit  Grienberger  nahe  berührt.  Warum  aber  soll  Jncahan  und 
so  viel  anderes  in  die  sippe  von  aind.  taviti  gehören?  Aus 
•schwellen'  lassen  sich  eben  alle  bedentungen  ableiten  und  es 
gibt  keinen  laut,  der  sich  nicht  willig  in  die  stattliche  schar 
der  wurzeldeterminative  einreihen  lässt. 

344.  ubils.  Ausser  der  identität  von  ubils  mit  air.  fei 
(Stokes,  KZ.  36, 274)  können  wir  nichts  mit  Sicherheit  behaupten. 
Falls  Johansson  (Beitr.  15, 238  f.)  und  Grienberger  s.  220  (sema- 
siologisch  von  Johansson  abweichend)  das  wort  mit  recht  zu 
uf  (=  aind.  üpa)  stellen,  lässt  ubils  —  fei  sich,  abgesehen  vom 
accent,  noch  mit  aind.  upala-  'stein',  upala  'der  obere  mühl- 
stein'  gleichsetzen,  das  eine  alte  i-nebenform  von  üpara-  sein 
kann.   Anders  Wood,  Mod.  lang,  notes  17,7. 

345.  ubizwa.  Im  gegensatz  zu  Grienberger  s.  220  f.  be- 
trachte ich  ubiztea  als  eine  Weiterbildung  von  indog.  *upcs- 
(vgl.  noch  aind.  upds-  'schoss'). 

346.  ufartrusnjan.  Die  eigentliche  bedeutung  des  ajr. 
ist  zu  zweifelhaft,  als  dass  wir  etymologisch  irgendwelche 

Sicherheit  erreichen  könnten.  Am  ehesten  gehört  es  in  die 
sippe  von  an.  tros  (s.  zuletzt  Grienberger  s.  221  f.), 

347.  ufbauljan.  Der  wz.  *bhcuel-  'schwellen'  hat  Osthoff 
(Suppletivwesen  s.  66  f.)  den  boden  entzogen.  Auch  Wood  (Mod. 
lang,  notes  19, 4)  stellt  ußauljan  u.  s.  w.  zu  aind.  bhdvi-,  bhtt-. 

348.  ufrakjan.  In  meinem  Et.  wb.  der  got.  spräche2  s.155 


318 


UTTLENBECK 


ist  lit.  rhzyti  zu  lesen  (vgl.  dazu  Zupitza,  Germ,  glitt,  s.  108\ 
Ueber  aind.  rj-,  ftij*  handelt  jetzt  Geldner  (Ved.  stud.  3, 26  ff.\ 
dessen  von  den  landläufigen  anschaunngen  stark  abweichenden 
aufstellungen  eingehender  prüfung  bedürfen.  Sollte  er  recht 
behalten,  so  hätte  rj-,  pij-  nichts  mit  rakjan  u.s.w.  zn  schaffen. 

349.  ufta.  Ich  möchte  meine  eigene  erklärung  (Beitr.27.133) 
derjenigen  Woods  (Journ.  of  germ.  phil.  2, 214)  vorziehen,  denn 
eine  ableitung  von  iudog.  *upo  würde  kaum  'dicht  aufeinander 
gedrängt,  dicht  zusammenstehend'  bedeutet  haben  können.  Auch 
formell  wäre  *upto-  nicht  gut  als  ableitung  von  *upo-  begreif- 
lich. Und  ladet  ufta  andererseits  nicht  gerade  dazu  ein,  es 
als  adv.  zu  einer  participialbildung  zu  betrachten? 

350.  ufflanjan.  Warum  will  Grienberger  s. 223  panja 
nicht  als  indog.  *totu>iö  auffassen?  Das  von  Grienberger  heran- 
gezogene lit.  Uihus  'geschwollen'  ist  zweifelhaft  (vgl.  traniis 
ieicht  überflutend,  anschwellend').  Um  wie  viel  zweifelhafter 
ist  dann  das  germ.  *panu-,  das  Grienberger  construiert,  um 
panjan  davon  ableiten  zu  können! 

351.  ahtiuy.  Das  wort  ist  zu  sehr  der  verschreibung  ver- 
dächtig! Grienberger  s.  224  f.  und  Osthoff  (Parerga  1,  258) 
befriedigen  nicht.  Nur  gebe  ich  Grienberger  zu,  dass  wir 
über  die  Zugehörigkeit  von  uhteigs  zu  ühtwö  zweifeln  können. 

352.  ühtwö.  Warum  ühtwö  eher  zu  lit.  ükstos  'bezieht 
sich  mit  wölken'  als  zu  lit.  attkstt  'frühe'  gehören  sollte  (Prell- 
witz, HR 26, 324),  leuchtet  mir  nicht  ein.  Steht  ühtwö  dem  aind. 
akttt-  durch  sein  w  nicht  besonders  nahe? 

353.  ulbandus.  Osthoffs  künstliche  erklärung  von  iltqä: 
als  Zusammensetzung  aus  einem  indog.  *el-  'horn'  und  einem 
dem  lat.  cbur  entsprechenden  fremdworte  (Parerga  1, 281)  steht 
der  auffassung  von  llt'yäq  als  einheimisches,  mit  cUyo;,  lat. 
albus  ablautendes  wort  an  Wahrscheinlichkeit  nach  (vgl.  über 
die  wz.  *tlcbh-  Wadstein,  Uppsalastudier  s.  152  ff.).  Zur  lite- 
ratur  ist  auch  noch  Schräder,  Reallex.  s.  180  ff.  405  nachzu- 
tragen. 

354.  unbiarja.  Grienbergers  etymologie  (s.225  f.)  ist  ganz 
unwahrscheinlich.  Van  Wijk  (Amsterdamer  doctoralthese  ll.jnni 
1002)  vermutet  ansprechend  *unhiurja. 

355.  ungatass.  Grienberger  s.  227  berührt  sich  nahe  mit 
Peters,  Beitrag  zur  goth.-hochd.  Wortforschung  1871,  s.  9  ff.  Mit 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


319 


recht  betrachtet  Peters  gatass  als  eine  ähnliche  bildung  wie 
*kasst  und  Grienberger  hätte  von  dieser  auffassung  nicht  ab- 
weichen sollen. 

356.  unleds.  An.  IdÖ,  ags.  \<kÖ  beruhen  auf  vorgerm.  */c7o-. 
während  got.  unleds,  ags.  unläd  auf  *leto-  hinweisen  (vgl.  Grien- 
berger s.  227). 

357.  unwerjan.  Wood  (Publ.  of  the  mod.  lang,  assoc.  of 
America  14. 329  f.  Mod.  lang,  notes  16, 307)  legt  den  bedeutungen 
ruhig,  angenehm'  (an.  värr)  und  'wahr'  (ahd.  war,  air.  ftr,  lat, 
virus)  den  begriff  'joining  together'  zu  gründe.  Leider  wird 
diese  hypothetische  grundbedeutung  nicht  durch  tatsachen  ge- 
stützt Denken  wir  an  die  semasiologisch  nahe  stehende  sippe 
von  triggws,  so  werden  wir  eher  dazu  geneigt  sein,  von  'fest' 
oderdergl.  auszugehen.  Die  bedeutung  'ruhig,  angenehm'  finden 
wir  nur  bei  an.  väsrr  und  got.  *tccrs  (in  *unwers\  weshalb  sie 
stark  unter  dem  verdacht  steht,  sich  erst  im  germ.  von  'wahr, 
zuverlässig'  abgezweigt  zu  haben.  Von  'zuverlässig'  zu  'ruhig, 
angenehm'  dürfte  auch  kein  zu  grosser  schritt  sein.  Die  be- 
deutung 'wahr'  dagegen  ist,  wie  aus  der  Übereinstimmung 
mehrerer  Sprachgruppen  hervorgeht,  zweifelsohne  uralt  (vgl. 
noch  aksl.  vera  'glaube',  das  sich  an  iran.  var-  'glauben'  an- 
schliesst). 

358.  ur  reis  an.  Zu  reisan,  dessen  s  er  wol  mit  recht  als 
enveiterung  betrachtet,  stellt  Wiedemann  (BB.  28, 72)  lit.  rytas 
morgen',  indem  er  eine  ursprüngliche  bedeutung  '(sonnen) - 
aufgang'  annimmt.  Aber  germ.  *nsanan  bedeutet  nicht  nur 
'steigen',  sondern  auch 'fallen'  und  'auf  etwas  losstürzen'  (vgl. 
ags.  risan  von  zerreissenden  tieren  gesagt),  und  die  unerweiterte 
wz.  *re%-,  worauf  rytas  beruhen  müsste,  bezeichnet  ebenfalls 
verschiedene  arten  der  bewegung  (s.  Et,  wb.  der  aind.  spräche 
s.249  s.v.  rindti).  Darum  ist  es  ganz  unwahrscheinlich,  dass 
rytas  hierher  gehören  sollte. 

359.  urruglcs.  Wegen  der  unsicheren  bedeutung  (nach 
Cromhout,  Leidener  doctoralthese  15.  oct.  1900  wäre  urrugkai 
—  qvoti)  ist  von  etymologischen  Vermutungen  (s.  zuletzt  Grien- 
berger s.  230  und  Wood,  Mod.  lang,  notes  16,311)  abzusehen. 

360.  us.  Woods  Vermutung  über  etwaigen  Zusammenhang 
mit  aind.  vas-  'leuchten'  (Journ.  of  germ.  phil.  2,219)  gehört 
in  das  gebiet  der  uncontrolierbaren  speculationen.   Dass  die 


320 


UHLEXUECK 


bedeutung  'to  dawn'  sich  aus  'spring  forth,  rise'  entwickelt 
haben  kann,  will  ich  natürlich  nicht  leugnen.  Aber  vas- 
kann  ebenso  gut  von  alters  her  ieuchten'  bedeutet  haben. 

361.  usbaugjan.  Jetzt  ausführlich  über  die  ind.  wz.  bhuj- 
'befreien,  reinigen'  H.  Kern,  Museum  10,18  t 

362.  usfiJma.  Die  möglichkeit,  dass  das  m  ein  suffix  sei 
besteht  allerdings.  Damm  ist  es  wol  erlaubt,  mit  Solmscn 
(Beitr.  27, 364)  slav.  *polchü  zu  vergleichen,  ob  wol  man  sich 
bewusst  bleiben  soll,  dass  ähnliche  combinationen  immer  einen 
sehr  hypothetischen  Charakter  behalten.  Nur  möchte  ich  das 
neben  *polchü  stehende  *popolc)tü  nicht  als  reduplicationsbildung. 
sondern  als  Zusammensetzung  mit  po-  auffassen  (vgl.  russ.  perc- 
polöch  neben  po-poloch). 

363.  usflaugjan.  Sichere  aussergerm.  beziehungen  fehlen. 
Zu  Iii  plunksna  vgl.  Kern,  Tijdschr.  voor  necL  taal-  en  letterk. 
20, 244  f.  und  Thurneysen,  IF.  14, 127  ff. 

364.  ushaista.  Eine  ansprechende  etymologie  ist  mir  nicht 
bekannt:  vgl.  Diefenbach,  Vergl.  wb.  2, 506  ff.  Leo  Meyer,  Got. 
spräche  s.  36.  Wegen  der  form  läge  es  nahe,  an  aind.  ceshtati 
'regt  sich,  rührt  sich,  treibt'  anzuknüpfen.  Dann  wäre  ushaista 
ursprünglich  s.  v.  a.  nicceshta-  'regungslos',  aus  welchem  begriffe 
man  wol  zu  'kraftlos,  schwach,  dürftig'  gelangen  könnte. 

365.  usqiman.  Mit  dem  objectsdativ  bei  usqiman,  fra- 
qiman  ist  der  gebrauch  desselben  casus  bei  an.  koma  in  seiner 
factitiven  bedeutung  ('to  make  to  come,  put,  bring,  carry' 
Cleasby-Vigfusson  s.  349)  zu  vergleichen,  was  weder  Delbrück 
(Vergl.  syntax  1, 262)  noch  van  der  Meer  (Gotische  casus-syn- 
taxis  1, 187)  beachtet  haben.  Bei  usqiman,  das  ursprünglich 
eine  allgemeinere  bedeutung  gehabt  haben  wird  (vgl.  an.  h>m 
chm  6r  landi  nnd  dgl.),  ist  wahrscheinlich  eine  nähere,  auf  den 
tod  bezügliche  bestimmung  verschwiegen  worden.  Denken  wir 
an  Wulfstäns  to  dtade  dcuman  (ed.  Napier  s.  22),  so  können  wir 
geneigt  sein,  usqiman  du  daupau  als  den  vollständigen  aus- 
druck  zu  betrachten,  woraus  der  gebrauch  von  usqiman  als 
'töten'  erklärt  werden  muss  (vgl.  Daniels,  Kasussyntax  zu  den 
echten  und  unechten  predigten  Wulfstans  s.  69  f.).  Ob  wir 
aber  aus  dcuman  to  dcade  schliessen  dürfen,  dass  der  verhältnis- 
mässig seltene  accusativ  bei  usqiman  älter  sei  als  der  gewöhn- 
lich auftretende  dativ,  ist  mir  angesichts  des  objectsdativs  bei 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


an.  kotm  recht  zweifelhaft.  Man  könnte  übrigens  auch  ver- 
muten, dass  us  libainai,  nicht  du  daufrau,  bei  usqiman  zu  ver- 
vollständigen wäre. 

366.  usskaws.  Wegen  Grienberger  s.  228  bemerke  ich, 
dass  ich  die  emendation  usskawai  (hs.  unshawai)  und  die  an 
ahd.  scouwön  anknüpfende  etymologie  für  richtig  halte.  Was 
Mikkola  (IF.  16.  96)  noch  aus  dem  cech.  anführt,  ist  zu 
unsicher. 

367.  uspriuian.  Die  Zugehörigkeit  von  air.  tromm  'schwer' 
ist  unsicher  (vgl.  einerseits  Stokes,  Urkelt.  Sprachschatz  s.  139. 
Verf.,  Beitr.  26, 571,  andererseits  Zupitza,  KZ.  36, 243,  fussnote). 
Ueber  die  grundbedeutung  von  frriutan  handelt  Karsten,  Beitr. 
zur  germ.  wortkunde  s.  10  f. 

368.  ut.  Wood  (Journ.  of  germ.  phil.  2, 218  f.)  stellt  zu 
indog.  *üd-  'aus'  noch  die  sippe  von  got.  tvatö.  Nun  lässt 
sich  von  der  bedeutung  'aus'  der  begriff  des  hervorquellens 
wol  ableiten,  aber  wer  sagt  uns,  dass  *twdör  eigentlich  'das 
hervorquellende'  bezeichnet  habe?  Aind.  undtti,  worauf  Wood 
sich  beruft,  ist  doch  nicht  an  erster  stelle  'spring  up,  bubble 
up,  flow',  sondern  vielmehr  'benetzen'  (nur  Rv.  10, 149,  2 
ydträ  samudrd  shabhitö  vy  tiunad  kommen  wir  mit  'benetzen' 
nicht  aus).  Ist  es  nicht  vorsichtiger,  in  *uodör  ein  uraltes 
wort  für  '  wasser'  anzuerkennen  und  das  nur  im  indischen 
belegte  verbum  als  denominativum  zu  betrachten?  Wahr- 
scheinlich aber  war  der  stamm  *uned-  schon  in  der  Ursprache 
vorhanden,  denn  der  nasal  von  lit.  vandü  u.s.w.  lässt  sich  am 
besten  durch  den  einfluss  des  mit  nasalinfix  gebildeten  verbums 
erklären. 

369.  wadi.  Die  gleichung  wadi :  widan  (Diefenbach,  Vergl. 
wb.  1, 140  ff.)  ist  nicht  so  unanfechtbar,  wie  Aleringer  (IF.  16, 
177  f.)  zu  meinen  scheint,  denn  germ.  a  =  lat.  a  ist  jedenfalls 
äusserst  selten  in  der  c- reihe  und  es  liegt  viel  näher,  wadi 
mit  lat.  vas  (yadis)  auf  indog.  *uadh-  oder  u3dh-  zurückzuführen, 
als  das  germ.-lat  a  aus  einem  reductionsproduct  von  indog.  c 
zu  erklären.  Oder  vermutet  Meringer  zwischen  wadi  und  lat. 
ras  ein  ablautsverhältnis,  indem  er  das  o  von  wadi  auf  indog.  o, 
dasjenige  von  lat.  vas  dagegen  auf  ein  reductionsproduct  von  e 
zurückführt?  Dies  wäre  allerdings  erlaubt,  denn  dass  es  ein 
lat.  a  gibt,  das  eine  Schwächung  von  e  repräsentiert,  ist  nicht 


322 


UHLENBECK 


zu  leugnen.  Ist  es  aber  nicht  viel  wahrscheinlicher,  dass  das 
a  von  wadi  mit  demjenigen  von  lat.  vas  und  Iii  vadüti  auf 
einem  und  demselben  laute  beruht?  Dann  ist  Zugehörigkeit 
zur  e-reihe  bei  unserer  mangelhaften  kennt nis  des  indog.  voca- 
1  Ismus  freilich  nicht  ausgeschlossen,  aber  doch  in  hohem  grade 
unwahrscheinlich.  Dies  alles  hätte  Meringer  erwägen  sollen, 
ehe  er  seine  zuversichtliche  behauptung,  germ  *wadja-  sei 
vom  blockbau  auf  den  handel  übertragen  (!),  niederschrieb. 
Man  hat  sich  beeilt,  Meringers  aufsatz  'Wörter  und  Sachen' 
als  in  methodologischer  hinsieht  wichtig  zu  bezeichnen,  aber 
ich  muss  gestehen,  dass  ich  darin  —  von  guten  einzelheiten 
abgesehen  —  keinen  fortschritt  der  etymologischen  methode 
erblicken  kann.  Dass,  wo  wir  es  mit  bezeichnungen  von 
sachen  zu  tun  haben,  diese  Sachen  selbst  unsere  aufmerksam- 
keit  erfordern  und  dass  etymologisches  Studium  ohne  tieferes 
eindringen  in  die  realia  des  altertums  und  der  gegenwart  un- 
denkbar ist,  darf  doch  nicht  gerade  als  eine  neue  entdeckung 
Meringers  gelten.  Hätte  er  unsere  methode  wirklich  fördern 
wollen,  so  wäre  es  erspriesslicher  gewesen,  bei  seinen  eigenen 
Untersuchungen  streng  und  methodisch  zu  verfahren.  Das  aber 
hat  er  in  dem  vorliegenden  aufsatze  nur  ausnahmsweise  getan, 
ja  bisweilen  überschreiten  seine  Schwärmereien  alle  schranken 
der  ernsthaften  wissenschaftlichen  forschung  (ich  denke  z.  b. 
an  seine  rein  phantastische  darstellung  der  bedeutungsentwick- 
lung  der  wz.  *j*en-  IF.  16, 179  ff.).  Auch  im  falle  von  wadi 
hat  Meringer,  wie  ich  schon  dargetan  habe,  unsere  erkenntnis 
nicht  gefördert  Leider  gilt  dasselbe  von  Fick  (BB.  28, 105)t 
der  auch  an  eine  e-wurzel  anknüpft  —  freilich  an  eine  andere 
als  Meringer  — ,  ohne  sich  von  den  damit  verbundenen  laut- 
lichen Schwierigkeiten  rechenschaft  zu  geben.  Was  die  sippe 
von  wadi  betrifft,  ist  das  einzige  resultat,  das  die  etymologische 
forschung  in  den  letzten  jähren  erzielt  hat,  ein  negatives: 
Zupitza  (KZ.  37, 405  f.)  hat  nämlich  deutlich  gezeigt,  dass  der 
gedanke  an  Zusammenhang  mit  gr.  asfrXov  unbedingt  aufzu- 
geben ist. 

370.  waggar  eis.  Scheftelowitz  (BB.  28, 157)  irrt,  weun 
er  das  g-  von  got  waggareis  für  den  Vertreter  einer  labio- 
velaren  media  aspirata  hält.  Hätte  er  sich  das  Verhältnis  von 
gr.  opgtq  zu  got.  siggwan  vergegenwärtigt,  so  wäre  es  ihm 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


323 


nicht  eingefallen,  aeol.  afMfnv  mit  got,  *waggö  zu  verbinden. 
Auch  die  bedeutungen  stimmen  nicht  (das  gilt  auch  von  armen. 
gang  'schädel,  hinterkopf). 

371.  wai.  Nach  Bezzenberger  (BB.  26, 168)  wäre  gr.  öi^vg 
hierher  zu  stellen.  Aber  was  ist  dann  das  anlautende  o  und 
was  das  d  von  *6fidjvg?  Das  griechische  wort  wird  eine  von 
wai  unabhängige  onomatopoetische  urschöpfung  sein. 

372.  waihjö.  Grienberger  s.  234  zweifelt  zwischen  ai 
und  ai  Das  finn.  wird  aber  in  dieser  frage  ein  wort  mitzu- 
reden haben  (s.  Karsten,  Nord,  studier,  Uppsala  1904,  s.  51  ff.). 

373.  tcaila.  Die  grundbedeutung  von  aind.  velä  ist  zu 
unsicher,  als  dass  wir  es  mit  einiger  Zuversicht  mit  got.  tvaila 
(Brugmann,  IF.  15, 99  ff.)  vergleichen  dürften.  Jedenfalls  aber 
möchte  ich  nicht  gern  mit  Meringer  (IF.  10, 149  ff.)  waila  von 
ahd.  wela  u.s.w.  trennen  [vgl.  noch  Brugmann,  IF.  16, 503  f.]. 

374.  wainags.  Wood  (Mod.  lang,  notes  16, 23)  wirft  allerlei 
durcheinander  (vgl.  Beitr.  27,  135).  Wir  haben  nicht  den  ge- 
ringsten grund  dazu,  wainags  von  einer  wurzel  mit  der  bedeu- 
tung  'turn,  drive,  pursue'  abzuleiten.  Da  wäre  die  von  der 
interjection  wai  ausgehende  etymologie  noch  wahrscheinlicher! 

375.  wairilös.  Die  lippen  könnten  nach  der  tätigkeit 
des  schliessens  benannt  sein,  so  dass  ivatrilös  als  eine  ableitung 
der  wz.  *uer-  'schliessen'  in  aksl.  vh-q,  lit.  veriü,  lat.  aperio, 
operio  aufzufassen  wäre.  Anders  Grienberger  s.  236  (der  da- 
gegen wairdus  als  den  'beschliesser'  erklären  möchte). 

376.  wairs.  Got.  wairs,  wairsiza  haben  so  ziemlich  die 
entgegengesetzte  bedeutung  von  aind.  vdrshiyän  (wozu  mein 
Et.  wb.  der  aind.  spräche  s.  276),  weshalb  man  nicht  leicht  auf 
den  gedanken  kommen  wird,  die  Wörter  mit  einander  zu  ver- 
binden. Man  bedenke  aber,  dass  die  bedeutung  'schlimmer' 
sich  aus  'zu  hoch,  überflüssig'  oder  dergl.  entwickelt  haben 
könnte.  Wenn  wir  von  dem  s  in  watrs  keine  rechenschaft 
zu  geben  hätten,  läge  es  gewis  näher,  aksl.  gorij  'schlimmer' 
heranzuziehen  (vgl.  schon  Diefenbach,  Vergl.wb.  1,191),  welchen- 
falls  das  w  wie  in  ahd.  warm  als  Vertreter  von  indog.  gvh  zu 
erklären  wäre.  Noch  anders  Wood,  Mod.  lang,  notes  17,  7.  Ganz 
veraltetes  bei  Leo  Meyer,  Got.  spräche  s.  173  f. 

377.  waldan.  Hoffmann  (rEPA2,  abh.  für  August  Fick 
s.  58)  scheint  das  d  von  waldan  auf  indog.  dh  zurückzuf iihreu, 


324 


ÜHLENBECK 


was  wegen  des  an.  praet.  olli  unstatthaft  ist.  Auf  grund  von 
an.  olli  und  air.  flaith  möchte  ich  jetzt  die  ganze  baltoslav. 
sippe  als  in  sehr  alter  zeit  aus  dem  germ.  entlehnt  betrachten. 
Anders  Wood,  Journ.  of  germ.  phil.  2, 220. 

378.  walus.  Vgl.  noch  Bezzenberger,  BB.23, 318.  Diese 
stelle  hätte  ich  in  meinem  Et.  wb.  der  got,  spräche2  s.  166  ver- 
werten sollen. 

379.  wamba.  Die  an  aind.  gabhd-  (Pedersen,  BB.20,238) 
und  slav.  *gaba  (Beitr.  22, 192)  anknüpfende  etymologie  ist 
semasiologisch  ansprechender  als  'Woods  vergleich  von  aind. 
vapd  'eingeweidehaut,  netzhaut'  (Mod.  lang,  notes  15,  98). 

380.  wamm.  Grienbergers  auffassung  von  wamm  als  medio- 
participiale  bildung,  vielleicht  zu  der  in  wans  vorliegenden 
wurzel  (s. 237),  ist  lautlich  und  begrifflich  anfechtbar.  Eher 
gehört  tvamm  zu  indog.  *ueme-  'sich  erbrechen'  und  haben  wir 
von  der  bedeutung  'spucke'  auszugehen.  Was  hat  Grienberger 
eigentlich  dagegen? 

381.  wandus.  Seit  Meringer  (vgl.  oben  no.  61)  uns  gelehrt 
hat,  in  tvindan  eine  wz.  *uendk~  zu  erkennen,  ist  die  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  wandus  mit  windan  zu  verbinden  sei. 
erheblich  grösser  geworden.  Eine  semasiologische  parallele 
bietet  uns  walus  (Et.  wb.  der  got.  spräche1  s.  166). 

382.  waurdahs.  Gewis  nicht  mit  Grienberger  s. 238  als 
bahuvrlhi  aufzufassen!  Es  ist  natürlich  eine  ähnliche  bildung 
wie  an.  oröigr  und  ags.  wordij. 

383.  weihs.  Jetzt  schliesse  ich  mich  in  der  erklärung 
von  weihs  'heilig'  unbedingt  an  Osthoff  (IF.  6, 39  ff.)  an.  Vgl. 
noch  Wood,  Mod.  lang,  notes  18, 16  (der  mit  unrecht  ags.  was, 
as.  weg  von  got.  waddjus  trennt). 

384.  weihs.  Sommer  (Handb.  der  lat.  laut-  und  formen- 
lehre  s.263)  stellt  lat.  villa  (*uexkslä-?)  zu  got.  weihs  (gen. 
weihsis)  'flecken,  dorf.  Villa  lässt  aber  auch  eine  andere 
erklärung  zu  (s.  Zimmermann,  IF.  15, 123). 

385.  weinabasi.  Grienbergers  erklärung  von  basi  als 
'naektf nicht'  (s.  239)  will  mir  nicht  einleuchten. 

386.  weinuls.  Da  got.  wcinuls  nicht  verbaler  herkuuft 
sein  kann,  meint  Grienberger  s.  239,  so  seien  auch  die  übrigen 
adjectiva  dieses  typus  von  substantiva  abgeleitet  —  eine 


Digitized  by  Googl 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


325 


Schlußfolgerung,  welche  ich  keineswegs  als  zwingend  anerkenne 
(vgl.  Brugmann,  Grundr.  2, 195). 

387.  wcitwöds.  Fick  (BB.  28, 105)  sieht  in  weituöds  eine 
Zusammensetzung  mit  der  bedeutung  'wisseu  verbürgend'. 
Leider  ist  uns  weder  ein  got.  *weita-  1  wissen'  noch  ein  mit 
wadi  ablautendes  *tcöda-  'verbürgend'  überliefert.  Warum 
sollten  wir  die  alte  erklärung  von  weittvöds  als  part.  praet. 
act.  aufgeben? 

388.  wigadeinö.  Im  gegensatz  zu  Grienberger  (s.  240) 
betrachte  ich  mit  Brugmann  (Kurzgef.  vergl.  gramm.  s.  303) 
und  älteren  gelehrten  das  wort  als  eine  Zusammensetzung. 

389.  wigäna.  Mit  Cromhout  (Leidener  doctorthese  15.  oct. 
1900)  in  *gaicina  (d.  h.  *gatvinna  =  ags.  dat.  gewinne)  zu 
ändern? 

390.  wiljahalpei.  Zu  got,  Vialps stellt  Zupitza  (BB.25,99) 
noch  lat.  ausculto.  Eine  der  schönsten  etymologien  der  letzten 
jähre. 

391.  winnan.  Meringers  ausführungen  über  winnan  und 
seine  verwante  (IF.  16, 179  ff.)  sind  ein  abschreckendes  beispiel 
dafür,  wohin  subjective  Willkür  selbst  den  geschulten  Sprach- 
forscher verführen  kann.  Es  ist  charakteristisch  für  sein  ver- 
fahren, dass  die  bedeutungen  1  ackern',  aus  welcher  er  alle 
andern  bedeutungen  ableitet,  und  'coire',  woraus  sich  zunächst 
ieidenschaft,  wonne,  liebe,  freundschaft'  entwickelt  haben  sollen, 
durch  keine  spräche  erfordert  werden  (ein  leser  des  Meringer- 
schen  aufsatzes  machte  die  bemerk ung,  dass  der  coitus  vielmehr 
eine  folge,  als  die  Ursache  der  Ieidenschaft  ist!).  Man  glaubt 
aber  seinen  äugen  nicht,  wenn  Meringer  sogar  zu  sagen  weiss, 
welche  bestimmte  art  des  ackerns  ursprünglich  mit  *uen-  ge- 
meint sei:  'das  anbohren  des  bodens  mittelst  eines  spitzen  holzes 
...und  darauf  folgendes  aufreissen  des  bodens'.  Und  worauf 
beruht  diese  ganz  genaue  bedeutungsbestimmung?  Ausschliess- 
lich und  allein  auf  dem  umstände,  dass  ein  anklingendes  wort 
im  aind.  'bäum,  holz'  und  dergl.  bedeutet!  Hoffentlich  wird 
Meringer  bald  von  den  irrwegen  seiner  märchenweit  in  die 
bahnen  der  strengen  Wissenschaft  zurückkehren.  Dass  er  auch 
etwas  tüchtiges  zu  leisten  vermag,  hat  er  oft  genug  gezeigt, 
ja  selbst  durch  das  dichte  gewölk  seiner  'Wörter  und  Sachen' 
blinkt  gelegentlich  ein  strahl  des  klaren  Urteils. 

Beiträge  zur  geschickte  der  deutschen  spracht.  XXX.  22 


326 


CHLENBECK 


392.  tcintrus.  Ein  mit  got.  tcatö  ablautendes  indog.  *vend- 
(<L  L  *ued-  mit  nasal  in  fix)  ist  allerdings  möglich,  aber  doch  darf 
Lidens  etymologie  (Beitr.  15,  522)  nicht  für  sicher  gelten,  denn 
wie  lässt  sich  wahrscheinlich  machen,  dass  tcintrus  ursprüng- 
lich 'Wasserzell'  bedeutet  habe?  Jedenfalls  verdient  die  Ver- 
mutung, tcintrus  sei  als  4 weisse  zeit'  zu  fassen  und  mit  galL 
vindo-,  air.  find  zu  verbinden  (Kluge6  s.  426),  neben  der  Liden- 
schen  erklärung  erwogen  zu  werden. 

393.  wis.  Wood  (Mod.  lang,  notes  18, 16)  und  Wiedemann 
(BB.28,67f.)  stellen  tcis  unmittelbar  zu  tcisan  'sein,  bleiben, 
verweilen'  (vgl.  Diefenbach,  Vergl.  wb.  1,  227  f.),  was  richtig 
sein  kann.  Vielleicht  ist  aber  Karstens  deutung  von  tcis  als 
'glänzende,  spiegelhelle  meeresfläche  >  meeresstüle'  zu  aind. 
vaB'  'leuchten'  (Beitr.  zur  germ.  wortk.  s.  30  ff.)  jeder  anderen 
erklärung  vorzuziehen  [dagegen  Brugmann,  IF.  17, 319  f.]. 

394.  tcisan.  Sollten  die  beiden  got  verba  tcisan  wirk- 
lich nichts  mit  einander  zu  tun  haben?  Vgl.  Wiedemann 
BB.  28,  68. 

395.  tcizön.  Mit  Cromhout  (Leidener  doctorthese  15.oct. 
1900)  ist  wol  anzunehmen,  dass  tcizön  eigentlich  'sich  belustigen' 
bedeutet  und  sich  also  nahe  an  gawizneigs  im  'ovvrjöofiai'  und 
tcisan  'ivtfQau  to&ai1  anschliesst  Wie  man  aber  über  tcizön 
u.s.w.  urteilen  mag,  jedenfalls  ist  die  Zugehörigkeit  von  lat. 
vescor  äusserst  fraglich  (vgl  Niedermann,  IF.  10, 251  ff.  Brug- 
mann, IF.  13, 161). 

396.  tclizjan.  Gegen  Grienbergers  etymologie  (s.  243) 
spricht  vor  allem  das  z,  das  sich  nicht  aus  ss,  vorgerm.  ts  (d-s) 
erklären  lässt 

397.  tcöds.  Ich  bleibe  bei  der  darstellung  in  meinem  Et. 
wb.  der  got  spräche5  s.  174.  In  *wödana-z  sehe  ich  —  anders 
als  Grienberger  s.  243  —  ein  altes  appellativum  mit  der  be- 
deutung  'geistig  verzückter'  (vgl.  lat.  vätes  und  air.  fdith).  Es 
ist  offenbar  mit  dem  suffix  -ono-  (woneben  -eno-  in  an.  09m) 
von  der  wz.  *uät-  abgeleitet,  welche  mit  *ue-  'wehen'  nichts 
zu  tun  hat, 

398.  wöpeis.  Grienbergers  gleichung  tcöpeis :  iusiza  (s.  244) 
ist  in  jeder  hinsieht  unhaltbar. 

399.  wraiqs.  Das  mit  wraiqs  gewöhnlich  identifizierte  gr. 
fatßoq  könnte  auch  auf  *sraigvö-  beruhen  und  mit  lit  srtijp 


Digitized  by  Google 


ZUM  GOTISCHEN  WORTSCHATZ. 


327 


'Schnecke'  verwant  sein  (s.  Brugmann,  Grundr.  P,  189  f.).  — 
Die  ausführungen  von  Peters  (Got.  conjecturen,  Leitmeritz  1879, 
s.  9  ff.)  sind  verfehlt.  Afries.  tvräk  beweist  die  richtigkeit  der 
gotischen  Überlieferung. 

400.  tcratön.  Mit  recht  bemerkt  Wood  (Mod.  lang,  notes 
16,308),  dass  verwantschaft  von  wratün  mit  ags.  wrotan  u.s.w. 
nicht  zu  bezweifeln  ist.  Nicht  so  sicher  ist  die  von  ihm  vor- 
geschlagene aussergerm.  anknüpfung. 

401.  wulpus.  Es  liegt  doch  viel  näher,  in  wulpus  u.s.w. 
ablautsbildungen  zu  waldan  zu  erblicken  —  das  d  von  waldan 
ist  ja  wegen  an.  olli  auf  indog.  t  zurückzuführen!  —  als  mit 
Grienberger  s.  247  f.  zu  lat.  vultus  und  volo  seine  Zuflucht  zu 
nehmen. 

LEIDEN,  frühsommer  1904.       C.  C.  UHLENBECK. 


22* 


GERMANISCH  'HUNIZ  'SCHWARZ'. 

In  den  Germanistischen  abhandlungen  (H.Paul  dargebracht) 
hat  J. Hoops  (s.  178  ff.)  ein  germanisches  adjectivum  hün  (*hünti) 
'dunkel,  braun,  schwarz'  erschlossen,  und  ich  habe  in  den  Hess.  * 
blätt.  f.  Volkskunde  2, 83  f.  das  vorkommen  dieses  adjectivums 
in  alten  orts-  und  flussnamen *)  nachzuweisen  und  dadurch  H.'s 
annähme  zu  stützen  versucht.  Mehrere  zustimmende  Äusse- 
rungen sind  daraufhin  an  mich  gelangt;  von  anderer  seite  wurden 
allerdings  auch  bedenken  ausgesprochen  und  die  belege  für 
noch  nicht  ausreichend  erklärt,  das  wort  zu  sichern.  Ich  glaube 
nun  demgegenüber  doch,  dass  gerade  die  angeführten  flussnamen 
eine  recht  starke  stütze  des  wortes  sind.  Dass  das  früher 
allein  bekannte  germ.  hün  'hoch'  zur  erklärung  dieser  namen 
ganz  unbrauchbar  ist,  liegt  auf  der  hand;  das  neue  wort  da- 
gegen ermöglicht  eine  völlig  einwandfreie  deutung  derselben: 
die  bezeichnung  'schwarzes  wasser'  ist  als  name  von  ge wässern 
aller  art  durchaus  nichts  ungewöhnliches,  sondern  überall  und 
zu  allen  Zeiten  häufig.  Vgl.  die  Zusammenstellungen  Osthoffs 
in  seinem  aufsatz  über  den  namen  des  Neckar,  Frankfurter 
zeitung  1903,  24.  febr.2) 

Wer  aber  daran  anstoss  nimmt,  dass  belege  für  dieses 
hün  nicht  auch  aus  späterer  zeit  gegeben  werden  können,  der 
bedenke,  dass  gerade  orts-  und  flussnamen  uns  auch  sonst 
öfters  worte  erhalten  haben,  die  in  historischer  zeit  nicht  mehr 

»)  Die  wichtigsten  sind:  * Hünapa  (Honnepe,  nebenfluss  der  Ijssel; 
Honepe  in  Gelderland,  Honnef,  kreis  Siegburg),  +Hünoutca  (Hunau,  nebeo- 
flnss  der  Sorpe;  Hörnte  nebenfluss  der  Kühr;  Haun,  nebenfluss  der  Fulda 
und  gleichnamige  orte),  Hunnebrock,  reg.-bez.  Minden,  Hünepül  bei  Xanten, 
(1259),  Homoigen  in  Baiern.   Genauere  angaben  finden  sich  a.a.O. 

")  Auch  Kvavij  (sc.  7117/17),  name  einer  quelle  bei  Syrakus,  gehört 
hierher. 


Digitized  by  Google 


OERMANISCH  IIUN1X. 


329 


in  lebendigem  gebrauch  waren,  und  dass  uns  deshalb  bei  einem 
teil  derselben  auch  heute  noch  die  bedeutung  ebenso  unbekannt 
ist,  wie  es  bei  hün  bis  vor  kurzem  der  fall  war. 

Auch  etymologisch  ist  hun  durchaus  nicht  isoliert.  Schon 
Hoops  hat  auf  verwan tschaft  mit  gr.  xvavoz  hingewiesen;  er 
geht  also  aus  von  einer  zweisilbigen  schweren  base  (vgl.  Hirt, 
Indog.  ablaut  s.  42  ff.)  *kewö,  von  welcher  das  griech.  wort  die 
von  Hirt  als  RSb  bezeichnete  stufe  repräsentiert.  Das  germ. 
hrm  und  ebenso  das  von  mir  a.a.O.  s. 84  in  den  namen  Cuno- 
harrus,  Cunopennus  vermutete  kelt.  hlnos  'schwarz'  sind  als 
die  RSa-stufe  derselben  base  zu  betrachten1);  die  zweite  voll- 

>)  Neuerdings  wird  von  Much  (Genn.  himmelsgott  s.  210)  und  anderen 
der  name  Hercynia  (*Perkunia)  als  ein  compositum  erklärt,  dessen  erster 
bestandteil  das  verstärkende  per-  ist  (vgl.  lat.  permagnus);  der  zweite  be- 
s tandteil  wird  dann  zu  kelt.  künos  'hoch'  gestellt;  der  name  würde  dann 
also  'das  sehr  hohe  gebirge '  bedeuten.  Vorausgesetzt,  dass  die  abtrennnng 
überhaupt  richtig  ist,  könnte  dem  zweiten  bestandteil  aber  lautlich  ebenso 
gut  dies  zweite  kelt.  kiinos  zu  gründe  liegen.  Auch  die  bedeutung  könnte 
passen.  Dass  die  bezeichnung  des  mittelgebirges  als  des  dunkeln  im  gegen- 
satz  zu  dem  'weissen'  hochgebirge,  den  Alpen,  besonders  treffend  wäre,  hat 
schon  Much  a.a.O.  s.208  hervorgehoben;  zu  den  dort  genannten  gebirgs- 
naiuen  ist  nun  auch  noch  hütüiart  (Hoops  a.a.o.  s.  178)  zu  stellen.  Die 
Bezeichnung  'das  hohe'  scheint  dagegen  für  das  mittelgebirge  weniger 
geeignet  zu  sein.  Dem  gegenüber  inuss  aber  darauf  hingewiesen  werden, 
dass  der  name  Perkunia  vielleicht  bei  einem  volke  aufkam,  das  höhere  und 
vor  allem  weisse  schneebedeckte  berge  nicht  kannte.  In  diesem  fall  wäre 
aber  auch  beim  mittelgebirge  die  benennung  'das  hohe '  völlig  verständlich. 
Got.  fatrguni  'berg'  käme  natürlich  für  unsere  frage  nicht  in  betracht,  wenn 
es  wirklich  ein  lehnwort  aus  dem  kelt.  wäre.  Aber  die  annähme  dieser 
eutlehnung  ist  angesichts  der  nord.  namen  Fjprgyn  und  Fjprgynn  und  des 
lit  Perkunas  meines  erachtens  nicht  haltbar.  Hier  muss  altes  germ.  sprach- 
gut voriiegen.  Eine  entscheidung  unserer  frage  bringt  aber  auch  das  germ. 
material  leider  nicht;  immerhin  würde  man  wol  ein  germ.  +fergunjam  mit 
der  ganz  allgemeinen  bedeutung  'der  berg'  am  liebsten  als  'das  hohe'  er- 
klären. Als  name  des  gewittergottes  liesse  sich  sowol  'der  sehr  hohe'  als 
auch  'der  dunkle'  verstehen,  während  für  die  benennung  der  weiblichen 
Fj?rgyn  als  einer  erdgöttin  die  benennung  'die  sehr  dunkle'  näher  zu  liegen 
scheint.  Aber  ist  sie  denn  deshalb,  weil  die  skalden  Fjgrgyn  für  jgrd  ein- 
setzen, wirklich  schlechtweg  eine  erdgöttin,  oder  soll  der  name  nicht  viel- 
mehr die  berggöttin  bezeichnen,  wobei  dann  irgend  welche  erinnerung  an 
die  ursprüngliche  sinnliche  bedeutung  des  wortes  nicht  mehr  ins  spiel  käme? 
—  Und  endlich,  wie  gesagt,  ist  überhaupt  die  abtrennnng  per-kut\ja  richtig 
und  notwendig?  Ich  lasse  deshalb  im  folgenden  diese  ganze  Wortsippe 
bei  seite. 


330 


HELM 


stufe  liegt  in  lit.  sjsvtnas  'blei'  vor,  das  zugleich  über  den 
Charakter  des  anlautenden  gutturals  auskunft  gibt. 

Mit  dieser  base  lässt  sich  noch  etwas  weiter  kommen. 
Die  vollstufe  I  mit  dem  qualitativen  ablaut  -o-  musste  im  germ. 
hau-  ergeben,  das  mir  in  dem  allerdings  sonst  in  einen  anderen 
Zusammenhang  gestellten  got.  hauns  'niedrig'  und  den  damit 
verwanten  germ.  Worten  (got.  haunjan,  hauneins,  ags.  hean, 
hynan,  ahd.  höni,  hönen  u.s.w.)  vorzuliegen  scheint.  Ich  sehe 
keinen  grund,  mit  Kluge  (Et.wb.  s.  178)  daran  zu  zweifeln, 
dass  wir  für  dieses  wort  von  der  sinnlichen  bedeutung  'niedrig' 
auszugehen  haben;  denn  die  sinnliche  bedeutung  musste  der 
abstracten  notwendig  vorausgehen,  nur  muss,  wie  die  Überein- 
stimmung der  germ.  sprachen  und  das  lett  launs  (s.  u.)  zeigt, 
die  abstracte  bedeutung  in  unserem  fall  sehr  alt  sein. 

Auf  dieselbe  base  und  zwar  wie  hün  und  Jcünos  auf  deren 
stufe  RSa  führe  ich  endlich  noch  lat.  cunae  zurück,  als  dessen 
grundbedeutung  schlechtweg  'das  lager'  zu  gelten  hat. 

Ist  die  Zusammenstellung  von  hün  mit  got.  hauns  richtig, 
so  muss  jenem  natürlich  eine  ähnliche  bedeutung  wie  diesem 
zu  gründe  liegen.  Ist  das  denkbar?  d.h.  ist  ein  bedeutungs- 
wandel  'niedrig,  tief  >  'dunkel,  schwarz'  wahrscheinlich  oder 
erklärlich?  Die  frage  lässt  sich  unbedenklich  bejahen;  denn 
die  beiden  Vorstellungen  des  dunkels  und  der  tiefe  stehen  sich 
bekanntlich  hinsichtlich  ihres  gefühlswertes  selir  nahe,  und  die 
verschiedensten  sprachen  geben  uns  zahlreiche  beispiele  dafür, 
dass  das  dunkle  als  tief1)  bezeichnet  wird.  Wir  sprechen  im 
deutschen  von  tiefer  nacht  (franz.  nuit 1  pro fon de),  tiefem  dunkel, 
tiefem  schatten  (s.  DWb.  11,483.  485),  von  der  tiefe  der  färben 
(ebda.  s.  489),  und  haben  die  adjectivischen  composita  tiefblau, 
tief  braun  (ebda.  s.  486),  tiefschattig,  tiefschwarz  (ebda.  s.  492). 
Der  Voc.  teut.  Nürnberg  1482  interpretiert  lat.  tettr  durch 
tief  oder  vinster.  Engl,  deep  kann  direct  'dunkelfarbig'  be- 
deuten, deepen  heisst  'eine  färbe  dunkler  machen',  vertiefen. 
Aus  dem  schwed.  vergleicht  sich  djupblä.  Im  griech.  begegnen 
die  Wendungen  ßa&tla  oxia,  ßa&tla  oulx^rj,  ßa&v  oxoroq,  hl 

»)  Seltener  ist  die  entsprechende  bexeichnung  heller  färbe  als  'hoch'; 
vgl.  hochrot,  hochiidU  (clarissiunis;  DWb.  4, 2,  s.  1625),  hohe  färben  (ebd*. 
s.  1599);  dän.Zwyred;  schwed.  hogrod;  engl,  high-red,  high-coloured  (lebhafte 
färben  habend). 


Digitized  by  Google 


MANISCH  HÜSIZ. 


331 


ßa&vrarov  dxocxtä&iv,  die  adjectiva  ßa&voxiog  und  ßa&x'ivog 
(obscurus),  und  die  glossen  ßa&v  '  piXav,  ßa&el^q  ■  fieZatvTjq  (ge- 
naueres im  Thes.  graecae  linguae  2,  sp.  35.  36.  37).  Vgl.  auch 
Singer,  Zs.  f.  d.  wortf.  3, 235. 

Mit  der  annähme  der  Zugehörigkeit  von  got.  hauns  zur 
base  kewö  werden  zwei  bisher  aufgestellte  etymologische 
gleichungen  hinfällig.  Erstens  kann  die  urverwantschaft  von 
hauns  und  lett  kauns,  lit,  kuve'tis  nicht  mehr  aufrecht  erhalten 
werden;  die  baltischen  worte  müssen  vielmehr  auf  alter,  vor 
der  lautverschiebung  liegender,  entlehnung  aus  dem  germ.  be- 
ruhen.1) Dadurch  wird  lett  hauns  ohne  weiteres  erklärt.  Für 
kuvhis  dagegen  müssen  wir  annehmen,  dass  es  nach  analogie 
anderer  verba  abgeleitet  ist  von  einem  aus  dem  germ.  ent- 
lehnten adjectivum  künas  ('niedrig'),  bei  welchem  das  n  als 
ableitungssuffix  empfunden  und  deshalb  vor  der  verbalbildung 
abgeworfen  wurde.5)  In  der  Stellung  vor  vocal  musste  daraufhin 
das  ß  des  Stammes  in  uv  übergehen  (vgl.  Wiedemann,  Handb. 
der  lit.  spräche  §  58),  das  dann  verallgemeinert  wurde.  —  Eine 
andere  annähme,  dass  nämlich  das  wort  ursprünglich  kunötis 
geheissen,  aber  unter  anlehnung  an  drovetis  'sich  schämen' 
sein  n  durch  v  ersetzt  habe,  scheint  mir  nicht  haltbar  zu  sein, 
weil  dabei  die  kürze  des  u  unerklärt  bleibt. 

Zweitens  ist  des  ablautes  wegen  gr.  xawog  von  unseren 
Worten  zu  trennen,  da  bei  den  -mö-basen  ein  griech.  av  un- 
möglich ist.  Das  adjectivum  muss  vielmehr  mit  xalm  (*xatw, 
xaJm)  zu  der  schweren  base  käw*)  gestellt  werden;  vgl.  auch 
Schulze,  Zs.  t  vgl.  spracht  29, 97. 

Andererseits  lässt  sich  jedoch  der  kreis  der  worte,  die 
mit  unserem  hün  u.s.w.  zusammengehören,  noch  bedeutend 
erweitern.   Die  base,  von  der  wir  ausgegangen  sind,  entspricht 


l)  Diesen  Sachverhalt  hat  schon  Hirt,  Bezzenb.  Beitr.24,268  vermutet. 
Vgl.  auch  Kretschmer,  Einleitung  in  die  geschiente  der  griech.  spräche 
s.  108  f. 

«)  Zu  vergleichen  sind  falle  wie  silp\nas  -  8Up\ti,  ta\tuu  -  kel\ii 
(8.  Brogmann,  Vgl.  gramm.  2, 1,  §66,  s.  139);  ttk\inaa  —  tckäi  (Kurschat, 
Gramm,  der  lit,  spräche  §  351, 3). 

^  Gehören  dazu  nicht  vieUeicht  auch  (als  R-stufe)  lat.  cävus  ( <  *covus), 
gr.  *d/o<?  Die  bedeutung  'hohl'  würde  sich  gut  erklären  als  'durch  fener 
ausgehöhlt'. 


Digitized  by  Google 


332 


HELM 


nämlich  laut  für  laut  der  von  Hirt1),  Indog.  ablaut  §  386  be- 
handelten base  iieicö  'anschwellen'.  Es  ist  nun  gewiss  unmög- 
lich, dass  wir  fürs  indogermanische  zwei  basen  als  ursprünglich 
annehmen,  die  lautlich  völlig  übereinstimmen,  aber  genau  ent- 
gegengesetzte bedeutung  ('anschwellen,  hoch  werden'  und 
'niedrig  werden')  haben.  Die  doppelheit,  die  uns  in  den 
historischen  sprachen  begegnet,  muss  vielmehr  ihre  erklärung 
in  einer  ursprünglichen  einheit  finden;  d.h.  wir  müssen  als 
ursprünglich  eine  einzige  base  ansetzen  mit  einer  neutralen 
bedeutung,  aus  der  sich  durch  differenzierung  die  beiden 
späteren  bedeutungen  entwickelten.  Die  allein  mögliche  der- 
artige grundbedeutung  ist  in  unserem  fall  die:  sich  in  grösse 
oder  läge  in  irgend  einer  richtung  verändern.  Sobald  mit 
einzelnen  Worten  die  Vorstellung  einer  bestimmten  richtung 
verbunden  wird,  beginnt  die  differenzierung.  Man  kann  sich 
den  Vorgang  gut  an  jüngeren  einzelsprachlichen  Vorgängen 
klar  machen.  Das  deutlichste  beispiel  bietet  wol  germ.  risan, 
das  ursprünglich  die  bewegung  von  unten  nach  oben  und  die 
von  oben  nach  unten  bezeichnet.  Auch  im  mhd.  kann  es  noch 
für  beide  richtungen  verwendet  werden,  es  überwiegt  aber 
schon  sehr  die  Vorstellung  des  'sich  senkens',  und  mit  den 
anderen  deutschen  von  demselben  stamm  abgeleiteten  Worten 
ist  diese  Vorstellung  ausschliesslich  verbunden  (vgl.  rise,  risclen, 
betterisc\  während  umgekehrt  durch  engl,  rise  nur  noch  die 
Vorstellung  des  aufsteigens  ausgedrückt  wird.  Ich  erinnere 
ausserdem  an  lat.  altus,  das  je  nach  der  richtung,  die  der 
sprechende  im  auge  hat,  'hoch',  'weit'  oder  'tief  bedeutet; 
ferner  an  die  indog.  wurzel  stigh  'schreiten',  und  das  darauf 
zurückgehende  germ.  steigern,  das  durch  das  hervortreten  der 
niveau- Vorstellung  eine  speciellere  bedeutung  erhalten  hat 
aber  doch  auch  im  nhd.  noch  insofern  wenigstens  neutral  ist, 
als  es  zwar  meist  die  bewegung  des  aufwärts  schreitens  be- 
zeichnet, daneben  aber  in  bestimmten  fällen  auch  noch  die 
bewegung  des  abwärts  schreitens  auszudrücken  vermag,  z.h. 
in  die  tiefe  steigen,  ins  grab,  in  eine  grübe,  in  einen  schadü 
steigen  u.  a. 


l)  Zu  vergleichen  ist  noch  Hoops  a.  a.  o.  s.  175.  Much,  Der  germ. 
üimmelsgott  s.  209  f.  Reichelt,  Der  secundäre  ablaut,  Z8.f.vgl.sprachf.39,23. 


Digitized  by  Goog 


GERMANI8CH  UUN1Z. 


333 


Aehnlich  wie  bei  risen  in  ein  und  derselben  spräche  die 
doppelte  bedeutung  auf  die  dauer  nicht  haltbar  war,  sind  auch 
in  der  auf  indog.  Jcewö  zurückgehenden  Wortsippe  die  beiden 
durch  differenzierung  entstandenen  sinnlichen  bedeutungen 
nirgends  nebeneinander  lebenskräftig  geblieben,  ja  in  den 
meisten  sprachen  hat  sich  keine  derselben  in  ursprünglicher 
weise  erhalten.  Wirkliches  fortleben  zeigt  sich  fast  aus- 
schliesslich in  den  Übertragungen  auf  nicht  räumliche  gebiete. 

Ich  gebe  nachstehend  ein  Schema,  wie  wir  uns  den  be- 
deutungswandel  nach  dem  gesagten  vorzustellen  haben. 

Indog.  &eicö 

(sich  in  grösse  oder  läge  in  irgend  einer  richtung  verändern) 

.    . 

gross  werden  klein,  niedrig  werden 

 ' 1  — — — — *s         .    ■   -  ■  s 

in  rein  sinn-  übertragen:  =  in  rein  sinn-  tibertragen  auf 
licher  bedeutung     mächtig  u. s.w.     lieber  bedeutung      das  gebiet  der 

färbe :  griech.  lit. 
kelt.  germ.  (xra- 
voq,  8ZvTna8, 
künos,  hflniz). 


übertragen  auf  das 
gebiet  des  moralischen : 
germanisch  (und  balt. 
lehnwörter  ans  d.  ger- 
manisch.): hauns,  höhn 
(kaum,  kuvetis). 


die  sinnliche  bedeu- 
tung in  den  histor. 
sprachen  fast  ganz 
untergegangen. 


GIESSEN,  12.  dec.  1904 


KARL  HELM. 


AUS  DER  GESCHICHTE  DES  ADVERBS. 


In  Hartmanns  Arm.  Heinr.  schildert  das  mädchen  seinen 
eitern,  welch  trauriger  zukunft  sie  beim  tode  ihres  herren 
entgegenzusehen  habe;  die  eitern  könnten  sie  nicht  ausstatten, 
und  müssten  sie  in  eine  ehe  geben,  wo  es  ihr  beschieden  sei 
aUe  swacJte  zu  leben,  dass  ich  tu  lieber  wcere  tot  (v.  755).  Ich 
habe  mich  gewundert,  über  diese  mir  aus  einem  nahe  ver- 
wanten  Sprachgebiet  ganz  geläufige  construction  da,  wo  ich  sie 
zunächst  suchte,  keine  bessere  auskunft  zu  finden.1)  Im  mnl 
begegnet  sie  nämlich  sehr  häufig,  und  es  ist  oft  über  sie  ge- 
handelt worden,  hauptsächlich  von  Verdam,  zuletzt  in  seinem 
Mnl.  wb.  4, 576  f.,  wo  er  über  00  belege  gibt  der  art  wie  nü- 
mant  die  [dativ]  mi  liever  duecht  ende  eere  geschiede  dan  « 
'niemand,  dem  ich  lieber  gutes  und  ehre  erwiesen  sähe  als 
euch';  ic  bin  my  liever  doot  dan  hi;  si  [sc.  die  leiteten]  sijn 

mi  liever  verloren           dan  men  wiste  . . .  mire  vrouteen  ver- 

hoelnhede;  liever  haddi  hem  gestveghen  'lieber  hätte  F.  gehabt, 
dass  E.  geschwiegen  hätte';  hi  hadde  hare  liever  gewesen  ries 
dan  hi  so  langhe  lach  in  gebede;  dat  hem  moeder  ende  vader 
liever  voeren  —  hindertrert  vcle  'dass  er  lieber  hätte,  nmtter 
und  vater  giengen  zu  gründe'.5)  Ich  füge  noch  folgende  stellen 
hinzu:  Renout200  (mit  anmerkung).  Walew.  5051. 9203.  Brab.  Y. 

»)  Wackernagel  merkt  in  seiner  ausgebe  nur  an  'wenn  ich  tot  wäre'. 
Das  sieht  etwas  darnach  aus,  als  ob  er  tot  für  das  an  der  construetion 
erklärungsbedürftige  gehalten  und  sie  gar  nicht  richtig  aufgefasst  habe. 
Jedenfalls  ist  seine  erklärung  nicht  genügend. 

»)  In  der  von  Verdam  zuletzt  erörterten  stelle  aus  Perchevael  ist  weh 
dem  franz.  je  me  hurroie  aneois  ....  caiens  u  morir  u  languir  vivent 
zweifellos,  trotz  etwaigen  metrischen  bedenken,  zu  lesen  ic  teare  mi  lievtr. 
godeweet  |  dot  [hs.  dat]  hier  oft  [fehlt  hs.]  ghtdoghede  seven  jaer  |  sulie 
quäle  die  mi  waer  te  swaer. 


Digitized  by  Google 


AUS  DER  GESCHICHTE  DES  ADVERBS. 


335 


6, 6091.  August  Scheepken  290.  Mit  dem  positiv  statt  des  com- 
parativs  heisst  es  bei  Ruusbr.  Begh.  54, 20  alsoe  [' ebenso']  lief 
tcare  hi  mg  gheboren  van  eenen  ghemeynen  tvive;  60, 31  derselbe 
satz  mit  u  statt  mi.x)  Weitaus  die  meisten  beispiele  zeigen 
einen  satz  im  conj.  praet,  doch  sieht  man  aus  den  von  mir 
angeführten,  dass  dies  keineswegs  bedingung  ist.  Ebenso  con- 
struiert  wird  das  im  mnl.  mit  liever  synonyme  comparativische 
adverb  eer,  eigentlich  'eher'. 

Verdam  sagt  nun  von  der  construction  im  glossar  zu  Ferg. 
unter  liever  '  eine  ausdrucksweise,  die  eine  zusammenschmelzung 
von  zwei  Sätzen  enthält,  oder  in  der  man  rot  als  dat.  ethicus 
auffassen  kann'  und  im  Wb.  'aus  der  unwillkürlichen  Verbin- 
dung der  beiden  ausdrucksweisen  mi  wäre  liever  dat  und  einer 
anderen  form  desselben  gedankens  ohne  liever  hat  sich  die 
eigenartige  construction  von  liever  mit  dem  dativ  eines  Personal- 
pronomens entwickelt,  wobei  der  objectsatz  in  den  hauptsatz 
aufgenommen  wird.  Statt  mi  wäre  liever  dat  gi  stvegct  und 
gi  stvegct  bet  (oder  betcr)  'ihr  tätet  besser  daran  zu  schweigen' 
sagt  man  im  mnl.  gi  swegct  mi  liever;  aus  ic  hadde  liever  dat 
men  mi  mijn  lijf  name  und  men  moclite  (soudc)  mi  eer  mijn 
Ujf  nemen  erwuchs  men  name  mi  liever  (oder  mi  eer)  mijn  lijf. 

Man  braucht  noch  nicht  auf  dem  Standpunkt  einzelner 
heutiger  grammatiker  zu  stehen,  die  die  spräche  von  'com- 
promissbildungen',  auch  in  der  laut-  und  formenbildung,  wim- 
meln lassen  —  eine  ansieht,  die  ich  mit  aller  entschiedenheit 
weiter  bekämpfen  werde  — ,  um  auf  syntaktischem  gebiet 
erscheinungen,  die  auf  diesem  wege  zu  deuten  sind,  anzu- 
erkennen. Aber  wenn  hier  auch  die  beispiele  nicht  selten 
sind,  die  mit  recht  daraus  erklärt  werden,  dass  dem  sprechen- 
den oder  schreibenden  zwei  verschiedene,  aber  in  irgend  einer 
binsicht  übereinstimmende  construetionen  zu  gleicher  zeit  vor- 
schwebten, so  haben  wir  es  dabei  in  der  regel  doch  mit  mehr 
vereinzelt  vorkommenden  entgleisungen  zu  tun,  und  eine  solche 
compromissbildung  dürfte  sich  nicht  so  leicht  zu  einem  in 
weiterem  umfang  anerkannten  Sprachgebrauch  gefestigt  haben, 
wie  er  in  unserem  falle  durch  das  mnl.  in  seinem  ganzen  be- 
ieich und  das,  wenn  auch  seltenere,  einstimmen  des  mhd.  er- 


')  S.  jedoch  weiter  unten. 


FRASCK 


wiesen  ist.)  Schon  aas  dem  vorkommen  derselben  construction 
b*im  positiv  ergibt  sich  ja.  dass  Yerdams  erklärung  nicht 
zutrifft,  der  man  ausserdem  den  vorwarf  nicht  ersparen  kann 
dass  sie  ohne  weiteres  vom  Standpunkt  der  heutigen  spräche 
aus  gegeben  ist.  ohne  die  unerlässliche  frage  nach  der  orga- 
nischen be recht igung  des  älteren  gebrauchs  zu  stellen,  die 
fnure.  ob  unser  Sprachgebrauch  nicht  vielmehr,  wie  es  doch 
anzunehmen  nahe  liegt  dem  älteren  gegenüber  eine  beschrän- 
kung-  darstellt.   Taal-en  letterbode  5.  132  hatte  Verdam  sich 
richtiger  darauf  beschränkt  zu  sagen  -zu  dem  worte  lierer 
wird  im  mnl.  ein  pronomen  im  dat.  hinzugefügt,  wenn  man 
sagen  will  >ich  wollte  liebere  oder  >ich  hätte  lieber  dass*'.') 
Wenn  wir  die  eben  aufgeworfene  frage  auf  theoretischem 
wege  zu  beantworten  suchen,  so  müssen  wir  doch  sagen,  dass 
an  der  construction  nichts  ist.  weshalb  wir  sie  theoretisch 
nicht  für  möglich  halten  sollten:  lieb  bedeutet  'etwas  was  an- 
genehm ist';  es  ist  ein  stark  relativer  begriff  (Behaghel,  Syntax 
des  Heliand  §  111.  119),  bei  dem  also  ein  ergänzender  begrii 
wie  wir,  nur  natürlich  ist,  und  gerade  so  gut  wie  ich  teäre 
eher  abgereist  müssen  wir  auch  ich  teäre  euch  lieber  abgereist, 
wie  ich  teäre  besser  tot  auch  ich  teäre  euch  lieber  tot  theoretisch 
für  möglich  halten.   Es  dürfte  doch  selbstverständlich  sein, 
dass  das  adverb  ursprünglich  an  allen  begriffsschattierungen 
und  allen  construetionseigentümlichkeiten  des  ihm  zur  seite 
stehenden  adjectivums,  so  weit  sie  die  natur  der  wortart  nicht 
einschränkte,  beteiligt  war,  und  das  dürfte  vielleicht  noch  um 
so  mehr  gelten,  je  mehr  beide  Wortarten  in  der  form  überein- 
stimmend geworden  waren.   Einigermassen  ist  das  schon  früh 
so,  insofern  der  acc,  neutr.  des  adj.  als  adverb  gebraucht 
werden  kann,  in  weiterem  masse,  nachdem  das  adverbiale  o 
zu  9  geworden  ist,  in  noch  weiterem  nach  synkopierung  der 
endungen,  die  zu  einem  zustand  führt,  in  dem  die  grammatik 
grosse  Schwierigkeiten  findet,  wenn  nicht  gar  zur  willkür 

*)  üeber  das  mnd.  kann  ich  nichts  bestimmtes  sagen,  da  ich  mir  eigene 
aufzeichnnngen  nicht  gemacht  habe  und  weder  im  wörterbnch  noch  bei 
Nissen,  Forsag  til  en  middelnedertysk  syntax  beispiele  finde.  Auch  über 
die  anderen  germ.  sprachen  kann  ich  keiue  auskunft  geben. 

*)  Das  ist  von  Stoett,  Mnl.  syntaxis  §  45  wörtlich  übernommen,  aber 
aus  Verdams  »dem  worte  Uever'  ist  hier  »dem  adjectivum  liccer'  geworden. 


Digitized  by  Googl 


AUS  DER  GESCHICHTE  DES  ADVERBS. 


337 


greifen  muss,  um  beide  auseinander  zu  halten  (vgl.  Gr.  gr.  4», 
1107  f.  Blatz,  Nhd.  gr.  2*,  625  ff.  Paul,  Prinzipien >  s.  341).  Frei- 
lich bedarf  die  annähme  einer  solchen  Übereinstimmung  zwischen 
den  beiden  Wortarten  immerhin  einiger  vorsieht.  Der  gebrauch 
des  adverbs  muss  in  der  historischen  zeit  insofern  tatsächlich 
eine  änderung  oder  eine  ausdehnung  erfahren  haben,  als  eine 
analogische  Vermehrung  der  zahl  geläufiger  bildungen  platz 
gegriffen  hat,  eine  tatsache,  die  noch  eine  genauere  Unter- 
suchung benötigte,  durch  die  wir  z.  b.  auch  erfahren  würden, 
wie  so  nicht  lüto,  sondern  ubar  lüt  als  adverbium  von  lüt 
gilt.1)  Man  vergleiche  einmal  die  ahd.  und  rahd.  beispiele  bei 
Gr.gr.4!,  1111  fL,  und  die  später  in  Verbindung  mit  sein,  werden, 
geschehen,  tun  u.s.w.  so  geläufigen  adverbien  liobo  und  leido 
sind  erst  spätahd.,  so  viel  ich  sehe  nur  bei  Notker  vereinzelt, 
belegt,  wie  sie  auch  im  as.  fehlen  (Hei.  nur  einmal  leölico  far- 
foran).  Im  mhd.  aber  ist  liebe  allgemeines  adverb  in  der 
genau  zum  adj.  lieb  stimmenden  bedeutung,  also  'so  dass  es 
angenehm,  erfreulich  ist',  nicht  nur  in  den  eben  genannten 
Verbindungen,  sondern  z.  b.  auch  liebe  ergän,  liebe  gereden,  liebe 
gedienen,  liebe  ('angenehm')  leben,  daz  was  im  liebe  becant,  des 
im  der  htninc  liebe  sach  (s.  die  Wörterbücher).  Wenn  bei 
adverbien  von  adjectiven  mit  relativem  begriff  sich  viel  seltener 
Casusergänzungen  finden  als  bei  den  adjectiven  selbst,  so  liegt 
das  m.  a.  nach  daran,  dass  in  den  ein  adverb  bergenden  Sätzen 
die  relativität  in  der  regel  schon  so  wie  so  weiter  ergänzt 
ist,  z.  b.  in  ez  ist  mir  liebe  irgangen,  einem  liebe  gedienen  durch 
die  dative  (die  hier  auf  das  verbum  bezogen  werden  können), 
oder  in  Tristan  und  sin  frouwe  Isöt  die  lebeten  aber  liebe  unde 
tcol  durch  die  beziehung  auf  das  subject.  In  folge  der  über- 
wiegenden beziehung  auf  das  subject  des  satzes  ist  lieber  eben 
zum  comparativ  des  adverbs  gern  geworden.2)   Immerhin  gibt 


')  Ich  vermag  nicht,  den  unterschied  zwischen  lüte  'sonore'  und  über 
lüt  'palam'  (Gr. gr. 3, 122)  als  etwas  ursprüngliches  anzusehen,  d.h.  nicht 
anzunehmen,  dass  man  für  'palam'  das  letztere  gebildet  habe,  weil  das 
entere  auf  die  bedeutung  »sonore'  beschränkt  gewesen  sei.  [Vgl.  dazu  noch 
Beitr.  27, 40  f.  E.  8.] 

*)  Weniger  richtig  kann  ich  finden,  was  Gr.gr.  4 a,  915  über  die  be- 
whränkung  sagt,  'weil  adverbia  etwas  allgemeineres  an  sich  tragen  und 
die  besonderheit  eines  abhängigen  casus  ihnen  weniger  zusagt'. 


FRANCS 


Grimm  s.  915  einige  beispiele  mit  dativergänzung  (auch  für 
andere  casus  mit  parallelen  aus  dem  lat.  und  griech.),  eins 
auch  s.  917  im  verholne  und  allen  sinen  geverten  Lohengr.  3853. 
Dazu  kommt  die  stelle  aus  dem  Arm.  Heinr.,  von  der  wir  aus- 
gegangen sind.  *)  Auch  geliche  gehört  ja  hierhin  mit  beispielen 
wie  du  gebarest  geliehe  einem  matt  oder  dem  (diu)  geliche  tuon 
und  ferner  wol  aus  dem  mnl.  hi  is  m  welcomen,  insofern  wd 
comen  eine  umdeutung  des  alten  compositums  willicumo,  wküt 
cuman  nach  dem  adverb  tcel  ist  Dafür  sagte  man  auch  mi 
liere  (oder  lief)  comen  Mnl.  wb.  4, 576. 

Der  grund,  warum  wir  die  meisten  dieser  constructionen 
nicht  mehr  gebrauchen  können,  liegt,  wie  mir  scheint,  zunächst 
in  einer  allgemeinen  entwicklung  des  adverbs,  durch  die  es  in 
eine  engere  beziehung  zum  verbum  getreten  ist  als  es  ursprüng- 
lich zu  ihm  gestanden  haben  muss,  wobei  es  seine  bedeutung 
eingeschränkt  hat,  indem  eine  bestimmte  der  möglichen  be- 
deutungen  das  übergewicht  bekam  und  ausserdem  der  modal- 
begriff in  den  Vordergrund  trat  Die  syntaktische  Verbindung 
befindet  sich  auf  dem  weg  zur  composition,  in  der  die  bedeu- 
tung  der  einzelnen  teile  mehr  gebunden  wird  als  sie  ursprüng- 
lich war.  Im  mhd.  konnte  man  sagen  si  kom  im  liebe,  d.  h, 
sie  kam,  und  das  war  ihm  etwas  erfreuliches,  aber  nhd.  sie 
hat  ihn  lieb  behandelt  heisst  nur  4  in  liebender,  freundlicher 
weise'.  Ursprünglich  hätte,  so  müssen  wir  annehmen,  beim 
adverb  in  einem  entsprechenden  satz  der  dativ  einer  person 
stehen  können,  die  weder  mit  dem  subject  noch  dem  object 
dieselbe  war.  Nhd.  das  ist  besser  gehandelt  würde  im  all- 
gemeinen im  sinne  von  'moralischer'  aufgefasst  werden,  und 
in  das  hastu  gut  gemacht  das  adverb  nur  den  verbalbegriff  in 
modalem  sinne  näher  bestimmeu.  Von  diesem  modalen  ad- 
verb unterscheide  ich  dasjenige,  das  man  wol  als  prädicati?, 
in  vielen  fällen  auch  als  resultativ  bezeichnen  könnte  (vgL 
Delbrück,  Vgl.  syntax  1,  539).  Es  bestimmt  nicht  sowol  die 
art  des  verbums,  sondern  den  sinn  des  ganzen  satzes.  Das 
modale  hat  seine  stelle  hauptsächlich  bei  verben  mit  relativem 

>)  Frtid.  156, 12  in  ist  ein  heiden  lieber  bt  dan  zwene  kristen  oder  dri 
inuss  der  dat  in  zum  priidicat  ist  bi  gezogen  werden.  Der  für  unser  Sprach- 
gefühl nicht  so  einfache  sinn  ist  natürlich  'sie  sehen  es  lieber,  dass  ei« 
heide  in  ihrer  nähe  ist  als  einige  Christen'. 


Digitized  by 


AU8  DER  GESCHICHTE  DE8  ADVERBS. 


339 


begriff;  in  ihrer  Verbindung  bezeichnen  beide  zusammen  eine 
besondere  oder  neue  art  der  tätigkeit  Das  prädicative  findet 
sich  mehr  bei  Zeitwörtern  von  absolutem  begriff.  Dieser  bleibt 
an  sich  bei  der  zuftigung  unverändert,  es  wird  vielmehr,  wie 
gesagt,  durch  das  adverb  der  ganze  satz  prädiciert.  Beispiele 
werden  sich  im  folgenden  ergeben.  Ich  nehme  also  eine  ent- 
wickelung  dahin  an,  dass  sich  modale  und  prädicative  bedeu- 
tung bei  den  adverbien  mehr  geschieden  haben,  als  es  ursprüng- 
lich der  fall  war. 

Bei  der  Verengerung  der  bedeutung  ist  jedenfalls  auch, 
wie  schon  angedeutet,  die  überwiegende  beziehung  des  adverbs 
auf  das  subject  des  satzes  beteiligt.  Lieb  ist  gar  nicht  mehr 
das  allgemeine  adverb  von  lieb  'erfreulich',  und  unser  es  ist 
mir  lieb  als  fortsetzung  des  ahd.  liobo  müsste  eigentlich  als 
erstarrte  formel  oder  als  Umbildung  in  die  adjectivconstruction 
angesehen  werden.  Noch  ausgeprägter  ist  diese  entwickelung 
beim  comparativ  lieber.  Wenn  wir  den  in  der  letzten  an- 
merkung  aus  Freidank  citierten  satz  mit  nhcL  äugen  ansähen, 
würden  wir  unbedingt  lieber  auf  das  subject  heiden  beziehen 
und  also  übersetzen:  'ein  beide  ist  lieber  bei  ihnen'.  Erklären 
wir  dies  damit,  dass  wir  sagen,  bei  uns  ist  lieber  der  com- 
parativ zum  adv.  gern,  so  bezeichnen  wir  nur  das  ergebnis. 
Der  wirkliche  grund  ist  das  überwiegen  der  beziehung  auf 
das  subject  und  die  einschränkung  auf  die  hierdurch  bedingte 
bedeutung. 

Schliesslich  kommt  dann  noch  in  betracht,  dass  bei  uns 
an  die  stelle  der  dativconstruction  vielfach  präpositionale  Um- 
schreibungen getreten  sind,  worauf  vielleicht  auch  die  engere 
Verbindung  des  adverbs  mit  dem  verbum  von  einfluss  war: 
besser  für  mich  statt  mir  besser.  Grimm  bildet  fürs  nhd.  das 
ereignet  sich  ihnen  beiden  schädlich,  nachteilig,  wo  wir  doch 
auch  lieber  für  sie  beide  sagen  würden;  ebenso  das  hat  sich 
vorteilhaft  für  mich  ereignet.  Ist  die  Verbindung  mit  dem  dat 
noch  geläufig,  und  handelt  es  sich  um  einen  begriff,  der  sich 
nicht  wol  rein  modal  zum  zeitwort  fügt,  so  besteht  auch  für 
uns  noch  die  mhd.  construction:  er  ist  mir  gelegen  (wäre  mir 
gelegener)  abgereist]  dieser  Mortimer  starb  euch  sehr  gelegen {)] 


»)  Spricht  sich  auch  darin  wider  eine  grössere  gebundenheit  des  neueren 


340 


FRANCK 


auch  ich  bin  gleich  dir  ermüdet;  er  handelte  einem  helden 
gleich. 

Dass  für  unser  Sprachgefühl  der  wesentliche  unterschied 
in  der  engeren  Verbindung  des  adverbs  mit  dem  verbum  be- 
steht, scheint  mir  aus  folgenden  tatsachen  hervorzugehen.  Ein 
prädicatives  adverb  ist  in  weiterem  umfang  noch  beim  cum- 
parativ  erhalten,  besonders  in  conjunetivsätzen:  das  bleibt  besser 
verschwiegen;  er  wäre  besser  tot;  das  solltest  du  klüger  lassen; 
er  würde  das  richtiger  geglaubt  haben.  Sobald  aber  ein  adverb 
in  engerer  Verbindung  mit  dem  prädicat  geläufiger  ist,  so  ver- 
sagt in  der  regel  wider  diese  construetion.  Er  hätte  besser 
gegessen  kann  in  doppeltem  sinn  gebraucht  werden,  modal  'er 
hätte  etwas  besseres  gegessen'  und  prädicativ  1  er  hätte  besser 
daran  getan  zu  essen';  aber  er  hätte  gut  gegessen  ist  in  letz- 
terem Verhältnis  nicht  möglich,  und  das  doch  wol  deshalb, 
weil  modales  gut  essen  eine  zu  geläufige  Verbindung  ist 
Möglich  wird  die  prädicative  anwendung,  wenn  das  adverb 
vom  prädicat  getrennt  wird.  Ich  würde  das  klüger  tun  gebt, 
weil  modales  klug  in  Verbindung  mit  tun  nicht  gebräuchlich 
ist,  aber  ich  würde  das  klüger  anfangen  würde  man  als  com- 
parativ  von  etwas  klug  anfangen  auffassen;  möglich  ist  al*r 
wider  prädicativ  ich  würde  das  klüger  so  anfangen.  So  aoeb 
er  hätte  gut  ein  wenig  gegessen;  das  würde  man  richtig  tf 
machen.  Ganz  gangbar  ist  auch  prädicatives  adverb  unmittelbar 
vor  verben,  die  absolute  begriffe  ausdrücken  und  also  ein  modales 
adverb  nicht  wol  vertragen;  nicht  nur  das  Hesse  sich  gut  w 
machen,  sondern  auch  das  Hesse  sich  gut  machen;  das  laut 
sich  schlecht  machen;  das  lässt  sich  leicht  übersehen;  er  ist 
schwer  zu  überzeugen  u.s.w.')   Den  unterschied  zwischen  de» 

adverbs  aus,  dass  man  nicht  auch  sagen  kann  er  wäre  mir  gelegenier)  toi, 
d.h.  darin,  dass  das  prädicative  adv.  gelegen  ausdrücklich  ein  zeitwort  fl 
verlangen  scheint  und  sich  nicht  zu  einem  adjectivischen  prädicat  fügt! 
An  sich  sollte  doch  gelegen  tot  ebenso  gut  möglich  sein  wie  einerseits  gt- 
legen  gestorben,  anderseits  gerne  (lieber)  tot. 

»)  Die  betonung  bei  modalem  und  prädicativem  adverb  ist  versehe.!«: 
modal  es  wird  schlecht  gehn,  präd.  es  wird  schlecfU  gehn  oder  schlecht  pe*»i 
mehr  modal  das  wäre  glücklich  vorbei  (es  hätte  aber  auch  unglücklich  gehl 


können),  präd.  das  wäre  glücklich  vorbei  (geschehen  musste  es;  ein  glü 
dass  es  nun  vorbei  ist).  Bei  der  Stellung  das  geht  schlecht  treffen  al 


Digitized  by  Google 


AUS  DER  GESCHICHTE  DES  ADVERBS. 


älteren  und  jüngeren  wortgebrauch  mögen  noch  folgende  gegen- 
überstellungen  veranschaulichen.  Ein  dem  mhd.  du  wärest  mir 
lieber  tot,  oder  einem  entsprechenden  satz  mit  einem  pari  praet.. 
anscheinend  paralleles  nhd.  die  gans  wäre  mir  lieber  gebraten 
ist  in  Wirklichkeit  anders.  Denn  hier  ist  lieber  adjectiv, 
welches  eine  eigenschaft  des  durch  ein  attribut  bestimmten 
snbjectes  bezeichnet..  Dagegen  würde  in  dem  im  mhd.,  aber 
nicht  im  nhd.  möglichen  das  gold  wäre  mir  lieber  gestohlen  (als 
dass  ich  es  für  ein  neues  kleid  ausgäbe)  durch  lieber  eine 
eigenschaft  des  prädicats  ausgedrückt.  Möglich  wäre  wider 
mit  adjectivischem  lieber  :  das  gold  teure  mir  lieber  gemünzt 
Nhd.  das  kraut  wäre  ungekocht  schädlich:  schädlich  ist  die 
eigenschaft  vom  (subject)  kraut  (mit  attribut)  in  ungekochtem 
zustand;  mhd.  äaz  kindelin  wmre  schedelich  verlorn:  der  Verlust 
(das  satzprädieat)  wäre  schädlich.  Bei  auflösung  mittelst  eines 
Nebensatzes  ergibt  sich  auf  der  einen  seite  'wenn  die  gans 
gebraten  wäre,  wäre  sie  mir  lieber',  auf  der  andern  'wenn  die 
nachricht  verschwiegen  bliebe,  wäre  es  mir  lieber'. 

Wir  sind  von  der  Voraussetzung  ausgegangen,  dass  wir 
es  in  den  construetionen  überall  mit  adverbien  zu  tun  hätten. 
Das  wird  ja  in  einzelnen  fällen  durch  die  wortform  bestätigt, 
nnd  in  denen  mit  lieber  spricht  dafür  die  parallele  von  mnl.  eer. 
Aber  in  anderen  fällen  besteht  tatsächlich  die  coneurrenz  mit 
lern  adjectiv,  um  so  mehr  als  auch  schon  in  mhd.  zeit  das 
Sprachgefühl  wol  nicht  mehr  ganz  sicher  gewesen  sein  wird. 
So,  d.  h.  adjectivisch,  fassen  z.  b.  Gr.  4'2, 151  und  Paul,  Mhd.  gr.6 
j  292  das  eben  angeführte  diz  kindelin  da?  wo?re  schedelich  ver- 
'om  Gregor  680  auf.  Die  auffassnng  kann  in  der  tat  nicht 
^stritten  werden,  ebensowenig  indessen  die  möglichkeit,  dass 
iuch  das  adverb  stehen  könnte.  Die  hs.  J  hat  wirklich  sched- 
kten  an  der  stelle.  Unter  den  beispielen,  auf  die  wir  hin- 
weisen, finden  sich  ganz  gleichartige  einerseits  mit  bezzer, 


•eide  bedentiingen  (/das  wird  einen  schlimmen  ausgang  nehmen'  und  "das 
nrd  sich  schwer  machen  lassen1)  auch  in  der  hetonung  znsammen.  In 
atzen  wie  da*  wäre  glücklich  vorbei,  nun  ist  er  glücklich  fertig,  das  hab 
ch  richtig  versäumt  könnte  man  übrigens  auch  an  entwicklnng  ans  inter- 
ectionellen  adverbien  denken,  also  ähnlich  wie  da  ist  er  wahrhaftig  schon 
ertig;  nun  ist  er  leidtr  tot. 

Beiträge  xur  jeschichte  der  deutschen  spräche    XXX.  23 


342 


FRANCK 


anderseits  mit  ba$.  In  Sätzen  wie  das  ist  leicht  getan,  leidtt 
vergessen,  wie  ich  sie  vorhin  als  beispiele  für  präd.  adv.  ge- 
bildet habe,  nimmt  Gr.  42,  152  ausdrücklich  das  adjectiv  an; 
'wobei  man  leicht  nicht  fürs  adv.  nehme;  in  dem  scheinbar 
ähnlichen  das  ist  bald  gesagt  lässt  sich  das  adv.  nicht  leugnen, 
aber  diese  phrase  scheint  entweder  falsch  gebildet  oder  dem 
franz.  c'est  bientot  dit  nachgeahmt'.  Das  scheint  mir  aber  zu 
viel  gesagt. 

Insbesondere  ist  die  coneurrenz  vorhanden,  wenn  sich, 
wie  in  dem  beispiel  aus  Gregor,  ein  umschriebenes  perfeetnm 
oder  plusquamperfectum  in  dem  satze  findet.  Denn  hier  steht 
eine  construetion  im  Wettbewerb,  die  Gr.  4*  151  ff.  im  anschluss 
an  die  construetion  von  helfen  und  anderen  verben  mit  dem 
part.  praet.  auch  für  Verbindungen  wie  gut,  leicht,  schicer,  lieb, 
nütze  sein  nachgewiesen  wird  in  beispielen  wie  e$  teane  dir 
be$%cr  vermiden;  da  von  ist  mir  michels  be^er  gestrigen;  da; 
im  vil  siv&re  was  vernomen;  iuiver  kunft  eil  lieb  ist  mir  rer- 
nomen;  da$  ist  iu  ere  getan  ('es  ist  eine  ehre  für  euch,  wenu 
ihr  das  tut').  S.  fürs  mhd.  noch  Paul«  §  292,  fürs  mnl.  Stoett. 
Synt.  §  424  f. »)  Das  oben  im  anfang  gegebene  beispiel  aus  Runs- 
broek  alsoe  lief  teare  hi  my  gheboren  van  eenen  ghemeynen 
tvive  passt  ja  gleichfalls  sehr  gut  hierhin.  Dass  aber  auch  die 
andere  auffassung  möglich  wäre  beweist  wol  Wap.  Mart.  1, 109 
also  lief  hadt  mi  een  teilt  Sas  ofte  een  Vriese  bescreven  'eben 
so  viel  wert  würde  ich  darauf  legen,  wenn  ein  ungebildeter 
Sachse  oder  Friese  es  verbrieft  hätte',  worin  lief  von  Verdam, 
Mnl.  wb.  4, 576  als  adverb  gefasst  wird.  Man  könnte  ja  den 
satz  ebenso  gut  mit  dem  einfachen  conjunetiv  bescreve  wie  mit 
hadde  bescreven  bilden.  Freilich  Hesse  sich  auch  dann  lief 
wol  als  adjectivum  verteidigen,  aber  ebenso  wenig  scheint  es 
mir  nach  dem  sonst  beigebrachten  zweifelhaft,  dass  Maerlam 
auch  hätte  lieve  schreiben  können.  Es  konnte  eben  nicht 
fehlen,  dass  die  beiden  ursprünglich  verschiedenen  construc- 

')  Ich  füge  fürs  inul.  noch  einige  bezeichnende  beispiele  hinzu:  dot 
proefde  hi  gheorluoft  dilte  Rijmb.  24(305:  mW  beters  dan  rore  die  siele  ght- 
beden  Brab.  Y.  7378;  ghij  waert  weerdich  ghesmeten  tnet  rurte  steteren  ('ver- 
faulten läppen')  Mnl.  dram.  poez.  321,37.  Fürs  mhd.  führe  ich  noch  an 
läfjet  mir  den  leben  hiin,  da;  ist  ü  be^er  getan  Alex.  6336. 


Digitized  by  Google 


AUS  DER  GESCHICHTE  DES  ADVERBS. 


343 


tionen,  verbales  prädicat  mit  nicht  modalem  adverbium  und 
adjectivisches  prädicat  mit  prädicativem  attribut.  wie  Paul  es 
a.a.o.  nennt,  durcheinander  giengen.  und  bei  vielen  der  bei- 
spiele wird  es  sich  auch  gar  nicht  mehr  entscheiden  lassen, 
aufweiche  der  beiden  Seiten  wir  sie  zu  stellen  haben.  Wäh- 
rend Grimm  die  genannten  participialconstructionen  aus  ellipsen 
erklärt  hatte  (Gr.  V,  158),  fasst  Paul  §  292  sie  als  parallelen 
zu  den  §  203  besprochenen  constructionen  mit  prädicativem 
attribut,  d.  h.  solchen  wie  er  bestuont  si  müeder.  Da  nach  ihm 
ausser  adjectiven  und  participien  auch  adverbia  so  stehen 
können  und  zwar  alle  auch  bei  einem  ad jecti vischen  prädicat  >), 
so  könnte  man  freilich  den  grössten  teil  der  beispiele  auf  diese 
seite  ziehen:  vgl.  ich  tvcere  iu  vil  lieber  tot  auf  der  einen,  da$ 
ir  liep  tccere  versteigen  (Lanzelet  4038),  uns  ist  noch  hinte  liep 
vernomen  ir  inneclichiu  triuwe  auf  der  andern  seite;  in  ist  ein 
heiden  lieber  bi'1)  und  der  ist  sweere  bi  'der  ist  unangenehm 
in  der  nähe,  seine  nähe  ist  unangenehm'  (Paul  §  203,  anm.  4). 3) 
Da  die  fügung  mit  dem  adverb  (liebe,  lieber  u. s.w.)  an  sich 
keinem  zweifei  unterliegt,  müssen  wir  uns  also  wol  bei  dem 
schluss  beruhigen,  dass  es  nicht  möglich  ist,  die  beiden  con- 

')  So  erklärt  Paul  den  satz  aus  Trist,  so  wiere  er  maneyes  bc^er  tot. 
Seine  Umschreibung  'so  wäre  er  als  toter  viel  besser,  d.h.  so  wäre  es  viel 
besser,  wenn  er  tot  wäre'  erinnert  an  die  bemerkung  Wackernagels  zu 
dem  vers  aus  Gregor  und  könnte  leicht  misverstanden  werden,  insofern  man 
dann  hinter  bc^cr  die  bedeutung  'besser  daran'  suchen  möchte.  Die  hat 
aber  das  wort  nicht,  Eine  persönliche  eigenschaft  kann  das  adjectiv  in 
diesen  beispielen  nicht  bezeichnen,  sondern  nur  eine  eigenschaft  des  prädi- 
eats.  Wir  hätten  uns  also  die  construetion  zurechtzulegen  als  comparativ 
eines  er  tccere  guot  tot  'er  wäre  etwas  gutes,  wenn  er  tot  wäre'.  Ich  stehe 
an,  die  frage  aufzuwerten,  ob  man  etwa  betfer  auch  als  adverb  fassen  könne; 
denn  die  bis  jetzt  m.  w.  hierfür  geltend  gemachten  beispiele  (s.  Lexer  s.  v.) 
sind  nicht  beweiskräftig. 

8)  Vgl.  auch  mir  wäre  lieber  unter  der  erden,  angeführt  Gr.  gr.  4a,  158. 

*)  Da  im  mnl.  doot  mit  sijn  und  hebben  in  anscheinend  elliptischen 
redensarten  sehr  gebräuchlich  ist  (z.  b.  die  Alexander  hadde  doot  'die  A. 
zum  tode  gebracht  hatte';  vgl.  meine  anm.  zu  Maerl.  Alex.  3,  183  und  Mnl. 
wdb.  s.  v.  doot),  so  könnte  man  ein  ic  wäre  mi  liever  doot  um  so  leichter 
nnt  einem  dat  wäre  mi  lief  verswegen  parallelisieren  wollen.  Aber  auch 
im  mhd.,  wo  ein  entsprechendes  ich  hän  tot  nicht  bekannt  ist,  besteht  ja 
ich  weere  mir  lieber  tot. 


3U    FRANCK,  ADVERB.  — 


SIEVERS,  'WEG  MIT  DEM  SCHRIFTBILD  . 


strnctionen  auseinander  zu  halten.  Soweit  nicht  die  spracli- 
form  für  adj.  oder  adv.  entscheidet,  sehe  ich  keine  möglich- 
keit  dazu.  Es  stehen  uns  aber  mithin  zwei  wege  offen,  die 
construction,  von  der  wir  ausgegangen  sind,  als  alten  echten 
Sprachgebrauch  zu  erklären,  ohne  zu  einem  compromiss  unsere 
Zuflucht  nehmen  zu  müssen. 


In  seiner  rectoratsrede  Ueber  die  einigung  der  deutschen 
ausspräche  s.13  deutet  Braune  einen  von  mir  bei  den  beratungen 
zur  ausgleichenden  regelung  der  deutschen  bühnenaussprache 
gebrauchten  ausdruck  dahin,  als  hätte  ich  den  einfluss  der 
schrift  auf  die  ausspräche  des  deutschen  leugnen  wollen. 
Diese  deutung  ist  irrig.  Wie  der  ganze  Zusammenhang,  in 
dem  jene  iiusserung  getan  wurde,  und  auch  der  abkürzende 
bericht  bei  Siebs,  Bühnenaussprache  s.  26  zeigt,  habe  ich  nichts 
anderes  sagen  wollen  und  gesagt,  als:  'weg  mit  dem  Schrift- 
bild für  den,  der  phonetisch  hören  lernen  will'. 


LEIPZIG-GOHLIS,  26.  februar  1905.        E.  SIEVERS. 


BONN. 


J.  FRANCK. 


'WEG  MIT  DEM  SCHRIFTBILD.' 


Digitiz 


I  N  H  A  L  T. 


T'ie  adjectiva  im  rV.-wulfepö*  al*  toteUwur*mitt-L    Von  M 

8cheinert   ^ 

Zur  terhnik  .1er  mittelhochdeutschen  dichlant:.  Ytm  0.  Beha^hel  43; 

Zwei  ronjertaren  zu  Waltber.    Von  E.  Horfmann-Krarer  .    .  5$| 

Althochdeutsches.   Von  J.  Schatz*   tg 

(1.  Irm,wU„t.  s.ötö.  -  o  Adalporo,  L  5*16.  —  3  Hard  « 
-  4.  Gartet,.  I.56K). 

Zu  Beitrage  .mm    Von  H.  Paul  

Zu  S.ilman  und  Moroll    Von  L.Schmidt.  c?i 


Zur  uacluicht! 

Ks  wird  gebeten,  alle  auf  die  redaetion  der  'Beiträge*  bezüg- 
lichen Zuschriften  und  Sendungen  an  Professor  Dr.  E.  Sievers 
in  Leipzig-Gohlis  (Pölitzstrasse       zu  richten. 


Digitized  by  Google 


DIE  ADJECTIVA  IM  BEO WULFEPOS  ALS 
DARSTELLUNGSMITTEL. 


Literatur. 

Eine  einigermassen  umfassende  Untersuchung  über  die  stilistische 
Verwendung  des  adjectivums  im  allgemeinen  existiert  bisher  weder  in  den 
büchern  über  stil  etc.  noch  in  speciellen  arbeiten:  nicht  einmal  eine  voll- 
ständige behandlung  der  homerischen  epitheta  scheint  vorhanden  zu  sein. 
Ich  teile  von  den  mir  bekannt  gewordenen  Schriften  die  mit,  die  allgemeinere 
oder  speciellere  beitrage  enthalten  (oft  bloss  kleine  ansätze  zu  einer  Samm- 
lung), darunter  auch  solche,  die  zur  vorliegenden  arbeit  nicht  in  directer 
beziehung  stehen,  um  die  weitere  vergleichung  als  die  beste  erkenntnis- 
methode  gerade  in  diesen  fragen  zu  erleichtern.  Die  wichtigsten  Schriften 
sind  besternt. 

1.  Allgemeines.  *J.  F.  E. Meyer,  De  epithetorum  ornantium  vi  et 
natura  deque  eorum  usu  apud  Graecorum  et  Latinornm  poetas,  Utini  1837. 
—  *H.  Storch,  Das  epitheton  ornans,  Ratibor  1858.  —  J.  La  Roche,  Die 
bomer.  epitheta,  Zs.  f.  d.  ö.  gymn.  13 (1862),  860  ff.  —  *R.  Heinzel,  Ueber 
den  stil  der  altgerm.  poesie  =  QF.  10  (Strassburg  1875),  bes.  s.  32.  —  F.  Rin- 
ning, Beovulfokvadet,  Kebenhavn  1883, 117  ff.  129 ff.  —  A.Filipsky,  Das 
»tehende  bei  wort  im  volksepos,  Vülach  1886.  —  R.  M.  Meyer,  Die  altgerm. 
Poesie,  Berlin  1889,  122  ff.  196  ff.  —  *Fr.  Panzer,  Das  altdeutsche  volks- 

Halle  1903.  —  *0.  Immisch,  Die  innere  entwicklung  des  griech.  epos, 
L«p«g  1904.  —  F.R  atzel,  Ueber  naturschilderung,  München  und  Berlin 
1^W>  s. 295  ff.  —  A.  Lichtenheld,  Das  schwache  adj.  im  ags.,  Zs.  fda.  16 
0873),  325  ff.  Die  hier  aufgeworfenen  fragen  entscheidet  —  H.  Osthoff, 
Zur  geschiente  des  schwachen  deutschen  adj.,  Jena  1876,  der  aber  nicht 
gekannt  zu  sein  scheint  von  —  A.  J.  Barnouw,  Textkrit.  Untersuchungen 
nach  dem  gebrauche  des  bestimmten  artikels  und  des  schwachen  adj.  in  der 
w-  Poesie,  Leiden  1902.  —  J.  Hellwig,  Die  Stellung  des  attrib.  adj.  im 
deutschen,  Giessener  diss.,  Halle  1898.  -  V.E.  Mourek,  Weitere  beitrage 

»yntax  des  ahd.  Taüan,  Sitz.-b.  d.  k.  böhm.  ges.  d.  wiss.  1894,  XIII. 
^  CalUway,  The  appositive  participle  in  Anglo-Saxon,  Baltimore  1901 
Pnbl.  of  the  Mod.  lang.  ass.  of  Am.  15,  xxn.  16, 141  ff.).  —  W.  Moebius, 
Dl«  sprachlichen  ausdrücke  für  gradverhältnisse  im  Parz.,  Leipzig  1898. 

Be**ä«e  nur  geschichte  der  deuttetaen  spräche.   XXX.  24 


34(3 


SCHEIN  ERT 


2.  Englisch.  *B.  ten  Brink,  Gesch.  der  engl,  lit  1»,  446.  44$.  - 
E.  Otto,  Typische  motive  in  dem  weltlichen  epos  der  Angelsachsen,  Berlin 
1902.  —  E.  Erlemann,  Das  landschaftliche  auge  der  ags.  dichter,  Berlin 
1902.  —  *W.  Mead,  Color  in  Old  English  poetry,  Publ.  Mod.  laug.  ass. 
Am.  13,  app.  I,  xvi.  14, 169.  —  J.  E.  Willms,  Eine  Untersuchung  über  den 
gebrauch  der  farbenbezeichnungen  in  der  poesie  Altenglands,  Münster  1902. 

—  K.  Schemann,  Die  synonyma  im  Beowulfliede,  Münsterer  diss..  Hagen 
1882.  —  H.  Ziegler,  Der  poet  Sprachgebrauch  in  den  sog.  Cädmonschen 
dichtungen,  Münster  1883,  s. 38 ff.  —  O.Jansen,  Beitrfige  zur  synonymü 
und  poetik  der  ...  dichtungen  Cynewulfs,  Münster  1883,  s.  5  ff.  73  ff.  - 
R.  Simons,  Cynewulfs  Wortschatz,  =  Bonner  beitr.  zur  anglistik  3,  Bonn 
1899.  —  U.  Zernial,  Das  lied  von  Byrhtnoös  fall,  Berlin  1882,  s.  15  f.  - 
K.  Holterraann,  Ueber  spräche  und  stil  der  ae.  Gregoriuslegende  des 
Auchinleck-ms.,  MUnsterer  diss.,  Hagen  1882,  s.ölff.  —  G.Helms,  The 
English  adjective  in  the  language  of  Shakespeare,  Rostocker  diss.,  Bremen 
1868.  —  B.  Tschischwitz,  De  ornantibus  epithetis  in  Shaksperi  operiboi. 
Halle  1871. 

8.  Deutsch,  nordisch.  Heliand,  hg.  v.  E.  Sievers,  s.  391  ff.  — 
0.  Küntzel,  Künstlerische  elemente  in  der  dichtersprache  des  Heliand, 
Rostock  1887,  s. off.  —  M. Neuschäfer,  Die  Verwendung  der  adj.  im  He- 
liand, Leipziger  diss.,  Halle  1903.  —  E.  C.  Roedder,  Wortlehre  des  adj. 
im  altsächs.,  Bulletin  of  the  University  of  Wisconsin  no.  50,  Madison  1901- 

—  J.  Kleinpaul,  Das  typische  in  der  personenschilderung  der  deutschen 
historiker  des  lO.jh.'s,  Leipzig  1897,  s.  9  ff.  —  *B.  Baumgarten,  Stilist, 
untersuchuugen  zum  deutschen  Rolandslied,  Halle  1899,  s.  7  ff.  —  M.  Wie- 
gan d,  Stilist  Untersuchungen  zum  könig  Rother  (=  German,  abh.  22). 
Breslau  1904,  bes.  s.  14  ff.  (mir  erst  nach  beendung  meiner  arbeit  bekannt 
geworden).  —  J.  Bethmann,  Untersuchungen  über  die  mhd.  dicht nng  vom 
grafen  Rudolf  (=  Palaestra  30),  Berlin  1904,  s.  127  ff.  —  *H.  Schmidt, 
Ueber  das  attrib.  adj.  im  Nibelungenlied  und  in  der  flias,  Salzburg  1886 
(eine  reichhaltige  Sammlung  ans  beiden  gedienten).  —  Timm,  Das  Nibe- 
luugenlied  nach  darstellung  und  spräche  ein  urbild  deutscher  poesie,  Halle 
1882,  s.  106  ff.  —  P.  Pope,  Die  anwendung  der  epitheta  im  Tristan  Gott- 
frieds von  Strassburg,  Leipziger  diss.,  Halle  1903.  —  F.  Vogt,  Salman  and 
Morolf,  Halle  1880,  s.  CLff.  —  A.  Salzer,  Sinnbilder  und  beiworte  Mariens 
in  der  deutschen  literatur,  Linz  1893.  —  R.  Heinzel,  Beschreibung  der 
isländ.  saga,  WSB.  97  (Wien  1880),  1, 107  ff,  bes.  173  ff. 

4.  Französisch.  L.  Gau ti er,  Les  epopees  fran^aises  1* (Paris  1878). 
492 ff.  514  ff.  —  *F.  Ziller,  Der  epische  stil  des  altfranz.  Rolandsliedes. 
Magdeburg  1883.  —  K.  Zutavern,  Ueber  die  altfranz.  epische  spräche  I. 
Heidelberg  1885.  —  H.  Drees,  Der  gebrauch  der  epitheta  ornantia  im  alt- 
franz. Rolandsliede,  Münster  1883.  —  0.  Husse,  Die  schmückenden  bei- 
wörter  und  beisätze  in  den  altfranz.  chansons  de  geste,  Halle  1887.  - 
A.  Ott,  Etüde  sur  les  couleurs  en  vieux  francais,  Züricher  diss.,  Paris  1899. 

—  0.  Boerner,  Raoul  de  Houdenc.  Stilist.  Untersuchung,  Leipzig  1884. 
s.  5  ff.  —  C.  Hu  eilen,  Der  poet.  Sprachgebrauch  in  den  altfranz.  chanson* 
de  geste  Amis  et  Ainiles  und  Jourdains  de  Blaivies,  Münster  1884,  s.40ff- 


Digitized  by  Google 


AßJECTIVA  IM  BEOWüLFEPOS. 


347 


—  W.  Keller,  Maistre  Wace.  Stilistische  Untersuchung,  Züricher  diss. 
St.  Gallen  1886,  s.49ff.  —  P.  Graevell,  Die  Charakteristik  der  personen 
im  Rolandslied,  Marburg  1880.  —  Dessen  methode  folgen:  F.  Mauss,  Die 
Charakteristik  der  in  der  altfranz.  chanson  de  geste  Gui  de  Bourgogne 
auftretenden  personen,  Münster  1883.  —  H.Barth,  Charakteristik  der 
personen  in  der  altfranz.  chanson  d'Aiol,  Züricher  diss.,  Stuttgart  1885.  — 
W.  Mejer,  üeber  die  Charakterzeichnung  in  der  altfranz.  heldendichtung 
Raonl  de  Cambrai,  Kiel  1900. 

5.  Slavisch.  F.  Miklosich,  Die  darstellung  im  slav.  volksepos, 
Denkschr.  d.  Wien,  ak.,  phil.-hist.  kl.  38  (Wien  1890),  heft  3,  26  ff. 

6.  Homer.  *L.  Krah,  De  fixis  quae  dicuntur  deorum  et  heroum 
epithetis,  Königsberg  1852.  —  L.  Krah,  Ueber  epitheta  der  götter  und 
menschen,  Philologus  17  (1861),  193 ff.  —  H.  Schmidt  (s.oben  unter  3).  — 
A.  Schuster,  (Jeber  die  krit  benntzung  homerischer  adjective,  Clausthal 
1859.  —  A.Schuster,  Ueber  die  homer.  epitheta  des  Schiffes,  Zs.  f.  d. 
gymn.-wesen  14  (1860),  451  ff.  —  *A.  Schuster,  Untersuchungen  über  die 
homer.  stabilen  beiwörter,  Stade  1866.  —  *A.  Schuster,  Homers  auffassung 
und  gebrauch  der  färben,  Zs.  f.  d.  gymn.-wesen  15  (1861),  712  ff.  —  A.  G  ö  b  e  1 , 
Das  meer  in  den  homer.  dichtungen,  ebda.  9  (1855),  513 ff.  —  E.Kammer, 
Ein  ästhetischer  commentar  zu  Homers  Dias,  Paderborn  1896,  s.  40  ff.  96  ff. 

7.  R  ö  m  i  s  c  h.  C.  G.  J  a  c  o  b ,  Disquisitionum  Vergilianarum  particula  I, 
Coloniae  1829.  —  G.  A.  Gebauer,  Quatenus  Vergilius  in  epithetis  imitatus 
sit  Theocritum,  Zwickau  1863.  —  L.  Cholevius,  Epitheta  ornantia,  quibus 
utitnr  Vergilius,  cum  iis  comparata  quibus  posteriores  epici  latini,  maxime 
quidem  Silins,  carraina  sua  distinxerant,  Königsberg  1865.  —  H.  B 1  ü  m  n  e  r , 
Die  farbenbezeichnungen  bei  den  röm.  dichtem.  Berlin,  stud.  f.  class.  phil. 
and  arch.  13  (Berlin  1892),  3. 

8.  Ausgaben.  Benutzt  sind  die  Beowulf ausgaben  von  Heyne- 
Socin',  Paderborn  1903,  A.  Holder»,  Freiburg  1899,  und  A.  Holder, 
Beowulf  üb:  Wortschatz  mit  sämmtlichen  Stellennachweisen.  Freiburg  1896. 
Die  lesarten  s.  in  Grein-Wtilkers  Bibliothek  1. 

Citiert  wird  nach  Holders  text  Mit  lit.  1,2  etc.  wird  auf  die  ab- 
schnitte der  vorstehenden  literaturangaben  verwiesen. 

9.  Abkürzungen. 

B.  =  Beowulf.  —  Hj.  =  HroÖjar.  —  Hl.  =  Hyjelac.  —  W],  = 
Wijlaf.  —  G.  =  Grendel.  —  Gm.  =  Grendels  mutter.  —  d.  =  drache. 
=  mannen.  —  t.  =  (typus),  eine  unbestimmte  person. 

I.  Capitel.   Allgemeine  bemerknngen. 

§  1.  Die  indirecte  darstellung,  die  des  dichtere  bilder 
und  gestalten  in  action  vorführt,  muss  mit  der  directen,  die 
charakterisierende  aussagen  über  sie  macht,  immer  vereint 
vorkommen  —  nur  stets  in  wechselnden  mischungsverhältnissen. 

24* 


Digitized  by  Google 


348 


SCHEITERT 


Dem  epos  liegt  die  directe  darstellung  näher  als  dem  drama, 
und  Chaucer  z.  b.  beschreibt  im  Prolog  seiner  Canterbury  Tales 
die  einzelnen  pilger  in  charakterisierenden  berichten;  so  (Globe 
Edition,  CT.,  Prol.): 

299  (Clerk) 

Bnt  al  that  he  myghte  of  his  freendes  hente 

On  bookes  and  his  lernynge  he  it  spente, 

And  bisily  gan  for  the  soules  preye 

Of  hem  that  yaf  hira  wher-with  to  scoleye. 

Of  Studie  took  he  moost  eure  and  moost  heede  etc. 

309  (Sergeant  of  the  Lawe) 

A  Sergeant  of  the  Lawe,  war  and  wys, 
That  often  hadde  been  at  the  Parvys, 
Ther  was  also,  ful  riche  of  excellence. 
Discreet  he  was,  and  of  greet  reverence; 
He  seraed  swich,  his  wordes  weren  so  wise  etc. 

Diese  stellen  zeigen,  wie  mannigfaltige  formen  des  sprachlichen 
ausdrucks  die  directe  Charakterisierungsart  annehmen  kann, 
zugleich,  dass  sie  ihren  bestimmtesten,  einfachsten  und  oft 
auch  abstractesten  ausdruck  in  adjectiven  findet 

Will  man  nun  die  Verschiedenheiten  in  der  Verwendung 
der  adjectiva  in  der  poetischen  darstellung  bei  verschiedenen 
autoren,  dichtungsarten,  Völkern  untersuchen,  so  muss  man  zu- 
nächst die  frage  erörtern,  wie  der  adjectivschatz  der  spräche 
seiner  gesammtheit  nach  stilistisch  verwendbar  ist. 

§  2.  Schon  seine  abgrenzung  von  den  Substantiven  wie 
von  den  verben  ist  oft  fraglich,  und  man  sieht  sich  genötigt, 
von  fall  zu  fall  zu  urteilen.  Sicher  ist,  dass  Substantiv  und 
adjectiv  in  ursprünglicher  spräche  nicht  scharf  auseinander- 
gehalten worden  sind;  dass  auch  später  die  eigenschaft  das 
object  vertreten  kann,  zeigt  für  den  Beowulf  das  häufige  se  $6da 
und  ähnliches.  Da  alles  in  eine  scharf  abgrenzende  definition 
zu  fassen  unmöglich  ist,  wird  man  eine  mittlere  richtlinie  für 
das  wesen  der  eigenschaftsangaben  festhalten  können:  sie  geben 
etwas  in  oder  an  einem  objecte  mit  gewisser  constanz  vor- 
handenes an,  oder  eine  äusserung  des  objects,  die  aus  seinem 
Charakter  hervorgeht.  Diese  bestimmung  ist  auch  für  die 
Unterscheidung  von  den  mehr  auf  den  Vorgang,  seinen  eintritt 
und  verlauf  deutenden  verbalen  angaben  anzuwenden,  alsoz.b. 


Digitized  by  Google 


ADJECT1VA  IM  BEOWULFEPOS. 


349 


—  wenn  gleich  in  leisester  nüaneierung  —  für  die  beurteilung 
von  ausdrücken  wie  er  war  traurig  im  Verhältnis  zu  es  be- 
kümmerte ihn.  Das  gleiche  gilt  von  den  participien,  von  denen 
aber  viele  einfach  zu  adjectiven  geworden  sind,  andere  Syno- 
nyma zu  eigentlichen  adjectiven  darstellen. 

§  3.  Innerhalb  der  grammatischen  kategorie  der  adjectiva 
und  unter  den  ihrer  bedeutung  nach  dazu  gehörigen  participien 
lassen  sich  nun  folgende  gruppen  scheiden: 

1)  Verbaladjectiva.  Sie  drücken  meist  eine  möglichkeit 
aus  und  dienen  entweder  mit  hilfe  von  sein  zum  ersatz  eines 
ausdrucks  mit  können,  müssen,  oder  zum  abgekürzten  ausdruck 
eines  solchen  satzes,  oder  sie  kommen  participien  gleich:  gesenc, 
onsce$e,  gife]>e. 

2)  Adjectiva  determinativa,  wie  ich  sie  nennen  möchte. 
Sie  verraten  oft  noch  ihren  Zusammenhang  mit  pronominibus 
und  dienen  der  räumlichen,  zeitlichen  und  relativen  Orientierung 
der  objecte:  'nahe',  '  letzt',  'gemeinsam'. 

3)  Angaben  über  intellectuelle  auffassung:  'bekannt', 
•klar'. 

4)  Angaben  der  dem  in  rede  stehenden  object  übergeord- 
neten art:  'weiblich'. 

5)  Angaben  von  eigenschaf ten,  die  einem  object  an- 
haften, sei  es  als  ihm  innewohnend,  sei  es  als  ihrer  Wirkung 
nach  erkennbar  an  andern,  sei  es  als  bloss  an  ihm  vorkommend. 
Sie  sind  es,  die  zur  eigentlichen  Charakterisierung  der  objecte 
dienen,  und  sie  kommen  daher  zuerst  für  die  poetische  Ver- 
wendung in  betracht.  Sie  zerfallen  in  verschiedene  arten, 
unter  denen  wider  fast  stets  eigenschaften  der  ruhe  und  der 
bewegung,  andrerseits  dauernde  und  vorübergehende  sich 
unterscheiden  lassen: 

a)  Angaben  über  blosse  existenz  und  über  existenz- 
fähigkeit, existenzdaner:  'lebendig',  'krank',  'tot',  'jung',  'alt'; 

b)  Angaben  interner  eigenschaften  eines  objects.  Sie 
lassen  sich  zerlegen  in  speciellere  und  allgemeinere,  von 
denen  die  ersten  wider  ausdrücke  für  physische  und  für 
persönliche  eigenschaften  in  sich  schliessen.  Im  einzelnen 
kann  man  nicht  immer  scharf  geschiedene  gruppen  aufstellen, 
sondern  man  muss  zu  continuierlichen  Übergängen  seine  Zuflucht 


SCHEINERT 


nehmen,  wie  ja  auch  von  dieser  gruppe  der  adjectiva  ein  Über- 
gang stattfindet  zu  der  der  gefühlsadjectiva; 

c)  Angaben  über  das  Verhältnis  der  objecte  unter- 
einander: 'mächtig',  'lieb',  'verhasst'; 

d)  Angaben  des  gefühlseindrucks,  den  die  objecte 
machen:  'schön1,  'herrlich',  'schrecklich'; 

e)  Angaben  über  das  Schicksal  des  objects:  'glücklich', 
'elend'. 

§  4.  Die  frage  nach  den  objecten,  denen  die  eigen- 
schaften  zugeordnet  werden,  ist  ungleich  einfacher:  wir 
brauchen  lediglich  eine  einteilung  in  lebewesen,  nator- 
dinge  und  erzeugnisse  menschlicher  tätigkeit,  all- 
gemeinere begriffe  und  abstracta  vorzunehmen. 

Von  grösserer  Wichtigkeit  ist  es  zu  erfahren,  in  welchen 
fällen  der  dichter  eigenschaften  der  objecte  angibt.  Da  ist 
zuerst  zu  bemerken,  dass  nicht  etwa  immer  die  objecte,  die 
des  autors  interesse  am  meisten  erregen,  am  meisten  mit  ad- 
jectiven  belegt  werden,  sondern  dass  eigenart  des  objects  oder 
des  dichters,  aber  auch  der  nationalen  spräche,  der  dichtungsart, 
der  überlieferten  Stilgewohnheiten  hier  die  verschiedensten 
kreuzungen  hervorrufen  können.  Wenn  z.  b.  die  bezeichnungen 
des  meeres,  das  doch  die  Angelsachsen  immer  aufs  neue  inter- 
essierte, in  der  poetischen  spräche  nur  wenig  adjectiva  anziehen, 
wenn  es  vielmehr  häufig  durch  kenningar  und  Variationen, 
also  mehr  gefühlsmässige  ausdrücke  gekennzeichnet  wird  (vgl. 
Schemann  34  ff.),  und  wenn  im  Homer  für  die  see  nicht  viel 
mehr  adjectiva  vorkommen  als  im  Beowulf  (auf  ca.  3000  verse 
B  :  H  etwa  «  10  : 14,  vgl.  Göbel,  lit.  6),  so  wird  dies  daran 
liegen,  dass  für  das  meer  bei  seiner  relativen  gleichförmigkeit 
und  seinem  ewigen  Wechsel  in  aussehen  und  bewegung  über- 
haupt nicht  viel  unterschiedliche  eigenschaftsangaben  gefunden 
werden  können.  Es  ist  also  immer  auf  die  möglichkeit  oder 
notwendigkeit  des  ausdrucks  durch  andere  stilmittel  zu  achten, 
und  zur  völligen  klarlegung  des  ganzen  gebiets  wird  auch 
einmal  die  verschiedene  Verwendung  von  directer  und  üidirecter 
darstellung  zu  untersuchen  sein:  bei  sächlichen  concretis  mnss 
natürlich  der  beschreibende  directe  stil  stets  den  grösseren 
räum  einnehmen  (färbe,  grosse,  gestalt);  lebewesen  können  und 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


351 


müssen  mit  indirectem  stil  in  ihrem  handeln  vorgeführt  werden, 
sich  so  charakterisierend. 

§  5.  Besondere  bedeutung  für  die  Verwendung  des  adjectiv- 
schatzes  überhaupt  hat  die  analysierung  des  Verhältnisses 
der  eigenschaftsangaben  zu  dem  objectsbegriff,  dem 
sie  beigelegt  werden.')  Man  hat  hier  meist  epitheta  or- 
nantia  und  necessaria  unterschieden  (so  Meyer,  Storch,  La 
Roche,  lit.  1),  doch  zeigt  genauere  betrachtung,  dass  dies  nicht 
genügt,  wenn  auch  zugegeben  werden  muss,  dass  jener  unter- 
schied die  hauptsache  wenigstens  am  leichtesten  fassbar  macht. 
Ich  möchte,  um  die  Verwendung  des  gesammten  adjectivschatzes 
zu  charakterisieren,  folgendes  auseinander  halten: 

1)  Das  rein  logisch  gebrauchte  adjectivum  dient 
dazu,  durch  einengung  eines  begriffs  einen  neuen  zu  bilden: 
rechte  hand,  se  micla  dorn  =  'das  Weltgericht',  ece  rced  = 
'Seelenheil'. 

Logisch  sind  aber  auch  bestimmte  angaben  eines  speciellen 
Sachverhalts,  d.  h.  die  räumlich,  zeitlich  und  relativ  orientieren- 
den adjectiva  determinativa:  uplang  dstöd  etc. 

2)  Das  charakterisierende  adjectivum  dient  dazu, 
aus  einer  gattung  ein  exemplar  von  bestimmter  eigenart  heraus- 
zuheben: Goethe,  Iphigenie  1 

Heraus  in  eure  schatten,  rege  wipfel 

Des  alten,  heiigen,  dichtbelaubten  haines  . . . 

3)  Das  typisierende  adjectivum  gibt  eine  eigenschaft 
an,  die  im  verein  mit  mehreren  andern  für  den  anschauungs- 
kreis  des  sprechenden  notwendig  mit  der  gattung  des  objects 
verbunden  ist,  so  dass  er  nach  bedarf  oder  auch  nach  belieben 
im  einzelnen  falle  das  eine  oder  andere  der  typischen  adjectiva 
aussprechen  kann:  der  tapfere  held,  der  wackere  held.  Specielle 
Charakterisierung  ist  natürlich  auch  dann  nicht  eingetreten, 
wenn  es  zwei  untertypen  einer  gattung  gibt,  etwa  typus  und 
gegentypus  (Heinzel,  lit.  1,  s.  32).   Hierher  gehören  aber  auch 


')  Diese  analyse  kann  immer  nur  im  zusammenhange  des  ganzen 
satzes,  oft  auch  der  ganzen  dichtung  ausgeführt  werden.  Daher  darf  man 
bei  derartigen  Untersuchungen  nie  nach  Wörterbüchern  arbeiten,  da  diese 
immer  irgendwie  abstrahieren,  und  psychisch  völlig  verschiedenes  als  gleich 
erscheinen  lassen  können. 


352 


SCHEINERT 


die  adjectiva,  die  bei  den  verschiedensten  objecten,  wo  es  nur 
immer  angeht,  anftreten  können:  gross,  gewaltig,  herrlich. 
Andrerseits  können  adjectiva  dnrch  constante  anwendung  auf 
einen  öfter  widerkehrenden  vorübergehenden  zustand  einen 
gewissen  grad  des  typischen  erlangen:  man  könnte  sie  situa- 
tionstypisch nennen. 

4)  Complicierter  sind  die  fälle,  in  denen  ein  teil  (etwa 
körperteil)  oder  ein  ausfluss  (etwa  worte)  eines  ganzen 
mit  einem  adjectivum  charakterisiert  wird.  Diese  Charakteri- 
sierungen sind  natürlich  für  den  teil  etc.  zunächst  speciel). 
ordnen  sich  aber  oft  der  Charakteristik  des  ganzen  unter,  und 
werden  so  indirect  typisch  (z.  b.  Grendles  heafod  —  egeslic 
B.  1649). 

Die  arten  2,  3  und  die  diesen  entsprechenden  fälle  von  4 
sind  die  eigentlich  charakterisierenden  eigenschaftsangaben 
die  man  beim  auftreten  in  poetischer  darstellung  poetische 
adjectiva  nennen  sollte,  nicht  epitheta  (ornantia);  denn  dieser 
ausdruck  ist  zu  eng,  weil  er  nicht  alle  eigenschaftsangaben 
umfasst,  zu  weit,  weil  er  auch  substantiva  einschliesst. 

Bei  der  Unterscheidung  dieser  gebrauchsarten  des  adjec- 
tivums  ist  die  frage  stets  zu  stellen  nach  dem  Verhältnis  der 
betreffenden  eigenscbaft  zu  dem  object,  von  dem  eben  gesprochen 
wird,  nicht  zu  dem  verwendeten  substantivum,  da  dieses  oft 
allgemeinere  bedeutung  hat  und  daher  irre  führen  könnte  (z.b. 
B.  1645  tapferer  mann,  auf  Beowulf  zu  beziehen). 

$  6.  Die  blosse  anzahl  der  adjectiva  ist  auch  nicht 
ohne  interesse:  die  grössere  kann  eine  grössere  fähigkeit  zum 
scharfen  erfassen  und  ausdrücken  eines  vorstellungsinhalts, 
eine  grössere  neigung  zum  theoretisieren  verraten,  wogegen 
die  anwendung  von  substantiveompositis  und  besonders  von 
kenningar  weit  ausgreifenden  associationen  wesentlich  auf 
grund  des  gefühls  einen  breiteren  Spielraum  lässt.  Doch 
braucht  natürlich  jene  grössere  fähigkeit  zu  logischer  schärfe 
diejenige  zu  reichen  phautasieassociationen  nicht  auszuschliessen. 
denn  sie  können  sich  in  kühnen  Übertragungen  äussern,  sei  es 
etwa  durch  anwendung  von  ausdrücken  für  psychische  eigen- 
schaften  auf  sächliche  concreta,  sei  es  durch  die  von  angaben 
physischer  und  psychischer  eigenschaften  auf  abstracta. 


Digitized  by  Google 


ADJECT1VA  IM  BEO WULFEPOS. 


353 


§  7.  Ferner  muss  auch  die  Verschiedenheit  im  syn- 
taktischen gebrauche  des  adjectivums  beobachtet  werden: 
attributiv,  prädicativ,  substantiviert,  in  enger  Verbindung  mit 
verben,  oder  appositiv,  d.h.  als  mehr  beiläufig  und  nachträg- 
lich zugefügtes  entfernteres  attribut  (vgl.  Mourek  s.  19.  Callaway 
s.  H4;  von  Paul,  Mhd.  gr.5  §  203  'prädicatives  attribut'  genannt). 
Für  eine  psychologie  der  eigenschaftsangaben  an  sich  ist  es 
nun  gewiss  ganz  gleichgiltig,  ob  es  etwa  heisst:  Siegfried  der 
tapfere  held  schlug  die  Dänen  und  Sachsen,  oder  Siegfried  schlug 
die  Dänen  und  Sachsen  —  er  war  ein  tapferer  held.  Und 
doch  sind  gewisse  psychische  unterschiede  der  Verwendung 
unverkennbar.  Die  prädicierende  ausdrucksweise,  die  schon 
durch  ihre  ausdehnung  zu  einem  satze  mehr  beachtung  im  zu- 
sammenhange des  ganzen  erheischt,  neigt  in  ihrer  schärferen 
auseinanderhaltung  von  object  und  eigenschaft  zu  schärferer 
begrifflicher  klarheit,  und  steht  so  dem  object,  vor  das  sie  sich 
zum  zwecke  ausführlicherer  beschreibung  hinstellt,  freier  gegen- 
über als  die  attributive  ausdrucksweise,  die  object  und  eigen- 
schaft oft  noch  als  eins  fühlt.  Deshalb  sind  aber  noch  nicht 
alle  prädicativsätze  gleichwertig,  denn  eine  mehr  beiläufig 
gebrachte  prädicierung  kann  einer  attribuierung  sehr  nahe 
kommen;  so  z.  b.  B. 3156: 

geworhton  Öa  Wedra  leode 

hlsew  on  hliöe,  s6  waes  heah  7  brad  . . . , 

wogegen  reine  prädicierung  öfter  vorkommt  in  der  Chanson  de 
Roland  (ed.  Stengel  1900): 

1311   Margariz  est  mult  vaillanz  Chevaliers, 
E  bels  et  forz  et  isuels  et  legiers. 

Schliesslich  darf  auch  die  modalität  des  satzes  nicht 
ausser  acht  gelassen  werden,  und  zwar  handelt  es  sich  weniger 
darum,  ob  position  oder  negation,  als  darum,  ob  bedingte  aus- 
sage, wünsch  etc.  vorliegt-,  oder  ob  tatsächlich  vorhandene 
eigenschaften  angegeben  werden. 

§  8.  Auch  die  methode  der  bildung  continuierlicher 
gruppen,  die  in  der  ganzen  arbeit  angewendet  wird,  kann 
nicht  all  die  complicierten  Verhältnisse  und  die  zum  teil  nie 
ganz  entscheidbaren  fragen  (z.  b.  in  der  Synonymik)  restlos 
auflösen;  sie  ist  aber  die  einzige,  die  den  tatsachen  keinen 


354 


SCHKINERT 


zwang  antut,  oline  doch  auf  eine  eindringendere  darstellung 
zu  verzichten. 

Die  materialsammlung  will  vollständig  sein,  soweit 
nicht  ausdrücklich  anders  bemerkt  wird. 

II.  Capitel.   Die  adjectiva  im  Beowulfepos  als 

darstellungsmittel. 

A)  Objectgruppen. 

§  9.  Betrachten  wir  nun  die  Verwendung  der  adjectiva 
des  Beowulfepos  ihrer  gesammtheit  nach,  so  ist  zuerst  zu  fragen, 
welche  adjectiva  auf  die  einzelnen  objecte  angewant  werden, 
was  natürlich  zunächst  ohne  rücksicht  auf  ihren  speciellen 
stilistischen  wert  (z.  b.  die  S3ntaktische  einordnung)  zu  ge- 
schehen hat.  Um  volle  und  leichte  Übersicht  zu  schaffen,  ordne 
ich  unter  den  einzelnen  objecten  auf  grund  von  cap.  I  so: 

1)  Adjectiva,  die  constante  eigenschaften  des  objects  be- 
zeichnen, also  die  poetischen  adjectiva  (§5);  —  2)  zustands- 
angaben;  —  3)  angaben  über  existenz  etc.  (§  3, 5,  a);  —  4)  adj. 
determinativa;  —  5)  adj.  in  enger  Verbindung  mit  verben;  — 
6)  adj.  in  Sätzen,  die  nicht  eine  tatsächlich  vorhandene  eigen- 
schaft  aussagen,  sondern  bedingte,  geglaubte  und  ähnliche  aus- 
sagen bringen. 

Innerhalb  dieser  einzelnen  gruppen  ordne  ich  synonymisch 
nach  §  3, 5,  b  ff.  Das  am  häufigsten  gebrauchte  wort  steht  voran; 
etymologisch  zusammengehöriges  wird  nicht  auseinandergerissen; 
was  dann  noch  übrig  bleibt,  wird  alphabetisch  geordnet;  nicht 
ganz  sichere  fälle  werden  so  gestellt,  dass  sie  Verbindungs- 
glieder von  einer  gruppe  zur  andern  darstellen. 

Pass  manche  adjectivbedeutungen  hier  schon  besprochen  werden,  Dicht 
erst  bei  der  Verarbeitung  des  adjectivschatzes,  Hess  sich  nicht  vermeiden, 
wenn  die  darstellung  der  objecte  klar  auseinandergelegt  werden  sollte. 

I.  Lebewesen. 

Beowulf. 

$  10.  Angaben  körperlicher  eigenschaften  des  recken 
sind  äusserst  selten;  vgl.  aber  noch  §  33  und  34.  —  tcäpnum 
geiccordad  'durch  waffen  geziert'  =  'herrlich  gerüstet'  ist 
typisch  für  den  kriegshelden. 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BBO WULFEPOS. 


355 


'Gross,  stark':  ncefre  mära  ...  247,  wigena  strengest  1543, 
mcegenes  sträng  1844,     moncynnes  (manna)  ma>gcne(s)  strengest  196.  789. 

—  'Gerüstet':  wotpnum  geweoröad  250. 

§  11.  Von  Charaktereigenschaften  sind  die  anf  kampf- 
tüchtigkeit  bezüglichen  die  beliebtesten  (33),  andere  gibt  es 
bloss  5;  adjectiva  der  intellectuellen  eigenschaften  — 
'erfahren',  'lebensklug'  —  sind  selten  (7). 

'Tapfer':  heard  376.  401.  1807.  1963,  ne  ...  heardra  719,  heard 
under  helme  342.  404.  2539,  beadice  heard  1539,  ntöheard  2417;  hilde- 
deor  834.  1646.  2183,  heaPodeor  688;  dctdcene  1645;  Ärör  1629,  watreow 
629;  -  modig  502.  75a  813.  1643.  1812.  3011;  sttdmod  2566,  swtdmöd 
1624,  sicyöferhö  826,  anhydig  2667,  ßristhydig  2810,  stearcheort  2552, 
pryöstcyd  736,  collenferM  1806,  higepyhtig  746,  »ic  ecrrj  2541.  —  Ver- 
schiedene Charaktereigenschaften:  ^caro  ('tatbereit')  1825,  rüm- 
heort  1799,  wtonc  341,  lofgeornost  3182,  goldhiccet  3074  (?).  —  'Klug': 
tcts  1845.  2329.  3094,  mshycgende  2716,  «no^or  826,  on  mode  frod  1844, 
jewttfe  3094. 

§  12.  Was  Beownlfs  Verhältnis  zu  anderen  angeht, 
so  wird  hervorgehoben  seine  edle  abkunft  und  seine  über- 
ragende Stellung. 

eacen  hahe  ich  als  =  'mächtig'  hier  angesetzt,  weil  es,  ursprünglich 
'gross'  Dedeutend,  dann  nach  ausweis  der  Wörterbücher  zur  bezeichnung 
jeder  art  von  intensität  vorkommend,  an  dieser  stelle 

196  se"  was  moncynnes  maesenes  strenjest 
on  }>aem  da^e  pysses  lifes, 
«J>ele  7  eacen. 

nicht  wol  eine  andere  bedeutung  haben  kann,  denn  es  nach  aspele  noch  dazu 
in  einer  mit  and  gebildeten  fonnel  als  '  gross '  zu  interpretieren,  heisst  dem 
dichter  eine  Ungereimtheit  zutrauen,  wie  er  sie  sonst  nirgends  begeht. 

Seinen  verwanten  ist  Beowulf  wolgesinnt,  seinen  Unter- 
tanen mild  (wofür  aber  erst  in  den  letzten  zeilen  ein  paar 
adjectiva  auftreten;  vgl.  übrigens  §  87.  90.  91.  93),  daher  bei 
allen  beliebt. 

Die  häufigen  bezeichnungen  für  'alt'  habe  ich  neben  yldesta  in  diese 
gruppe  aufgenommen ;  sie  gehören  begrifflich  genommen  unter  die  angaben 
der  existenzdauer  (§  3, 5,  a),  aber  die  anwendung  im  alten  epos  verbindet 
damit  ein  Btarkes  geftihl  der  Wertschätzung  ('alt'  =  'erfahren',  'ehr- 
würdig'), so  dass  sie  unter  die  typischen  eigenschaften  eingereiht  werden 

Verhältnis  zu  andern:  yldesta  258.  363,  eald  2210,  eaWdaford 
2778,  gomol  2421.  2793.  2817.  2851.  3095,   fröd  2209.  2513,   här  3136; 

-  apele  198.  1312,  rke  399,  e'acen  198;  —  mitdust  3181,  mondwrtrust 
3181,  leodum  liöost  3182,  hold  (Verhältnis  zu  Hyjelac)  1979.  2170;  -  Uof 


356 


SCIIEINERT 


203.  1876.  1994.  2897.  3079.  3108.  3142;  vocativ:  1216.  1758.  1854.  1987. 
2663,  leofesla  2823,  deore  (für  Hroöjar)  1879,  ma  him  (Hreöel)  ladra  ... 
2432,   jram  (gegen  Grendel)  765. 

§  13.  Sehr  beliebt  sind  angaben  über  a)  die  fähigkeit 
der  gesamnitpersönlichkeit  —  besonders  göd  =  Süchtig 
wacker',  unserm  'leistungsfähig'  entsprechend  —  und  b)  adjec- 
tiva,  die  das  gefühl  widergeben,  mit  dem  man  Beowulf  be- 
trachtet: 'berühmt',  'geehrt'. 

Hof,  mit  dem  ans  den  übrigen  germanischen  sprachen  wol  bloss  ahd. 
ruova  zusammenzustellen  ist,  im  ags.  bloss  ein  poetisches  wort,  wird  auch 
wegen  seiner  fähigkeit,  vielfach  Verbindungen  einzugehen,  eine  so  allgemeine 
bedcutung  wie  'berühmt1  haben.  Ks  ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  d&a 
composita  wie  beaduröf,  hcaporof  hier  und  da  in  die  bedcutung  'tapfer' 
übergegangen  sind  oder  ihr  wenigstens  nahe  kommen. 

'Tüchtig':  S6d  195.  205.  384.  675.  1190.  1518.  1595.  2184.2327. 
2390.  2563.  3036,  gumcystum  göd  2543,  ärgod  2342,  betsta  947.  1750. 
1871,  selra  wtw'g  ...  860.  1850,  betera  1703,  unsinnig  2089.  —  'Be- 
rühmt': rof  1793.  2538.  2690,  eüenrof  340.  358.  3063,  dddum  ro/*  2666. 
beadurof  31(50,  hcaporof  381,  hijeröf  204,  mctre  1301.  1761.  2587,  män 
peoden  ('hehr',  'erhaben')  797.  1598.  2572.  2721.  2788.  3141,  widcud  1480, 
güÖum  etil)  2178,  Hriadig  2189,  wcorÖ  Denum  1814,  ttibmg  . . .  riers 
tci/rira  861,  fyrdwyrpc  1316,  tceordfullost  3099,  dorne  sewurpad  1^45. 
—  Schicksal:  sigoriadig  1311.  2352. 

§  14.  Für  Beowulf,  der  den  mittelpunkt  des  interesses 
einnimmt,  gibt  es  natürlich  auch  eine  grosse  anzahl  adjectiva. 
die  zustände  ausdrücken.  Von  physischen  eigenschaften  er- 
scheint bloss  'blutig',  das  durch  seine  anwendung  bei  jedem 
kämpfe  situationstypisch  wird.  Die  übrigen  sind,  wie  trnräd, 
on  möde  from,  äusserungen  seines  Charakters  in  bezug  auf 
einen  ganz  bestimmten  fall;  teils  geben  sie  die  Stimmung  an: 
'freude',  'betrübnis'  und  (wider  durch  anwendung  bei  jedem 
kämpfe  situationstypisch)  'zorn\ 

Zustände:  füh  ('blutig')  420;  -  sides  füs  1475,  güpe  gcfyscd  630, 
he  p<vs  modig  wa?s  1508,  on  mode  from  pai  . . .  2527,  rmerÖa  gemyndi.; 
1530;  Man  2183,  eann  2368,  ne  earmra  ...  577;  —  gebolgen  1539.  255a 
torne  g.  2401,  bolgenmod  709,  yrre  1532.  1575,  heorogrim  1564,  rejx 
1584,  anrrtd  1529.  1575;  goldtdanc  1881,  since  hrimig  1882,  glocdmöd 
1785,   hreoh  1564,    teerigmod  1543. 

§  15.  Die  angaben  über  existenz  etc.  (z.b.  'gesund'  = 
'aus  einem  kämpfe  lebendig  hervorgegangen'),  die  determina- 
tiva,  die  mitverben  verbundenen,  und  die  modal  modifizierten 
aussagen  bedürfen  keiner  besonderen  erklärung. 


Digitized  by  Google 


APJT5CTIVA  IM  BE0WTTLFEP09, 


357 


'Am  leben':  cnihtwesende  372,  umborwesende  1187,  syfanwintre 
2428;  heaöoldces  häl  1974,  cwic  3093,  gesund  1628.  1998,  nces  fckge  2141, 
lifigaxde  1973.  2665.  -  'Matt,  wund':  stpes  wer  ig  579.  1794,  hildesced 
2723,  «wirf  2753,  eüensioc  2787,  headosioc  2754,  feorhbennum  sioc  2740, 
siexbcnnum  sioc  2904,  dreorig  2789,  heorodreorig  2720,  aWres  orwena 
1565.  —  'Tot':  ecddorleas  3003,  sawolleas  3033,  deadbedde  fast  2901, 
unlifigende  2908.  —  Determinativ:  feorrancund  1795,  upfan^  759, 
uppriht  2092.  —  Mit  verb:  nc  Ämc  ...  micles  icyröne  ...  geddn  wolde 
2185,  ...  wearÖ  ..  gefcegra  915.  —  Eigene  meinung:  n€  tnc  hnahran  . . . 
677.  —  Falsche  meinung  andrer:  s/e'ac  2187,  unfrom  2188,  «c  s»£e- 
Are%  . .  1597.  -  Wunsch:  hn&widig  1708,  dreore  fäJi  U7,  dcbdum 
gedefe  1227  Wra  tf<5c  1220,  <fa<%  1225.  -  Bedingt:  ctric  2785,  /bi* 
jwtten  1479,   /toufcrdpuro  /a?sf  636.  -  Vgl.  §  34. 

Hroöjar. 

§  16.  Vergleicht  man  die  anwendung  der  auf  HroÖsar 
bezogenen  adjectiva,  so  zeigt  sich,  dass  die  mittel  der  Charak- 
terisierung bei  beiden  fürsten  die  gleichen  sind,  nur  dass 
Hroösar  seltener  vorkommt,  und  dass  er  von  anfang  an  der 
gereifte,  kluge,  ehrwürdige  herscher  ist,  als  der  Beowulf  erst 
am  ende  des  gedichts  erscheint.  Deshalb  wird  bloss  die  Ver- 
teilung anders,  vgl.  die  Übersicht  §  21.  Hervorzuheben  ist 
nur,  dass  die  allgemeineren  angaben,  wie  die  über  tüchtig- 
keit,  eindruck,  bei  Hrodgar  gegenüber  den  anderen  melir 
hervortreten  als  bei  Beowulf. 

£eatolic,  von  geatwe,  'rüstung,  ausstattung ' ,  kann  natürlich  bloss 
heissen  'bereit  gemacht,  ausgestattet'  (vgl.  §  161),  das  ist  'trefflich,  ge- 
schmückt' (wie  übrigens  Sweet  richtig  angibt:  'adorned,  splendid'),  nicht 
aber  'stattlich',  wie  man  es  meist  übersetzt. 

Belege:  geatolic  1401;  —  hildcdeor  1816,  drydswyd  131,  rümheort 
2110;  —  tri*  1318.  1400.  1698,  snotor  190.  1313.  1384.  1475.  1786.  2156; 
—  eald  357.  1702.  1874,  gomol  1397.  1677.  1792.  2105,  gomelfeax  608, 
Uondenfeax  1791.  1873,  fröd  279.  1306,  infrod  1874,  wintrum  frod  1724, 
här  1307.  1678,  unhar  357;  —  cepelum  gud  1870,  r'tce  310,  glced  863, 
glmlman  367,  hold  376,  leof  618.  1483;  -  god  279.  347.  355.  863.  1486, 
ärgöd  130,  seiest  1685;  —  güdrof  608,  sigeröf  619,  mitre  270.  1474. 
2011,  mcbre  ßeoden  129.  201.  345.  353.  1046.  1992,  widcüß  1042,  tirfast 
922,  cystum  gecyped  923,  orlcahtre  1886.  —  Zustände:  unblide  130, 
hreohmod  2132.  —  Imperativ:  gloed  1173,  geofena  gemyndig  1173, 
blide  617,   sorhleas  1672.   -   Gruss:  hol  407. 

Andere  beiden. 

§  17.  Genau  das  gleiche  widerholt  sich  bei  allen  andern 
neiden:  so  ist  Hy^elac,  ebenso  Wiglaf  der  'junge',  OngenJ>eow 


358 


SCHEIHERT 


der  'alte'  held,  und  auch  die  mannen  sind  stets  'kühn,  klug. 

tüchtig,  berühmt'.   Es  würde  sich  deshalb  nicht  lohnen,  alle 

einzelheiten  für  Scyld,  Beowulf  L,  Offa  etc.  aufzuführen.  Als 

beispiel  gebe  ich  noch: 

Beowulf»  mannen:  byrnum  icercdc  238.  2529,  sctrhame  18Öä 
searwum  geanre  1813;  —  hildedeore  3169,  fyrdhtrate  1641,  frome  1641, 
stöfrome  1813,  cenoste  206,  mödige  1876,  ne  mödiglicran  ...  336,  ftla- 
mödtge  1888,  güfimöd  306,  sictöferhöe  493,  nidhydige  3165,  teanite- 
«rewte  799;  —  wis  1413,  »nofor  202.  416;  —  stccts  186a  2518;  —  jod 
2648,  416.  3122;   —   headonutre  2802,  />rt/d«m  «fcaZte  494,  uyrde 

368.  —  Zustände:  fuse  to  farenne  1805,  «rearwe  211,  tydre  2847, 
«n/e'o/c  2863;  —  dnmcen  2179,  wwfc/ite  3031,  unröt  3148,  hio  faule  3142, 
wollentear  3032.  —  Müde:  s&mepe  325.  —  Determinativ:  eipeodig 
336,  feorran  cumen  361.  —  Meinung:  /je  he  üsic  zuneigend  göde 
tealde,  heate  helmberend  2641.  —  Wunach:  «da  gesunde  318. 

Frauen.1) 

§  18.  Die  frauen,  die  in  der  reckendichtung  keine  be- 
deutende rolle  spielen,  werden  auch  durch  adjectiva  bloss  ober- 
flächlich charakterisiert.  Das  typische  wort,  mit  dem  die  er- 
scheinung  der  fürstin  verbunden  ist,  pflegt  goldhroden,  beag- 
hroden  zu  sein.  'Schön',  in  der  ritterdichtung  so  häufig,  kommt 
bloss  ein  einziges  mal  vor:  3016.  Denn  1941  änlic  (Dry&o) 
mit  'schön'  zu  übersetzen,  statt  der  eigentlichen  bedeutang 
'hervorragend',  ergibt  keinen  für  die  stelle  passenden  sinn. 
Es  kann  doch  wol  bloss  gemeint  sein  'hervorragend  an  Stellung'. 
Vom  normalen  typus  weicht  ab  freene  1932  (Dryöo)  als  nega- 
tiver gegentypus,  den  Dryöo  eine  Zeitlang  vertritt.  Die  lesart 
fremu  der  hs.  nimmt  einen  'katachresmos'  an,  wie  ihn  der 
dichter  sonst  nicht  begeht  (den  anzunehmen  übrigens  auch  für 
Homer  mindestens  in  sehr  vielen  fällen  als  falsch  erwiesen  ist: 
vgl.  Schuster  1859,  bes.  s.21.  Göbel,  lit6). 

Wcalh  peow:  goldhroden  613.  640,  beaghroden  623,  möde  ge/nmge* 
G24,  unsfeest  626,  freolic  615.  641,  cynna  getnyndig  613,  mdre  2016.  — 
Hyjd:  geong  1926,  Weitungen  1927,  trts  1927,  ne  gniad  gifa  1930,  tun 
hndh  1929.  -  Dryöo:  goldhroden  1948,  ceöelum  diore  1949,  cenlic  1941, 
göde  mebre  1952,  freene  1932,  lifigende  1953.  -  Hildeburh:  drihük 
1158,  geornor  1075.  —  Freawaru:  geong  2025,  goldhroden  2025.  - 
Beowulfs  gemahlin:  wundenheord  3151,  sorgeearig  3152.  —  Ongen- 
peows  gemahlin:  golde  berofen  2931.  —  maBjÖ:  seyne  3016,  golde 
bertafod  3018. 


')  A.Broch,  Die  Stellung  der  frau  in  der  ags.  poesie,  Zürich  1902. 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


Gott. 

§  19.   'Ewigkeit',  Weisheit',  'allmacht',  'herrlichkeit'. 

eald  945,  ece  108.  1692.  1779.  2330.  2796,  sc/r  979,  sod  1611,  witig 
685.  1056.  1554.  1841;  mihlig  701.  1398.  1716.  1725,  vlmihUg  92;  haiig 
381.  686.  1553,  sigehreÖig  94.  —  Bestimmter  fall:  este  bearnge- 
byrdo  945. 

Ungeheuer. 

§  20.  Von  den  Ungeheuern,  die  in  gewissem  sinne  gegen- 
typen der  helden  sind  (vgl.  Otto,  lit.  2,  s.  15),  ist  Grendel  am 
eindringlichsten  charakterisiert.  Das  äussere  wird  auch  hier 
kaum  berücksichtigt,  hier  noch  eher  erklärlich  als  bei  Beowulf, 
da  der  dichter  eben  von  Grendel  keine  directe  anschauung 
haben  konnte.  Statt  'tapfer'  ist  Grendel  'wild'  und  'grimmig', 
statt  'tüchtig'  und  'wacker'  'boshaft'  und  'schuldbeladen',  statt 
'berühmt'  ein  'verrufenes  und  widerwärtiges  Scheusal',  und  er 
hat  ein  'trauriges  geschick'.  Alle  übrigen  adjectiva  bringen 
naturgemäss  nichts,  was  von  der  darstellung  der  helden  abwiche. 

Grendels  mutter  unterscheidet  sich  von  ihrem  söhne 
bloss  dadurch,  dass  sie  weniger  ausführlich  behandelt  wird; 
vom  drachen  wird  ausserdem  seine  Schlangengestalt,  sein 
feuer  und  sein  alter  hervorgehoben. 

Grendel:  deorc  160,  tnicel  1348,  mära  ...  1353,  foremihtig  on 
fepe  969.  —  'Grimmig':  grim  102.  121,  dtor  2090,  reoc  122,  reße 
122,  gromheort  1682,  ctfengrom  2074,  grä-dig  121.  —  Verhältnis  zu 
andern:  lad  132.  841.  1257,  tcräd  660.  708,  unct'tß  960.  —  'Nieder- 
trächtig': bealohydig  723,  bealetca  gemy tidig  2082,  teerig  133,  fast 
on  Jx'm  (febhte  7  fyrene)  137,  inwitpanc  (?)  749,  fyrendrtdum  füh  1001, 
mäne  faJ\  978,  morpres  scyhh'g  1683,  ealdres  sc.  1338,  synnum  geswenced 
»75,  fäg  wiö  god  811.  -  ('Entsetzlich'):  meegnes  ruf  2084,  röf 
nidgetreorca  682,  metre  103.  762,  tirleas  843,  atol  159.  165.  592.  732. 
816.2074,  hetelic  1267.  —  Schicksal:  dreama  leas  850,  dr&ame  be- 
d<tled  1275,  dreamum  bedäled  721,  hean  1274.  2099,  earmsecapen  1352, 
femeeaß  973,  wons&hg  105.  —  (Bekanntheit):  deogol  275.  —  Zu- 
stände: blodigtoÖ  2082,  gcarofolm  2085;  —  yrre  2073,  tjrremod  726, 
$ebolgen  723,  huöe  hremig  124,  mdefcs  geomor  2100,  tetrigmod  844.  — 
Matt,  dem  tode  nahe,  tot':  güdwerig  1586,  /V^je  846,  deadfd'ge 
850  (Bugge,  Beitr.  12,  89),  aldres  oncena  1002,  feorhseoc  820,  Hfbysig 
966,  fylweng  962,  aldorttas  1587.  —  Determinativ:  iWtmwi  761. 
—  Mit  verb:  teeard  forht  . . .  754.  —  Absicht:  «0  idelhetule  ... 
2081.—  Beowulfs  wille:  noWe  ...  />onc  ctccahncuman  aeiene  forltetan 
792.  -  Vgl.  §  34. 


300 


SCHETNERT 


Drache:  Aeusseres:  fiftigts  fotgcmearces  lang  3043,  hrin$bo$a 
2561,  wohbogen  2827;  —  fyrwylmum  fuh  2671,  fyre  gefysed  2309,  fyrt 
befangen  2274,  bymende  2272.  2569,  hat  897.  2296.  2691,  nacod  2273.  - 
Charakter:  gearo  ('auf  der  lauer')  2414,  stearchcort  2288,  heaÖogrim 
2691,  mudmdfUa  vlonc  2833.  —  Verhältnis  zu  andern:  eatf  2271- 
2415.  2760,  wintrum  frod  2277,  ?«<J  2305.  2315.  3040,  fäh  2655,  gryrefäh 
2576,  nearofdg  2317.  —  'Niederträchtig':  /frMa  gemyndig  2689. 
—  'Entsetzlich':  n*  syOfcr*  ...  3038,  wraßic  891,  ato/  2670, 
2825,  unhiore  2413,  /Wen<?  2689.  —  Zustände:  /«/  srfmra  ...  2880, 
yrre  2669,  gebogen  2220.  2304,  Are'oAmrfrf  2296.  —  'Matt,  tot':  «irr 
wund  2746,   trtoufam  sfifle  2830,   dcaöt  fast  3045,   ea&frt  bercafod  2825. 

§  21.  Ein  blick  auf  die  folgende  übersieht  lässt  erkennen 
dass  bei  Grendel  die  allgemeineren  eigenschaften  die  specielleren 
in  äusserst  hohem  grade  überwiegen  (spec.  zu  allg.  =  18 : 31, 
bei  Beowulf  88  :  50). 


Beowulf 

Hroöjar 

Grendel 

drache 

^mutant  * 
vUUB  Ulli  v . 

6 

1 

4 

12 

Charakter  .... 

38 

3 

8 

4 

[darunter  'tapfer' 

(33) 

88 

(2) 

18 

(DJ 

7 

9 

27 

7 

6 

6 

10 

17 

4 

tüchtigkeit  .... 

21 

7 

11 

1 

27 

50 

15 

12 

31 

6 

2 

8 

zus. 

138 

59 

49 

33 

24 

2 

ii 

5 

25 

8 

4 

determinativ  .... 

3 

1 

2 

1 

modal  modificiert  .   .  . 

12 

5 

2 

zus. 

66 

7 

21 

9 

im  ganzen 

204 

66 

70 

42 

Tiere. 

§  22.  Von  tieren  ist  bloss  das  ross  öfter  erwähnt  und 
mit  adjectiven  belegt.   Es  werden  sogar  zwei  färben  unter- 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOW ULFEPOS. 


361 


schieden:  1  weiss'  und  'fahl'.  Ein  paar  mal  werden  die  tiere 
vermenschlicht  (so  füs  und  blidheort  für  hrefn). 

mearh:  blanc  856,  fealu  865,  (rppelfealu  2165;  wutidenfea.v  1400, 
sadolbeorht  2175,  faHedfüeor  1036,  swancor  2175,  steift  2264;  flotrer 
mearas  lungre  gelice  2164.  —  he  Orot:  hornum  trum  1360.  —  hafoc: 
*öd  2263.  -  Äre/n:  «?on  3024,  6tec  1801,  ftfta  o/er  fe«m  3025,  W»«5- 
kort  1802. 

n.  Natur. 

§  23.  Die  naturerscheinungen  beanspruchen  in  der  zeit 
der  ältesten  epen  noch  nicht  das  interesse  wie  im  späteren 
mittelalter  (vgl.  ausser  Erleraann,  lit.  2,  O.Lüning,  Die  natur 
in  der  altgerm.  und  mhd.  epik,  Zürich  1889.  A.  Biese,  Die  ent- 
wicklung  des  naturgefühls2,  Leipzig  1892).  So  sind  die  hierher- 
gehörigen adjectiva  einförmig  und  einfach:  es  kommen  auch 
bloss  die  grössten  und  gewöhnlichsten  naturerscheinungen  vor. 
Ausser  grossen-  und  lichtangaben  gibt  es  auch  situations- 
typen:  z.  b.  'blutig'.  Bemerkenswert  ist,  dass  die  allgemeineren 
eigenschaften  ('herrlich'  u.s.w.)  äusserst  selten  sind:  man  haftet 
hier  eben  wirklich  an  der  anschauung.  Die  adjectiva,  die  bei 
der  Schilderung  von  Grendels  wohnung  und  vom  drachensaal 
gebraucht  werden,  stelle  ich  zusammen,  da  sie  alle  mit  einander, 
einige  allgemein-typische  ausgenommen,  den  eindruck  des  wider- 
wärtigen, unheimlichen  hervorrufen  sollen. 

Erde:  wlitebeorht  93,  fd>ger  (im  frtihling)  1136.  —  Meer:  fealu 
1950,  sid  507.  2394,  wid  2473,  deop  509.  1904,  sealt  1989,  weallende 
M6.  581;  —  zustände:  dreorig  1417,  waldreore  fug  1631,  blöde  fuh 
1594,  hreo  548.  —  Gestade:  sid  223,  teid  1965,  stiap  {beorgas)  222, 
rindig  572.  1224,  cuö  (heimat)  1912.  -  Sonne:  bcorht  570.  1802, 
twtglwered  606,  sudan  füs  1966.  —  Frtihling:  wuldortorht  1136.  — 
Nacht:  deorc  275.  1790.  2211,  wan  651.  702,  nipendc  547.  649,  sweart 
167;  ondlong  2938;  —  wünsch  (höf lichkeitsform) :  gehHe  1320.  — 
Unwetter:  lad  gewidru  1375,  cealdost  546,  headogrim  548.  —  Feuer: 
MÄC  1517,  hat  2522.  2781.  2819,  gtfre  1123,  W«  83  (lüdbite  Hees  1122), 
An'm  2650,  ma)st  1119.  3143,  untc«c/ic  3138  (diese  drei  vom  Scheiterhaufen). 
—  Rauch:  sweart  3145,  hat  3148.  —  beorh  ('grabhügel'):  heuh  2.S05. 
3097.  3157,  bräd  3157,  miceZ  3098,  wide  gesyne  3158,  nearoera-ftum  fast 
2243,  NMtre  3098,  foor/Vf  2803;  eallgearo  2241,  «iiw  2243;  utameeard 
2297.  —  Grendels  wohnung:  stige  nearwe  1409,  e/ijc  ünpadas  1410, 
"ncitö  jeiad  1410,  dfoei  lond  1357,  e'aene  ear<fa«  1621,  gt/nne  grutid  1551, 
o/er  myrean  mdr  1405,  mistige  moras  162,  windige  nafssas  1358,  neowle 
1411,  8<ca|)  stänhliÖo  1409,  o/cr  /iamc  sfrni  1415,  kWh  wyrtum  fast 
1364,   Artafe  beancas  1363,   fcrim  weallende  847,   ydgeblond  won  1374, 

Beiträge  zur  geschieht«  der  deutschen  spräche.  XXX.  25 


362 


SCH  EIXE  KT 


yt)$eblond  atol  848,  pets  wcelmes  pt  is  teide  aiö  2135,  ceaUe  streama* 
1261,  frecne  stowe  1378,  nis  heoru  stow  1372,  frecne  fen$eläd  1359,  wy»- 
Uas  wie  (wudu)  821.  1416.  —  Drachenwohnnng:  on  flaute  hetpr  (?) 
2212,  under  harne  stdn  887.  2553.  2744,  stänbeorh  steapne  2213,  #/>i*- 
bogan  stapulum  faste  2718,  <?<•<•  eordreeed  2719,  dryhtsele  dyrnne  2320, 
/WZ  wrertta  7  iriro  2412,   burne  ...  Aof  2547;  —  s%  eldum  uneud  22U. 

—  Land:  *M  1733.  2199,  trttf  1859,  6rörf  2207,  pnne  466,  tcW^  2607, 
swets  {epel)  520;  —  gecynde  2197. 

m.  Erzeugnisse  menschlicher  tätigkeit. 

§  24.  Bei  den  sächlichen  concreten  können  nicht  so  häufig 
wie  bei  den  handelnd  auftretenden  personen  angaben  eines 
zustande«  vorkommen,  sondern  die  constanten  eigenschaften 
müssen  hier  überwiegen.  Aber  auch  hier  sind  natürlich  eigent- 
liche eigenschaften  der  erzeugnisse  menschlicher  tätigkeit  von 
den  gefühlsausdrücken  zu  scheiden,  mit  denen  man  sie  für  sich 
wertet.  Gewisse  adjectiva  wie  'gross',  'leuchtend'  (das  übrigens 
manchmal  'herrlich,  köstlich'  zu  bedeuten  scheint,  vgl.  bcorht 
§  110  und  111),  'trefflich',  'bewundernswert'  finden  sich  fast  bei 
allen  gegenständen. 

Haus. 

§  25.  Die  auf  das  haus  bezüglichen  adjectiva  gelten  meist 
Heorot1),  es  ist  aber  kaum  eines  so  speciell,  dass  es  einem 
allgemeinen  typus  widerspräche.  Bemerkenswert  sind  die  an- 
gaben über  die  kunstreiche  herstellung,  die  der  Angelsachse 
offenbar  aufs  höchste  bewunderte:  tinibred,  irenbendum  besmijxkl, 
und  die  über  wertvolle  Verzierung:  goldfdh  etc. 

beorht  997.  1176.  1199.  2313,  torht  313,  Mah  82.  116.  713.  919.  1016. 
1926.  1984  (JUahsele  647),  jeap  1800,  horn$eap  82,  micel  69,  nutst  78, 
timbred  307,  irenbendum  besmtßod  775,  «V.  fast  998.  —  'Verziert': 
goldfah  308.  1800,  golde  geregnad  777,  geatolic  308,  sinefäh  167,  banfä; 
780,  fetttum  fah  716.  —  'Trefflich,  herrlich':  betlic  780.  1925. 
seiest  146.  285.  412.  658.  935.  2326,  fdtger  522.  773,  foremdrost  309.  - 
Zustände:  Iieorodreorig  9ar>,   dreorfäh  485,   blöde  fah  934,   tmmft  413- 

-  Determinativ:  idel  146.  413,  westen  2456,  healf  1087.  -  Exi- 
stenz: ealgearo  77. 

Verteidigungswaffen.1) 
§  26.   Die  rüstung  wird  einmal  füslic  genannt.  Dies 

•  »)  M.  Heyne,  Ueber  die  läge  nnd  construetion  der  halle  Heorot. 
Paderborn  1864. 

')  H.  Lehmann,  Brünne  und  heim  im  ags.  B.-liede,  Leipzig  1885; 
Ueber  die  waffen  im  ags.  B.-liede,  Germ.  31  (1886),  486. 


Digitized  by  Googl 


ADJECTIVA  IM  HE0WULFEPOS. 


363 


muss  bedeuten:  'in  der  art  und  weise  eines  menschen,  der  zu 
etwas  bereit  ist  (füs)\  also  liegt  eine  art  personification  vor. 

Rüstung:  gealolic  215,  füslic  232.  2618,  ürum  sceal  siceord  7 
heim,  byrne  7  byrduscrud  bdm  gemahne  2660.  —  Brünne:  beorht  3140, 
mr  322,  grüg  334,   hdr  2153,   sid  1291.  1444,    heard  322.  551.  1553; 

-  'aas  ringen':  bröden  552.  1548.  2755,  hondum  gebroden  1443, 
locen  1505.  1890,  hondlocen  322.  551,  hringed  1245.  2615,  seowed  smipes 
orpaneum  406;   —   'verziert':   golde  gegyrwed  553,   searofäh  1444; 

-  'trefflich':  betst  453,   «e/csf  454;  —  zustand:  swäifäh  1111. 

Schwert 

§  27.  Das  grösste  interesse  unter  den  sächlichen  con- 
creten  zieht  das  schwert  an  sich.  Aber  es  lässt  sich  kaum 
nachweisen,  dass  der  dichter  die  vielen  Schwerter,  die  er  er- 
wähnt, mit  adjectiven  verschieden  zu  charakterisieren  vermöchte. 
Das  schwert,  das  Beowulf  bei  Grendels  mutter  findet,  ist  das 
einzige,  von  dem  grosse  besonders  ausgesagt  wird  (1560.  1663. 
2140).  Sonst  wird  nicht  einmal  das  seax  vom 'schwert' unter- 
schieden: beide  heissen  je  einmal  brdd  (1546.  2978).  Im  übrigen 
sind  alle  Schwerter  'hart',  'scharf,  'verziert'  und  'damasciert'; 
besonderen  wert  verleiht  ihnen  ihr  'alter'. 

'Leuchtend':  brun  2578,  brüneeg  1546,  leoht  2-192,  fah  586. 
2701;  —  'gross':  bräd  1546.  2978,  iaem  1663.  2140,  märe  Öontie  ... 
(560;  -  'fest':  heard  540.  988.  1566.  1574.  2037.  2509.  2638.  2829. 
2987,  scurheard  1033,  icundrum  heard  2687,  ahyrded  heaposteäte  1459, 
ttfd  1533;  —  'scharf:  biter  2704,  beadusecarp  2704,  headoscearp 
fhs.  -sceard)  2829,  eegum  dyhtig  1287.  1558,  eegum  unsläw  (Iis.  ungleaw) 
2564;  —  'eisern':  tren  1458.  2778,  styleeg  1533;  —  Herstellung, 
form:  hamere  gepuren  1285,  banden  1285,  hiUed  2987,  wreoßenhilt 
1698;  -  «damasciert':  brodenrndl  1616.  1667,  hringmctl  1521.  1564. 
2087,  mmdenmdhl  1531,  sceadenmdl  1939,  grtfcgnuil  2682,  teyrmfäh  1698, 
«ttrtanum  fith  (?)  1459;  —  'verziert':  fdted  2701,  hyrsttd  672, 
f'unden  golde  1900,  trnrffum  blinden  1531,  ^o/r/e  gegyrwed  2192,  geatulic 
1562.  2154;  —  'trefflich,  herrlich,  kostbar':  jdd  1562,  <*r£o<7 
989.  2586,  säest  1144,  wps  sc/ra  ...  2193;  —  irlitig  1662,  wratlic  1489, 
<tyre  561.  1528.  2050.  3048,  metre  1023,  dryhtlic  892,  fr'o/I/c  1809;  — 
Schicksal:  sigeeadig  1557;  —  'alt':  ea/d  795.  1488.  1558.  1663.  2616. 
2979,  gomol  2563.  2610.  2682;  —  'von  riesen  stammend':  eoteniac 
1558.2616.2979;  —  zustände:  swdtig  1569,  sieäte  fah  1288,  nacorf 
539.  2585,  tse  jeteost  1608,  imps  fracod  1576;  -  vergleich:  Äe 
fane  gubwine  gödne  tealde,  wigerceftigne  1810  f.,  nces  . . .  mtitost  magen- 
Mtuma   1455.    —    Schwertgriff:    gyUkn   1677,     süic*  fäh  1615, 

1688. 

25* 


3G4 


SCHEINEST 


Kostbarkeiten. 

§  28.  Die  kleinode  weisen  keine  besonders  charakteri- 
sierenden adjectiva  auf.  Von  gold  werden  zwei  arten  unter- 
schieden: brdd  ==  fceted,  und  wunden,  wonach  es  auch  zwei 
arten  ringe  gibt.  Auffällig  dürfte  erscheinen,  dass  das  gold 
nie  'rot'  genannt  wird,  wie  es  doch  in  der  späteren  diclitung 
so  oft  geschieht,  auch  schon  in  der  ags.  Genesis  ein  paar  mal. 

Kostbarkeiten:  beorht  214.  895,  ««£«12749  (Rieger,  Zs.  fdph 
3,411  sigle  nach  1157  sigla  searogimma),  golde  gegyrtced  1028,  ncttu; ... 
selra  1197,  deore  2230.  3131,  cald  472;  vgl.  ealdgestreon  1381.  1457. 
longgestreon  2240,  heahgeatreon  2302 ;  —  ...  tcesan  . . .  mdfmws  genunu 
1860,  wie  sceal  icorn  fela  mdpma  gemanra  1784.  —  Ring:  fotted  1750, 
locen  2995,  searwttm  gesäled  2764,  mast  1195,  gylden  1163.  2809,  wraiik 
2173.  —  Gold:  brdd  3105,  fcHcd  1093.  2102.  2246  (fvlgold  1921),  imwfa 
1193.  1382.  3134,  sc/r  1694,  galdre  bewunden  3052;  —  besonder- 
heiten:  hdöen  2276,   unnyt  3168,  gründe  geteilte  2758. 

Schiff. 

§  29.  Für  das  schiff  hat  der  dichter  eine  reihe  ebenso 
eigenartiger  als  charakteristischer  worte  zur  Verfügung,  die 
besonders  grösse  und  form  bezeichnen. 

sctgedp  1896,  8tdfa>pme(d)  302.  1917,  bront  238,  bunden  216, 
bundenstefna  1910,  hringedstefna  32.  1131.  1897,  wundenstefna  220, 
wundenfialx  298,  jdd  199,  teynsum  1919.  —  Zustände:  fämigheal* 
218.  1909,  niwtyrwyd  295,  faj  33,  tit/tia  33,  on  ancre  fa>st  303,  oiwrr- 
bendum  fast  19ia  —  Vergleich:  /wj/e  ^d/cosf  218. 

Reste. 

§  30.  Von  anderen  sächlichen  concreten,  deren  darstellimg 
vom  erwähnten  nichts  charakteristisch  verschiedenes  bringt, 
bloss  ein  paar  beispiele. 

Strasse:  fealu  916,  stdnfah  320;  vgl.  widteegas  840.  1704;  dp 
1634;  —  meinung:  dar  htm  foldwegas  fägere  pühton,  cystum  ebb 
866f.  -  Gaben:  from  21.  —  Bier:  setr  496.  —  Ansserdero 
kommen  adjectiva  vor  bei  hrof,  dum,  fldr  (setl,  stede),  rest,  bcncßel;  heim, 
scyld,  gar,  strctl,  eofor;  segen,  wdge,  fatu;  aadol,  web,  tcalbend,  glöt- 
ttord,  yrfe,  bebt,  hordwyn. 

IV.  Teilbegriffo,  allgemeinere  begriffe  und  abstracta. 

§  31.  Die  noch  zu  behandelnden  Substantivgruppen  sind 
ausser  worten  für  körper  und  körperteile  allgemeinere  und 
abstracte  ausdrücke.    Unter  all  diesen  befinden  sich  eine 


* 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS 


305 


menge,  die  lebensäusserungen  und  ähnliches  einer  person  be- 
zeichnen (§  5,4),  so  'laute',  'worte',  oder  sonst  etwas,  das  zu 
personen  in  beziehung  steht  —  'verstand',  'liebe',  'rühm'  — , 
so  dass  jede  diesen  beigelegte  eigenschaft  stets  auch  die  person 
mit  charakterisiert.  Genau  genommen  sind  drei  arten  zu 
scheiden: 

1)  Begriffe,  die  allgemein  gebraucht  sind,  ohne  beziehung 
auf  ein  übergeordnetes  ganzes,  mit  typisch  constantem  adjec- 
tivum: atol  yldo  1766. 

2)  Begriffe,  die  mit  specieller  beziehung  auf  bestimmte 
Verhältnisse  gebraucht  sind  —  wie  etwa  die  art  eines  kampfes 
auch  die  kämpfer  mit  charakterisiert  — ,  die  aber  ein  so  all- 
gemeines lediglich  intensivierendes,  bei  jeder  verwanten  an- 
wendung  nahezu  constant  widerkehrendes  adjectiv  beigelegt 
erhalten,  dass  zur  Charakteristik  des  speciellen  f alles  nichts 
weiter  beigetragen  wird:  jeden  kämpf  nennt  der  dichter  'ge- 
waltig' oder  'entsetzlich'. 

3)  Begriffe,  die  durch  das  adjectivum  in  eine  ganz  be- 
stimmte beziehung  zu  einem  dritten  gebracht  werden,  z.  b. 
841  no  his  lifceddl  sdrUc  pMe  sccga  cenegum.  Es  sind  also 
sowol  Substantiv  als  adjectiv  speciell  gebraucht. 

Die  ersten  beiden  gruppen  kann  man  natürlich  als  begriffe 
mit  typisch  constanten  adjectiven  vereint  betrachten  und  ihnen 
die  dritte  (bei  der  in  den  Übersichten  ein  grösserer  zusammen- 
sang mitgeteilt  werden  muss)  gegenüberstellen.  Bei  dieser 
kann  aber  (abgesehen  von  bloss  determinierenden  angaben) 
die  indirecte  art  der  typisierung  (§5,4)  eintreten,  so  dass 
kein  adjectivum  aus  dem  rahmen  der  typischen  anschauungen 
herauszufallen  braucht. 

1.  Begriffe  mit  typischen  eigenschaften. 

§  32.  Zu  der  ersten  gruppe,  die  sich  im  anhang  leicht 
übersehen  lasst,  bloss  ein  paar  anmerkungen:  bei  'griff,  'schlag' 
stellt  man  sich  stets  die  höchste  intensität  vor,  daher  epitheta 
wie  atol,  heard,  grim,  ne  mdra.  Qerdd  von  $i>cl  heisst  offenbar 
'klug'  und  'wolgebaut',  syllic  'herrlich';  soÖ  für  syd  deutet 
wol  ausser  der  beziehung  auf  wirkliche  lebensereignisse  auch 
Überzeugungskraft  an;  mit  sdrUc  durch  and  verbunden  ergibt 


366 


8C11  KI  NE RT 


es  eine  seltsame  combination  (trotz  der  bei  Wright-Wülker, 
Vocabularies2  belegten  sdrltc  sang  trenos  I  129,  20,  5.  Iiis  can- 
tilena  198,21,  s.lcoÖ  tragoedia  502,13),  denn  söÖ  ist  typisch, 
sdrlic  kann  es  kaum  sein.  Man  könnte  aber  recht  wol  daran 
denkeu,  mit  Grein  scarolic  zu  lesen,  wenn  man  sich  nicht  daran 
stossen  will,  dass  in  derselben  zeile  noch  ein  wort  mit  der- 
selben bedeutung  (syllfc)  vorkommt.  Ueber  füslic  in  Verbindung 
mit  fyrdlcoÖ  s.  §  26.  Grcedig  von  gudleoÖ  ist  übertragen  ge- 
braucht. Dass  die  adjectiva  bei  'kämpf,  ebenso  bei  'bosheit'. 
'leid',  'sorge'  typisch  sind,  ergibt  sich  schon  aus  ihrer  regel- 
mässigen widerkehr  in  den  verschiedensten  fällen. 

Weitaus  die  meisten  hier  gebrauchten  adjectiva  enthalten 
gefühlsangaben,  seien  es  ursprüngliche  (z.b.  atol),  seien  es 
von  physischen  eigenschaf ten  her  übertragene  (z.  b.  heard),  vgl. 
§  104  und  155. 

Leib,  leben,  tod,  alter,  Schicksal,  weit:  fktsehoma  :  ßfi 
1568;    Uchoma  :  Idne  1754,   fdge  1755;    feorh  :  Id-ne  2845,   to  vidan 
feore  933.  2014;  trund  :  ualblät  2725  (vgl.  §  49),  yldo  :  atol  1766;  dtad: 
biö  sdla  ponne  edtcitlif  28<W ;   —  geasceafl  :  grim  1234 ;   gesceaß  :  law 
1622.    —   Lebensänsserungen:   magen  :  modig  670;   dam  :  heard 
963.  133T»,    atol  1502;   grap  :  grim  1542;    mundgripe  :  nc  mära  ...  753: 
heurosueng  :  heard  1590;    —    dream  :  hlüd  89;    stefn  :  headotorht  2558; 
MM£  scopes  :  stcutol  90;    9pd  :  geräd  873,    syft/c  2109;    vgl.  eahl^e<t^n 
869;    jyd  :  frfJ  2109,   «drifc  (?)  2109;    fyrdleod  :  fuslic  1424;  juM'oJ : 
grddig  1522;   morgenstreg  :  mied  129.    —    Lebensereignisse:  5id : 
teid  877,  sorhfuU  512.  1278.  1429,   jdocor  765,  im?  . . .  ede  2586,  .../w* 
/>e  /<<//<  yßlädc  eajje  irurdon  228;   £m<3  :  grim  527;  A/M  :  heorogrim  1847: 
eegpraeu  :  afo/  596;     imeitseear  :  «fof  2478;     feorhbealn  :  /Wen*  2250 
2537;     sweordbealu  :  s//ö>n  1147;     ;et*yM  :  sftfe  2398;     imUU  :  htard 
2474;    feoAfe  :  ««  heardre  ...  576;    /aVid  :  md-st  459;    Äo«a>«iof  :  M 
tesai  ...  2354;   -   /Kam  :  domleas  (ddd)  2890;   -   friodowdr  :  fH 
1096.     -   Verstand,  gunst,  furcht,  freude:    andgit  :  biö  seiest 
1059;   &t  :  estum  midum  958;    ^es«  :  atdic  784;    jryre  :  jr/W/c  3011: 
medudream  :  »ir  mara  ..  .  2016;    trorolde  irtjn  :  mdst  1079.  —  Bosheit 
—  leid:   fiten  :  ondrysne  1932;    mö  :  s/zfo  184,   uncitö  276;    Äyndo  : 
heard  166;    hreöerbealo  :  heard  1343;    Uodbealo  :  longsum  1722;  kj^- 
&<yi/o  :  193;     nydtcracu  :  nifigrim  193;    getrin  :  strotig  133,  ■««""' 

191,  fcM  133.  192,  eaW  1782,  tof^nm  133.  192;  eeartfl  :  cwi/d  2396; 
/>«i#/ :  m/c<7  2849.  —  Leid  —  knmraer:  tom  :  unlytel  833;  tente  : 
mied  170;  Sorg  :  «ttf  149;  ht/gesorg  :  mmM  2328;  hcortan  sorg  :  k*^- 
//We  2464;  »wdecant  :  mtoel  1778;  /4r<wa  ...  :  *ornos<  2129;  —  M  : 
(eorAi  158.  —  Kuhni,  botschaft,  zeichen,  wunder:  rföm  :  vidytd 
885;  to/  :  longsum  1536;  ctrtwfc  :  mied  270;  ofost  :  Mos*  3007,  t8tä 
256;   Mcen  :  sieeofo/  141.  833;   tewm/or  :  micel  771;   rtW  :  eaW  2330. 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWÜLFEFO0. 


307 


2.  Begriffe  mit  eigenschaften,  die  eine  specielle 
beziehung  zu  einem  dritten  angeben  oder  von  diesem 

abhängen. 

§  33.  Ueber  die  begriffe  mit  eigenschaf  tsangaben ,  die 
eine  specielle  beziehung  zu  einem  dritten  angeben,  gilt  das 
§  31  ende  bemerkte.  Manche  der  determinativen  Verhältnisse 
erscheinen  als  schwerflüssige  Umschreibungen  einfach  verbaler 
ausdrücke  (vgl.  Panzer,  lit.  1,  s.  12),  z.  b.  pcer  tcces  ...  feorh 
Ü6$en$t  2123,  Öd  wces  . . .  deaÖ  uttgemete  neah  2728,  HceÖcynne 
wcarÖ  . . .  güÖ  onscege  2483. 

Die  Zusammenstellung  der  ausdrücke  für  kör  per  teile 
zeigt  wider,  wie  wenig  sinn  für  die  äussere  erscheinung  der 
lebewesen  der  dichter  gehabt  hat:  ein  grosser  teil  der  ver- 
wendeten adjectiva  gehört  den  gefühlsangaben  an,  und  im 
ganzen  gibt  es  überhaupt  nicht  viele.  Weit  mehr  interessiert 
körperliche  kraft.  Dced  bietet  natürlich  gelegenheit  zur 
an wendung  der  verschiedensten  adjectiva:  es  kommen  aber 
bloss  ein  paar  extrem  positive  und  extrem  negative  all- 
gemeiner art  vor.  Die  ausdrücke  für  sinn,  gemüt  sind  ziem- 
lich häufig,  fast  stellvertretend  für  die  person  selbst  —  doch 
sind  sie  in  diesem  gebrauche  in  der  späteren  poesie  viel  zahl- 
reicher. Die  dazu  gehörigen  adjectiva  (constant  oder  zuständ- 
lich)  haben  meist  ihre  parallelen  unter  den  auf  die  personen 
direct  bezogenen. 

Die  wirklich  charakterisierenden  adjectiva  dieser  gruppe 
ordnen  sich  den  sonst  üblichen  typen  mit  wenigen  ausnahmen 
(z.b.  dnfeald)  völlig  bei.  Es  sind  meist  gefühlsangaben,  ab- 
gesehen von  den  psychischen  eigenschaften  bei  'sinn',  'wort' 
u.  s.  w. 

Leben:  nö  fion  longe  uxes  feorh  ceßelinges  (B.)  flcbscc  bewunden 
2424;  fictr  wces  JEschere  ...  feorh  üdgenge  2123;  on  swä  geonjum 
feore  (B.)  1843;  B.:  nü  ic  on  mäÖma  hord  mitte  bebohte  fr  öde  feorhleje 
2800;  feorh  alegdc,  hckfrene  sawle  (G.)  852;  ne  his  (G.)  lifdagas  leoda 
(inigum  nytte  tealde  (B.)  794. 

Schlaf:  ...  ßonne  se  tceard  swefcd,  srncelc  hyrdc;  biÖ  se  sldy  tö 
fast,  bisgum  gebunden  1742 f. 

Tod:  Öd  wces  call  sceacen  dogorjcrimc*,  diad  ungemcte  neah 
(für  B.)  2728;  scolde  his  (G.)  aldorgedM  . . .  carmlic  wurÖan  805;  nö 
his  (G.)  Ufeedäl  särlic  puhte  secga  ctnegum  841;  syöÖan  undcme  Fron- 
cum  7  Frysum  fyll  cymnges  (Hl.)  wide  weorÖeö  2911. 


.308 


SCHEINERT 


Schicksal:  him  (B.)  irrrs  ...  tcyrd  ungemete  neah  2420;  (ün- 
ferft:)  donne  tcene  ic  to  pe  (B.)  tcyrsan  gepingea,  ...  gif  />u  Gre*dle% 
dearst  ...  nean  bidan  525;  heoldon  he  ah  gesceap  (Beowulfs  mannen 
durch  des  herren  tod)  3084;   tcas  />crt  gifede  to  swid  (B.'s  tod)  3085. 

Leib:  no  Py  d>r  in  gescod  (G.'s  matter)  hälan  Uce  (B.)  1503; 
ac  he  (G.)  ntf  (B.)  hahban  teile  dreore  fähne  byred  blodig  tr<rl  (B.) 
448;  ac  gesecan  sceal  . . .  j&tfr  Ai«  Uchoma  legerbedde  fast  steefed  öfter 
st/mle  1007. 

Körperteile:  Blut:  hat  (G.)  849.  1423;  (G.  Gm.)  1616.  1668;  (4) 
1558;  nafne  hm  (B.)  his  wlite  Uoge,  ctnlic  ansyn  251;  Grendles  Maf od 
. . .  egeslic  for  eorlum  7  />(£re  iWesc  mid  1648;  wliteseon  wrcetlic:  vertu 
on  sdtcon  (heafod,  vgl.  1648)  1650;  jxet  ic  on  pone  hafelan  heorodrio- 
rigne  (G.)  ...  1780;  him  (G.)  o/"  eagum  stöd  ligge  geltcost  leoht  un- 
fäger  727;  ir^s  s/o  hand  to  strong  (B.)  2684;  Peer  tmc  Airife  tr<r« 
/mwZ  gemetne  (Gm.,  B.)2137;  Äco(Gm.)  under  lieolfre  genam  cüpe  folmt 
(G.)  1303;  />«*<  Wo  (Gm.)  />ow€  fyrdhom  durhfön  ne  mihte  ...  laßan 
flngrum  1505;  hilderinces  (G.)  cjZ  un/ieoru  987;  foran  aghtcyle  was 
stidra  ntrgla  style  geltcost  (G.)984;  Itcais  eabie  ymbef eng  (d.)  biteran 
bänum  2692;   him  on  eaxle  wearÖ  syndolh  stceotol  (G.)  817. 

Kraft:  Ite  pe  a?t  sunde  oferflät,  lupfde  mdre  mtrgen  518;  craß  7 
cenÖu  swä  him  (Wl.)  gecynde  ica>s  2696;  soÖ  ic  talige,  pert  ic  merestren^o 
mär  an  dhte  ...  Öontie  dmig  oper  man  533;  ac  he  mancynties  mdsU 
ercefte  . . .  heold  hildedeor  (B.)  2181 ;  Öd  teces  . . .  Grendles  güberceft  ^umum 
undyrne  127. 

Tat:  fordon  he  (B.)  manna  mast  marda  gefremede,  dteda  dollicra 
2645;  (B.)  ne  gehtco'per  incer  swd  d*'orlice  detd  gefremede  585;  (B.)  k 
gefremman  sceal  eorlic  eilen  637;  bearn  Ecgdeowes,  gutna  güdum  cid. 
god um  dddum  2177;  no  Öy  d*r  he  (HreÖel)  Pone  headorinc  (seinen  söhn 
HeeÖcyn)  hatian  ne  meahte  IdÖum  dxedum  2467;  dna  geneöde  frecut 
ÜCbdt  (Sigemund)  889. 

Schutz:  (Wl.)  ic  him  UfwraÖe  lytle  meahte  tetgifan  a?t  güde  2S77. 

Untat  —  leid:  ond  his  md>g  ofscet,  brodor  oÖerne  ...  pect  tetrs 
feohleas  g efe oht,  fyrenum  gesyngad  2441 ;  me  wearÖ  Grendles  pin; 
on  minre  epeltyrf  undyrne  cuÖ  409;  icais  /xe«  wyrmes  wig  teide 
syne  2316;  eft  gefremede  mordbeala  mdre  (G.)  136;  (Hl.  zu  B.)  ac  ou 
UroÖgttre  wt  de  itdne  teean  wihte  gebe'ttest  1991;  —  ( Wl.) ponne  we  geheton 
üssum  Ida  forde  . .  .  pwt  we  him  dä  gitÖgetawa  gyUlan  woldon,  gif  hitu 
Pyslicu  pearf  gelumpe  2637;  —  ond  />a  ceartcylmas  cölran  tcurÖaP  282: 
—  hetentdas  trag  sing  die  scece  (G.)  154;  pd  teas  synn  7  sacu 
Sicco  na  7  Geata  tcro/tt  g  ernte  ne  2472;  Haöcynne  weard  . . .  güd  oh- 
srtge  2483;  pter  wtes  Hondscio  hild  onsdfge  2076;  peet  is  undyrne  ... 
mdre  (conjectur)  gemeting  monegum  ftra,  hteyle  orlecg  (coujectur)  -htril 
unter  Grendles  wcard  on  dam  wonge  2000. 

Friede,  verw antschaft:  (B.)  p$  ic  HeaÖo-Bcardna  hyldo  ne  Ufa 
dryhiiibbe  ddl  Dcnum  unfd>cne,  freondseipe  feestne  2068;  (H3.  zu  B.) 
heald  forÖ  tela  niwe  sibbe  949;  (Hl.  zu  B.)  ha  fast  pu  gefered  pai  pü* 
[oleum  sceal,  Geata  leodum  7  Gur-TJenum  sib  gemtine  ...  1857. 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWüLFEPOS 


369 


Sinn:  geJiwylc  hiora  his  ferhpe  treowde,  pat  he  (UnferÖ)  hafde  mod 
micel  1167;  (B.)  we  ßurh  holdne  hige  hldford  pinne  se'cean  cwomon  267; 
(B.)  ic  fxrs  Hrodgdr  mag  purh  rümne  sefan  rdd  gelaran  278;  hü  mihtig 
god  manna  ct/nne  Purh  sidne  sefan  snytlru  bryttad  1726;  hwapere  htm 
on  ferhpe  greow  breosthord  blodreow  (Heremod)  1719;  eald  ascte/ga 
seöe  call  geman,  gdrcwealm  gumena  (him  bid  grim  sefa)  2043;  (B.  zu  Un- 
ferÖ) . . .  Pat  netfre  Grendel  sxeä  fela  yryra  gefremede  . . . ,  gif  pin  hige 
lettre,  sefa  sied  searogrim  . . .  593;  was  his  mödsefa  manegum  gecyped 
tci's  7  wisdom  (Wnlfgar)  349;  pe  pü  gystran  niht  Grendel  ewealdest  purh 
hetstne  häd  1335;  ne  meahte  wekfre  mod  forhabban  in  hrepre  (GuÖlaf 
und  Oslaf)  1150;  —  ...  nas  him  (B.)  hrioh  sefa  2180;  him  (Scylds 
mannen)  was  geomor  sefa,  murnende  mud  49;  him  (B.)  was  geomor 
sefa,  wafre  7  walfüs  2419;  him  (Wl.)  was  sefa  geomor  2632;  pa 
teees  fröd  cyning  (Hj.)  ...  on  hreon  mode  1307;  pä  was  beorges  teeard 
(d.)  tefter  headuswenge  on  hreoum  mode  2581;  breost  innan  weoll  peo- 
stfum  geponeum  (B.)  2332;   hyge  was  him  hinfus  755. 

Liebe,  gedanke,  rat:  (B.  zu  Hj.)  gif  ic  ponnc  on  eorpan  weihte 
meeg  P'mre  modlufan  mär  an  tilian  Öonne  ic  gyt  dyde  ...  1823;  sydÖan 
Ingelde  weallaÖ  walnidas  oml  him  wiflufan  after  cearteylmum  c '61  r an 
teeordad  2065;  (der  strandhütcr)  mtnne  gehyrad  änfealdne  gepoht  256; 
gehyrde  on  Beowulfe  folees  hyrde  fastrddne  gepoht  610;  (H3.  zu  B.) 
nü  is  se  rdd  gelang  eft  cet  Pe  änum  1376;  him  bebeorgan  ne  con  teom 
tcundorbebodum  (?)  wergan  gdstes  1747. 

Graus:  tca>s  se  gryre  lassa  (Gm.)  efne  swä  mich  swä  bid  magpa 
crcpft  ...  be  wdpnedmen  1282. 

Wolwollen:  üs  was  d  syödan  Merewioingas  milts  ungyfede  2921. 

Aeusserung:  pärape  ...  wdp  gehyrdon  gryreleod  galan  godes  ond- 
sacan,  sigeleasne  sang  787;  ponne  he  gyd  tvreee,  sdrigne  san%,  ponnc 
his  sunu  hangaÖ  hrefne  to  hruÖre  2447;  stieg  tip  astdh  nitre  geneahhe  1K\. 

Wort:  sydÖan  mandryhten  (Hl.)  ...  holdne  (B.)  gegritte  meaglum 
wordum  1980;  (W|>.  zu  H3.)  ond  to  Geatum  sprac  mild  um  tcordum  1172; 
hlyn  swynsode,  word  w(tron  wynsume  612;  gyf  ponne  Frysna  hteylc 
freenan  sprace  Öirs  morÖorhetes  myndgiend  tedre  1104;  manaö  sicä  7 
vtyndgaÖ  mdla  gehwylce  sdrum  wordum  2058;  pa  was  at  dam  geongum 
(Wl.)  grim  ondstearu  eÖbegete  2860;  sied  se  steg  hwata  seeggende  teces 
Iddra  spella  (B.'s  tod)  3029;  lyt  steigode  niicra  spclla  sede  nas  gerdd 
(B.'8  tod)  2898;  Pat  was  pdm  gomelan  (B.)  gingaste  word  breostgehyg- 
dum  2817;   hwilum  gyd  awrac  ...  sdrlic  (?)  2108. 

Gabe,  kauf,  tausch:  fyftyne  men  7  oder  swylc  dt  offerede  (G.), 
läölieu  Idc  1584;  teeard  unhtore  ...  goldmdömas  hcohl  ...  nas  peti 
yde  ceap  to  gegangennc  gttmena  anigum  2415;  peahde  öder  his  culdre 
gebohte  heardan  ceape  :  Iladcynnc  weard  ...  gud  onsdge  2482;  gotnela 
Sedfing,  ac  forgeald  hrade  teyrsan  wrirle  tealhlem  pone  2969:  ne  was 
pai  gcicrixle  til  pat  hie  on  bd  healfa  biegan  scoldon  freonda  feorum  1304; 
hweepre  he  gemunde  magenes  strenge,  gin faste  gife  de  him  god  sealde 
1271;  ac  he  maneynnes  mdste  crafte  (vielleicht  doch  strenge,  wie  Traut- 
mann liest),  ginfastan  gife  pe  him  god  sealde,  heoUl  hildedcor  (B.)  2182. 


Digitized  by  Google 


370 


SCHEINERT 


Recht,  sitte,  art:  ne  biö  sieylc  cwenlic  peaw  (Drrfto)  idese  to 
efnanne  . . .  Jxette  freoduwebbe  feores  onsece  . . .  Uofne  mannan  1940;  *«•« 
sceal  mag  dann,  neaUes  ...  dyrnum  crafte  (Hat)  dcaö  renian  hondgc- 
steallan  2168;  he  tö  ford  gestop  dyrnan  crafte,  dracan  hiafdc  neah  2290; 
tca>8  se  fruma  egeslic  leodum  on  lande  (d.)  2309.   Vgl.  §  144.  146.  147. 

3.  Die  stellen  aus  §  33,  die  sich  auf  Beowulf  und 

auf  Grendel  beziehen. 

§  34.  Um  darzulegen,  wie  diese  angaben  der  darstellung 
einer  person  dienen,  gebe  ich  noch  ein  Verzeichnis  all  der  eben 
angeführten  ausdrücke,  die  sich  auf  Beowulf  und  auf  Grendel 
beziehen: 

Beowulf:  no  py  dr  in  gescod  hdlan  lice  1503;  da  was  eaü  seeacen 
dögorgerfm  es,  dt  ad  ungern  et  e  n  c  a  h  2728 ;  h  im  was . . .  wyrd  ungemete 
neah  2420;  no  ßon  longe  was  feorh  apelinges  flasce  bewunden  2-424; 
pat  was  pdm  gomelan  (B.)  gingaste  ward  breostgehygdum  2817;  on 
swd  geongum  feore  (B.)  1843;  nü  ic  on  mddma  hord  mine  btbohte 
fröde  feorhlege  2800;  —  nafne  him  his  urlite  leoge,  änlic  ansyn  2M; 
was  sio  hand  to  strong  2684;  sod  ic  talige,  fiat  ic  merestrengo  mär  an 
dhte  ...  dornte  anig  oper  man  533;  ac  he  mancynnes  mauste  crafte  heold 
2181;  hwajjre  he  gemunde  magencs  strenge,  gin faste  gife,  de  him  god 
seahlc  1271;  vgl.  2182;  ßar  unc  hwilc  was  hand  gemahne  (B.,  Gm.)  2137; 
fordon  he  manna  nutst  marda  gefremede,  däda  dollicra  2645;  ne  gc- 
hwaper  incer  nca  deorlice  däd  gefremede  585;  ic  gefremman  sceal  eorlic 
eilen  637;  we  ßmrh  holdne  hige  hldford  pinne  ...  secean  cwomon  267; 
IC  pas  Jlrödgär  mag  purh  rümne  sefan  räd  gcldran  278;  pe  pü  gystran 
niht  Grendel  ewealdest  purh  hdstne  had  1335;  HU  is  se  rdd  gelong  eß 
at  pe  dnum  1376;  heold  on  he  ah  gesceap  (B.'s  mannen  durch  seinen  tod) 
3084;  was  Jxet  gifede  16  swyd  (B.s  tod)  3085;  heald  ford  tela  ntwi 
tibbe  949;  bearn  Kcgdeowes,  guma  güdum  cüd,  god  um  dadum  2177; 
pat  is  uudyrne . . .  mä  re  (conjectur  Greius)  gemeting  monegum  f'tra,  hwylc 
orlecghicil  uncer  Grendles  weard  on  dam  wonge  2000;  donne  wene  ie  tö 
Pc  wyrsan  gepingea,  ...  grimre  gude  gif  pü  Grendles  dearst  nean  bidan 
525;  gif  him  Pyslicu  pearf  gelumpe  2637;  ne  inc  etnig  mon  ...  beUa* 
mihte  sorh  fulne  sid  512;  gode  pancedon,  pas  pe  him  ypidde  eaße 
wurdon  228;  ne  was  Jxit  epe  sid,  Pat  se  mära  maga  Healfdenes  gruml- 
wong  Jwne  ofgyfan  wolde  2586;  —  nas  him  hreoh  sefa  (er  war  nicht 
traurig,  denn  er  war  nicht  mehr  verachtet  wie  früher:  2183)  2180;  huw 
was  geomor  sefa,  wdifre  7  walfüs  2419;  breost  tnnan  weoll  peostrum 
geponeum  2332;  (B.  zu  Hj.)  gif  ic  ponne  on  eorPan  owihte  mag  pinre 
mödlufan  mdran  tilian  donne  ic  gyt  dyde  ic  beo  gearo  sona  1823; 
gehyrdc  on  Beowulf e  folees  hyrde  fastradne  gepoht  610;  —  swd  sc  teeg 
hwata  seeggende  was  Iddra  spella  (B/s  tod)  3029;  lyt  swigode  niwra 
spella  se  de  nas  gerdd  (B.'s  tod)  2898;  ond  /je  pat  selre  geclos,  ece  retdas 
1760;   byred  blodig  wal  (möchte  G.)  448- 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


371 


Grendel:  him  on  eaxle  tceard  si/ndolh  stceotol  817;  ...  on  pone 
hafelan  heorodreorigne  1780;  UM  :  hat  849.  1423.  (1616.  1668); 
Grendles  heafod  ...  egeslic  1648;  wlüeseon  icratltc:  teeras  on  sätcon 
1650;  hifH  of  eagum  stod  ligge  gelicost  leoht  unfdger  727:  heo  under 
heolfre  genam  ciifrc  (ohne  1303:  hilderinres  egl  unheoru  987;  foran 
äghicylc  wees  stidra  nagla  style  gelicost  984;  Öd  tects  ...  Greixdles 
güderceft  gumum  undyrne  127;  me  veard  Grendles  ping  on  minre  epel- 
tijrf  undyrne  cüd  409;  eft  gefremede  moröbeala  mdre  136;  donne 
teene  ic  tö  pe  ...  wyrsan  gefiingea,  grimre  gi'ide,  gif  pü  Grendles  dearst 
nean  bidan  526;  heteniÖas  tco?g  singnle  sirce  154;  feorh  älegde, 
hctßene  siticle  852;  ne  his  lifdagas  leoda  dnigum  nytte  iealde  793;  nö 
his  Ufgedal  sürltc  pühte  seega  cenegum  841;  scolde  his  aldorgeddl  ... 
earmlic  tcurdan  805;  Pat  xcces  geocor  siÖ,  pat  se  hearmscapa  to  Heo- 
rute  ateah  765;  hyge  was  him  hinfüs  755;  ...  gryreleoÖ  galan  godes 
ondsacan,  sigeleasne  sang  787;  b\ir  abidan  sceal . . .  mielan  domcsOlS. 


§  35.  Es  handelt  sich  nunmehr  darum,  den  gesammten 
adjectivschatz,  aus  dem  der  dichter  die  mittel  für  die  im  vorigen 
abschnitt  besprochene  darstellungsweise  schöpft,  übersichtlich 
darzustellen.  Auf  grund  von  §  3  und  §  5  bilde  ich  folgende 
gruppen:  I)  Angaben  über  existenz,  existenzfähigkeit,  existenz- 
dauer.  —  II)  Physische  eigenschaften.  —  III)  Persönliche  eigen- 
schaften.  —  IV)  Angaben  über  das  Verhältnis  zur  Umgebung. 
—  V)  Angaben  über  gesammtfähigkeit.  —  VI)  Angaben  über 
den  gefühlseindruck.  —  VII)  Angaben  über  das  Schicksal.  — 
VIII)  Zustandsangaben  (parallelen  zu  II  bis  VII).  —  IX)  Spe- 
ciale Charakteristik,  logisch  gebrauchte  adjectiva.  —  X)  Deter- 
minativa;  Zeitangaben.  —  XI)  Angaben  über  intellectuelle  auf- 
fassung.  —  XII)  Impersonalia,  verbaladjectiva.  Zur  begründung 
dieser  einteilung,  soweit  sie  sich  nicht  aus  §  3  ergibt,  folgende 
bemerkungen: 

In  VIII  sind  angaben  vorübergehender  zustände  zusammen- 
gestellt, teils  worte  die  auch  constante  eigenschaften  ausdrücken 
können,  teils,  wie  die  stimmungsangaben,  solche,  bei  denen  der 
ausdruck  eines  vorübergehenden  zustands  das  gewöhnliche  ist. 

Besonders  wichtig  ist  es,  das  typische  der  vorhandenen 
eigenschaftsbegriffe  nachzuweisen.  Was  als  typisch  anzu- 
sehen ist,  ergibt  sich  meist  aus  der  häufigkeit  der  adjective 
und  aus  dem  Zusammenhang  der  ganzen  dichtung  überhaupt. 
Es  zeigt  sich  danach,  dass  fast  alle  poetischen  adjectiva  des 


B)  Der  adjectivschatz. 


372 


SCHEINEST 


Beowulfepos  dem  gebiet  dieser  typischen  eigenschaftsbegriffe 
angehören.  Sie  geben  sich  dadurch  zu  erkennen,  dass  sie  ge- 
wisse begriffsgruppen  positiver  und  (ohne  mittelstufen)  extrem 
negativer  eigenschaften  bilden.  Diese  sind  in  II  bis  VII  ver- 
einigt, und  zwar  alle  in  §  5,  3.  4  unterschiedenen  arten  der 
t}-pisierung,  da  eine  weitere  trennung  teils  unmöglich  ist,  teils 
bloss  die  Übersicht  erschweren  würde.  Gewisse  collectiv- 
ausdrücke  für  unbestimmt  gelassene  personen,  sowie  substan- 
tivierte neutra  sind  ihnen  angereiht,  ebenso  comparative  und 
Superlative  (vgl.  noch  §  164—166). 

Die  paar  vereinzelten  angaben,  die  sich  den  typen  nicht 
fügen  (§  5,  2)  und  die  logisch  gebrauchten  adjectiva  (§  5. 1), 
dazu  einige  selten  vorkommende  sind  in  IX  vereinigt. 

Die  Zeitangaben  mit  hilfe  von  adjectiven,  die  viel  typisches 
enthalten,  sind  der  Übersichtlichkeit  halber  alle  bei  den  deter- 
minativen untergebracht. 

XII  enthält  ein  paar  seltene  impersonalia  und  die  verbal- 
adjectiva. 

Unter  jedem  begriff  sind  alle  worte  aufgeführt,  die  dazu 
dienen  können  ihn  auszudrücken;  worte  mit  mehreren  bedeu- 
tungen  kommen  also  in  verschiedeneu  gruppen  vor.  Begriffe 
die  der  negativen  seite  in  der  wertreihe  des  dichters  angehören, 
sind  gleich  als  anhang  zu  den  positiven  mit  aufgeführt,  wenn 
die  zahl  der  belege  nicht  gross  ist, 

Vorbemerkungen 
Uber  die  einrichtung  der  raaterialsammlnng. 

Das  gebräuchlichere  adjectivum  steht  stets  yoran,  simplicia  stehen 
vor  compositis;  doch  wird  etymologisch  zusammengehöriges  nicht  getrennt, 
auch  können  Untergruppen  auftreten.  Am  schluss  jeder  gruppe  stehen 
gewöhnlich  ausdrücke,  die  durch  negation  des  gegenteils  und  durch  Über- 
tragung gebildet  sind,  sowie  participia.  Was  dann  noch  keinen  bestimmten 
platz  hat,  fügt  sich  der  alphabetischen  Ordnung. 

Lautliche  Schwankungen  werden  nicht  verzeichnet. 

Ist  das  Substantiv  um  ausgeschrieben,  so  ist  das  adjectivum  im 
betreffenden  falle  attributiv  gebraucht  ;  appositive  Verwendung  (§  171)  wird 
durch  ~  vor  oder  nach  dem  substantivum  angedeutet;  bei  enger  Ver- 
bindung mit  verben  oder  bei  modal  modifizierten  aussagen  wird  so  viel 
vom  satze  mitgeteilt,  als  zum  Verständnis  unentbehrlich  ist  (beide  rücken 
an  den  schluss  einer  gruppe).  In  allen  übrigen  fällen  Q)rädicatsadjectiva; 
solche  die  nicht  auf  ein  Substantiv  im  selben  satze  zu  beziehen  sind,  also 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


373 


nach  pronominibus  stehen  oder  substantiviert  sind)  wird  das  substantivnm 
in  abktirzung,  in  klammer  oder  deutsch  gegeben. 

In  fällen,  wo  die  eigenschaftsangabe  eine  beziehung  zn  einem  dritten 
angibt  (§  33.  34)  wird  die  verszahl  eingeklammert. 

I.  Existenz,  existenzfähigkeit,  existenzdauer. 

§  36.  Die  erste  gruppe  gibt  naturgemäss  zunächst  rein 
tatsächliche  bestimmungen,  und  sie  bezieht  sich  meist  auf 
personen.  Ausdrücke  wie  dreorig,  blöde  fdh  (§  40)  sind  andeu- 
tend (symptomatisch)  gebraucht,  was  sonst  bei  adjectiven  nicht 
oft  der  fall  ist.  Fdege  hat  drei  bedeutungen:  1)  'hinfällig': 
a)  zuständlich  gebraucht  =  'dem  tode  nahe';  b)  constant  = 
'hinfällig  seinem  wesen  nach'  (eine  typische  eigenschaft,  §47); 

—  2)  in  verstärkter  bedeutung  =  'tot',  lieber  alt  vgl.  §  12; 
jung  wird  als  gegentypus  dazu  gebraucht.  Eald  wird  auf 
Sachen  nicht  viel  seltener  angewant  als  auf  personen,  gomol 
fast  bloss  auf  personen. 

§37.  Existenzeintritt:  gearu  (§  81.  126):  stöw  1005;  sie  sio 
b(t>r  g.,  cedre  gecefned  3105;  ealgearo  (§81):  beorh1)  2241;  hit  weard 
e.  (Heorot)  77;  on  bekl  gearu:  (Hna?f)  1109.  —  niwe:  beorh*)  2243,  sib 
(949),   spei  (2898),   Steeg  ~  (783). 

§  38.  Heil,  lebendig:  häl:  lic  (B.)(1503);  ...  ßone  hilderdts  lud 
gedigeö  (t.)  300;  grussformel:  wws  ...  häl  407;  headoläces  häl:  (B.) 
1974.  —  cwic(o):  Wedera  Jxoden  (B.)  2785,  B.  3093,  (eyn)(t.)98;  nolde 
eorla  hleo  (B.)  ...  fione  ewealmeuman  (G.)  ewiene  forlrttan  792;  — 
gesund:  B.  1628.  1998,  B.,  m.  2075;  sida  gesund:  feeder  alwalda 
eowic  gehealde  s.  g.  318;  —  ansund:  hröf  ~  1000;  —  unfeege: 
eorl  (t.)  573;  t.  2291;  nces  feege  (§  41.  42.  47):  B.  2141,  Onjenpeow  2975; 

—  Ii  f  igen  de  :  B.  1973.  2665,   Dryöo  1953,   (eald  wsewiga)  2062. 

§  39.  Ermattet:  stdes  teerig:  B.  579.  1794;  güÖwerig:  Grendel 
1586;  —  hildesced:  (B.)  teinedrihten  ~  2723;  —  setmepe:  B.,  m.  325; 

—  gewergad:  Wl.  2852. 

§  40.  Verwnndet:  wund:  dryhten  (B.)  2753;  säre  icund:  d. 
2746;  gäre  wund:  (Hildebnrhs  verwante)  1075;  mecum  wund:  (untiere) 
565;  —  wundum  werig:  (Ha?Öcyns  mannen)  2937;  wundum  stille:  d. 
2830;  —  ellensioc:  Wedra  jxoden  (B.)  2787;  headosioc:  dryhten  (B.) 
2754;  feorhbennum  sioc:  B.  2740;  siexbennum  sioc:  d.  2904.  — 
dreorig  (§123):  B.  2789;  heorodreorig  (§123):  />eoden  nutrne  (B.) 
2720;  -  blöde  fäh  (§42.  123):  (Wulf)  2974. 


')  Vgl.  Rieger,  Zs.  fdph.  3,407.  Bngge,  ebda.  4, 211. 


Digitized  by  Google 


374 


SCnElNERT 


|  41.  Dem  tode  nahe:  fdtge  (§38.  42.  47):  Hondscio  ~  2077, 
beorscealca  sum  rsj  1241,  G.  846,  t.  1527;  deaÖfeege:  G.  850;  —  aldres 
ortcena:  B.  1565,  G.  1002;  —  feorhseoc:  G.  820;  —  lifbysig:  G. 
966.  —  /"«*:  beorscealca  sum  1241;  [hin f äs:  (hige)  (G.)  (755)?];  wal- 
füs:  (sefa)  (B.)  2420);  —  fylwcrig:  feond  (G.)  962;  —  Aeoroo/dc: 
(OnjenJ>eow)  2488. 

§  42.   Tot:   dead:  (Herejar)  467,  Hl.  2372,  (JEschere)  1309.  1323; 

—  ealdorlias:  B.  3003,  Grendel  ~  1587;  —  säwolleas:  B.  3033, 
(.Eschcre)  1406;  -  deaöe  fast:  d.  3045;  diaöbeddc  fast:  B.2901;- 
diaöwerig:  (Schere)  2125;  -  fdge  (§38.41.47):  t.  3025;  -  blödßt 
(§40.  42.  123):  (se  famnan  ßegn)  2060;  dreore  fdh:  he  (G.)  meß.) 
habban  teile  d.  fdhne  447;  —  unlifigende:  (Herejar)  468,  (.Eschert) 
1308,  einer  der  mannen  744,  drihtguma  (t.)  1389;  —  ealdre  beriafod: 
d.  2825;  —  forögewiten:  B.  (conditional)  1479. 

§  43.  In  jugendlichem  alter:  enihtwesende:  B.  372.  535;  — 
umborwesende:  B.  1187,  (Scyld)  46;  —  syfameintre:  B.  242a 

§44.  Jung:  geong:  Hl.  1831,  güdeyning  (Hl.)  1969,  cempa  (WL) 
2(526,  gdrtciga  (Wl.)  2674.  2811,  sc  maja  (WL)  2675,  dam  (Wl.) 
2860,  cem/>a  (Offa)  1948,  ce»i/>a  (t.)  2044,  (Hyjd)  1926,  Freawaru  2025, 
bxjre  2018,  byre  ~  2446,  eafera  ~  12,  /corÄ  (B.)  (1843);  —  unfröd: 
guma  (Wl.)  2821. 

§  45.  Alt:  eaW  B.  2210,  Hj.  1874,  Jfro^ar  ~  357,  eöelweard  (Hj.) 
1702,  (Onjenpeow)  2957,  ceorl  (Onj.)  2972,  fader  Öhtheres  ~  (Onj.)  2929, 
wisan  1865,  a>scic/£a  (t.)  2042,  t.  2449,  (gott)  metod  945,  d.  2415,  «Af- 
sceada  (d.)  2271,  ühtfloga  (d.)  2760;  -  läf  (schwert)  795.  1488.  1688, 
sweord  (vermutlich  compositum  ealdsiceord)  1558.  1663.  2616.  2979, 
mddmas  472,  enta  geweorc  2774,  heim  ~  2763,  riht  2330,  ,>«r*>i  (1781). 

—  Vgl.  ealdhldford  B.  2777,  ealdfader  (Ecjpeo)  373,  ealdgeic inna 
(G.)  1776,  ealdgestdas  853;  —  ealdgestreon  1381.  1458,  ea/</- 
^es^ew  869,  caldgewyrht  2657.  —  ^omo/  (§  140):  Beoiculf  ~  2793, 
se  (B.)  2421.  2817.  2851,  (B.)  3095,  sc  j.  (Hj.)  1397,  Seddins  171*2- 
2105,  n'iic  (Hj.)  1677,  ,s-M<Msa  (Hj.)  2112,  Scylfing  (Oujenpeow)  2487. 
2968,  (Onjenp.)  2931,  (Beowulf  I)  58,  (Ecjpeow)  265,  ceorl  (Hredel)  2414. 
(Hj.'s  mannen)  1595;  —  laf  (schwert)  2563,  sweord  2610,  steeord  ~ 
2682.  —  gamolfeax:  sinces  brytla  ~  (Hj.)  608;  —  blondenfeax 
(Hj.)  1791.  1873,  (Onjenpeow)  2962,  (Hj.'s  m.)  1594.  -  fr  öd  (B.)  2209, 
folees  weard  (B.)  2513,  Hj.  279,  cyning  (Hj.)  1306,  fader  Ohihem 
(Onjenpeow)  2928,  (Onjenp.)  2950,  fyrnwita  (.Eschere)  2123,  (WeoLstau) 
2625;  feorlüegu  (B.)  (2800).  —  infrod:  Hj.  1874,  t  2449.  —  teintrum 
frod:  Hj.  1724.  2114,  d.  2277.  —  hur  (§52):  hilderinc  (B.)  3136,  hilde- 
rinc  (Hj.)  1307,  hildfruma  (Hj.)  1678,  (Onjenpeow)  2988.  —  unhdr: 
Hrodgär  ™  357;  —  eldo  gebunden:  gomel  guöwiga  (Hj.)  2111;  — 
yldra:  oÖÖcet  he  y.  weard  (Hl.'s  söhn)  2378;  —  geonge  7  ealde:  t  72. 

§  46.  Lange  dauernd:  ece  (§  140):  drihten  (gott)  103.  1692. 
1779.2330.2796,  eorbreced  2719;  —  fonjsum:  fo/"  1536,  (getein)  133. 
191,   Uodbealo  1722;   —   singäl:  sacu  154;    —   langtwidig:  du  (B.) 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


375 


sceak  tö  fröfre  iceorpan  eal  I.  Uodum  ßinum  1708;  vgl.  die  composita  sin- 
niht  (§116)  161,   lonx-gestreon  (§55.  147)  2241. 

§  4".  Von  hinfälliger  beschaffenheit:  fügt  (§  38.  41.  42): 
ßdschoma  1568,  (lichoma)  1755;  —  Irtne:  {lichoma)  1754,  lif  2845,  ge- 
sceaft  1622,   schätz  3129. 

II.  Physische  eigenschaften. 

§  48.  Physische  eigenschaften,  einfacher  und  complicier- 
terer  art,  überwiegend  der  Sphäre  des  gesichtssinns  angehörig, 
sind  häufig  bei  naturerscheinungen  und  erzeugnissen  mensch- 
licher tatigkeit  (§  23  ff.). 

Gesichtssinn. 

8  49.  Helligkeitsangaben  macht  der  dichter  sehr  gern 
und  zwar  überwiegend  positiver  art:  'glänzend,  leuchtend'.  Wie 
weit  diese  hier  und  da  zu  blossen  gefühlsausdrücken  verblasst 
sind,  ist  nicht  sicher  auszumachen  (vgl.  beorht  §  111).  'Dunkel' 
hat  meist  die  nebenbedeutung  des  unheimlichen.  Auffällig  er- 
scheint, dass  es  ausser  (grau),  gelb,  fahl  im  Beowulf  keine 
farbenbezeichnungen  gibt.  Man  hat  offenbar  in  den  ältesten 
zeiten  für  färben  nur  ganz  wenige  scharf  unterscheidende  aus- 
drücke gebraucht.1)  In  der  ags.  Genesis  kommt  schon  8  mal 
trene  vor  (gefilde,  wald,  bäume,  Auren),  einmal  'rot'  (vom  golde; 
Ygl.  das  Nibelungenlied).  Vgl.  auch  Willms,  lit.2,  und  Pope, 
lit.  3,  s.  27,  bes.  54  ff. 

B.  2725  ist  mit  Grein  icutide  xcctlblate  zn  lesen  (statt  wtelüleate  der 
hft.)  wegen  Cri.  770  pa-t  bid  frecne  wund,  bldtast  benna,  und  wegen  ahd. 
pleizza  =  livor  (vulneris)  (Graff  3, 260) ;  walbldt  bedeutet  also  wie  liridm 
bleifarbig  aussehend,  blutunterlaufen'. 

§  50.  Leuchtend:  beorht  (§110.  111):  beacen  godea  (sonne)  570, 
teima  (oder  Uoma)  (sonne)  1802;  bold  997,  beahsele  1177,  byri$  1199, 
hof  2313,  byrne  3140,  ratul  231,  bordwudu  1243,  frattve  214.  896; 
beorhtost:  beacna  (segn)  2777;  wlitebeorht:  icanj;  (erde)  93;  sadol- 
beorht:  wkg  rs*  2175;  —  bldci  Uoma  1517;  britn:  eej  ~  2578; 
brünecg:  seax  ~  1546;  brünfdh:  heim  2615;  -  leoht:  meord  2492; 
—  «cir:  gold  1694,  hringiren  322;  teered  496;  metod  979;  —  stcegel: 
searogimmas  2749  (Eieger,  Zs.  fdph.  3,  411  «tffe  s.  nach  1157);  $we$l- 


l)  So  hat  Schuster,  lit  6,  nachgewiesen,  dass  Homer  helligkeitsangaben 
(Uvx6$  60  mal,  fdhtq  170  mal)  oft  gebraucht,  dass  aber  unter  den  wenigen 
eigentlichen  färben worten  die  mehr  einen  unbestimmten  ton  (ähnlich  4  fahl ') 
bezeichnenden  die  mehrzahl  bilden. 


376 


SG'HEINERT 


wered:  stmne  606;  —  torht  (§  76):  hof  ~  313;  wuldortorht:  tcedtr 
(frühling)  1136;  —  hwit:  heim  1448;  —  blanca:  equus  Candidus  856; 

—  fdh  (§  123)  (schillernd):  flor  725,  sweord  586,  «trcor/f  ~  2701, 
(eoforlic)  305. 

§  51.  Dunkel:  deorc:  niht  275.  2211,  nihthelm  ~  1790.  &a/>- 
scua  (G.)  1G0;  —  myrce:  tnör  1405;  —  tran:  Ar«/n  3024;  nüU  702, 
sceadtüielma  gesceapu  ~  651,  ydgeblond  ^  (1374);  —  nipende:  nihtbll. 
649;  —   6/<rc:  Are/n  1801;  —  «icearl:  ni%<  167,  wudurec  ~  3145. 

§  52.   Grau:   .rrrf,?:  syrc*  334;   ufan  grdg  (§  61):  arscAo/f  330; 

—  Aar  (§45):  s<«n  887.  1415.  2553.  2744,  byrne  2153. 

§  53.  Gelb,  fahl:  geolu:  lind  2610  (schild);  vgl.  das  compo- 
situm geolo-rand  438;  —  fealu:  mearh  865,  /Jod  1950,  strdt  916; 
appelfealu:  mearas  ~  2165;  —  walhlät:  wund  ZI2ö. 

§  54.  Ebenso  beliebt  wie  'hell'  und  'dunkel'  sind  die 
grössenangaben.  Grösse,  sei  es  horizontal,  vertical  oder  körper- 
lich, wird  stets  für  imponierend  gehalten.  Die  gegensätze  zum 
positiven  typus  ('eng',  'schmal')  dienen  indirect  der  Charak- 
terisierung der  widerwärtigen  Ungeheuerwohnung,  sind  aber 
äusserst  selten. 

§55.  Grosse,  horizontal:  ftftiges  fotgemearces  lang  (§46. 
147):  d.  3043;  —  8t d  (§85.  116.  117):  byrne  1291,  byrne  ...  1444,  scytö 
325.  437,  glöf  ...  2086;  rke  1733.  2199;  sck  507.  2394,  8<tna>8$a$  223: 
vgl.  std-rand  1289;  —  sidfapmed:  scip  302.  1917.  —  tcid(§116): 
water  2473,  waroöas  1965;  rice  1859;  siÖ  877;  vgl.  wid  -wegas  840. 
1704,  wid-floga  2346.  2830.  —  6rdd:  (Ateir)  3157,  rtcr  2207;  seax 
~  1546,  tnectf  2978;  gold  3105;  —  jt'tine:  grund  1551,  rfec  466; 
eacen  (§89):  eardas  1621;  eaMstceord  1663,  2140;  —  rtiro  (§  86): 
/niA/e  Atta  ea//  tö  riim,  wongas  7  tetestafc  2461  Cromo/  ceorl  2444);  - 
enge:  dnpad  (1410);  —  near«:  st(g  (1409). 

§  56.  Grösse,  vertical:  AeaA  (§88.  111.  114.  117):  6eorA  3097. 
(JUäw)  2805.  3157,  hetß  (?)  2212;  se/e  713.  919.  1016.  1984;  (8ele)  82,  hin 
116,  A«a/  1926;  segn  ...  48,  Aotu/trtWra  mo*s*  (se^n)  2768,  Are/'  983: 
vgl.  hea(h)burh  1127,  heahsele  647,  heahsetl  1087,  heahstede  285- 

—  sfeap:  oeorA  222,  ffd noeorA  2213,  sfdnA/id  1409;  Arö/"  926,  rond 
2566:  A«adosf<?ajK  Ae/w  1245.  2153;   —   oronf:  ceo/  238,   /brd  568; 

—  deop:  water  (meer)  509.  1904;  —  neowol:  nas  1411. 

§  57.  Grösse,  körperlich:  mseeJ  (§  116.  117.  140.  147):  mearc- 
stapan  (G.,  Gm.)  1348,  oeorA  ~  3098,  »i^oam  69;  m«ra  (§116.  117 
147):  nd-fre  m.  ...  (B.)  247;  he  (G.)  was  m.  ponne  . . .  1353;  Art  m  » 
Öonne  ...  («ireorrf)  1560;  mrfsf  (§117):  oetf/yra  3143,  tcce//yra  1119: 
healaema  78;  healsbeaga  1195;  geap:  reced  ~  1800,  Ard/*  836;  Aorw- 
giap:  sele  ~  82;  srtjeap:  waca  1896;  —  e  acencraftig:  hordarna 
sum  2280,  (yr/V)  3051;  —  jJU«>icor:  ick£  ^  2175;  —  lassa  (§111 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFKPOS.  377 

140.  147):  was  se  gryre  (Gm.)  /.  efne  stcä  mich  swä  biÖ  ma>gÖa  cr<rft  . . . 
bt  uxkpnedmen  1282. 

$  58.  Bei  sächlichen  concreten  wird  gern  ihre  allgemeine 
form,  ihre  kunstreiche  herstellung  und  die  Verzierung  an- 
gegeben, worin  sich  die  hochschätzung  des  schmuckes  wie  des 
kunsthandwerks  ausspricht 

§59.  Gebogen:  hringboga:  d.  2561;  wohbogen:  wyrm  2827; 
vom  schiff:  bundenstefna  1910;  wundenstefna  220;  wunden- 
halt:  wwdu  298;  hringedstefna  32.  1131.  1897. 

g  60.  Geringt,  geflochten:  broden:  beadohrcrgl  552,  beadu- 
sra2755,  briostnet  1548;  hondum  gebroden:  herebyrne  1443;  — 
locen:  leodosyrce  1505.  1890;  beag  2995;  gelocen  leoÖocra>ftum: 
stpt  ~  2769;  hondlocen:  güdbyrne  ~  322,  liesyrce  ~  551;  — 
kandgewripen:  waübend  1937;  —  hrtnged:  byrne  1245.  2615;  — 
sfarwwro  gesctled:  earmbeag  nu  2764;  —  seowed  smipes  orpan- 
cum:  searonet  406;  —  wunden:  £oW  1193.  1382.  3134;  —  fatted: 
r§  64):  wage  2253.  2282,  fcea,s-  1750,  gold  1093.  2102.  2246  (gegensatz  zu 
runden;  =  brdd  gold);    vgl.  fittgold  1921. 

§61.  Daniasciert  (vom  wh wert):  brogdenmctl  1616.  1667; 
hringmdl:  1521.  1564,  gomelra  laf  ~  2037;  w«w(/ewmrf/  1531; 
sei  adenmal  1939 ;  £ r et g m * l  (§  52) :  sweord  ~  2682 ;  wyrmfäh: 
1698;  «<erf«nuwi  (?):  (erj,  Hrnntinj)  1459;  —  (galdre 
befunden:  htmonna  gold  3052?). 

§  62.  Gefertigt:  bunden:  teudu  (schiff)  216,  heoru  1285;  — 
timbred:  scel  307;  —  hamere  gePuren:  heoru  1285. 

§63.  Gestalt:  />de rjeartc im  /* u«:  sceft  ~  3H9;  _  8nie 
fast:  segl  1906;  —  hilted:  steeord  2987;  —  wreopenhilt:  sieeord  ~ 
1698;  —  i'ren&endttwi  besmipod:  (foldbold)  775. 

§64.  Verziert:  goldfdh:  sal  ~  308,  recerf  ~  1800;  heim 
2811,  (weä)  994;  golde  fah:  hrof  rw  927;  —  jo/rfe  6unrfen:  «trurd 
1900;  jo/de  gegyred:  beadohragl  ~  553,  HreÖles  laf  (sweord)  2192, 
inflAwe  1028;  jo/cie  gehroden:  eoforlic  rv  304;  hyrsted  golde: 
heim  2255;  golde  geregnad:  medubenc  ~  777;  —  fitted  (§  60): 
«yW  333;  sweord  ~  2701;  ftrltum  fah:  winreced  ~  716;  —  ft»C- 
/"«A:  «<i  167;  «tnce  /"«ä:  Ä//f  ~  1615,  (seUful?)  fconjeetnr)  2217  (vgl. 
since  gewurpad:  heim  ~  14.V)T  */w/o/  1638;;  searofdh:  herebyrne 
~  1444;  «corwMm  fah:  sadol  1088:  wreettum  bunden:  wunden- 
mal  1531;  —  geatolic:  güdsearo  215,  giganta  geweore  1562,  güdsweord 
2154,  wc/  ^3  308;  fengel  ~  (Hj.)  1401:  —  hroden:  hütecumbor  Vttl, 
ealotectge  495;  —  hyrsted:  sweord  672:  —  nrrgled:  sine  20&J; 
befongen  freawrusnum:  heim  ~  |4öl;  —  i/r/mm  bewunden 
(Bugge,  Beitr.  12,  369) :  ir a/«  10Ö1 ;  —  hyrstum  behroren:  f>frnmnnrut 
fatu  2762;  —  omig:  waffen  n.aw.  3049.  heim  ~  27*&;  Purheien: 
waffen  u.s.w.  3049  (oder  zusammenzuziehen:  purhttone'j 


Beitrage  zur  geschieht«  der  ^mtki  Tr^fhr.  XXX. 


378 


SCHEITERT 


§65.  Geschmückt:  goldhroden:  WJ>.  613.  640,  (Dryöo)  IMa 
(Freawaru)  2025;  beaghroden:  ctcen  (Wealhpeow)  623;  —  fäted- 
hllor:  mearas  1036;  —  xcundenfeax:  tcicg  1400;  —  tcundenheord: 
(B.'s  trau)  3151 ;  —  golde  bereafod:  {mcegö  scyne)  3018;  goldebe- 
rofen:  iomeowle  (Onjenpeows  frau)  2931. 

§  66.  Feurig  (traditionell-typische  eigenschaft  des  drachen):  fyr- 
tcylmum  fdh  2671,  fyre  jefysed  2309,  ff}re  befongen  2274,  6yr- 
nende  2272.  2569;  —  Ugge  geltcost:  ~  Je'oÄ*  (G.'s  äugen)  (727). 

§  67.  Stoff:  iren:  {ecg)  1458.  2778;  vgl.  irenbend  774.  998, 
trenbyme  2886;  isernbyrne  671 ;  —  ealliren:  wijbord  2335:  — 
stylecg:  (schwert)  1553;  —  gylden:  hilt  1677,  Ari»tf  2809,  6eaA-  1163, 
Mgm  47.  1021;  eallgylden:  swyn  1111,  wjn  2767;  —  je.ryrir«! 
dracan  fellum:  (slof)  2087;  —  fldsce  bewunden:  no  ...  ww 
feorh  Kpehnges  (B.)  (2424). 

§68.  Giftig:  (tttren:  (eUorgdst)  (Gm.)  1617  (vgl.  dttor  2523. 
2715.  2839). 

§  69.   Bewegt:  M?«af/*wd«  (§  117):  brim  947,  /lorf  546,  ica<fo581. 

Tastsinn. 

§  70.  Zu  den  einfachsten  eigenschaften,  die  ebenso  im- 
ponieren wie  'hell',  'dunkel',  'gross',  gehören  'hart',  'fest', 
besonders  bei  waffenstücken. 

Aht/rded  heaposwate  ist  nach  einer  Vermutung  von  Sievers  wol  anf 
eine  flüsaigkeit  zu  deuten,  in  die  der  schmied  das  schwert  «um  härten 
taucht;  das  vollkommen  unverständliche  wundum  heard  ist  mit  Thorpe 
einfach  in  wundrum  heard  zu  ändern. 

Für  heaüosceard  der  hs.  lese  ich  2829  headoscearp,  erstens  weil  das 
in  der  Verbindung  mit  heard  das  einzig  natürliche  ist,  zweitens  weil  die 
schwerter  sich  wirklich  als  wirksam  erwiesen  haben,  drittens  weil  man 
sonst  prolepsis  annehmen  raüsste,  die  im  Beowulf  bloss  2440  (§  122)  nach- 
weisbar ist;  übrigens  gibt  es  für  sceard  im  ags.  bloss  wenige  belegstellen. 

2564  dürfte  unslmv  (Bugge)  der  handschriftlichen  lesart  ungleatt  vor- 
zuziehen sein,  weil  eine  Charaktereigenschaft  wie  unslätc  leichter  auf  ein 
schwert  übertragen  werden  kann,  als  eine  intellectuelle  eigenschaft  und 
besonders  weil  gUmo  im  Beowulf  sonst  überhaupt  fehlt  (vgl.  §  86). 

§  71.   Scharf:  biter  (§134):  ban  2692,  wctüseax  ~  2701, 
1746;  —  beaduscearp  (§82):  wa-lheax  ~  2704;  heaöoscea rp  (hs.: 
~  sceard):  homera  lafe  28g9;        ccgum  dyhtig:  eald  sweord  1558. 
mceord  ~  1287;  —  ecgum  unsldw:  sieeord  ~  2564  (hs.  ^leaw). 

§  72.    Heiss,  kalt:  hat:  heaöufyr  2522,  Ugegesa  ~  2781,  Wo- 
inßm  2819,   wudurec  ~  3148,   (wyrm)  897,   d.  2296.  2691 ;  —  hf^or 
849.  1423,  {blöd)  1616,  hildeswdt  2558,  (burnan  wcrlm)  (2547);  hdtost 
heaöomata  1668;  -  ceald  (§113.124):  ntreamas  (1261);  c*«/<io*<: 
wedera  546. 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


379 


§  7$.  Hart:  heard  (§82.  117):  siceord  2509.  2638.  2987,  stceord 
rw  540,  (sweord)  1566,  icapen  ~  1574,  gomelra  hif  2037,  homera  laf 
2829;  gudbyrne  ~  322,  herenet  1553,  Uesyrce  551,  Mm  2255,  herestral 
1435;  vgl.  heardecg  1288.  1490;  —  fyrheard:  eoforlic  ~  305;  i'r*n- 
Aearr/:  eo/or  1112;  sciirAtarrf:  /5r7a  /«/"  ~  1033;  regnheard:  rond 
326;  ifMHdrum  heard  (hs.  irtotrfum):  wapen  2687;  ahyrded  heapo- 
twäte:  (ecg)  1459;  —  *<t<5:  schwert  1533,  rkrj/  (G.)  (985);  —  «fy/e 
gelicost:  (nagt)  (G.)  (985). 

§  74.  Fest:  fyrbendum  fast  (§100.  101.  117):  duru  ~  722; 
iren6enrfum  fast:  hold  ~  998;  searobe ndum  fast:  glöf  r>*>  2086; 
stapulum  fast:  stdnboga  2718;  wyrtum  fast:  wudu  1364;  ncaro- 
craftum  fast:  beorh  ~  2243. 

§  75.  Windig:  windig  (§  124):  treaffa*  572,  eardweallas  1224, 
»kwsa«  1358. 

Gehör. 

§  76.  Laut:  heaÖotorht  (§50):  ste/n  ~  2553;  —  hlüd:  dream 
^>  89;  —  swutol  (§  149):  san^  scopes  90;  —  hädor  (?)  :  scop  ~  497. 

Geschmack. 

§  77.    Saltig:  sealt:  water  (meer)  1989. 

HT.  Persönliche  eigensohaften. 

Körperlich 

(selten,  vgl.  §  10). 

§  78.  Stark,  schnell:  strong  (§  117):  (hond)  (B.)  (26&4); 
sirengest:  wigena  (B.)  1543;  ma  genes  sträng:  B.  1844;  m(P1fen?((() 
strenge  st:  B.  196.  789;  —  eafoßes  craftig:  UnferÖ  1466:  nida 
craftig:  (Eomser)  1962;  —  foremihtig  on  fepe:  (feond)  (G.)  969; 
—  hornum  trum:  heorot  1369;  —  nalas  eines  lat:  B.  1529;  — 
magendgende:  man  2837;  —  nö  hnägra  ...  (§99):  no  ic  me  an 
herewasmum  hndgran  tätige,  güdgeweorca,  ponne  G.  hine  (B.)  677;  — 
sa^mra  at  sacce  (§125):  röte  ~  (t.)  953;  —  snell:  sunu  Wonredes 
(Wulf)  2971;  snellic:  sarinc  (t.)  690;  —  swift:  mearh  2264. 

f  79.  Gerüstet:  gyrded:  cempa  (Hondscio)  2078;  —  byrnum 
xered:  B.,  m.  238,  B.'s  m.  2529;  —  wdpnum  geweoröad:  B.  250, 
(trenßreat)  33t;  —  scirhatn:  scapan  (B.'s  m.)  1895;  —  searwum 
searu:  B.'s  m.  1813. 

Charakter. 

§  80.  Unter  'tapfer',  'mutvoH',  'unbeugsam',  der  wich- 
tigsten aller  eigenschaften  im  reckenepos  überhaupt,  sind  viele 
ausdrucke  vereinigt,  die  die  Vorstellung  von  verschiedenen 
Seiten  her  analysieren;  dazu  viele  verstärkende  composita; 
wieweit  man  etwa  noch  nüancierungen  wirklich  unterschieden 

2ß* 


380 


SCHEINERT 


hat,  ist  nicht  auszumachen;  sicher  ist  man  darin,  wenn  man 
es  überhaupt  getan  hat,  nicht  weit  gegangen.  —  Für  'feigheit' 
gibt  es  bloss  ein  paar  vereinzelte  ausdrücke.  —  Bei  den 
Ungeheuern  sind  die  entsprechenden  begriffe  'gef rassig'  und 
'grimmig';  nur  stearcheort  kommt  auch  einmal  vom  dracben 
vor,  und  es  ist  bezeichnend,  dass  ein  wort  wie  rfye  bei  Grendel 
(§  84)  eine  constante  eigenschaft,  bei  Beowulf  (§  134)  einen 
zustand  angibt. 

§  81.  Tatbereit:  gearo  (§37.  126):  B.  1825,  güdfreca  (d.)  24U 
(auf  der  lauer);  eal gearo  (§37):  pegnas  syn  gejmctre,  peod  e.  1230: 
anwiggearu:  B.'s  und  Hj.'s  m.  1247.  —  wctfrc  ('active,  nimble') 
(§133):  wa>lgd>8t  (Gm.)  1331;  —  füs  ofer  füg  um:  hrefn  3025. 

g  82.  Tapfer,  mutvoll,  unbeugsam:  heard  (§73.  117):  eafora 
~  (B.)  376,  se  h.  (B.)  401.  1807.»)  1963,  Higeldces  />egn  (Eofor)  2977, 
hildefrecan,  HeaÖo-Scilfingas  2205,  heap  432;  nctfre  heardra  ...:  htrlf, 
healöegnas  (als  B.)  719;  heard  undcr  helme:  B.  404,  vrlanc  Wedera 
Uod  ~  (B.)  342,  oretta  (B.)  2539;  beadwe  heard:  B.  1539;  niö- 
heard:  cyning  (B.)  2417;  ntöa  heard:  Hygeldc  ~  2170;  *ig** 
heard:  (Sigmund)  886;  —  deor  (§84):  swd>sra  gestöa  (DryÖos)  1933; 
heafiodeor:  B.  G88,  B.,  G.  772;  hildedeor:  B.  834.  2183,  furle  CB  t 
1646,  H5.  2107,  KatU  (Hl.)  1816,  ha>le  (Wl.)  3111,  (endescHa)  312,  B/s 
m.  3169.  —  hwatt:  Heoroweard  2161,  secg  (sede  nas  geräd)  3028,  Sctl- 
dingas  1601.  2052.  3005  (?),  . .  /m?  (B.)  m  ...  tealde  htcate  helmberend 
(seine  mauneu)  2642;  fyrdhtoa't:  B.'s  m.  1641,  (Ongenpeotces  eafcran) 
2476;  —  from  (§111):  desgl.  1641.  2476;  siöfrom:  B.'s  m.  1813;  - 
cene:  Dänen  768:  cenost:  B.'s  begleiter  206;  d&dcine:  mon  (B.)  1645; 
gdrchie:  man  (Offa)  1958;  —  hrör:  se  /».  (B.)  1629;  felahror:  Sc-yld 
~  27;  —  gudrcow:  (Beowulf  I)  58;  tccelreow:  tciga  (B.)  629:  — 
cyningbald:  inen  (Hg.'s  m.)  1634;  —  scearp  (§71):  sa'ldwiga  (t.)  288: 
-  unforht  (§  127):  ombeht  (endeschtä)  287;  Hj.'s  und  B.'s  m.  444:  - 
ne  earg:  B.  2541.  -  madig  (§117.  127):  md>g  Higeldces  (B.)  813, 
merefara  (B.)  502,  sfc,?  (B.)  1812,  gumdrihten  ~  (B.)  1643,  /*im  w. 
(B.)  3011,  B.,  Hj.  1876,  man  (Wl.)  2698,  f/ia^o/x-jn  (Wl.)  2757.  t.  604. 
Dänen  312,  m.  am  ufer  855;  —  ne  modi  glicra:  men  (als  B.'s  m.)  337: 
felamodig:  ha>gstealdra  [heap]  (B.'s  m.)  1888,  m.  am  ufer  1637;  — 
güÖmöd:  B.'s  m.  306;  sttdmod:  B.  2566;  swiömöd:  lidmanna  AWm 
(B.)  1624;  —  swiöferhd:  B.  826,  (Sigmund)  908;  B.'s  m.  493,  Hj/s  m. 
173;  —  ferhdfreca:  Fin  1146;  —  anhydig:  aÖeling  (B.)  2667;  nid- 
hydig:  men  (B.'s  m.)  3165;  pristhydig:  ptoden  (B.)  2810;  —  sicib- 
hicgende:  magas  ~  (Hj.,  B.)  1016,  scealc  monig  919;  heardhie- 
gende:  hildemecgas  (B.'s  m.)  799,  B.'s  m.  394;  —  stearcheort:  B.  2552. 
d.  2288.  —  Örydstcyö:  (mäg  Higeldces,  B.)  736,  Hj.  131;  —  colleu- 
ferhö:  cuma  (B.)  1806;  Wl.  2785;   -   higeßihtig:  rinc  (B.)  746;  - 

')  Anders  Jellinek  und  Kraus,  Zs.  fda.  35, 280. 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWt'LFEPOS. 


381 


drtda  gchicas  dyrstig:  einer  ans  B.'s  m.  2838;  nearo  ncdende:  B. 
2350.  —  tearogrim:  gif  ßin  hige  w(tre,  sefa  swä  s.  swä  pit  seif  talast 
(B.  zu  UnferÖ  594;   —   nctre  ärfa>st:  a>t  ecga  geldcnm  (UnferÖ)  1168. 

—  wendon  päd  he  (B.)  sleac  wehrt,  cedeling  unfroin  2188.  —  (eines 
tapferen  inaunes.)  deorlic:  debd  (B.)  (585),  dollic:  d&d  (B.)  (2646).  — 
ftesträd:  gepöht  (B.)  (610). 

#  K3.  Gefrässig:  gifre:  (G.'b)  mödor  ~  1277;  gifrost:  g(tsta 
(Ug)  1123;  heorogifre:  (Gm.)  1498;  —  grädig  (§84):  wiht  uidurlo 
(G.)  121,  Gm.  1499. 

§  H4.  Grimmig:  grim  (§  113.  134):  gd-st  (G.)  102,  wiht  unhftlo 
(G.)  ~  121,  Gm.  1499,  grundhyrde  (Gm.)  2136,  (fcondscada)  555  (nntier); 
(sefa)  (cald  asewiga)  (2043);  headogrim:  d.  2691;  —  dior  (§  82): 
dddfruma  (G.)  2090;  —  reoc  and  repe  (§  134):  wiht  unhcelo  ~  (G.) 
122.  —  gromheart:  gttma  (G.)  1682;  gromhydig:  t.  1749;  (rf  en- 
gt om:  gdst  r%»  (G.)  2074;  —  bludreow:  (briosthord)  (Heremod)  (1719); 

-  bolgenmöd  (§134):  (Heremod)  1713;  -  grdtdig  (§83):  güöleod  1522. 

$  H5.  Andere  Charaktereigenschaften,  wie  'hochsinnig', 
'stolz',  treten  bloss  vereinzelt  auf.  Welpungen  wird  man  als  parallele 
zu  mode  gepungen  stellen  dürfen. 

ritmheort:  B.  1799,  (Hj.)  cyning  2110;  —  Weisungen:  Hygd 
1927 ;  mode  gepungen:  ewen  ~  ( Wf>.)  624 ;  —  u- / o w c :  Mfaiera 
teod  (B.)  341,  Hl.  2953,  Afffcfl  (Wulfjar)  331;  m«rfmrf/i7a  tr/onc:  d. 
2833.  —  lofgeomost:  manna  (B.)  3182;  —  söd  (§150):  metod  1611; 
vgl.  sodeyning  (gott)  3055.  —  rtiro  (§55):  se/h  (B.)(278);  —  sid  (§55. 
116.  117):  sefa  (gott)  (1726). 

Intellect 

§  86.  Intelleetuelle  bedeutung,  meist  eine  eigenschaft 
des  alters  =  'erfahren'  (vgl.  1842,  wo  Hroöjar  zu  Beowulf 
sagt:  ne  hyrde  ic  snotorlkor  an  swd  geongum  feore  guman 
Pingian),  lässt  der  heldenliaftigkeit  bei  weitem  den  vorrang. 
Witig  =  'weise'  wird  bloss  von  gott  gebraucht;  geteütig,  das 
bloss  einmal  (3094)  von  Beowulf  ausgesagt  wird,  dürfte  das- 
selbe bedeuten.1) 


*)  Wenn  man  es  als  4  mit  bewusstsein 1  interpretiert,  so  ist  ins  zwischen 
ewico  und  gewittig  mindestens  sehr  seltsam;  und  für  die  bedeutung  'bei 
bewusstsein'  lassen  sich  bei  wis  gar  keine  parallelen  bringen.  Dasselbe 
ist  aber  bei  gewittig  der  fall,  und  dieses  wort  etwa  wegen  des  ge-  auf 
einen  bestimmten  fall  zu  beziehen,  hat  für  das  ags.  keine  berechtigung. 
Man  übersetze  also  3093  ewico  was  pä  gena  wis  ond  gewittig  mit :  '  am 
leben  war  er  da  noch,  der  kluge  und  weise'.  Damit  wird  zugleich  auf 
des  beiden  letzte  worte  gedeutet,  von  denen  auch  im  nächsten  halbverse 
wider  die  rede  ist. 


382 


SCHEINKRT 


wis:  wordcwida  (B.)  1845,  se  w.  (B.)  2329,  B.  3094,  M  tc.  (Hj.) 
1318.  1698,  fengd  (Hj.)  1400,  men  (B.'s)  1413?  Hygd  ~  1927;  —  tcis- 
fast:  Wealhpeow  626;  wishycgende:  B.  2716;  —  panchy elende, 
gumena  ndthwt/lc  ~  2235;  —   «nofor:  B.  826,   se  s.  (Hj.)  1313.  1786, 

(H5.)  190,  guma  (Hj.)  1384,   /Vrnje/  (Hj.)  1475.  2156,  sunu 
stänes  (Wl.)  3120,   worto«  (B/s)  202.  416,   ceorlas  (Hj/a)  1591,  ceorl 
monig  (t.)  908;   foresnotor:  men  (t.)  3162;    —    onmudefröd:  B. 
1844.  -  wfttff]  jod  685.  1056,   driftta»  1554.  1841;  —  gewittig:  B. 
3094.  —  Ueber  gerad  s.  §  100. 

IV.  Verhältnis  zur  Umgebung. 

g  87.  Die  adjectiva,  die  das  Verhältnis  zur  Umgebung 
bezeichneu,  charakterisieren  stand,  macht,  freundliches  oder 
feindliches  verhalten.  Se  yldesta  kann  unter  einer  gruppe  die 
hervorragendste  Stellung  einnehmen.  Mihtig  kommt  im  Beo- 
wulf  bloss  von  gott  und  Ungeheuern  vor,  scheint  also  über- 
menschliche macht  anzudeuten.  Auch  die  zahlreichen  belege 
bei  Grein  zeigen,  dass  das  wort  fast  ausnahmslos  auf  gott 
angewendet  wird  oder  auf  solche  personen,  die  mit  ihm  in 
engstem  Verhältnis  stehen. 

8  88.  Stellung,  geburt:  yldesta:  B.  258.  363,  Heardred  2435 ; 

—  apele:  B.  198,  cempa  (B.)  1312,  ordfruma  (Ecjpeow)  263,  cyn  (t) 
2234;  —  aöelum  diore:  (DryAo)  1949;  a-pelum  god:  cymng  (Hj.) 
1870;  —  tinlic  (vgl.  §  18.  111):  (DryÖo)  1949;  -  drihtltc  (§111): 
wif  (Hildeburh)  1158;  —  freolic:  wif  (WealhJ>eow)  615,  folcacen  (Wp.) 
641;  —  he  ah  (§56.  111.  114.  117):  Healfdene  57;  vgl.  heaheyning  (Hj.) 
1039;  —  cynna  gemyndig:  eteen  HroÖgdres  (W]>.)  ~  613;  —  selra 
('aus  vornehmerem  geachlecht')  (§99):  (Hl.  ala  B.)  2199. 

§  89.  Mächtig:  rice  (bloss  von  füraten  und  obersten  lehn*- 
männern):  se  r.  (B.)  399,  (H5.)  310,  Hj.  1237,  peoden  (Hl.)  1209,  se  r. 
(Hl.)  1975,  randxoiga  (.Eschere)  1298;  -  iacen  (vgl.  §  12.  55):  B. 
198;  —  mihtig  ('mit  übermenschlicher  kraft  begabt'):  god  701.  1716. 
1725,  drihten  (gott)  1398;  mänscaÖa  (Gm.)  1339,  merem'f  (Gm.)  1519, 
meredeor  558.  —  wlmihtig:  se  rr.  (gott)  92;  —  alwalda:  feeder  316, 
gott  928.  955.  1314.  —  wineleas:  wreecca  (Eanmund)  2613;  wini^ea 
leas:  t.  1664.  —  winegeomor:  teeard  (gumena  ndthteyle  a-pdan 
cynnes)  2239. 

§90.  Freundlich  gegen:  gl«d:  Hrodgär  863,  Hröpxdf  1181, 
suna  Frndan  (Injeld)  2025;  -  beo  wid  Giatas  gla-d  (Wf>.  zu  Hj.)  1173; 

—  glfrdman:  JlroÖgar  867;  —  mildust:  B.  3181;  m  6  de»  milde: 
her  st  äghxcylc  eorl  m.  m.  1229;  —  mo npwdbrust:  B.  3181;  —  lidost 
leodum:  B.  3182;  —  gepw&re:  pegnas  syn  g.  1230;  —  hold  (§92): 
B.  (für  Hl.)  1979,  B.  (dem  Hl.)  2170,  winc  (Hj.  für  B.)  376,  (Hiorojar  l 
söhne  Hereweard)  2161,   Hj.'a  m.  487,   . . .  pis  is  hold  weorod  (B.,  m.) 


Digitized  by  Google 


ADJECT1VA  IM  BEOWÜLFEPOS. 


383 


frean  Scyldinga  290;  hige  (B.  gegen  Hj.)  (267);  —  dddum  gedefe: 
beo  />«  suna  mtnum  d.  g.  (W)?.  zu  B.)  1227;  —  modes  bilde  (§  135): 
swä  me  (B.)  Higeldc  sie  m.  b.  536.  —  mildum  wordum  tö  Giatum 
sprec  (Wp.  zu  Hj.)  (1172). 

§  91.  Merkwürdig  ist,  dass  so  wenig  adjectiva  für  'treu' 
vorkommen,  und  dass  es  kein  einfaches  und  einigermassen 
gebräuchliches  wort  für  'freigebig'  gibt.  Göde  mcere  1952 
dürfte  'reich'  bedeuten  (was  mir  auch  Gen.  2198  als  gesichert 
erscheint),  da  göd  nach  ausweis  der  Wörterbücher  meist  etwas 
concretes  wertvolles  bedeutet:  dinge  mit  denen  man  woltaten 
erweisen  kann.  Dass  unter  den  ausdrücken  für  'freundlich' 
(§  90)  sich  noch  eins  befindet,  das  auch  Freigebigkeit '  andeuten 
kann,  ist  nicht  wahrscheinlich;  milde  wegen  1229,  UÖe  wegen 
der  belege  in  den  Wörterbüchern. 

$  92.  Treu,  festen  sinns:  trywe:  (aghtcylc  uprum,  H3.  und 
Hrofmlf)  1165;  her  si  d-ghwylc  eorl  oprum  getrijwe  1228,  mandrihtnc 
hold  (§90)  1229;  -  fceste  geworht:  ic  (Hg.)  ßd  leode  tcdt  ge  wid 
feond  ge  wid  freond  f.  g.  1864. 

S  93.  Reich,  freigebig:  göde  tndre:  (DryÖo)  1952;  —  ne 
$nead  gifa:  (Hyjd)  1930;  —  geofcna  gemyndig:  beo  wid  Geatas 
.  •  ■  (W>  zu  H3.)  1173. 

§  94.    Leof  heisst  'geliebt',  lad  das  gegenteil;  wrdö  aber 

und  gram  könnten  an  manchen  stellen  auch  =  'bösartig'  sein 

(und  würden  dann  in  die  nächste  gruppe  gehören).  Mitunter 

bedeuten  alle  diese  worte  wie  lad,  fdh,  gram,  wrdö  einfach 

feind',  und  können  deshalb  am  einfachsten  hier  beisammenstehen. 

Gryrefdh  2576  setze  ich  hierher,  weil  mir  die  bedeutung  4 terribiliter 
mfestus'  (Grein;  zugleich  als  parallele  zu  nearofdh)  im  zusammenhange 
am  einleuchtendsten  scheint.  'Terrible  in  its  variegated  colouring',  wie 
bei  Bosworth-Toller  für  möglich  gehalten  wird,  ist  kaum  zutreffend,  da 
wiegated  colouring'  wol  nicht  vorliegt;  'grauenvoll  glänzend1  (Heyne) 
kGnnte  man  bloss  auf  das  feuerspeien  beziehen  wollen  (vgl.  nacod  §  138). 

g  95.  Geliebt:  leof:  B.  203.  1876,  man  (B.)  1994.  2897.  3108, 
Moden  (B.)  3079,  hldford  (B.)  3142,  landfruma  (Scyld)  31,  peoden  (Scyld) 
34,  leodcyning  (Beowulf  I)  54,  man  (Offa)  1943,  man  (^Eschere)  2127, 
(Hondscio)  man  2080,  mon  (t)  297,  . . .  bearnum  7  broörum  (Hildeburhs) 
1073,  men  (B.,  m.)  1915;  anrede:  Beowulf  1216.  1758.  1854.  1987.  2663, 
Hrödgär  1483,  Wiglaf  mb;  leofre:  me  (Wl.)  is  micle  leofre  /xet  . . . 
2651;  leof  his  leodum:  Hj.  618,  Breca  521;  leofost:  B.  2823, 
hcdefia  (.Eschere)  1296;  —  swdfs:  gesidas  29.  1934.  2040.  2518;  leode 
1868;  ipel  520;  —  deore  (§107):  man  (B.)  1879,  duguÖ  488;  deo- 
resta:  (JSschere)  1309;  ~    necs  läöra:  iubs  ic  (B.)  him  (HreÖel)  läöra 


384 


SOHEf  N'RRT 


owihte  fionne  .. .  2432.  —  ne  leof:  f>eah  hini  leof  ne  w<r$  2467  (H^yn 
8.  vater  HreÖel);  —  gefcegra:  he  ...  weard,  mrtg  Higelnces  (B.)  ... 
freondum  gef(egra  915. 

«96.  Verhasst:  lad  (§113.  140):  O.  188.  841.  1257,  d.  2305, 
lyftfloga  (d.)  2315,  tcynn  ~  3040,  B.,  G.  440,  Ue/urrr/xr  oprum)  (B. 
G.)  815;  untiere  550,  scuccum  7  scinnum  938,  cyn  (G.'s)  2008.  23H 
finget  (G.)  (1505),  Ife  83,  man  (B.,  Wl.  gegen  d.)  2672,  t.  242.  lad 
(nentrum)  929;  vgl.  lädbite  1122,  laögeteonn  559.  974:  —  fak: 
(Cain)  1263,  d.  2655,  feondscada  (nntier)  554.  t.  (=  feind)  578:  gryre- 
fäh:  d.  2576;  neatofäh:  d.  2317;  —  gram:  B.  (als  G.'s  feind)  765, 
B.,  G.  (feinde)  777,  untiere  424,  t.  (feind)  1034;  —  tcrdp-.  G.  660.  70». 
untiere  1619;  werod  feinde)  319;  -  uucüß  (§  113.  149):  G.  960. 
—  ne  Hof  ne  lad:  ttnig  mon  (t.)  511;  —  leofes  7  läpes  (neutrumi 
1061.  2910. 

$97.    Willkommen  (begrüssungsformel,  vgl.  hal  §  38) :  tcileuma 
(Deniga  leodum,  B.,  m.)  388,  him  (Hj.)  (B.,  m.)  394,  {Wedern  leodum,  B„ 
m.)  1894. 


§  98.  Die  adjectiva  für  gesammtleistungsfähigkeit  nähern 
sich  in  ihrer  anzalil  denen  für  'tapferkeit';  nur  mit  dem  unter- 
schiede, dass  es  viel  weniger  Synonyma  gibt,  und,  wenigstens 
für  'tüchtig',  so  gut  wie  keine  composita.  Sie  bilden  den  Über- 
gang von  den  specielleren  eigenschaften  (II,  III,  IV)  zu  den 
gefühlsangaben  (VI).  G6d  kann  natürlich,  wie  das  auch  seiner 
ursprünglichen  bedeutung  'passend'  (vgl.  got,  yadiliggs)  ent- 
spricht, bloss  von  sächlichen  concreten  unser  'gut'  bedeuten, 
von  personen  'wacker,  tüchtig,  brauchbar'  (vgl.  §  13).  Gimcyst 
in  rumcystum  göd  ist  eben  das,  wodurch  man  sich  als  god 
erweist. 

Das  gegenteil  zu  göd  wird  dargestellt  durch  'böse'  und 
'schuldig',  die  meist  auf  die  ungeheuer  anwendung  finden. 
Dyme  ist  in  der  bedeutung  'böswillig'  im  ags.  ziemlich  oft 
belegt,  ebenso  leas,  das  für  die  sccawfras  typisch  ist. 

2226  dUrfte  die  lesart  synbysig  vorzuziehen  sein,  da  bysig  oft  genug 
allein  oder  in  compositen  vorkommt  und  auch  hier  einen  guten  sinn  gibt; 
was  aber  sytde'as-ig  angeht,  so  könnte  leasig  seiner  bildung  nach  nicht» 
anderes  heissen  als  'mit  einem  Mem,  einer  fallacia,  behaftet';  die  bedeutung 
würde  demnach  von  der  von  synbysig  kaum  verschieden  sein,  nur  dass 
Ua*  subst.  sehr  selten  und  leasig  nirgends  belegbar  ist  (vgl.  §  161). 

Die  ausdrücke  für  'fromm'  und  'heidnisch'  sind  im  ältesten 
reckenepos,  das  eben  vom  Christentum  noch  nicht  ganz  durch- 
setzt ist,  sehr  selten. 


V.  Tüchtigkeit,  brauohbarkeit. 


Digitized  by  Googl 


ADJECTIVA  IM  BEOWFLFEPOS. 


385 


$  m.  Tüchtig,  wacker:  god:  se  g.  (B.)  205.  384.  675.  1190. 
151&  2327,  B.  1595.  3036,  mctg  Higelaces  (B.)  758,  Jligeldeen  fxgn  (ft.) 
195,  eyning  (B.)  2390,  güöcyning  (B.)  2563,  Hj.  279.  347,  se  g.  fHj,) 
355,  eyiu'f^  (Hj.)  863,  snhtorgefaderan  (Hj.  und  Hro^ulf>  1163,  güA- 
(•yn»«^  (Hl.)  19C9,  w  g.  (Hl.)  2944,  cymwj  (Scjld)  11.  M  <r .  (Onj*nf*ow) 
2919,  güdnncas  (t.)  2648,  t  2249;  ...  he  (B.)  «i*  jarwfteml  göde  teaUU 
9641,  */r«  7#f/;^  (B.)  OVrtta  6ear>»  ^or/w  ««  tealdon  2184 :   Aqfc  2263; 

-  j^fafa  199,  giganta  geweorc  (schwert)  1562,  scbwert  1810;  d&d  (B.) 
(2178);  gumcystum  god:  B.  2543,  Hj.  1486;  —  ttrgdd  irfsiing 
(B.)  2342,  a-peling  (Hj.)  130,  wpeling  (conjectur;  Ächerej  1329;  »>t< 
1*89  2586;  —  seiest:  woroldcyninga  (Hj.)  1685;  sdcyninga  (Hl  y  23862^ 
fa/fo  moncynnes  (Offa)  1956,  magopegna  (.Eschert)  1406,  Vöde  mint 
(B.'s)  416,  rymwjM  (B.'s)  /x-rfias  ~  3122:  -  hü*a  146.  285.  K58.  935, 
&oW<i2326,  rem/ 412,  hrctgla  4.54,  W/a  1144;  (o/W,  256,  tandgit) 
1059;  rtfrf  eahtedon,  hweet  sxciÖferhöxtm  seiest  v&re  irrt  fdrgrynm  U 
Zcfremmanne  173;  —  &?<»<:  «*c,ra  (TZ.)  947.  1759,  <V,r»«  fB.j  1871, 
beadorinca  (Hna?f)  1109;  (o/bst)  3007;  —  *<?/ra  ffftty:  keiner  £iJn  Ji. 
860.  1850,  nffs  ...  sinemtidpum  s.  an  steeorden  hnd  2193,  wintgne  nilran 
hordmaötim  1187;  rfe'afl  &id  *e7rfl  Jjonne  edteitlif  2890.  stire  b>d  rfghtröm 
fxrt  he  his  freond  ttrece  ponne  he  fela  murne  13*4,  feoretffiÖe  teofi  tärtm 
spähte  pämfie  him  selfa  deah  1839;  }xrt  fJ-lre  lic*  rtedo»)  1759;  - 
betera:  B.  1708,  (Herejar)  469;  -  betlie:  (Hanoi)  1H),   (hold)  V.rsrr, 

-  til  (§113):  BägaBl,  (peod)  1250:  ungemele  tili:  fan  (WLj 
2721;  —  pryÖUc:  pegna  heap  400.  1627;  —  Kit*  tn»<;:  B.  2089;  — 

Ä«aA  (§78):  (Hyjd)  1929.  --  Än«Ar«:  rinc  (t.)  952;  —  tryna 
f§  113):  wfgfrecan  (Franken)  1212,   xtigfr.  (t.)  249*;. 

9  100.  Den  anforderungen  an  «eine  art  entsprechend; 
nützlich:  .serarf  (vgl.  §  32):  «pW  873;  —  aoöe  gebunden  Cwol- 
^efügt'):  (tcord)  871:  —  welig:  iriestede  2607;  —  /^*t  fg  74.  101.  1 17> : 
friodowd-r  1096,  freondseipe  2069;  —  unfd-cne:  ic  llea6o-Jk  ardnn  hyldo 
ne  telge,  dryhtsibbe  ddl  Dettum  unfdene,  \riondncipe  fastne  2068;  — 
uigeraftig:  schwert  1811;  -  wy f :  ne  A*s  (G.'s;  feVi«  «Ni;tfM 

«yfte  feaMc  794.  -  unnyt:  («rotf;  3168. 

§  101.  Böse:  bealohydig:  G.  723;  bealewa  gemyndig:  bona 
blödigtod  (G.)  2082;  /^ÄÖa  gemyndig:  d.  »89;  -  trVrij  fß  140): 
^(G.)133;  —  dj/r»<  (§  149):  gdst  1357;  -  jTtf#l  on  fjdm  (...  \&Me 
7  fyrtne)  (§  74.  100.  117):  G.  137;  —  intcit/janr  (?):  G.  749;  —  /,'a*: 
secaiceras  253  (Sievere,  Bei tr.  29, 329  ff  ) ;  —  troA:  wumdorbfbod  1747  (?). 

§  102.  Schuldig:  sinnig:  seeg  (Ott.)  1379;  -  fyrenddtdum 
füg:  se  cpgldca  (G.)  1001;  m««e  /«A:  »««,ra  (G.j  978;  —  synnutn 
scildig:  benemdon  Peodnas  mdtre  Jjat  »e  seeg  wd-re  *.  s.  ne  dotie  wong 
strude  3071;  —  morpres  scyldig:  godes  undsaea  (G.)  1683;  ealdres 
teyldig:  G.  1338,  (se  fdmnan  Jxgn)  2061;  -  nynbysig  (vgl.  Znpitxaa 
fac*imile.  Rieger,  Z*.  fdph.  3,  407 ;  'culpa  laborana'):  t.  2226;  -  synnum 
geswenced:  ladgete'ona  (G.)  975;  —  mor/jre  gemearcod:  (Cain) 
1264;  —  fyrenum  gesyngud:  (gefeoht)  2441  (tötung  des  bruders). 


Digitized  by  Google 


886 


8CHEINERT 


|  103.  Fromm;  heidnisch:  sodfnst:  die  frommen  2830;  — 
h(r/,en  (§140):  mwol  (G.)  (1852),  t.  179.  —  fäg  tciÖ  god:  0.811; 
fremde  ecean  dryhtne:  (/xrorf)  (riesen)  1691. 


8  104.  Unter  den  gefühlsadjectiven  lassen  sich  unter- 
scheiden: 1)  eigentliche,  z.  b.  weorÖ,  atol;  dazu  viele  deut- 
liche ableitungen  wie  gryreltc,  egesfull,  domleas;  —  2)  angaben 
physischer  eigenschaften  verblassen  leicht  zu  intensitäts- 
angaben:  std,  micel,  heard,  fast;  —  3)  seltener  sind  Über- 
tragungen psychischer  eigenschaften  auf  abstracta: 
als  beispiel  .steht  im  Beowulf  dafür  der  auffällige  ausdruck 
mudjan  mee^nes  670.  Doch  ist  die  grenze  nicht  immer  sicher 
zu  ziehen,  so  bei  grim:  man  könnte  versucht  sein,  dies  stets 
als  gefühlsadjectiv  anzusetzen;  doch  stellen  wie  121  und  2043 
weisen  den  gebrauch  für  psychische  eigenschaft  nach  (vgl.  §  84). 

Ausdrücke  für  körperliche,  überhaupt  äussere  Schön- 
heit sind  selten  (vgl.  §  10.  18.  110);  es  ist  aber  wol  möglich, 
dass  manche  andere  gefühlsworte  bis  zu  einem  gewissen  grade 
auch  durch  äussere  Schönheit  hervorgerufen  sind,  nur  ist  diese 
aus  der  aussergewöhnlichen  hochschätzung  noch  nicht  immer 
speeifisch  herausdifferenziert  worden. 

Seilte  ist  wie  wreetlic  vox  media. 

|  105.   Schön:  f<tgen  freoburh  522,  foldbtdd  773,  fxtr  him  foü- 
trexat  fd^ere  fiühton  866,    b\i  was  winter  »cacen,  f.  foidan  beann  1137 
-  §eine:  nur^d  (t.)  3016;  —  triftig:  ~  ealdsweord  1662.  —  «»• 
febger:  leoht  (G.'s  äugen)  (727). 

§  106.  a)  Seltsam:  b)  wunderbar:  seilte:  a)  sebdracan  1426. 
tlof  ~  2086;  b)  spell  2109;  —  ne  »yllicra:  a)  tritt  (d.)  3038;  - 
icrtrtltc:  a)  teyrm  891,  tcläeseon  (G.'s  hanpt)  (1650);  b)  wtgbord  2339. 
ica-gsweord  1481*,  wundormüdÖum  2173;  —  tcundorlic:  b)  tc&gb ora  1440 

§  107.  Kostbar:  deore  (§95):  sweord  561.  3048,  iren  2050, 
mdddum  1528.  2236.  3131,   drincfiet  2254.  2306. 

§  108.  Berühmt,  geehrt:  röf  (vgl.  §  13):  »e  r.  B.  2690,  rand- 
xriga  (B.)  1793,  öretta  (B.)  2538;  mtrjrnes  röf:  G.  2084;  ellenröf: 
B.  340.  358,  eorl  (B.)  3063,  Hj.'s  m.  1787;  drtdum  röf:  B.  2ßfi6; 
beadurof:  B.  3160  (vgl.  bregoröf):  güÖröf:  sinces  brytta  ~  (Hj.) 
608;  heaöoröf:  B.  381,  cyning  (Hl.)  2191,  B/s  und  HjVm.  864;  rö/" 
nUgetoeorca:  G.  682  f.;  bregoröf:  Hl.  1925  (vielleicht  beadurof  w 
lesen);  higerof:  B.  'J04  (von  Grein  coujiciert:  B.  403);  higerof: 
k'jninz  (H3  )  619;    -    wtfre  (von  hochgestellten  personen)  (§  109):  G#t 


VI.  Gefiihlsoindrücke. 


Digitized  byiÄigl' 


ADJECTIVA  IM  BE0WULFEP08. 


387 


(B.)  1301,  maga  EcgÖe'otces  (B.)  2587,  cempa  (B.)  1761,  se  m.  (H3.)  270, 
maga  Hecdfdenes  (H5.)  1474.  2011,  (Scyld)  36,  magufiegn  (Hondscio) 
2079,  citen  (WealhJ>eow)  2016,  peodna*  3070;  ct/n  1729;  —  beorh  3098, 
nutdtmmsweord  123,  madfjumftrt  2405  [von  Grein  conjiciert:  gemeting 
2001];  ma>re  peodcn  ('hehr',  'erhaben'):  B.  797.  1598.  2572.  2721.  2788. 
3141,  Hj.  129.  201.  345.  353.  1046.  1992,  (Heremod)  1715,  (Onela)  23*1; 
fortmttrost:  receda  (Heorot)  309;  wide  mrtroHt:  wreccena  (Sije- 
mnnd)  898;  headomrtre:  B.'s  m.  2802;  —  cnÖ  (§149):  (ecg)  1145; 
tcidcüd  (§149):  man  (B.)  1489,  H3.  1042:  wea  (1991);  giidum  cud: 
,;uma  (B.)  2178;  —  cystum  cud:  prer  him  foldwegas  pühton  . . .  c.  c.  867; 
-  blddfast:  beorn  (Jtochere)  1299;  bldddgeude:  (Hj.  nnd  Hropulf) 
1013;  -  ti'rfast:  bealihorda  weard  ~  (Hj.)  922;  tireadig:  man  (B.) 
2189;  —  breme:  (Beowulf  I)  18;  --  fulcum  gefräge  (§149):  (Beo- 
wulf I)  55:  —  ßrydum  dral:  (Geatmccgas)  494  (vgl.  Grimm  zu  Andreas 
1097:  'robore  clari');  —  s  ig  eh  redig  (§  135):  gott  94;  —  manegum 
;ecyPed:  (mödsef'a)  (B.)  (349);  cystum  gecyped:  beahJwrda  tccard 
(H5.)  923;  f oleum  gecyPed:  (Ecgßeote)  262;  —  weord:  tv.  Denum 
(rpeling  (B.)  1814,  B.,  m.  368,  ne  hyne  (B.)  . . .  micles  teyrdne  drihten  wc- 
reda  ged6n  tcolde  2185;  iryrdra:  keiner  als  B.  860;  he  xydpan  wa>s  ... 
mäpme  fiy  weorpra  (B.)  1902;  —  weoröfullost:  uigend  (B.)  3099;  — 
lyrdtryrde:  man  (B.)  1316;  —  dorne  gewurpad:  mon  (B.)  1645; 
iciggeweorfiad:  B.  1683;    wide  geweordod:  (Offa)  1959. 

$  109.  Verrufen,  ruhmlos:  m<tre  (§  108):  mearcstnpa  (G.)  103, 
st  m.  (G.)  762;  —  tirleas:  G.  843;  —  dömleas:  dd>d  (Jleam)  2890. 

§  110.  Unter  den  allgemeineren  ausdrücken,  wie  'herr- 
lich' und  'entsetzlich',  sind  die  bildungen  auf  -lic  (vgl.  §  161) 
sehr  zahlreich.  LcofUc  bedeutet  'derart  dass  man  es  lieb  haben 
muss',  und  es  wird  daher  meist  im  sinne  von  'schön'  gebraucht. 
Dass  aber  Wiglaf  als  der  einzige  held  'schön'  genannt  werden 
sollte,  ist  nicht  glaublich,  und  deshalb  wol  die  allgemeinere 
bedeutung  'köstlich,  herrlich'  anzunehmen.  Das  gleiche  wird 
für  Andreas  1448  {leoflic  cempa),  Gen.  1703  {eafora  leofh'c,  von 
I/)t),  vielleicht  auch  für  Cri.  400  (UofUcne,  von  gott)  das  pas- 
sendste sein.  JBeorht  ist  158  sicher,  ebenso  wol  2803  gefühlswort. 

In  der  Sphäre  derjenigen  allgemeinsten  ausdrücke,  die  mit 
einer  Stimmungserregung  enger  zusammenhängen  ('herrlich' 
etc.),  sind  auch  die  negativen  gegentypen  häufig:  'schrecklich'. 

In  2442  ist  die  combination  von  hreöre  mit  hygemeöe  mindestens 
bedenklich;  mau  mtisste  wol  HreÖie  lesen;  es  ist  aber  auch  nicht  erklärt, 
wie  hygemeöe  (==  'traurig')  zu  der  bedeutung  'traurig  machend'  kommen 
soll,  weuigstens  kommt  diese  art  Übertragung  sonst  im  Beowulf  nicht  vor. 
Es  könnte  aber  ganz  wol  nach  HreÖie  ein  Substantiv  gestanden  haben ;  ob 
hygemeöu? 


388 


SCHEINERT 


§  III.  Angenehm,  herrlich:  (tnlic  (vgl.  §  18.  88):  ansyn 
dritte,  B.'s)  (251);  -  dryhtlie  (§88):  iren  892:  —  eorlie:  ie  (B.)  j,t- 
fremmun  »real  e.  eüen  (637);  —  leoflic:  lindwiga  (WL)  2603,  iren  1809: 
prymlic:  precwtulu  1246;  —  wynsttm:  tcudu  (schiff)  1919,  (teord\ 
(612);  -  getctse:  fra>gn  gif  him  wrtre  niht  g.  1320;  —  orleahtrt: 
cyning  (Hj.)  1886;  —  untdle:  Hj.,  m.  1865;  —  unwdclic:  dd  3138; 

—  N ft* 8  fracod:  (eeg)  1575.  —  vgl.  heahgestreon  (§56.  8a  114.  U7) 
2302;  -  6corA<(§50):  JUtf»  2803,  6«M58;  -  front  (§  82):  /VoAjtfi 
21;  —  Mfi/<rs  (§  57.  140.  147):  /«c  43;  —  ne  särlic  (§  137):  Atf 
(G.'s)  Ufgedäl  seega  (enegum  (842);  —  meagol:  word  (Hl.)  (etwa  'ein- 
dringlich, herzlich')  (1980). 

§  112.    Heilig:  Äa/i«j:  ,süd  381.  1553,    dryhten  686. 

§  113.  Schrecklich:  atol:  ti-glctea  (G.)  159.  592.  732.  816,  «n- 
gengea  (0.)  165,  Gm.  2074,  inwitgtfst  (<L) 2670;  —  e/om  1502;  yWo  17M; 
inwitscear  2478;    ergpracu  596;    y/w  gesicing  (848);    ateltc:  egesa  lHi\ 

—  earmlir:  scolde  bis  (G.'s)  aldorgeddl  e.  wuröan  (807);  —  egtslic: 
eordilraca  2825,  Girmör«  Aca/orJ  (1649),  /ruma  (d.)  (2309);  e;etf«ft 
/Vrrfer  Öhtheres  (OnjenJ>eow)  2929;  —  grimlic:  gryre  (d.)  3041;  - 
gryrelic:  gist  (untier)  1441,  grutulhyrde  (Gm.)  2136;  —  hetelie:  heoro- 
wearh(d.)  1267:  —  geocor:  (sid)  765:  —  geomorlic:  sied  bid  geomorlic 
gontelum  ceorle  tö  gebidanne  fxvt  his  byre  ride  giong  on  galgan  2444;  — 
lad  (§96.  140):  (gewin)  134.  192,  spei  (3029);  läÖlie:  Ide  (G.'s  bente) 
1584;  -  sliÖe(n):  geslyht  2398,  sweordbealo  1147,  >itö  184;  —  forno«(: 
Ärcotc«  2129;  —  ondrysne:  firen  1932;  —  unheore:  wif  2120,  irwrl 
(d.)  2413,   egl  (G.'s)  (987):   Hfl  /«eoru:  stow  (Grendels  wohnung)  (1372); 

—  uneüd  (§96.149):  mV)  276;  -  wynleas:  tcudu  (1416),  trt'c  (821  > 
(G.'s  wohnung).  —  w (elf dg:  teinter  (1128);  —  ceald  (§72.  124):  cearsrf 
2396;   —   grim  (§84.  134):   gledegesa  2650,    ^npc  1148,  ^rn/) 

jtW  527,  geoseeaft  1234;  —  heaöugrim:  niht  7  tn'wf  ~  548;  —  heoro- 
grim:  hild  1847;  —  nidgritn:  nt/tHcracw  193;  —  frecne  (§  140). 
folees  ewen  (DryÖo)  1932  (hs.  fremu),  fyrdraea  2689,  AM  (Sijeniund) 
(889),  fela  lafe  (Schwerter)  1032,  fengeldd  (1359),  stow  (1378),  /wr*. 
bealo  2250.  2537;  —  mc  til  (§  99):  (gewrixle)  (Dänen  und  Gen.)  (1304): 
wyrsa  (§99):  öonne  wette  ic  (UnferÖ)  tö  fie  (B.)  wyrsan  gepingea  .... 
gif  Öü  Grendies  dearst  rtian  bidan  525;  (Onjenpeow)  forgeald  . . .  uyrwn 
icrirlc  worlhletn  pone  2969. 

$  114.  Schwer  lastend,  voll  sorge:  bealu:  bealwon  bendum 
(877);  —  heah  (§56.  88.  111.  117):  geseeap  (3084);  —  sorhfull  (§136): 
«8  512.  1278.  1429;  —  bisgum  gebunden:  (sUep)  (1742);  —  hredre 
hygemede  (?)  (§  136):  brudermord  2442. 

§  115.  Von  den  eigentlichen  intensitätsbezeichnungen 
lassen  sich  noch  die  mehr  quantitativen  (meist  bei  colleetiv- 
begriffen)  absondern.  Gebraucht  werden  in  beiden  fällen  ge- 
wöhnlich die  ausdrücke  der  raumgrösse. 

§  litt.   Quantitätsangaben,  den  intensitätsangaben  sich 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


389 


nähernd:  micel  (§  57.  117.  140.  147):  getrum  922,  magodriht  67, 
matgenbyrÖen  3091;  —  ne  mära  (§57.  117.  147):  weorod  1011;  —  sid 
(§  55.  85.  117):  hexe  2347;  —  tcid  (§  55):  feorh  933.  2014;  vgl.  wideferhp 
702.  937.  1222;  —  unlytel  (§117):  dt^uä  498;  vgl.  sinhere  (§46) 
2936,  synsn&d  743;  syndolh  817;  —  heardfyrde:  d<tl  eorlgestriona 
2245.  -  /t/<e/  (§  117.  147):  >«c<ra  Ä/m  fö  lytel  pcet  he  to  lange  htold  1748. 

g  117.  Intensitätsangaben:  sid  (§55.  85-  116):  sorÄ  149;  - 
micel  (§57.  116.  140.  147):  wrctc  170,  morfcearu  1778,  est  958,  tnorA-™- 
IW^  129,  wu ndor  771,  rf  rewfc  270,  />ear/"  2S49;  ^/uri/Zc  A/ora  Ais  (Un- 
ferO)  ferhpe  treowde,  fccei  he  hcefde  nxod  m.  1167;  —  mdra  (§57.  116. 
147):  moröbeaiu  136;  morgen  518,  merestrengo  533;  mdra  ...: 
mundgripe  753,  medudream  2016,  »c  (B.)  »mcfj  /w'nre  (Hj.)  mödlufan 
müran  tilian  1823;  —  wff*(  (§57):  crwft  2181,  /&A£  459,  nihtbealwa 
193,  hygesorga  2328,  rortrÖa  2645,  hondwundra  (segn)  2768,  worolde 
icyn  1079;  -  unlytel  (§116):  fom  833,  rföm  885:  —  «ö  /tfsesf: 
hondgemdta  2354;  —  nas  «<*<Ofi:  magenfultuma  (Hrnntinj)  1455;  — 
vgl.  heahlufu  (§56.  88.  111.  114)  1954;  —  co/ra:  .../>«  cearwylmas 
cölran  icurdap  282;  fihnl.  tviflufan  2066;  —  Aeard  (§  73.  82):  heoro- 
stceng  1590,  c/aro  963.  1335,  tvroht  ~  2914,  hereniÖ  2474,  hreperbealo 
1343,  hynöo  166;  Ais  aW>r  gehöhte,  heardan  ceape  2482;  ne  heardre  . .: 
/VoAte  ...  576;  —  Ars«  (§74.  100.  101):  («Up)  1742;  -  ginf<est:  gifu 
(stärke)  1271.  2182;  —  ueallinde  (§69):  heortan  sorh  2464;  -  sträng 
(§78):  (gewin)  133;  -  swid  (§140):  (gewin)  191,  Cri/ete)  3085;  - 
mödig  (§82.  127):  ma-6-en  670.  -  lytel  (§116.  147):  lifwradtt  mi. 

§  118.  Leicht;  schwer:  e'afle:  . . .  pancedon  pcespe  him  ypläde 
ende  wurdon  228;  nas  ipe:  siÖ  2586,  ceap  2415,  »h>  jba-f  yfo  byd  to 
befleonne  (der  tod)  1002  (vgl.  K.  Köhler,  Der  syntakt.  gebrauch  des  inf.  und 
part.  im  Beowulf,  Münster  1886,  s.48f.). 

VII.  Schicksal. 

§  119.  Angaben  über  das  Schicksal  sind  naturgeinäss 
nicht  häufig.  Eadig  scheint  an  den  meisten  belegsteilen  des 
B.  die  bedeutung  'glücklich',  nicht  'reich'  zu  haben.  'Unglück- 
lich' ist  eine  eigenschaft  besonders  der  ungeheuer. 

§120.  Glücklich:  iadig:  mon  (t.)  2470;  wes  penden  fm  lifige 
(tpeling  iadig  (\\>  zu  B.)  1225;  si  gor  iadig:  secg  (B.)  1311.  2352; 
ugeiadig:  bil  1557. 

§  121.  Elend,  unglücklich,  verflucht:  hian  (§  130):  G.  1274. 
2099;  —  driamlias:  Heremod  1720;  driama  Uas  G.  850;  driame 
bedaled:  G.  1275;  dreamum  bedceled:  rinc  ~  G.  721;  —  earm- 
sceapen:  G.  1351,  (secg)  2228;  —  fiasceaft  (§131):  guma  (G.)  973, 
man  (schatzdieb)  2285;  —  wonsälig:  wer  (G.)  105;  —  hellbendum 
fast:  diope  benemdon  piodnas  märe  . . .  Jxet  se  secg  wdbre ...  h.  f.  ...  se 
done  wong  strude  3071. 


390 


SCHEINERT 


VIII.    Zu  s  t  an  da  angab  en. 

(Parallel  zu  II  bis  VII). 

§  122.  Dass  die  zustandsangaben  in  Situationstypen  und 
in  kennzeichnungen  specieller  fälle  geschieden  werden  müssen, 
ist  bereits  erwähnt.  Blödig  (vgl.  §  14)  ist  einmal  (2440)  pro- 
leptisch  gebraucht,  der  einzige  fall  von  proleptischem  adjectivum 
im  Beowulf,  so  viel  ich  sehe,  zu  erklären  vielleicht  nicht  als 
eigentliche  prolepse,  sondern  als  epitheton  perpetuum.  Dass 
fdmighedls  situationstypisch  ist,  beweisen  Gen.  1417.  EL  237. 
Rä.  432.  Metr.  2626. 

Tydre  und  unleof  (2847.  2863)  wird  natürlich  von  den 
mannen  Beowulfs  bloss  vorübergehend  ausgesagt. 

'Zornig',  'froh',  'traurig'  sind  wider  situationstypen. 
Für  'traurig'  sind  sehr  viele  Synonyma  vorhanden,  wie  über- 
haupt 'traurig'  viel  häufiger  ist  als  'froh'. 

Physisch  (vgl.  II). 

§123.  Blutig:  dreorig  (§40):  (werter)  1417;  heorodreori; 
(§40):  (hüsa  seiest)  93b,  hafela  (G.'s)  1780;  dreorfäh:  (dnhtsele)  485: 
waldreore  fäh:  water  ~  1631;  -  blödig:  wal  448,  beadufobn  990; 
gär  (proleptisch)  2440;  blöde  fäh  (§40.  42):  (hüsa  seiest)  934,  (brm) 
1594;  —  swätig:  (sieeord  was  s.)  1569;  swätfäh:  syree  IUI;  swäte 
fäh:  siveord  1286;  fäh  (§50):  B.  420;  —  blöd  igt  öd:  bona  (G.)  2082; 
blöde  bestymed:  (bencfielu)  486;  vgl.  he  geblödegod  wearö  satnä- 
driore  2692. 

J|  124.  Vereinzeltes:  fätnigheals:  ftota  218,  schiff  1909:  - 
niwtyrwyd:  naca  295;  —  isig:  (far)  33  (Sievern,  Beitr.  27,  572) ;  —  Ut 
gelicost:  meord  gemealt 1609;  —  n a  co  d  (§  139):  swurd  539,  gudbill 
~  2585;  -  morgenceald  (§72.  118):  gär  ~  3022;  —  windig  (§75): 
rest  2456;  -  hreo  (§  133.  135.  136):  iyßa)  54a 

Persönlich  (vgl.  III). 

g  125*  Körperliches:  sdnra:  he  on  höhne  wees  sundes  pe  «furo 
(wägbora)  1436;  —  samra  (§78):  sytnle  was  py  samra  (d.)  2880; 
fugle  gelt  co  st:  flota  218;  —  swigra:  dä  was  s.  seeg,  sunu  Ecgläfes  960. 

§126.  Bereit:  sides  fus:  B.  1475;  hinfüs:  (hige)  (G.)  (755); 
fus  tö  farenne:  B.'s  m.  1805;  leofra  manna  füs:  (hytoccard)  1916: 
ütfüs:  (far)  33;  füsltc  (übertragen,  vgl.  §  26):  fyrdsearo  232.  2618, 
fyrdUoÖ  1424;  gupt  gefysed:  B.  630,  gef.  sacce  tö  seceanne:  (d.) 
2561;  —  gearu  (§37.  81):  beornas  211,  (hyötceard)  1914;  gearofol». 
G.  2085;  gearo  gyrnwrace:  Gm.  2118;  —  eftstÖes  georn:  (är) 
(Wl.)  2783. 


Digitized  by  GoogU 


ADJECT1VA  M  BEOWTLFEPOS. 


f  127.  Vereinzeltes:  mödig  (%  SC):  swa  he  nr  mAie:  no  he  jxr* 
m.  was,  wctpna  gewealdan  CB.)  1508:  —  on  möde  from:  ie  com  o.  m_ 
f.,Jxrt  ie  ...  (B.)  2527:  —  n<r$  forht:  «Onsenpeow,  2967:  forAf:  ke 
(G.)  an  woJ«  iward  on  ferhöe  754;  —  tydre:  treoxioga  < B.  *  m »  >>47: 
-  wrfroa  gemyndig:  efi  *<rs  ...  m.  g.  mir;  Hygeittce*  <B..i  lö&>:  — 
llte  bearngebyrdo:  (metod)  945. 

Verhältnis  zu  andern  (vgl  IT). 

§  128.  aldorleas:  Dänen  15;  hläfordleat:  Hamerns  m.  2935: 
Peodenleas:  Dänen  in  Frieslaud  1103;  —  ortreardc  drachenschatx 
3127;  -  freondum  bcfeallen:  Dänen  und  Friesen  112»»:  —  <trne$ 
pearfa  (?)  (vgl.  Zupitzas  ausgäbe):  (ßegn  mithtrylee*,  der  schatzdiefe; 
2225;  -  unUof:  B.'s  m.  2863. 

Tüchtigkeit  (rgL  V). 

§  129.   unnyt  (§  100):  (Heorot)  413;  -  bealohycgen de:  B.  und 

d.  2565. 

Verachtet,  elend  (vgl.  Vit). 
|  130.   he  an  (§  121):  B.  2183,  schatxdieb  2408. 

In  not  (ygL  VIT). 

|  131.  «arm:  dnAaja  (B.)  2368,  teoA  2938;  «<•  earmra:  man 
(als  B.)  577;  -  feasceaft  (§  121):  (Scyld)  7,  &N&b  -  2393,  Geaten 
nach  m.'s  tode  2373. 

Stimmung  (zu  III). 

|  132.  Trunken:  druncen:  drihtguman  1231,  he&rdgeneatas  2179: 
6^ore  druncen:  UnferÖ  ~  531;   M>ffM  rfrt<«c*n:  (Unferö)  1467. 

$  133.  Aufgeregt,  wild:  Are'oÄ  (§  124.  135.  136):  B.  1564:  on 
hrion  mode  d.  2581;  hreohmod  (§  136):  d.  2296;  -  vdfre  (§81): 
Hefa)  (2420)  (B.),  mod  (Guölaf  und  Oslaf)  (1150);  -  onhrered:  (mere- 
fixa  mod)  (549). 

g  134.  Zornig:  yrr«:  B.  1575,  öretta  (B.)  1532,  G.2073,  B.,  G.  769, 
Gm.  1447,  d.  2669;  yrremöd  G.  726;  —  gebolgen:  B.  709.  1539.  2550, 
G.  723,  d.  2304.  2220,  Untiere  1431;  torne  gebolgen:  B.  2401;  bolgen- 
wod  (§84):  B.  709;  —  heorogrim:  B.  1564;  —  repe  (§84):  cempa 
(B.)  1585,  B.,  G.  770;  —  awrrtd:  B.  1529.  1575;  —  6»fer  (§  71):  untiere 
1431.  —  grim  (§84.  113):  omfotrarti  (Wl.)  (2860). 

§  135.  Stolz,  froh:  goldwlanc:  gübrinc  (B.)  1881;  dtte  xclanc: 
(Gm.)  1332;  —  since  hremig:  B.  1882;  fratteum  hremig:  byre 
nnthttylees  ~  2054:  Aud«-  hremig:  G.  124;  -  />//<-  gefee^nod:  Gm. 
1333;  —  sigehredig  (§  108):  WL  2756,  ti«  ivendon  Jxrt  he  (B.)  s.  secean 
ncome  metrne  peoden  1597;  —  bliÖheort:  hrefn  ~  1802;  —  j/a-d: 
Scyldingas  58;  j/frdrood:  (Geat,  B.)  1785;  —  ferhpum  fagen:  B.'s 
nnd  Hj/s  leute  1633;  —  dreamhealdende:  Hj.'s  m.  1227;  —  nots 
hrioh  (§  124.  133.  136):  na>8  htm  h.  sefa  (B.)  (2180);  -  bltöe  (§90): 


Digitized  by  Google 


392 


BCHEIHBBT 


bced  (Yv»  hine  (Hj.)  bliÖne  aH  p&re  beorpege  617;  —  sorhUas:  ic  (B ) 
Air  pi  ponne  gehdte  paH  pü  on  Ileorote  most  s.  swefan  (Hj.)  1672;  — 
hrudra  gemyndig  (für  den  andern  auf  freude  bedacht):  B.,  Hl.  2171. 

g  18«.  Traurig:  gtomor:  ides  (Hildeburh)  1075,  (sefa)  (B.)(2419), 
(sefa)  (Wl.)  (2632),  (sefa)  (Dänen)  (49);  modgiomor:  (eortwered)  2894. 
müdes  geomor:  Ö.  2100;  geomor  mod:  (eald  atscwiga)  2044,  (gumena 
ndthxcylc  a*pelan  cynnes,  vgl.  2233)  2267,  (magÖ)  (t.)  3018;  f  elageomor: 
(Ongenpeow)  2950;  hygegtomor:  schatrdieb  2408;  —  sdrig  ferÖ:  seq 
(Wl.)  2863;  sdrigmöd:  H«ocyns  m.  2942;  —  sorhcearig:  B.'s  gattin 
3152,  (gomel  ceorl,  . . .  Ponne  Am  sunu  hangaÖ  ... ,  vgl.  2444)  2455: 
sorhfull  (§114):  Gm.  2119;  —  galgmöd:  his  (G.'s)  modor  ~  1277 
(vgl.  Wright-Wülker,  Vocabularies  t\  172,  1:  tristis,  unrdt  tel  geaih);  — 
higemede  (§  114):  [B.  oder]  Wl.  2909  (Sievere,  Beitr.9, 142.  Bugge,  ebd*. 
12,106);  —  wer  i gm  od:  0.  844,  Gm.  1543;  —  müdes  seoc:  B.'s  m. 
1603;  —  unbliöe:  Hj.  130,  B.'b  m.  3031,  Grurnrna  ndthwylc)  2268;  - 
unrot:  B.'s  m.  3148:  —  ncalle*  hremig:  necdles  Hetware  hremge  Porf- 
ton  fedeiciges  2864;  —  witirMewde:  (mod)  (Dänen)  (50):  —  hiofendt. 
hcrled  (B.'s  m.)  3142;  —  wollentear:  B.'s  ni.  3032;  —  Peostre:  gePone 
(B.)  (2332);  —  Ar«! oh  (§  124.  133.  135):  on  hreon  mode  (H^.)  (1307): 
hreohmüd  (§  133):  Hj.  2132. 

^  137,  Schmerzvoll:  s<<r:  tron/  (2058);  adrig:  sang  (2447);  — 
sigeleas:  sang  (787);  —  vgl.  giomorgyd  (3150);  —  rote  berofen 
('freudlos'):  rest  (2457);  —  sdrlic  (§  III):  gyd  (searolic?)  2109. 

IX.  Speoielle  Charakteristik;  logische  zusätzo. 

§  138.  Der  eigenschaften,  die  sich  nicht  unter  die  ge- 
bräuchlichen typen  einordnen  lassen,  sind  sehr  wenige.  Nacod 
2273  muss  wol  einen  vernünftigen  sinn  haben,  da  der  dichter 
statt  niödraca  ebenso  gut  eorddraca,  ligdraca,  fyrdraca  wählen 
konnte;  es  dürfte  eine  glatte,  unbehaarte,  schlangen  artige  haut 
andeuten. 

Mistig  und  hrimed  sind  specielle  eigenschaften,  sie  helfen 
aber  die  gegend,  wo  die  ungeheuer  hausen,  als  etwas  entsetz- 
liches beschreiben. 

In  einigen  fällen  entsteht  durch  zusammenrückung  von 
Substantiv  und  logisch  (§  5, 1)  gebrauchtem  attribut  ein  neuer 
begriff;  z.  b.  wvrga gcest  =  'teufel'.  Ein  paar  Substantivierungen, 
m&gomelan  =  'vorfahren',  haben  eine  ganz  bestimmt  umgrenzte 
bedeutung  angenommen. 

§  139.  Speciell:  bdnfdg:  (Heorot)  780;  —  stdnfdh:  (stritt) 
320;  —  nacod  ('glitschrig,  glatt';  §  124):  niödraca  2273;  —  heoro- 
höcyhte:  eoforspreot  1438.  —  mistig:  mör  (162);  —  hrimed:  beanau 
(1363).  —  nces  goldhwcet  (?):  B.  3074;  —  lagucraftig:  man  209.  - 


Digitized  bj^jOOg 


ADJECTIVA  IM  BEOW ULFEPOS. 


393 


lärena  god:  tces  pu,  üs  l.  g.  (B.  zum  endesata)  269;  lära  UÖe:  pyssum 
cntftlum  tces  l.  I.  (Wj>.  za  B.)  1220.  —  gilphladen:  guma  (scop)  868; 
—  gidda  gemyndig:  guma  ~  (scop)  868.  —  änfeald:  gepdht  {endesctta) 
(256).-  feohleas:  gefeoht  2441.  -  feormendleas:  fatn  2761.  —  lond- 
rihtes  idel:  l.  möt  ...  monna  gehwylc  idel  hiceorfan,  siddan  apelingas 
feorran  gefricgean  fleam  eoiceme  2886. 

§140.  Logisch:  ece  rad  («Seelenheil';  §  46)  1201.1760.  —  se 
virga  gast  ('teufel';  §  101)  1747.  —  frecnu  sprac  ('Unverschämtheit'; 
§113)  1104.  —  lad  gewideru  ('unwetter';  §96.  113)  1375.  —  läöum 
ddtdum  ('feindseligkeiten')  2467.  —  Purh  hastne  hdd  ('mit  heftigkeit') 
1335.  —  se  micla  dorn  ('jüngstes  gericht';  §57.  116.  117.  147)  978.  — 
gomelan  ('vorfahren';  §45)  2036.  -  sio  swiöre  ('rechte  hand';  §117) 
209a  -  for  lassan  ('für  geringeres';  §57.  111.  147)  951.  -  vgl.  wil- 
de or  1430.  —  cwenlic:  ne  biÖ  swylc  c.  peaw  1940.  —  entisc:  heim 
2979.  -  eotenisc:  eald  sweord  1558.  2616.  2979.  -  haöen  (§103): 
hord  2216,  gold  2276. 

X.  Adjectiva  determinativa;  Zeitangaben. 

§  141.  Nicht  poetische  adjectiva,  aber  von  ziemlicher 
Wichtigkeit  sind  die  determinativa.  Ich  stelle  zuerst  die 
angaben  allgemeinerer  räumlicher  Orientierung,  dann  die  über 
läge  und  richtung  zusammen;  dann  besondere  bestimmungen 
am  object,  wie  'voll',  'leer',  'ganz',  'halb'.  Die  übrigen  wie 
neah  und  gemdene  dienen  meist  übertragen  zum  ausdruck  irgend 
welcher  Verhältnisse.  Die  angaben  über  grosse  anzahl  sind, 
ähnlich  wie  die  grössenangaben,  oft  bloss  formelhaft,  nament- 
lich monig  und  eall.  Die  Zeitangaben  dienen  entweder  der 
relativ  zeitlichen  Orientierung  ('früher',  'später'),  oder  zur  an- 
gäbe der  Zeitdauer,  und  natürlich  wird  auch  hier  mit  emphase 
typisiert  in  den  gegensätzen  'lang'  und  'kurz'. 

§  142.  Weitere  Orientierung  eines  objects  im  Verhältnis 
zu  anderen:  feorrancund:  B.  1785;  feorrancumen:  ~  Giata 
Mode  361,  B.,  m.  1819;  —  elpeodig:  men  (B.,  m.)  336.  —  on  ancre 
fast-,  (scip)  303;  oncerbendum  fast:  (scip)  1918;  —  legerbedde 
fast:  (lichoma)  1007;  -  handa  fast:  (sidrand  Jtafen  h.  f.)  1290; 
fcondgräpum  fast  fürchtet  B.  zu  fallen  636.  —  gründe  getenge: 
gold  2758.  —  süpan  füs:  (sigl)  1966.  —  feor:  nis  P(et  feor  heonon 
mtlgcmearces  pat  se  mere  standed  . . .  1361,  nas  htm  feor panon  tö  gesecanne 
sinces  bryitan  1921. 

%  143.  Specielle  Orientierung  des  objects:  andweard:  stein 
1287,  ütweard:  (eoton)  761,  ütanteeard:  Idato  ~  2297,  inneweard: 
bold  ~  998,  innanweard:  Heort  991,  flet  1976.  —  andlong:  eorl 
(WL)2ÖÖ6,    uplang:  B.  759;  -   uppriht:  B.  2092. 

B*itra<c  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.   XXX.  27 


f  144.  Besondere  bestimmungen:  pyslic:  Pearf 2637  (vgL  swyk 
5^2»-  —  r«*^r?  ye/i>:  fiower  mearas  2164.  —  /"*//:  tcrcrtta  -  urira  (Wrfv) 
2412:  —  Mff:  iHeoroi)  14ö.  413:  idelhende:  no  . . .  üt  . . .  i.  bona 
V: -i ig\<A  ••■  >^"*i'J»»  «roW«  2081.  —  oj)?n:  (hordwyn)  2271.  —  westen: 
(k*uW;>  24»  -  h'cilf-  \heah  1087.  —  Vgl.  MtrfrfeitttAi  2782.  283ä 
s*id<ia m^ard  75-  504.  751.  1771.  2096.  —  fa//  (in  cap.  n,  A  nicht  mit 
verzekLn-t:  §  146)  C  etwas  seinem  voUen  umfange  nach';  meist  quantitativ, 
aber  auch  inten«ivr.  rgL  die  Wörterbücher. 

§  14*.  Uebertragener  gebrauch;  allgemeinere  relation: 
hv^ebendum  fast:  ac  him  (Hj.)  on  hreÖre  h.  f.  cefter  deorum  men  (B.) 

dvrne  lan^aö  b<am  1S78.  —   neah:  bid  ...  bona  Steide  n.  1743,  him 

(B.)  xras  . . .  wyrd  ungemete  neah  2420,  öd  wees  . . .  dead  ungemete  neah 
(für  B)  2728.  —  gemeine:  ßdr  unc  (B.,  Gm.)  hwile  teces  hand  gem.  2137, 
pä  wa-s  «ynn  7  MCU  Sweona  7  Geata  ...  trroAt  gemetne  2473;  unc  **a/ 
trorw  /Wa  in«//ma  gemetnra  1784;  Ähnl.  1860.  2660;  (Hj.  zu  B.)  fci/arf  /m 
gefered  paH  jxtm  f oleum  sceal,  Geata  leodum  ond  Gdr-Denum  sib  gemetne 
...  1857.  —  gelenge:  yrfeweard  ~  Met  gel.  2732.  —  gelang:  (H3.  zu  B.) 
nü  in  *e  retd  g.  efi  at  ßc  dnum  1376;  (B.:  Hl.)  gen  is  call  aA  de  lissa  g.: 
ic  lyt  hafo  heafodmäga  nefne  Ilygeläe  öec!  2150.  —  gecynde:  him  (HJ.. 
B.)  was  bäm  somod  . . .  lond  g.  . . .  2197,  eücn  . . . ,  craft  ond  eenÖUy  awa 
him  g.  wees  (WL)  2696. 

f  146.  Häufigkeitsangaben  (in  cap.  II,  A  nicht  mit  verzeichnet): 
änga:  dohtor  375.  2997,  eafera  1547,  brößor  1262.  —  monig:  attributiv 
oder  absolut  gebraucht,  auch  im  plur.  mit  gen.  plur.  des  subst:  im  ersten 
falle  von  lebewesen  und  sächlichen  concreten,  sonst  bloss  von  personen. 
zusammen  34  mal.  Vgl.  die  Wörterbücher.  —  genöh:  beagas  3104. 
fethöo  2489.  —  «nn'm(e):  gold  3012.  3135.  —  fela:  absolut  oder  mit  abh. 
gen.  —  ealle  (§  144):  absolut,  attributiv  oder  mit  abhängigem  gen.;  stets 
von  personen  (ausnähme  1796);  zusammen  21  mal.  —  fia:  abs.  1081.  1412- 
3061,   fia  worda  2246.  2662. 

$147.  Zeitangaben:  dtrran  mctlum  907.  2237.  3035;  vfaran 
dogrum  2200.  2392;  nyhstan  siöe  1208.  2511;  hindeman  side  2049- 
2517;  niowan  stefne  1789.  2594;  a>t  siöestan  3013;  sidast  *ige- 
hteila  (peem  piodne,  B.)  2710;  gingeeste  tcord  (Jwm  gomelan,  B.)  2817: 
—  lange  tid  (§46.55)  1915;  lange  hwile  16.2160.2780;  lange  Präge 
54.  114.  1257;  was  seo  hwil  micel  (§  57.  116.  117.  140)  146:  Igtle 
hwile  (§  116.  117)  2030.  2097;  lytel  fac  2240;  nces  mära  fyrst  ... 
(§57.  116.  117)  2555;  na*  lengra  fyrst  ...  134;  Idssan  hwile  Po*,« 
...  (§57.  111.  140)  2571;  tö  lang  ys  tö  reccenne  ...  (§  46.  55)  2093: 
nrrs  N  long  t6  Öon  pa>t  ...  2591.  2845;  —  morgenlo  ngne  derg  2894. 
ondlangne  dag  2115,   ondlonge  niht  2938;   nihtlongne  fyrst  528. 


XI.  Intelleotuellö  auffasaung. 

§  148.   Die  ausdrücke  dafür,  dass  etwas  'erfahren',  'klar 

geworden',  'richtig  erfaßt*  ist,  sind  naturgemäss  in  der  poesie 


xl  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS 


395 


nicht  sehr  häufig.  Die  angaben  der  bekanntheit  können  bei 
besonderer  emphase  in  die  bedeutung  'berühmt'  übergehen 
(§  108).  Sweotol  und  wol  auch  soö  sind  typische  eigenschaften. 

§149.  Bekannt,  klar:  cüp  (§108):  stritt  1634,  nassas  1912, 
folm  (G.'s)  1303,  Pas  wahnes  ße  is  tcide  c.  . . .  2135,  . . .  was  yldum  c. 
Art  ...  705,  was  wtde  c.  pat  ...  2923;  —  undyrne:  (gemeting)  2000, 
9&  was  ...  Grcndles  güöcraß  gumum  undyrne  127,  syÖöan  und.  fyü 
cyninges  widt  weordeÖ  2911;  undyrne  cüö:  wearö  u.  c.  patU  ...  150, 
...  wearÖ  u.  c.  410;  —  ßat  gesyne  wearÖ,  widcüj)  werum  Patte  ... 
(§108.  154)  1255.  1256;  —  gefrdge  (§  108):  swä  hyt  gefr.  was  2480; 
ne  dyrne  (§  101):  ne  scecd  Pas  d.  sum  wesan  . . .  271;  —  dyrne:  dryht- 
*de  2320  ('verbogen');  dyrnum  crafte  ('mit  verhohlener  list')  2168.  2290; 
deogol,  dygel:  dadhata  (ü.)  275,  lond  (U.'s)  1357;  -  uncüp  (§96. 
113):  sttg  2214,  geldd  1410;  uncüpes  fela  ('neuigkeiten')  876.  -  sweotol: 
tdcen  141.  833,  syndolh  817. 

§  150.  Wahr:  so  3:  gyd  ~  2109  ('wahrheitsgetreu';  söö  subst. 
öfters). 

XII.  Impersonalia;  verbaladjectiva. 

§  151.  Impersonalia  die  bloss  als  solche  gebraucht  werden, 
sind  wenig  da;  über  die  verbaladjectiva  vgl.  §  3, 1. 

§  152.  Passend,  gewohnt:  gemet  687.  3058,  gedefe  561.  1670. 
3174,  gerysne  2653,  gepywe:  stcä  him  (B.)  gep.  ne  was  ...  2332. 

§  153.  Sich  erstreckend,  bestimmt:  ne  was  hit  lenge  pa 
gen  . . .  83. 

§  154.  Verbaladjectiva:  onsage  2076.  2483,  atgrapc  1269, 
uögenge  2123,  gesyne  (§149)  1403.  2316.  2947.  3058.  3158,  tpgesyne 
1110.  1244,  eaPfynde  138,  eöbegete  2861,  gifeöe  299.  555.  821.  2491, 
2730,   ne  gifePe  2682,   ungyfeöe  2921. 

§  155.  Noch  ein  paar  zusammenfassende  bemerkungen 
über  den  begriff sschatz: 

Dass  es  in  den  meisten  fällen,  wo  überhaupt  gegensätze 
in  frage  kommen,  zwei  conträre  begriffe  gibt,  lehren  die  Ver- 
zeichnisse klar  genug:  jede  mittelstuf e  fehlt.  Aber  es  ist  eigen- 
tümlich, dass  die  reckendichtung  oft,  besondere  bei  den  spe- 
cielleren  eigenschaften  (II.  III)  bloss  den  positiv  idealen  typus 
kennt:  einen  'feigling'  erwähnt  man  kaum,  ein  minderwertiges 
sächliches  concretum  gar  nicht.  Wozu  noch  kommt,  dass  alle 
die  zum  ausdruck  gebrachten  eigenschaften  einen  strich  ins 
massive  haben:  dass  etwas  kleines,  weiches,  zierliches  auch 
reizvoll  sein  könne,  dafür  hat  man  noch  kein  gefühl.  Wenn 
daher  neben  den  vielen  sid,  ivid,  brud,  mkel  die  zwei  tnge 

27* 


Digitized  by  Google 


306 


SCHEINKRT 


und  nearo  auftauchen,  so  können  sie  nicht  anders  als  indirect 
dem  negativen  gegentypus  dienen. 

Etwas  mehr  treten  die  negativen  typen  in  IV.  V  und 
namentlich  in  VI  hervor.  Denn  wenn  die  adjectiva  aus  II 
bloss  auf  sächliche  concreta  angewant  werden,  die  für  psy- 
chisches (III)  fast  bloss  auf  personen  (so  streng  dass  es  z.b. 
585  deorlice  dcbd  heissen  muss,  nicht  deore  dced),  so  müssen  in 
VI  die  allgemeineren  ausdrücke  untergebracht  werden,  unter 
denen  manche  ein  epitheton  aus  der  negativen  sehe  der  wert- 
reihe des  autors  erfordern.  Für  die  abstractbegriffe  ist  eben 
ein  abgeschlossener  anschauungscomplex  in  geringerem  oder 
unbestimmterem  grade  vorhanden  als  für  concreta.  Deshalb 
variieren  sie  je  nach  ihrer  anwendung  auf  einen  bestimmten 
fall  viel  stärker  als  alle  andern,  und  verschiedene  gleichzeitig 
unterscheidbare  eigenschaften  können  an  ihnen  nicht  leicht 
namhaft  gemacht  werden:  so  werden  sie  mit  gefühlsadjectiven 
versehen.  Unter  denen  ist  dann  aber  'schrecklich'  nicht  etwa 
immer  eine  Verurteilung;  für  einen  ordentlichen  heldenkanipf 
und  für  einen  ordentlichen  schwertschlag  gehört  es  sich,  dass 
er  atol  oder  grim  ist. 

Dass  in  VI  (wenn  überhaupt)  fast  bloss  die  gewöhnlichsten 
adjectiva  physischer  eigenschaften  übertragen  gebraucht  werden, 
lässt  die  einfachheit  und  ursprünglichkeit  des  sprachentwick- 
lungszustandes  erkennen:  die  worte  wahren  ihre  eigentliche 
bedeutung  in  hohem  grade. 

Einige  male  bezeichnet  ein  adjectivum  ein  Symptom  und 
erweckt  daher  im  gegebenen  zusammenhange  eine  weitere 
Vorstellung,  z.  b.  ufan  srceg  ('die  lanze  mit  eisenspitze'),  fdh 
420  ('blutbefleckt'),  drcorig  2789  ('verwundet'),  scirJtam  ('ge- 
rüstet'); so  auch  forögewiten  ('tot'). 

C)  Composition  und  ableitung.1) 
I.  Componierte  und  complexe  eigenschaftsangaben. 
§  156.   Die  genauere  Untersuchung  des  adjectivschatzes 
erfordert  auch  ein  eingehen  auf  die  inhaltlich  wichtigsten 
arten  der  adjectivbildung,  d.h.  auf  composition  und  auf  ge- 

')  0.  Dittrich,  Ueber  Wortzusammensetzung,  Zs. f. rom. phil. 22 (189SN 
305  ff.,  bes.  313.  —  K.  Brugia  an n,  Ueber  das  wesen  der  sog.  wortxus&miBca-  M 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


307 


wisse  ableitungssilben.  Nun  zeigt  sich  aber  bei  der  durchsieht 
des  Wortschatzes,  dass  neben  corapositen  wie  teideup,  nidheard, 
goldfdh,  goldhroden  ausdrücke  vorkommen  wie  Wide  cüp,  wiges 
heard,  golde  fdh,  golde  gehroden,  und  dass  daher  auch  diese, 
und  (will  man  nicht  eine  völlig  unbegründete  grenze  ziehen) 
überhaupt  jedes  mit  einer  Zusatzbestimmung  versehene  adjec- 
tivum  parallel  mit  den  compositen  betrachtet  werden  muss. 
Ich  nenne  sie  zum  unterschied  von  den  componierten  complexe 
eigenschaftsangaben. 

Die  einteilung  des  hierher  gehörigen  materials  nach  nutz- 
bringenden gesichtspunkten  ist  nicht  ohne  Schwierigkeit. 
Krackow  hat  seine  aufgäbe  insofern  nicht  beendet,  als  er  die 
complexen  ausdrücke  nicht  beachtet,  und  als  er  überhaupt  auf 
eine  eingehende  behandlung  der  adjectiveomposita  verzichtet, 
indem  er  sie  alle  seiner  klasse  I  zuteilt,  ohne  zu  sehen,  dass 
eine  ziemliche  anzahl  ganz  offensichtlich  seiner  klasse  II  an- 
gehört. Schablonenhaft  und  unpsychologisch  ist  übrigens  seine 
meinung  von  der  entstehung  der  composita,  über  die  man  doch 
bei  Brugmann,  Wundt  und  Dittrich  treffliche  belehrung  findet. 

Entsteht  ein  satz,  wie  Wundt  (Völkerps.  1, 2',  234  ff.  =  22, 
239  ff.)  auseinandergesetzt  hat,  durch  die  gliederung  einer  ge- 
sammt  Vorstellung,  so  ist  ein  compositum  die  gliederung  einer 
teilvorstellung  (von  besonderen  fällen  abgesehen).  Ob  nun  ein 
compositum  im  einzelnen  auftreten  im  satze  dem  überlieferten 
sprachgnt  entstammt,  oder  (wenn  man  Zwischenstufen  ausser 
acht  lassen  will)  sich  im  moment  gebildet  hat,  diese  frage  zu 
beantworten  soll  hier  nicht  versucht  werden,  zumal  für  das 
ags.  nur  eine  vergleichung  mit  den  andern  germ.  sprachen 
einigen  aufschluss  geben  könnte,  vieles  stets  unauflösbar 
bleiben  muss.  Es  wird  sich  also  für  uns  nur  um  die  frage 
handeln,  wie  die  glieder  des  complexen  ausdrucks  oder  des 
compositums  in  den  ausdruck  der  betreffenden  teilvorstellung 
hineinkommen.  Namentlich  ist  darauf  zu  achten,  ob  neben 
dem  compositum  als  ausdruck  einer  verwanten  oder  der  gleichen 

setzong,  Ber.  d.  sächs.'ges.d.  wiss..  phil.-hist.kl.  52  (1900),  359ff.  —  W.  Wundt, 
Völkerpsychologie  1,  1\  G02  ff.  1,  1«,  642  ff.  —  0.  Krackow,  Die  nominal- 
composita  als  knnstmittel  im  ae.  epos,  Berliner  diss.,  Weimar  1903.  —  0.  II  au  - 
fechild,  Die  verstärkende  Zusammensetzung  bei  eigenschafte Wörtern  im 
deutschen,  Hamburg  1897.   [S.  nachtrag.] 


398 


RCHEfNRRT 


Vorstellung  auch  simplicia  gebräuchlich  sind,  wie  weit  diese 
etwa  an  der  bildung  der  composita  beteiligt  sind,  oder  ob  die 
auszudrückende  teilvorstellung  so  compliciert  oder  so  neu  ist, 
dass  ein  complexer  ausdruck  ad  hoc  gebildet  werden  muss. 

Ich  untersclieide  demnach  folgende  gruppen,  die  eine  con- 
ti nuierliche  reihe  bilden. 


An  in.  Die  anorduuug  geschieht  nach  bedeutungsgrnppen,  meist  in 
Anlehnung;  an  oap.  II,  B  (§  .%ff.);  einander  entsprechende  componierte  und 
complexe  ausdrücke  werden  nebeneinander  gestellt,  die  letzteren  aber  in 
(— )  eingeschlossen.  Wo  keine  verszahl  angeführt  ist,  ist  sie  aus  cap.  II,  B 
zu  entnehmen. 


1)  Verstärkte  ausdrücke. 

§  157.  Eine  auch  als  simplex  belegte  eigenschaftsangabe 
wird  verstärkt  durch  einen  zusatz 

a)  rein  intensivierender  art: 


eal-gearo,  -gyldtn,  -iren;  (ealles  anmnd  1000);  f  ela-hrör,  -modig, 


geong  1926,  neah  1743,  hold  2170;  ungemete  neah  2420.  2728,  077  2720; 
nitre  geneahhe  783;  lungre  gelte  2164;  micle  leofre  2651;  tcundrum 
heard  2687;  turn  IdÖra  ötcihte  2432;  d>ghw(rs  orleahtre  1886,  unrim 
3135,  untele  1865;  swd  god  347,  unnyt  3168;  fias  tnodig  1508;  tö  rum 
2461,  foremihlig  069,  swyd  191.  3085,  sträng  133.  2684,  fast  on  fidm  137, 
fast  [sUtp]  1742,  nt  tö  gnead  gifa  Iii.*)); 

b)  concreter  art.  Er  gibt  pleonastisch  etwa  das  gebiet 
an,  in  dem  sich  die  eigenschaft  bewährt  (hcapo-deor),  oder  in 
dem  sie  sich  überhaupt  zeigt  (tvlite-beorht);  ein  paar  mal  werden 
worte  ähnlicher  bedeutung  aneinandergefügt:  cacen-crceftig, 
wöh- bogen.  Jedenfalls  entspringen  alle  diese  Wörter  einer 
vorstellungs weise,  die  mit  starkem  inneren  anteil  arbeitet. 
Daher  sind  auch  die  Zusammensetzungen  mit  'kämpf-'  und  mit 
mod  und  ähnlichen  die  beliebtesten.  Was  jedesmal  pleo- 
nastisch ist,  lässt  sich  natürlich  nicht  einfach  aus  den  begriffen 
ablesen,  sondern  nur  nach  dem  Sprachgebrauch  der  ags,  dichter 
beurteilen.  So  ist  mod  in  glmlmöd  ein  momentum  ornans. 
weil  glod  allein  gebräuchlich  ist,  nicht  aber  in  steiömod,  nicht 
ferhS  in  swidferhö,  weil  siciö  von  personen  in  der  gesammten 
ags.  poesie  nur  äusserst  selten  gebraucht  wird.  Vereinzelt 
steht  im  Beowulf  eine  bildung  wie  cyningbald,  die  allerdings 
parallelen  findet  in  Worten  wie  cynerof  (Jud.  200.  312). 


Digitized  by  Google 


ADJECTI7A  IM  BEOWULFEPOS. 


309 


wtd-cüp;  (wide  cxiti  2135.  2923,  mdroat  898,  gesyne  1403.  2316. 
2947.  3158,  gctceoröod  1959);  dr-göd;  eb-begite,  -gesyne,  eapfynde; 
(fasle  besmißod  775);  —  I  deaÖ-fd'ge;  (sare  wund);  ellen-sioc;  (Win- 
trup* fröd);  n  wlite-beorht;  wuldor-torht;  hond-locen,  ftand-gewrtpen; 
(hondum  gebröden;  oröoncum  gegyrtccd  2087,  searoponcum  be- 
smipod  773,  searwum  ges&led  2764,  gelocen  leoÖocrceftum  2769, 
nearocrceftum  fast);  ftjr-heard,  iren-heard;  (hcaÖofyrum  hat); 
in  ma  genes  sträng,   strengest,   mcegene  strengest;   eafoßes  craftig. 

Bildungen  mit  'kämpf  etc.:  Ii  heapo-steap,  -scearp,  -torht, 
in  -deor,  -grim,  niÖ-heard,  (niöa  heard),  -grim,  (niöa  crteftig);  beadu- 
scearp,  (beadtee  heard);  güÖ-reow,  wal-reow,  hilde-deor,  scür- 
htard,  w  ig -crceftig,  (wiges  heard),  fyrd-hweet,  stÖ-from,  da)d-cene. 

Bildungen  mit  -möd  etc.  (oft  zu  vm):  galg-,  geomor-mod  2044. 
2267.3018,  (modes  geomor  2100),  glad-,  hreoh-,  särig-,  böigen-,  yrre- 
möd;  möd-giomor  2894;  (mödes  milde,  blide;  on  möde  frod,  front, 
+  forht  on  ferhde);  sdrig- f erÖ,  (ferhÖum  fa?gen),  f  erhÖ-freca; 
grotn-heart,  blid-heori;  hyge-giomor,  (higum  unröt  3148),  grom- 
hydig,   heard-,   wis-hiegende;  fast-ra)d. 

Verschiedenes:  heoro-bläc,  -driorig,  -gifre,  -grim;  nearo- 
ßgi  gryre-fäh;  (dddum  gedefe,  cystum  cüd,  gecyped;  gumeystum 
ZÖd;  synnum  scyldig,  fyrenum  gesyngad;  vm  beore,  wine  druncen; 
torne  gebolgen);  sorh-cearig;  —  (vi,  XI  ylda  bearnum  undyrne  citd 
150,  uttdyme  citÖ  410;  yldum  cüd  705,  uncitd  2214,  forem&rost  fold- 
büendum  309,  f oleum  gefrdtge  55,  gecyped  262,  gumum  undyrne  127, 
teideup  ic  er  um  1256,  monegum  fira  undyrne  2000,  manegum  gecyped 
349;   x  nis  ...  feor  heonan  milgemearces  1361  f.). 

Besondere  fälle:  brün-fdg,  eacen-cra:ftig,  woh-bogen; 
cyning-bald,  glced-man,  earm-sceapen;  (formelhaft:  heard  under 
helme,  göd  mid  Oiatum  195). 

2)  Specialisierte  angaben. 
§  158.  Die  Vorstellung  findet  ausdruck  durch  an  Wendung 
desjenigen  auch  sonst  gebräuchlichen  simplex  aus  dem  Sprach- 
schatze, das  ihr  möglichst  nahe  kommt,  das  aber  noch  der 
ergänzung  durch  einen  begriff  bedarf,  so  dass  es  eine  specia- 
lisierung  erfährt,  aber  nicht  aus  seiner  gewöhnlichen  begriffs- 
sphäre  herausgeschoben  wird.  So  ceppdfealo,  gdrce'ne,  rüdröf. 
Daher  nebeneinander  ausdrücke  wie  güdteerig  :  sipes  wirig, 
zdre  wund  :  mecum  wund. 

I  (headoläces  hal,  stÖa  gesund  318),  srt-mepe,  güd-werig, 
(fipes,  wundum,  teerig),  heaÖo-stoc,  hilde-sad,  (gare,  mecum 
wund),  u  ceppel-fealu,  horn-,  sd-geap,  (ahyrded  heaöoswdte), 
morgen-  ceold. 

Bildungen  mit  'kämpf  u.  ä.:  (siimra  cet  scecce,  nalas  eines 
laH),  ckfen-grom,  gär-cene,  eilen-,  beadu-,  güd-,  heapo-,  sige-, 


400 


SCHEITERT 


hige-röf,  {magnes,  d(tdum  rof,  röf  niPgeweorca);  heabo-mirrt, 
ig  üb  um  cüÖ,  prybum  (Uni),  fyrd-xryrpe,  (mäpme  py  treorpra,  yr fe- 
in fe  1902),  tcig-  geweorPod,  (geofum  7  güdtim  xride  geveorbod  1959. 
wo  ...  an  herewasmum  hndgra(n),  gübgetceorca  677  f.),  vin  ut- 
füs,  (sibes  füs,  füs  tu  farenne,  leofra  Manna  füs;  sundes  8(tnra 
1435 f.,  iste  bearngebyrdo,  hübe  hremig,  fylle  gefagnod),  Kint- 
geomor,  (aldres  orwina,  swigra  on  gylpspraice  gübgetceorca  980). 

3)  Ausdrücke,  in  denen  ein  glied  mehr  oder  weniger 

bloss  functionswert  hat. 

§  159.  Aus  der  eigenschaftsvorstellung  ist  eine  gegen- 
stands  Vorstellung  (z.  b.  'gold')  ausgesondert  und  durch  einen 
mehr  farblosen  ausdruck  (allgemein  etwa  'versehen  mit';  z.  b. 
fdh),  eine  art  functionsangabe,  wird  eine  beziehung  zwischen 
der  als  wesentlich  auffallend  aufgehobenen  gegenstands Vorstel- 
lung und  dem  träger  der  eigenschaft  hergestellt.  Es  sei  hierbei 
daran  erinnert,  dass  die  altgerm.  poesie  überhaupt  zum  gegen- 
ständlichen erfassen  der  Vorstellungen  neigt  (daher  die  ken- 
ningar  und  Variationen).  Bei  einigen  compositionen  (mit  -Icas) 
ist  auch  die  ausdrucksweise  der  position  durch  Verneinung  des 
gegenteils  in  rechnung  zu  ziehen,  z.  b.  sdwolleas  =  dcad. 

Es  gehören  hierher  bildungen  mit  -fdh,  -fcest,  -füll,  -leas, 
'füs,  gcaro,  -gemyndig.  Auch  die  mit  -mod  etc.  (ein  paar  mal 
mit  adjectiven,  die  für  sich  allein  nicht  psychische  eigenschaften 
bedeuten  können)  sind  verschiedentlich  zu  solchen  functions- 
angaben  verblasst,  wenn  auch  nicht  so  sehr  wie  etwa  fdh  und 
füll.  Die  participia,  namentlich  die  participia  praeteriti,  bilden 
parallelen  zu  den  eben  genannten  ausdrücken. 

1)  Mit  -fdh:  gold-,  sine-,  senro-,  ban-,  stun-,  tcyrm-;  blöd-,  dreor-, 
swdt-,  wal-fdh;  dazu  (golde,  since,  seartcum,  fctttum,  ätertnnum  (?),  fyr- 
wylmum,  blöde,  dreore,  stcdte,  tcaldreore  fdh).  —  2)  Mit  -fast:  är-, 
bl(ed-,  tir-;  80Ö-,  tcis-fast;  dazu  (deabe,  deabbedde,  legerbedde,  feond- 
gräpum,  hellbendum,  hygebendum  fast;  fast  on  päm  [fahöe  ond  fyrene]). 

—  3)  Mit  -  füll:  eges-,  sorh-full,  weorbfullost;  dazu  (füll  tcratta  7  tcira). 

—  4)  Mit  -/cos:  ealdor-,  sdwol-,  aldor-,  Moden-,  tcine-,  hldford-,  sorh-, 
driam-,  teyn-,  dorn-,  sigc-,  tir-,  feormend-,  feoh-leas;  dazu  (uinigea, 
dreama  leas;  vgl.  ames  Pcarfa,  londrihte8  idel).  —  5)  Mit  -füf, 
gearu:    (febergeancvm,    süpan  füs,    searwum,    on  ba>l  gearu).  — 

6)  Mit  -mod,  -heort  etc.:  güp-,  stid-,  sicib-möd,  stciÖ-ferhÖ,  sttarc- 
heort,   an-,  nid-,   bcnlo-hydig,   bealo-,   stciÖ-,  panc-hicgende.  — 

7)  Mit  gemyndig:  (bealetva,  cynna,  fahöa,  geofena,  gidda,  hröpra, 
märba  gemyndig).  —  8)   Mit   -wesende,    -dgend,  -habbende, 


Digitized  by  Goo 


ADJECTIVA  TM  BEOWUf-FEPOS. 


401 


-healdende:  cnfht-,  umbor-K exende-,  bletd-,  m<rgenngende,  8earo-lurb- 
bende;  dream-healdende;  vgl.  -hycgende  (no.  6).  —  9)  Part,  praeteriti: 
stcegl-tcered,  (byrnttm  tcered,  golde  gegyrtced,  gegyrtced  dracan  felhtm, 
golde  geregnad ,  fyre  gef ysed),  gilp-hladcn;  vgl.  fea-sceaft;  (since, 
dorne,  wdpnum  getceorÖad,  blöde  bestymed  heorttdreore,  tcratlum 
bunden,  b.  golde,  eldo,  bisgum,  söÖe  gebunden,  befongen  frea- 
tcrdsnum,  fyre  b.,  ftdsce,  galdre,  tcirum  bewunden;  dreame,  drcamum 
bedctled  [vgl.  -Mas],  freondum  befeallen,  hyrstum  behroren,  ealdrc 
bereafod,  röte  berofen;  morpre  gemearcod,  ge  tcid  feond  ge  wiÖ 
friond  fceste  geworhte). 

4)  Ausdrücke,  deren  teile  gleichen  begriffswert 

haben. 

§  1<>0.  Eine  Vorstellung  coniplicierterer  art  wird  in  teil- 
begriffe aufgelöst,  die  für  den  ausdruck  des  ganzen  etwa 
gleichen  wert  haben.  Hier  lassen  sich  noch  verschiedene 
gruppen  auseinanderhalten: 

1)  Einem  teile  des  gegenstands  wird  eine  eigenschaft  bei- 
gelegt, und  das  ganze  als  eigenschaft  dem  objecte;  z.b.  iöö, 
blödig,  Grendel,  daher  bona  blödigtoö.  Der  eigenschaft  bezeich- 
nende teil  steht  voran;  eine  ausnähme:  sadol-beorht.  Verwant 
sind  diesen  übrigens  die  §  159, 6  besprochenen  bildungen  mit 
möd,  -ferhÖ,  -Jieort. 

syfantcintre,  s'tdfcepme{d),  famigheaU,  wundenhals,  hringed-,  tcunden-, 
bundenstefnn,  tcunden-,  bring-,  bröden-,  gr<*g-,  sciadenmctl;  brün-,  styleeg, 
icreopcnhilt,  zadolbeorht,  fretedhleor,  scirham,  blödigtöö,  idclhende, 
gearofohn,  tcollentear,  blonden-,  tcunden-,  gamol-fecuv,  tcutidenheord. 

2)  Manche  combinationen  sind  denen  von  2  und  3  (§  158  f.) 
verwant,  aber  die  einzelnen  teile  sind  für  den  vorstellungs- 
gehalt  etwa  gleichwertig.  So  z.  b.  irenbendum  fast:  man  sieht 
die  eisenbänder:  wie  fest  muss  das  sein!  Seoc,  aber  tnodes: 
daher  also  nicht  'krank',  sondern  'traurig,  hoffnungslos'.  So 
gehören  hierher  eine  menge  Umschreibungen,  vgl.  deadiverig 
=  'tot'. 

a)  Mit  -feest:  (stapulum,  teyrtum,  fyr-,  tren-,  searobendum,  säle,  on 
ancre,  oncerbendum;  handa  fee 8 1).  —  b)  Verschiedene:  I  viu  dead-, 
fyl-tcerig;  teerig -möd;  feorh-se'oc,  (feorh-,  sierbennum,  mödes  scor), 
lif-bysig,  tca-l-füs,  (tcundum  stille,  in,  vm  hornum  truvt,  fore- 
mihtig  on  /V/m?),  anuig-gearu  (?),  (gearo  gyrntemee),  lof-geornost, 
(eftsiöes  georn),  gold-htcoet,  {ddda  gehteies  dyrstig,  füs  ofer  fdgum), 
Collen- ferhÖ,  hige-pihtig ,  pryd- stc y d,  {nearo  nedende,  ...  arfeest 
cet  eega  gelaatm),   lagu-erceftig,   (möde  gepungen),    iv,  ix  mon- 


Digitized  by  Google 


402 


SCHEINE  KT 


Öw&rust,  (Iura  UÖe,  larena  göd,  göde  märe),  Hl,  iv  inwit-panc 
(?),  blöd-reow,  (caldres,  morpres  scyldig,  matte,  fyreruUtdum  fäh,  f. 
iriÖ  god,  ceÖelum  diore,  ce.  göd,  V,  VI  ecgum  dyhtig,  e.  unslüvc, 
...  rices  teyrdra  8G1,  ...  vyröe  eoiia  geahtlan  308),  vi,  vn  gin-feesi, 
hard-fyrde,  sige-,  sigor-,  tir-eadig,  vm  sige-hreÖig,  {sittee,  frvUcum, 
hitöe  hremig,  nalles  hremge  feÖetcigcs),  gold-wlanc,  (maÖnuthta,  ase 
tclonc),   x  morgen-,  niht-long. 

3)  Zusammensetzungen  mit  präpositionen  und  adverbien. 
So  bleibt  aslmihtig  nicht  mehr  in  der  Sphäre  des  begriffs  mihlig, 
sondern  ist  etwas  ganz  neues. 

cel-mihtig,  al-tcalda,  un-feald,  an-retd,  upp-riht,  -lang,  and-lo»;;, 
andweard,  innan-teeard,  inne-iceard,  hin-füs,  (ufan  gretg). 

4)  Ausdrücke  mit  einem  partieipium  praeteriti,  das  einen 
grösseren  vorstellungsinhalt  hat  als  die  §  159,9  zusammen- 
gestellten. So  hyrsted  goldc  —  'geschmückt'  (nicht  bloss  'ver- 
sehen'), und  zwar  'mit  gold'. 

Ii,  vm  beag-,  gold-hroden,  (gehroden  golde,  hyrsted  g.,  iren- 
hendum  besmipod,  seowed  svapes  orPancum^,  niw-tyrtcyd,  Iii  ff.  trW- 
pungen,  (gujte  gefysed,  g.  setece  tö  seeeanne),  tcil-cuma,  feorran- 
cumen,    vgl.  feorran-cund,  feor-büend,  forÖ-getciten,  Jyurh-eten. 

5)  Zu  den  ergänzungen  hei  adjectiven  sind  auch  angaben 
(meist  im  dativ)  der  objecte  zu  zählen,  auf  die  sich  die  be- 
treffende eigenschaft  bezieht;  in  betracht  kommen  also  hier 
adjectiva 

a)  für  das  Verhältnis  von  personen  zueinander  (IV): 

his  mtigum  ncere  arfast  cet  eega  geläcum  11C7,  iciÖ  Geatas  glaed, 
Uodum  UÖost,  hold  frean  Seyldinga  290,  mit  pron.:  htm  hold  2161; 
mnndrihtne  hold  1229;  llygclaee  tras  niöa  heardum  nefa  sicybe  hold 
21H9,  ...  ff«?  ...  mödes  bliöe  435;  beo  pii  suna  minum  d(ttlum 
gedefe  1226,  ...  hyre  ...  este  bearngebyrdo  945,  ttghwylc  öbrutn 
trywe  1165,  öörum  getryxce,  mödes  milde  1228f.,  ne  tö  gnenö 
gifa  Geata  Uodum  1930,  (wid  Geatas)  geofena  gemyndig  1173, 
fitfssutn  ctuhium  Iura  liöe  1219,  wes  pu  üs  Ittrena  göd  209,  leof  fttf 
Uodum  521.  (018),  UrötgAre  halefia  Uofost  1290,  him  leof  203.  (1870. 
24H7),  na>s  ic  him  lädra  öwihte  ...  2432,  gehwaper  öörum  lad  814f.; 
tecord  Dettum  1814,  he  ptir  eaüum  weard,  ...  manna  cynne  freottdum 
geftegra  913 ff.,  wileuman  Dettiga  Uodum  388.  (1894),  him  ...tdl- 
cuman  393,   teces  gehwaper  öörum  hröpra  gemyndig  2171. 

b)  Für  die  beziehung  von  irgend  etwas  auf  eine  person: 
'gut',  'nützlich'  für  jemand,  u.  a.: 

hweet  sicidferltÖum  seiest  wäre  ...  1738,  päd  biÖ  drihtguman  M» 
lifgendum  (rfter  seiest  1388,     selre  biö  dghicum  pect  ...  1384,  Uoda 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOVt'LFEPOS. 


403 


anigum  nytte  ne  ...  793,  dämm  mm  unnyt  3168,  rinca  gfhtcylcum 
idel  7  unnyt  412,  tum  ...  eafrt  ...  228,  me  M  liefe  leofre  fxzt  ... 
2651;  —  ^i/  Aim  trtfr«  ...  tuA*  getäse  1319,  egeslic  Uodum  on  lande 
2809,  geomorltc  gomelum  ceorle  ...  2444,  Hrobgäre  hreowa  tornost 
2129,  /Min  tccs  geomor  sefa,  murnende  möd  49 f.,  Ahm  k*ts  geomor 
sefa,  wafre  7  walfüs  2419 f.,  Aim  ircrs  s^/a  ^  öHior  2632,  Ay££  tcxrs 
A/m  hinfüs  755.  —  umlerne  Froncum  7  Frysum  2911,  me  . . .  undyrne 
cüd  409,  fem  ...  ungemete  niah  2419,  na«  Aim  f«or  /himom  fö  £«- 
«cawne  1920,  /xr*  KW8  /*im  ^o«e/an  gingaste  word  2817,  />«  tca* 
forma  sid  geongum  cempan  2625,  (.vgl.  />.  tr.  *.  deorum  madme:  un- 
pers.)  1527,  ...  se  rctd  gelang  ...  at  Pe  dnum  1376,  ...  eatt  cet  fie 
lissa  gtlong  2149,  htm  was  bdm  somod  land  gecynde  2196  (vgl.  2696), 
...ßdm  folcum  seeal  Geata  Uodum  7  Gar- Dettum  sib  gemane  ...  1855 
(Tgl.  2472),  ficbr  unc  htcile  was  hand  gemane  2137  (vgl.  1783.  2569),  stcä 
htm  gemet  Öuhte  3057  (vgl. 687),  stcä  him  gepywe  ne  was  2332;  —  fxtr 
was  Hondscto  hild  onsoige  2076.  (2482\  par  tcas  JEsehere  ...  feorh 
udgcnge  2122,  fxtr  him  agktca  atgrape  wearÖ  1269,  Beowulfe  weard 
güöhred  gyfeße  818  (299),  me  gyfeöe  wearÖ  ...  555  (2491.  2682. 
2730.  2920). 

c)  Für  beziehungen  von  unpersönlichem: 

gründe  g  et  enge  2758,  lice  gel  enge  2732,  fugle,  bgge,  ise,  style  ge- 
licost  2ia  727.  1608.  985. 

II.  Ableitungen,  partioipia. 

§  161.  Von  gewisser  auch  inhaltlicher  bedeutung  sind 
die  ableitungssilben  -ig  und  -lic. 

-ig  bedeutet  'behaftet  mit',  und  es  kann  daher  adjectiva  von  Substan- 
tiven aller  art  bilden,  von  concreten  wie  von  abstracteren  ausdrücken. 
Physische  eigenschaf ten  bezeichnen:  blödig,  drcorig,  teig,  mistig, 
ömig,  tcelig,  tandig;  persönliche:  craftig,  dyrstig,  gradig,  hretnig, 
mihtig,  modig,  scyldig,  sinnig,  witig  (gewittig^  ;  allgemeiner  sind:  dyhtig, 
iadig,  sarig,  wlitig.  Diese  adjectiva  sind  bo  gewöhnlich,  dass  sie  auch 
weiter  in  composita  eingehen  können:  blödigtoÖ,  heorodreorig,  lifbysig, 
an-,  bealo-,  grom-,  nid-,  pristhydig,  sigchrepig,  foremihtig,  wonsdlig,  un- 
sinnig, eiptodig,  higepihtig,  güdwerig. 

4k  zu  lic  ('körper')  hat  die  bedeutung  'nach  art  von',  und  die  damit 
gebildeten  adjectiva  gehören  meist  der  gruppe  VI  (gefuhlsausdrücke^  an. 
Von  Substantiven  sind  abgeleitet:  cwen-,  dryht-,  eges-,  eori-,  geato-lic  (vgl. 
§  16  ,  gryre-,  hete-,  sdr-,  Prym-,  pryö-,  weord-,  icrat-,  wumlor-Uc.  Oft  dient 
-lic  dazu,  eigenschaften,  die  nur  von  bestimmten  objecten  (meist  personen) 
ansgesagt  werden  können,  auf  allgemeinere  ausdrücke  anwendbar  zu  machen: 
dol-,  dior-,  earm-,  fiis-  (§  26),  geomor-lic,  (grimlic\  Nicht  so  überflüssig 
wie  es  scheinen  könnte,  ist  die  bildung  atelic,  denn  atol  kummt  im  Beowulf 
bloss  vor  von  dingen,  die  wirklich  schrecken  einjagen:  dorn,  ecgPracu,  in- 
unUcear,  yldo,  ypa  geswing,  von  Ungeheuern;  atcltc  neben  egesa  kann  aber 


Digitized  by  Google 


104 


SCHEINEKT 


nicht  bedeuten  'entsetzen  einflößend',  sondern  einfach  'entsetzlich',  nach 
nrt  eines  intensitätsausdrucks.  Ebenso  ist  l&titte  (lue  1584)  =  'schrecklich', 
während  lad  =  'verhasst,  feindselig'.  Ueber  leoflic  s.  §  110.  Was  umendk 
angeht,  so  ist  die  anwendnng  von  trüelie  in  der  ags.  literatur  mehr  aul 
abstiacta  beschränkt  /armselig,  elend')  als  die  von  tcäc  ('schwach,  ara- 
seliir'\  die  bedeutitng  von  umräelte  wird  also  auch  verallgemeinert  sein: 
'trefflich'  Bosworth-Toller  nnd  Sweet:  'not  mean,  splendid' \  Freolic  wird 
besonders  vom  adel  gebraucht,  während  fre.o  ganz  im  allgemeinen  'frei' 
heisst.  Ueberfliissig  ist  die  nur  in  snellie.  Den  ableitungen  von  adjectiven 
verwant  sind  betlic,  seilte  (deren  simplicia  fehlen),  (riütc  (§  18),  pysUc. 

§  162.   a)  Nicht  zahlreich  sind  die  adjectivbildungen  mit 

dem  präfix  $e-\ 

Neben  wenigen  von  ihnen  sind  im  ags.,  z.  t.  auch  im  Beowulf,  die 
formen  ohne  ge-  belegt  zu  gerysne.  gelrywe,  geidse,  getciUig),  jedoch  meist 
selten  oder  auch  unsicher.  Nur  gefrdge,  gerade,  getdse,  getrytee,  geieittig, 
geptedre  sind  qualitativ  charakterisierende  adjectiva,  die  andern  sind  deter- 
minativ^ impersonalia  und  ähnliches:  geeytule,  gedefe,  gelang,  gelentf, 
gelte,  gemahne,  gemet,  genoh,  gerysne,  gesund,  getenge,  gepytee,  gesynt, 
efigesynt. 

b)  Unter  den  bildungen  mit  dem  negierenden  präfix  un- 

lassen  sich  zweierlei  arten  unterscheiden: 

1)  Ein  in  der  wertreihe  des  sprechenden  auf  der  positiven  seite  stehen- 
des adjectiv  wird  negiert:  un-blide,  -cup,  -fdger,  -frod,  -front,  -heore,  Jeof, 
•iiyt,  -rät;  ttn-gyfede,  -Hfigende;  ähnlich  orteearde,  orwena,  tronsdlig. 

2}  Ein  auf  der  minnsseite  der  wertreihe  stehendes  adjectiv  wird  negiert, 
was  für  das  moderne  Sprachgefühl  manchmal  etwas  befremdliches  hat:  km- 
derne,  -fdene,  -fdge,  -forht,  -lytel,  -sldte,  -synnig,  -teile,  -teäelie;  vgl.  orieahtrr. 

Der  einfachen  Verstärkung  dient  un-  in  utdu'tr,  wol  auch  in  unrime, 
worüber  zu  vergleichen  ist  A.  Hoefer,  Genn.  14, 201  ff.  F.Dietrich,  Zs.fda. 
10, 335  (ungifre  Gen.  2404). 

g  103.  Was  die  partieipia  betrifft,  die  in  den  adjectiv- 
Bchatz  eingehen,  so  sind  die  allgemeinen  bestimmungen  darüber 
in  §  2  gegeben. 

Partieipia  praesentis  sind  selten:  byrnende,  htofende,  mumerult, 
tUpetule,  tr  call  ende,  Hfigende,  unlifigende;  composita  werden  gebildet  mit 
-tretende,  -ngende,  -heebbende,  -healdende,  -hycgende,  -büend;  vgl.  nearo 
nedende.    Vgl.  §  157,  b.  159,  a 

Häutig  sind  dagegen  die  partieipia  praeteriti.  Von  den  als  sim- 
plicia gebrauchten  beziehen  sich  die  meisten  auf  eine  physische  eigensehaft 
gebogen,  eacen,  hritned,  gyrded,  teftpned^,  unter  denen  wider  die  mehreahl 
das  resultat  eines  schwierigen  herstellungsprocesses  angeben :  bröden,  bnmim, 
fä  led,  hdted,  hringcd,  hroden,  hyrsted,  locen,  neegled,  timbred,  trunden.  Die 
übrigen  sind  Stimmungsangaben:  druncen,  gebolgen,  onhrired;  ähnlich  $<- 
teergad.  Weit  zahlreicher  sind  die  partieipia  in  compositen  und  in  compleien 


Digitized  by  Goo 


läb.  &  IßL  1.  n    I*?"  rrwastir  i-ri  «Ziern  «1=1  uc  ju^csfc%.rhf  rur^r*-^***»* 

üexneLL     Ir*t  JBtt-m  trtfma  eurer  psiiramro»t         ^■***Jr»»»«\  Kr^ 

ME  Licurs«»  »«v^  <ta* 


V)  t  i  tcirrtrü  rrs4«rnieiu 

5  1C4-  Int  coBQKmaa&srarwK  *yt£«i  von  nK>.t  vw-\* 

riisfijLiiHnir**^^.  irmm.;  hl  r:TL7.Är?,::T  K.iss  das  eir.mal 
lultgle  »*t»ä jrTigrH  r.rr.  in.  srr^rlAdr  cm  e»«er.f*r*s  Koss  e;r.wwü 
belegtes  li^iimtuei  oi-  *fc:-*i*/r,rrmst.  dir  aber  erst  in  dor 
äusserst*!  fjL:  «ioiji*-  L^rLTt-icL.  Bei  comrlexen  assdr^kon  sind 
■UagcragELna  el*r  f aTis  sdien.  dv*h  wird  Ni  der  w*itt£*f 

c&geL  TcTl "Hl  1  ultg  T  •!  hZittÜT  uL d  TOJÄti  das  ÄC^YttV  worr.o  i 

besebiren.  hl:  tu' Ti  des-Lalb  re>ir:per:  werden.  7. K  /•> 
•NE*  flri^ni  «so:,  Mm  EcgJafts*  on  &lp$prAct  jn«\?rtWVM\H, 
1435  c«  k;>Z»w  «ftE*  *wKfl^<  7*  Sirwr.j,  81S2  f<\\?w«  i%Av& 
«*j:c**  streKZ&L  Die  am  häufigsten,  und  iwar  auch  ab- 
solut sehr  Liin^  vorkommenden  formen  sind  so  allgemeine 
ausdrucke  wie  «7m,  stlrtst  mdray  mutet  (aus  den  h*il*ntuit£9- 
gruppen  V.  VI  i.  Alle  andern  sind  kaum  mehr  als  einmal  oder 
zweimal  belegt.  Die  vorhandenen  formen  siud  folgende  ^oom- 
pleie  ausdrücke  besternt): 

1    trtrr«,  oAra,  «irmra,  "^ffir^ra,  fcWffo*,  AwaAm,  Ufr*,  lliMI, 

tevrta,  •trwrfira,  »Lim; 

errra,  iew^ra,  ufara:  *&ci;ra,  —  SP  bforblott.  t*1$t.  <YiW</o.<f.  <rno.<J,  ifcwvrf, 
gifrotti,  kdtosl.  Inest,  Uofost.  *gciico$t,  */n%>.<f,  /<>/^ror»u»sf,  Httfrtttf,  iw.r.sf, 
t»<*fo*f,  mildust,  mondwetrust,  seiest,  *$trai;cst,  ivrnost,  y/<fosf<i;  S'W*t* 
hindtma,  nyhsta,  stöesta. 

Ueber  die  bedeutung  der  comparationsformen  lAsst  sich 
folgendes  feststellen: 

§  165.  Der  comparativ  wird  1)  gebraucht  beim  ver- 
gleich mit  früheren  zuständen  desselben  objecto: 

on  holme  teces  sundes  pe  sdrttra  1435,  iVi  tc<rs  siri^ra  ncvj,  turnt 
Ecglafes  980.  Der  letztere  fall  zeigt  deutlich  die  rein  vergleichende,  nicht 
steigernde  funetion  des  comparativs.  —  Die  übrigen  fälle  sind  135.  'JH2. 
914.  1823.  1901.  2066.  2378.  2880. 


Digitized  by  Google 


1 


- —     r-  - 


-  »  —ix-  Sä 


1 


I  3«.    Irr  r 


'wt*.  T7H.  T~ 


WS 


•  -    u.    '  eil  

•  * 

***4*.ft»    rJr  .  JMf  j, ,  -  _  -( 

«4.  *V,  S*7<  IIU  i.Ä  ^    ■  ^ 

In  (Um  u^ikUm  ii^n  der  Verwendung  des  snperlativs 
y,<)  <wf  Hm  {,i  d,,  wuUuntivs  von  ihm  abhängig  gemacht, 
"Hi  wM«r  «ine  an*l«*  des  in  rede  stehenden  objecto 
'^l'  i'  l«u  bedeutet. 


Digitized  by  Google 


aIaJBCTTT A.  III  BEOT-r^TE^LÄ 


E)  Die  cirfiiptrc  De*  at  t-cvvi  ir.  Der  «atz. 

§  107.  TTa*  di*r  emtunmr  äe:  hz  ~-7~*  n  Q-i  kü:t  ül- 
fekt.  so  feaht  icL  e*  :5rr  renür^iL  an-j.  nn  nr:in  zl  ~iel 
material  anfrnMafea,  van.  dit  erstei  ÜE»-.  v*»  u~  I«  ru> 
epos  (der  wrenQ^ianii':    tianurTun.  rtoiat  mrarsa**!!;  veru-fL 

ABsekhonad  an  dit  erfrtermireL  tm  :  T  ^.  i^r  r>a*d 
voiansgeschickt.  du»  :l  ü^t  art  v  Kr**  fcvr.t  nirrti  r. 
mit  der  der  aprecher  ni  n.  ca^  iti*-r  Laida~>sv'*zL  ^  r- 
hrrnrafflf  gl  !■  Muri—  ät*  ar/str^im»  lt-  (Lk  prbiii'^srcLg. 
bei  der  der  spreriier  q*ül  oi  »je^n  mr  jr"üefctr"er  irsiiKin  jr-:r*iL- 
übersteLt,  günzlici  znrujirj-ir. 

L  A  Urft»  mär  gfeDrannmap  fcc^cu \  u. 

§  16*.   löt  fcrTr"tnnr^  T^nucrmr  tul  a' mit 
stantiv  trin  meist  in  6er  FV-linur  A»  t.ui  mit  rv  ar  «  ta* 
A  und  S  dir  bebmireL  emer  inJiseli-  lC'-ieu  2>eii  h.'ha::  navi 
komme«  kxr  fa«  HHgaöjBnj  *  l*i  **x*aiwaii^,.*a. 

vor.  z.b.  etw  äTvJ-«uTrc  äetc'&c*  uuntiimth  tfcZl  M. 

eng  Terbriiiriit  tsciadifc  vjrit  c*t  j  •ris'iiei.  ull  Da- 
tiven) gtAraasäf  «r<i;.ttfc  u.'wr^  V^h  i.  ß^-u*  m*si.M*  '/TL 
Die  falle,  in  öebes  eniei  T.riirr>"-eiieijfu**i  fcTi<tTi*'*  Ti.*"**rrt. 
sceaöema  ie  nciuvyl>L  l&luzic  IT.*.  *'A  tir-L  ru*">"*. 

nannten  abriLL^ebei-  ervi*eiiM  u* V^-ifi'»   *v      t  »*;«»: 
den  auf  kbewtatB  b*zlcpi*Jiirx  A  ^  •  e:i»ei  ve::  ju 
proeentsätz  lodern  üft  *  '.o.  u-iira.  f  'u:  *>ä'j— .uut  k.w<jl  ') 

jvat  90^  MHfiK  £W*5*tf  3**  •»•/  »a».'-  "UM*  IT.*  »».V*  *W*ftf0/  "A" 
keah  Hcalfteme  i~:    r.«i.-..i  ;~   JÄ*   ;.  r    -  £   ^  jj/^  Jf<« 

2ClÖ\  2ü  Ä3*.  5Wt  t-r  U'r  ri  >'/• 

50a  573.  aar.  i:s  ^      <.v  */  ^rr 
wo.  973.      ^*  :/x        ::<.  >  ^  z 

Uuükii  isa  ar/>  »*  ssn       r*.  ^  *  '.*  *  r  cä*  0«. 

865.  909.  162.  KCl.  >'M.  —  Alf  t»*-  »ftf  atAftrt  i*.iT»ri* 
Ter  teilt:   h*:/p*m  rw      ras  t-#  t  ^v?  T»'.  1    </fwv».v  ^  *f 

\  Berten*»  1  <a  ui   dm»  u*^  w<fv.i  ^-1^* 

Torher  fteWi*-i  tv- 


408 


SCHEIKERT 


mctg  Hygeldces  813,  Stcylce  ferhÖfrecan  \  Fin  eft  begeat  1146,  ne  seah  ic 
elpeodige  \\  fnts  manige  men  ...  336b,  läpum  bexceredon  |j  acuccum  " 
scinnum  938b,  par  />«  godan  ttcegen  \\  sdton  suhtergefaderan  ;schwell- 
vers)  1163b,  beloren  Uofum  \  cet  pdm  Jindplegan  \\  bearnum  '  brotrum  1073. 

b)  Sächliche  concreta:  Erster  balbvers:  Iddan  Itges  83*, 
wlitebeorhtne  tcang  93,  Man  häses  116;  ähnlich  102.  167*.  223*.  334. 
448.  472.  496.  507.  528.  547.  561.  56a  570*.  572*.  586.  649.  725.  773*. 
848*.  892*.  983.  985.  990.  997.  1021*.  1023.  1093.  1111.  1128.  1136*.  1157. 
1199.  1224.  1245.  —  Zweiter  halbvers:  swcartum  nihtum  167,  beorhU 
frattce  214,  beorhte  randas  231 ;  ähnlich  238.  275.  302*.  325.  333.  437.  466. 
495.  509.  672.  702.  795.  836.  877.  896.  916.  926.  1007.  1163.  1193.  1245.  - 
Auf  zwei  halbverse  verteilt:  nahes  hi  hine  Utssan  \  lacum  teodan 
43,   nttctyrtcydne  \  nacan  on  sande  295*. 

c)  Abstracta:  Erster  halbvers:  lange  hwile  16,  fromum  feok- 
giftum  21*,  stcutol  sang  scopes  90*;  ähnlich  114.  129*.  149*.  154*.  158. 
166*.  184.  251*.  256.  267.  278.  512.  518.  527*.  585.  596*.  637.  670.  787*. 
784.  852*.  889.  949.  977.  1096.  1148.  1172.  —  Zweiter  halbvers:  longe 
präge  54,  swe otolan  tdcne  141,  micel  airende  270;  ähnlich  276.  502.  520. 
610.  740.  877*.  907.  933.  963.  978.  1104.  1150.  1201.  1203.  —  Auf  zwei 
halbverse  verteilt:  pdr  Mo  rfr  tnctste  Mold  \\  tcorolde  tcynne  1079b. 

2)  Adjectivum  +  substantivum  in  composition. 

§  169.  Die  zusammenziehung  von  A  4-  S  zu  einem  com- 
positum ist  nicht  sehr  häufig;  vermutlich  sind  aber  bindungen 
wie  ealdswcord  ihnen  noch  zuzuzählen  (vgl.  Sievers,  Altgerm 
metrik  §  23, 3,  c). 

Erster  halbvers:  on  Mahslede  285,  was  his  eald fader  373,  geo- 
lorand  to  gt'tpe  438,  td  ßäm  Mahsele  647,  wiold  tctdeferhÖ  702,  geond 
tcidwegas  840,  Malle  ond  Mahsetl  1087,  IdÖbite  Hees  1122,  hämas  7 
Maburh  1127,  torngemot  1140,  ealne  trideferhp  1222.  —  Zweiter  halb- 
vers: geond  ßisne  middangeard  75,  sinnihte  Mold  161,  nuddangeardes 
504.  751,  läögetionan  559,  isenxbyrnan  671,  ealdgesiöas  853,  eald- 
gesegena  869,  ptet  hie  tctdeferhÖ  937,  läögeteona  974,  MaJxcymnges  1039. 

3)  Substantivum  -f  adjectivum  (S  +  A). 

§  170.  Die  anorduung  SA  ist  viel  seltener.  Das  nach- 
gestellte adjectiv  (man  denke  an  die  franz.  Stellungsregeln!) 
kann  ja  leichter  als  etwas  gefühlt  werden,  was  zu  dem  schon 
festgelegten  objeetbegriff  etwas  neues  hinzubringt;  dies  ist 
aber  bei  den  typisierenden  adjectiven  des  altepischen  Stiles 
nicht  der  fall.  Freilich  lassen  sich  alle  momente,  die  dennoch 
die  nachstellung  hier  oder  da  bestimmen,  nicht  einheitlich  ab- 
leiten, überhaupt  nicht  immer  nachrechnen.   Oefters  sind  hier 


Digitized  by  Google 


adjectrra  iunrpir^iiöf^.  ö*-  szü^l  llt*s-  Lusafirei  nLf&nrs  ww* 
nicht  nur  ö*sl  sL'tf^LtLTnni  rp^TT.-m^i  n.  £2>*r  iil:j*f  *  sneisr 
können  '-ai,  1c  v^cmf  \  -^"cTi^i-m  l.'i^f  :  :o~r  das  sxSnTaztit 
hat  ikcL  eöie  liänre  ärrliiXLr  f»oi.r***  ;  trii  tl$\ 
Eine  zksBca*  r.O  ^öth  an:l  öe  cifeibar  in&ämSt 
nachte ;;lht  ces  sc^ltirrs.  bes.oi^         irn  re-iL  iL 

Das«  bei  >rl»rwei*er  t:^  iZr^  i^Urr  ctt  annTr.rT^s  c:e 
Stellung  AS  eba  Tie!  bTLerea  froceL-saiz  aussah:  als  SA 
(während  bei  sä^Jirtea  crosttea  cie  ninr^t«!  r«  AS  weni^r 
groser  ist  a^  die  t:c  >A:  tfL  dir  tbersxi'  J  17CA  wird  iura 
guten  teü  daran  l:e*e~.  <Lass  bei  letewes-u  vl-wt  und  eicen- 
sehaft  vir]  iLLir^r  Terra  Lse::  sir.i  als  bei  sachlichen  ccncmtB. 
Deshalb  w-i-t  also  das  a.iW::T  bei  der  st<  llnr.*:  AS  schon  auf 
das  ganze  hin.  desliib  ]lalh  es  auch.  sub>:an::>  wru  das  grame 
vertreten  §  172».  Wenn  die  Verteilung  von  AS  und  SA  bei 
abstraften  derjenigen  bei  Icbrwesen  viel  näher  steht  als  der 
bei  sächlichen  concreten.  so  rührt  dies  wider  daher,  dass  die 
auf  abstracta  ingewanten  gciühlsan^aben  als  eins  mit  dem 
ganzen  begriff  gefühlt  werden. 

Was  die  in  Verbindung  mit  einem  adjectivum  zum  ausdruok 
eines  objects  gebrauchten  substantiva  betrifft,  so  lasst  sich 
mitunter,  aber  durchaus  nicht  immer  (am  ehesten  noch  bei 
sächlichen  concreten)  beobachten,  dass  ein  Substantiv  ein- 
fachster art  eintritt,  so  hüsa  seiest  146.  285.  658.  935,  to  (w) 
seh  pdm  hc'an  713.  919.  1016,  wogegen  worte  wie  dtyhtsclc 
485.  767,  hornreced  704  eher  allein  stehen. 

a)  Lebewesen:  .Erster  halbvers:  magodHKi  mied  67".  «r/WiM.c 
drsöd  130*,  ombeht  unforht  287*,  peoden  WUhrm  353*,  dug*Ö  mm/i/M  498, 
£uma  güphladen  868*,  seega  betsta  947*,  maga  mant  fah  978.  - 
Zweiter  halbvers:  beornas  geance  211,  fader  ahealda  3U5,  uyrm 
hat  gemealt  897,  getrume  mich  922,  Bcoteulf  Mofa  1216.  —  Auf  ver- 
schiedene halbverse  verteilt:  ...  seldjuma  ||  wtpnuM  t;rtrtorÖad 
250,  ...  seeale  momg  ||  s\ciöhic$ende  919,  eahta  mtara*  ||  ftttcdhUon 
1036,  ts  his  eafora  nü  \\  heard  her  eumen  370,  (totul  on  fnrtarum  | 
fylwerigne  962*. 

b)  (Sächliche)  concreta:  Erster  halbvors:  mtdwrrn  mied 
69*,  süÖ&earo  geatoiic  215*,  flota  fümigheals  218,  ft/rdsearu  füslteu  232, 
wudu  icundenhals  298,  rondas  regnhearde  326*,  aseholt  uf'an  lS-n^  330*, 
reced  selesta  412*,  freodoburh  fdgre  522*,  htrfdon  sirurd  naeoil  539, 
wado  tccaliende  546*,    beadohragl  bruden  552,    hWm  weallendn  f>8l*, 

Beiträge  rur  getchichte  der  deutschen  spräche.    XXX.  28 

Digitized  by  Google 


410 


SCHEINERT 


sunnt  stcegltcered  606*,  egl  unheoru  987*,  iren  chrgod  989,  segen  gyldenni 
1021,  sadol  seartcum  fäh  103H,  eofrr  irenheard  1112,  beahsele  beorkta 
1177*,  bordtcudu  bcorhtan  1243*,  prencudu  /jrymlic  1246.  —  Gen.  pl.  + 
s  up.:  hcalarna  mctst  78*,  hitsa  seiest  146,  beaduscritda  betst  453,  Anrjfa 
seiest  454*,  /ni«o  ««fcs*  935,  gctsta  gifrost  1123*,  fco/du  *rk«f  1144*.  - 
Zweiter  halbvers:  segett  gyldenne  47,  trudu  bundenne  216,  beorgai 
steape  222*,  o/>/xrt  At/  scel  timbred  306,  hringiren  scir  322*,  »n  «de 
A&in  703,  britn  tcealtende  847,  fö  sele  päm  hean  919,  on  seit  ßäm  hcan 
1016,  stcyn  eallgylden  1111.  —  Gen.  pL  4-  sup.:  Alisa  säest  285,  reden 
ceaidost  546,  /«mm  sM-sf  658,  ica-lfyra  mctst  1119,  healsbeaga  mdst  1195. 
—  Auf  verschiedene  halbverse  verteilt:  ydlidan  ||  .jodw  199, 
hof  modigra  \\  torht  313,  searonet  seoved  \  smißes  orpancum  406*,  feorer 
mädmas  \\  golde  gegyrede  1028,  tcirum  betcunden  \  vrala[n\  ütan  he'old  1081. 
fxet  htm  fela  läfe  \  frecne  ne  meahton  1032,  sadol  seartrum  fäh  \  »inet 
getcurdad  1038. 

c)  Abstracta:  Erster  halbvers:  morbbcala  märe  136,  pect  vdf 
tcrctc  micel  170,  nydwracu  nipgrim  193*,  pä  tcas  tcundor  micel  771,  «y«- 
do/A  stceotol  817,  (orn  unlytel  833*,  /xrt  Ae  Art/de  mod  micel  1167,  6tceord' 
bealo  sliden  1147,  gcasceafl  grimme  1234*.  —  Zweiter  halbvers:  »wM- 
becdtca  mctst  193*,  /"rf7io>  t/irf-ste  439,  k'o/if  unfctger  727,  /xrl  tr<rs  <<k« 
stceotol  833,  gerade  873,   dorn  unlytel  885,   «srum  tnidum  958.  — 

Auf  verschiedene  halbverse  verteilt:  dream  gehyrtle  ||  hiüdne  89, 
word  o/*r  /and  ||  söfle  gebunden  871. 

II.  Appositiv  gebrauchte  adjeotivs. 

§  171.  Zu  den  appositiven  adjectiven  rechne  ich  alle 
diejenigen  welche,  dem  dichter  nicht  gleichzeitig  mit  dem  aus- 
sprechen des  gegenständes,  sondern  meist  erst  nachträglich 
recht  klar  werdend,  zum  zwecke  eindringlicher  Charakteristik 
(oft  eines  zustandes)  zugesetzt  werden.  Häufig  sind  sie  dem 
zweiten  gliede  einer  Variation  vergleichbar,  auch  darin  dass 
sie,  die  deutliche  nennung  eines  gegenständes  noch  ergänzend, 
einen  ersten  halbvers  füllen:  güöbyrne  scän  \\  heard  hondlocen 
322.  —  Oft  genug  ist  das  object  bloss  mit  einem  pronomen 
angegeben,  und  somit  die  appositive  Verwendung  schon  formell 
völlig  klar:  pcet  he  ])ritti$es  \\  ntanna  meegencrwft  |  on  kis 
mundgripc  \\  heajioröf  halbe  381.  Dass  auch  eine  umfang- 
reiche form  (z.  b.  sohle  xeregnad)  oder  der  schwerflüssig 
wogende  satzbau  die  appositive  Stellung  mit  veranlassen  kann, 
braucht  nicht  in  abrede  gestellt  zu  werden.  Ueber  die  auf- 
tretenden begriffsverbindungen  ist  zu  bemerken: 

Appositive  adjectiva  kommen  bloss  bei  lebewesen  und 
sächlichen  coucreten  vor  (weil  diese  in  der  Vorstellung  leichter 


Digitized  by  Goog 


ADJECTIVA  IM  BEOWlTLFEPOÖ. 


411 


festgehalten  werden),  und  zwar  von  ersteren  doppelt  so  oft  als 
von  letzteren.  Von  den  adjectivgruppen  nehmen  appositive 
Stellung  ein  worte  aus  gruppe  II  bei  sächlichen  concreten, 
bei  lebewesen  aber  etwas  weniger  solche  aus  gruppe  II — VII 
(constante),  als  zustandsangaben  aus  gruppe  I  und  VIII. 

Gruppe  I:  swig  up  dstäh  \\  ntwe  geneahhe  783,  was  gehwaper 
öÖrum  ||  Ii  fixende  lad  815,  hwapere  ic  furo,  feng  \  feore  gedigde  || 
sipes  wer  ig  579,  hie  on  gebyrd  hruron  ||  gäre  wunde  1075,  hü  he 
werigmöd  \  on  weg  panon  ||  ...  fdge  7  geflymed  |  feorhlästas  bar  844  ff., 
beorscealca  sum  ||  füs  7  fdge  \  fletraste  gebeag  1241,  scolde  Grendel 
ponan  ||  f  eorhseoc  fleon  \  under  fenhleoöu  820,  wit  pat  gectvddon  \ 
enihtwesende  535,  pe  hine  ....  forÖ  onsendon  \\  dnne  ofer  yÖe  \ 
umborwesende  46,  Ddm  eafera  was  |  cefter  cenned  ||  geong  in 
geardum  13,  peer  HröÖgär  sert  ||  eald  7  unhär  357,  heold  penden 
lifde  II  gamol  7  güdreow  \  glade  Scyldingas  58,  dbr  he  on  weg  hwurfe  \\ 
gamol  of  geardum  265,  pa  wees  on  sälum  |  sinces  bryita  \\  gamol- 
feax  7  güöröf  608. 

Gruppe  II:  eoforlic  scionon  \\  gehroden  golde  \\  fäh  ond  fyr- 
heard  304 f.,  ...  scadulielma  gesceapu  \  seriöan  ctcöman  \\  wan  under 
tcolenum  051,  sele  hlifade  \\  he  ah  7  horngiap  82,  hie  him  dsetton  \ 
gegen  gyldenne  \\  hiah  ofer  lUafod  48,  oppctthysal  timbred  \\  geatolic 
7  goldfäh  |  ongitan  mihton  308,  geseah  steapne  hröf  \\  golde  fähne 
927,  töpeespe  he  winreced,  \\  goldsele  gumena  |  gearwosi  wisse  ||  fett  tum 
fähne  716,  eode  goldhroden  \\  freolicu  folecteen  |  tö  hire  frian  sittan 
640,  pdr  fram  sylle  abeag  \\  medubenc  monig  \  ...  ||  golde  geregnad 
777,  beadohragl  bröden  \  on  breosium  loeg  \\  golde  gegyrwed  553, 
Pcet  hit  ...  manna  a?nig  \\  betlic  7  bänfäg  |  tobrecan  meahte  780,  Güd- 
byme  scän  \\  heard  hondlocen  322,  him  of  eagum  stöd  1|  Ugge 
gelicost  |  Uoht  unfdkger  727,  heefdon  swurd  nacod  \\  ...  heard  on 
handa  540,  pat  him  fÜa  läfe  \  frecne  ne  meafiton  \\  scürheard  scepÖan 
1033,  was  Pat  beorhte  bohl  \  tobrocen  . . .  ||  eal  inneweard  \  irenben- 
dutn  fast  998,  duru  sona  onarn  \\  fyrbendum  fast  722,  scop 
hwilum  sang  \\  hädor  on  Heorote  497,  gewät...  \\  flota  fämigheals  \ 
f ugle  gelicost  218. 

Gruppe  III:  «?f7»f  unhdlo  ||  grim  7  grddig  \  gearo  sona  was,  || 
reoc  7  ripe  121  f.,  lean  teohhode  \  ...  hnähran  rince,  \\  s  dm  ran  at 
saccc  953,  Güpmöd  grummon  306,  hafde  pä  gefdlsod  \  sepe  dr  feor- 
ran  com  \\  snotor  7  swydferhd  \  sele  HröÖgäres  826,  heold  penden 
lifde  II  gamol  7  güdreouw  |  glade  Scyldingas  58,  him  Öä  Scyld  gewdt  \ 
tö  gescaphwile  ||  felahrör  feran  27,  wene  ic  pat  he  (G.)  wille  |  ,  ... 
Geotena  Uode  \\  etan  unforhte  444,  hü  he  fr  öd  7  göd  |  feond  ofer- 
8tc$dep  279,  Pat  hie  Biowulfe  \  beaghroden  ewen  ||  mode  gepungen  \ 
medoful  atbar  624,  hwilum  cyninges  pegn  \\  guma  gilphladen  \  gidda 
gemyndig  \\  ...  word  oper  fand  \\  sööe  gebunden  868  f. 

28* 


Digitized  by  Google 


412 


SCHKINERT 


Gruppe  IV:  eode  Wealhpcoic  fori  ||  citen  HröÖgdres  \  cynna  ;e- 
myndig  613,  Öonon  he  gesöhte  \  siccbsnt  edel,  ||  leof  his  leodum  \ 
lond  Brondinga  521,  ac  ic  inid  grdpe  sceal  \\  fön  tciÖ  feonde  \  7  ymh 
feorh  sacan  \\  lüp  wiÖ  lapum  440. 

Gruppe  V:   An  he  fröd  7  |  feond  oferswyÖep  279,    /mtI  it<? 

hine  swd  gödne  \  gretan  tnöton  347,  ficet  hit  . .  manna  arnig  \\  beilic 
7  banfdg  \  töbrecan  mcaJtte  780,  pe  se  ctgldca  ||  f yrendädum  fäg  I 
on  fleam  gewand  1001. 

Gruppe  VI:  p<et  he  prittiges  ||  manna  m&gencrarft  \  on  his  mutui- 
gripe  II  heaporof  hcebbe  318,  pd  tcats  on  sdlum  \  sinces  bnftta  \\  gamol- 
feax  7  güdröf  608,  sirylce  seif  cyning,  ||  ...  btahliorda  weard  \\  ttyJ- 
dode  tirfatst  \  getrume  micle  ||  cystum  gecyPed  922f.,  oPP&t  unc 
flöd  tödrdf  ||  ...  7  norPan  wind  \\  heaÖogrim  ondhwearf  548. 

Gruppe  VII:  com  pd  ...  rmc  siÖian  \\  dreamum  bed&led  721. 

Gruppe  VLU:  öd  ic  of  seartcum  cicöm  ||  fdh  from  feondum  420. 
ond  pd  gyddode  \  güpe  gefysed  630,  fyrendearfe  ongeat  ||  pd  hie  ehr 
drugon  \  aldorlease  \\  lange  hwile  15,  deah  hie  hira  beaggyfan  \  banan 
folgedon  \\  deodenlease  1103,  Geiciton  him  Öd  teigend  |  teica  neosan 
freondum  befe  allen  1126,  pu  worn  fela,  \  teine  min  Unferd,  ||  beore 
druncen  \  ymb  Brecan  sprdee  531,  ful  oft  gebeotedon  |  beore 
drunene  ||  . . .  öretmeegas  480,  ac  ke  ...  |J  bolgenm  öd  \  bewltca 
gepinges  709,  Oft  fo£We  /für  |  /«onrf  treddode,  ||  eou>  yrremöd  726, 
Panon  eft  getedt  \\  hüÖe  hremig  |  tö  hdm  faran  124,  Au  Ae  wir  ig- 
möd  |  tm  ur,?  panon  j|  ...  feorlUdstas  barr  844,  jte  s<r  eegktea  \\  . . .  <m 
//«'um  ^etrotki  ||  aldres  orteena  1002. 

Gruppe  X:  drf  iMBf  Aufm  Ar</)€  |  Heort  innanteeard  \\  folmum 
gefrattcod  991,  tftfs  /><£<  beorhte  bold  \  töbrocen  swtÖe  \\  eal  inneteeard] 
irenbeiulum  fa'st  dOH,  flola  stille  bdd,  \\  seomode  on  sdle  \  sidfa*pmed  sa'p\ 
on  ancre  fast  303,  opöe  on  wal  crunge  \\  feondgrdpum  faest  636. 

HI.  Substantivisch  gebrauchte  adjectiva. 

§  172.  Das  nicht  an  ein  substantivum  angelehnte  adjec- 
tivum,  im  sing,  wie  im  pl.  und  in  allen  casus  belegt,  erweist 
sich  als  substantivisch  zunächst  in  den  casus  obliqui  (geongum 
7  ealdum  72)  und  mit  artikel  (se  göda),  dann  aber  auch  im 
artikellosen  nominativ  (so  stets  im  pl.)  sowol  durch  die  constanz 
der  bezeichneten  eigenschaften  wie  durch  sicher  substantivische 
parallelen:  swiöferhde  (pl.)  493;  vgl.  swiÖferhÖes  908. 

Inhaltlich  betrachtet  gilt  die  Substantivierung  fast  bloss 
bei  lebewesen  (ausserdem  bei  ein  paar  sächlichen  concreten 
und  ein  paar  neutris),  und  zwar  fast  nur  von  constanten  eigen- 
schaften (gruppe  II— VII).   Denn  diese,  besonders  die  psychi- 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


413 


sehen  (um  die  es  sich  im  Beowulf  bei  personen  wesentlich 
handeln  mnss),  gehen  bei  lebewesen  auf  deren  inneren  grund 
zurück,  und  können  so,  eng  mit  dem  ganzen  verwachsen,  eher 
für  dieses  gebraucht  werden  als  irgend  welche  physische  be- 
stimmtheiten  eines  sächlichen  concretums. 

Gruppe  I:  schneße  325,  deaöfa^ges  850,  unlyßgendes  744,  umbor- 
wesendum  1187,  geong  manig  854,  geongum  7  ealdum  72.  —  Gruppe  II: 
beornas  on  blancum  856,  hringedstefna(n)  32b.  1181,  wundenstefna  220; 
goldhroden  614.  —  Gruppe  III:  hwat . . .  scarofuebbendra  byrnum  icercde 
237,  c enra  gehtcylcum  768b,  se  hearda  401b,  heardra  nän  988,  wiges  heard 
886,  heard  under  keime  342.  405,  heardhiegende  394,  swidkiegende  1016, 
siciöferhöum  173,  sicidferhde  493,  swidferhdes  siÖ  908,  Örydswyd  131.  736b, 
heafaodeor  688,  heapodeorxtm  772,  hildedeor  312.  834,  hof  mödigra  312b, 
modge  855,  grim  555,  wtsfeest  626.  —  Gruppe  IV:  se  almihtiga  92,  se 
n'ca  310b.  399,  r/ce  1237,   se  yldesta  258,  />owe  yldestan  363,  ÄoWra 

487b,  Pas  laban  132,  841,  läfium  440.  550,  /«/>ra  nahiig  242b, 

^rawie«765,  pä  graman  117h,  gramum  424.  1034,  wrapum  660.  708b,  /aro 
578,  unetipes  960,  we  fc'o/*  rte  /ad  511,  /Wa  lapes  929  b,  /Wa  . . .  Hofes  and 
läpes  1061.  —  Gruppe  V:  se  gada  205.  355.  675.  1190b,  petm  gödan 
384  b,  pä  sflestan  416,  ,joa*  mid  Gcatum  195,  bealohydig  723,  intcitpanctitn 
(?)  749,  httpenes  986,  ?ueßenra  179.  —  Gruppe  VI:  se  «irfra  762,  /w*m 
nutran  270,  marne  36,  ellenröf  340.  358,  heaPoröfe  864,  higerofm  204, 
blädägende  1013b,  wtdcüpes  1042,  ßryöum  dealle  493,  sigehrepig  94,  f/r- 
/eases  &13.  —  Gruppe  VII— XI:  cHama  /eos  850b,  rfream  healdemle 
1227b,  /br  töuan  (ntr.)  951,  je  feorbuend  254  b,  uneüpes  fela  (ntr.)  876  b. 

IV.   Prädicativ  gebrauchte  adjectiva. 

§  173.  Ueber  prädicierung  im  allgemeinen  vgl.  §  7.  Der 
form  nach  wird  nicht  immer  subject  und  prädicatsadjectiv 
einander  gegenübergestellt,  sondern  öfters  Substantiv  und  ad- 
jectiv  zusammengenommen  und  einem  unbestimmten  ausdruck 
gegenübergestellt.  Dem  inhalt  nach  gehört  das  adjectivum 
jedoch  mit  zur  prädicierung:  seße  manna  teces  mwgene  strengest 
789;  ebenso  196.  309.  898;  pa>t  was  göd  cyning  11;  ebenso 
134.  290.  716.  765.  863.  1075. 

Dass  auch  bei  den  prädicativen  adjectiven  die  personen 
weitaus  am  meisten  beteiligt  sind,  dürfte  an  der  grösseren 
mannigfaltigkeit  der  Verhältnisse  liegen,  in  denen  sie  vor- 
kommen, und  an  dem  grösseren  interesse,  das  sie  erwecken. 

Besonders  wichtig  ist,  namentlich  auch  für  den  vergleich 
mit  der  späteren  epik,  dass  die  prädicativen  adjectiva  nie  in 
gruppen  auftreten,  um  irgend  etwas  im  zusammenhange  zu 


Digitized  by  Google 


414 


SCHEINERT 


charakterisieren  (wie  z.  b.  in  der  Chanson  de  Roland  oder  bei 
Chaucer),  sondern  immer  nur  in  einem  einzigen  satze,  in  dem 
allerdings  hier  und  da,  wenn  auch  im  ganzen  selten,  teils  auf- 
zählend, teils  mehr  variierend,  mehrere  parallel  gestellte  ad- 
jectiva  sich  zueinander  finden  können.  Nach  ihrer  bedeutung 
für  die  gesammte  erzählung  ordne  ich  sie  in  eine  reihe  von 
gruppen,  die  sich  continuierlich  abstufen  von  beiläufig  charak- 
terisierenden Sätzen  bis  zu  unentbehrlichen  gliedern  der  erzäh- 
lung. Die  unter  verschiedene  gruppen  aufgeteilten  stellen 
sehen  oft  einander  sehr  ähnlich,  haben  aber,  zusammen  mit 
den  jeweilen  vorhergehenden  und  folgenden  versen  betrachtet, 
eben  die  angedeutete  Verschiedenheit  der  bedeutung. 

1)  Ein  kurzer  beigefügter  satz  dient  der  Charakteristik, 
sich  von  attributiven  oder  appositiven  adjectiven  kaum  unter- 
scheidend: 

sef>e  manna  was  \  magene  strengest  789,  was  his  modsefa  \  manegum 
geeyped,  \\  wig  ond  wtsdüm  349,  J>d  he  gebolgen  was  725b,  swd  hit  gedefe 
was  501b,   (he  was  f<ig  wiÖ  god)  811. 

2)  Zu  einer  eingeführten  person  oder  einer  berichteten 
tatsache  wird  eine  zusatzerklärung  oder  eine  begrundung 
gegeben: 

Öd  was  Heregär  dead,  \\  min  yhlra  mag  \  ttnlifigcnde  467  b,  nc  he 
fxrs  faste  was  ||  innan  7  utan  \  innbendum  ||  searoponatm  besmipod 
773  ff.,  was  t6  foremihtig  \  f conti  on  fepe  909b,  se  was  moncynnes  \  ma- 
gcnes  strengest,  ||  ...  ajtele  7  eacen  19t]  ff.,  ßd  gyt  was  hiera  sib  atgadere  1 
aghwylc  ödrum  tryice  11(54,  pat  was  foremärost  \  foldbuendum  \\  receda 
undcr  rodcrum  309  a. 

3)  Eine  ausführlichere  darlegung  wird  in  ihrer  tatsachlich- 
keit  noch  einmal  kurz  zusammengefasst  oder  charakterisierend 
abgeschlossen,  sei  es  nach  ihrem  inhalt,  sei  es  nach  ihrer 
Wirkung: 

hreo  wdron  ypa  548b,  was  se  irenpreat  \\  wäpnum  geweorPad  330, 
Pat  was  god  cyning  IIb,  se  was  betera  donne  ic  469b,  was  seo  ßeod 
tila  1250b,  was  tö  fast  on  päm  137  b,  se  was  xcreccena  \  wide  marost 
ofer  werpeode  898,  Pas  wdron  mid  Eotenum  \  ccge  cüde  1145,  was  Pat 
gewin  tö  sträng,  ||  lad  7  longsum  133b,  was  Jxet  gewin  tö  swyd,  \\  lad  7 
longsum  191b,  him  was  geomor  sefa,  \\  murnende  möd  49b,  pat  was 
geomoru  idcs  1075b. 

4)  An  punkten  der  erzählung,  die  keinen  f ortschritt  der 
handlung  bringen,  wird  eine  beschreibung,  erklärung,  Charak- 
terisierung eingeschoben : 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  HEOWULFEPOS. 


415 


strdt  was  stdnfdh  320a,  foran  äghwylc  icas  ||  stiÖra  nagln  \  style 
Xelicost  984,  was  gehwaper  oÖrum  \\  lifigeiule  Idd  814,  ac  pat  was  gdd 
cym'ng  863b,  tcord  waron  wynsume  612a,  pat  was  geocor  siö  \\  fxei  ... 
765b,  hyge  was  him  hinfüs  755a,  pat  was  yldum  cup,  ||  pai  ...  705b, 
P<i  icas  iaPfynde  \  pe  him  . . .  138  a. 

5)  Der  prädicativsatz  leitet  einen  neuen  abschnitt  der 
erzählung  ein  oder  bringt  einen  fortschritt  der  erzählung: 

Here-Seyldinga  \\  bei  st  beadorinca  \  was  on  bäl  gearu  1100,  du  was 
trinter  scacen,  \\  f&ger  foldan  bearm  1137,  Beowulf  was  breme  18a,  öd 
was  ...  Beowulf  Scyldinga  \\  f "oleum  gefräge  55,  was  min  fader  \  f oleum 
gecyfxd  262,  donne  was  pcos  medoheal,  \\  drihtsele  dreorfdh,  ...  ||  eal 
bencpelu  \  blöde  bestymed,  \\  heall  heorudreore  484 ff-,  wiht  unhttlo  \\  ... 
jearo  söna  was  121b,  was  mereftxa  |  mdd  onhrered  549b,  yrrc  waron 
bigen,  ||  repe  renweardas  769b;  —  eoton  icas  ütweard  761a,  ne  was  lüt 
lenge  pd  gen,  ||  pat  ...  83  f.,  nas  hit  lengra  fyrst,  ||  ac  ymb  dne  niht 
134b,  was  seo  hwil  tnicel:  twelf  wintra  tid  146b,  Öd  was  on  ühtan  \ 
mid  ardage  \\  Grendles  güöcrceft  |  gumum  undyrne  127,  at  pdm  dde 
was  |  ePgexyne  \\  swdtfdh  syree  1110,  Pdr  on  bence  was  \\  ofer  aPelinge  \ 
yPgesene  \\  heaÖosteapa  heim  1244,  öd  was  swigra  seeg,  ...  ||  on  gylp- 
spräce  \  güdgeweorca  980a. 

Dazu  dann  ein  paar  weniger  bedeutsame  Verwendungsarten: 

6)  Sentenzen: 

ofost  is  seiest  \\  to  geeyÖanne  . . .  256b,  fordan  bid  andgit  \  ajhwär 
seiest  ...  1059,   no  pat  ybe  byÖ  \\  to  befleonne  1002b. 

7)  In  auff orderungen  und  wünschen,  wobei  die  adjectiva 
der  gruppe  IV  recht  häufig  sind: 

wes  pd  M5  Idrena  göd!  269b,  her  si  äghwylc  eorl  |  oprum  getrywe,  \\ 
müdes  milde,  \  mandrihtne  hold  1228,  wes  pd  HröÖgdr  hui!  407a.  —  bad 
hine  blidne  at  päre  biorpege  617a;  ähnlich  glad,  geofena  gcmyndtg  1173, 
Idra  liöe  1220a,  dadum  gedefc  1227a,  gepwdre,  ealjearo  1230,  eadig  1225a, 
ne  ...  dyrne  271b. 

8)  In  nebensätzen,  meist  an  ruhepunkten  der  erzählung, 
öfters  eingeleitet  durch  ein  verbum  des  sagens: 

was  peaw  hyra,  \\  pat  hie  eft  waron  \  anwiggearwe  1247,  gif  P'm 
hige  wäre,  \\  sefa  sied  searogrim  |  swd  pd  seif  talast  594a,  ic  pat  xehyre  \ 
pat  pis  is  hold  weorod  ||  frean  Scyldinga  290b,  gesaga  him  ...  \  pat  hie 
sint  wileuman  \\  Deniga  leodum  388;  ähnlich  este  945b,  wileuman  394b, 
leof  203b,  modes  blide  436b,  drfast  1168a,  selra  860b,  rices  wyrdra  861b, 
seiest  173  b,  rof  682  b,  gifepe  299  b. 

Prädicativ  werden  gebraucht  worte  aus  allen  bedeutungs- 
gruppen,  am  ehesten  etwa  noch  aus  IV,  VII  und  VIII;  nur 
prädicativ  kommen  vor  gewisse  angaben  allgemeiner  relation 
(§  145),  dazu  die  impersonalia  und  verbaladjectiva  (gruppe  XII). 


Digitized  by  Google 


416 


BCHB1XBET 


V.  Mit  verben  verbundene  adjectiva. 

^  174.  Das  adjectiv  kann  mit  einem  verbum  m  einem 
complex  verbunden  erscheinen,  und  zwar  stehen  hier  worte 
der  gruppe  I  zusammen  mit  VIII  ff.  allen  übrigen  zusammen 
an  häufigkeit  nicht  nach. 

1)  Eine  reihe  von  verben,  wie  'stehen',  'liegen',  'sitzen',  sind 
oft  bloss  concretere  ausdrücke  für  'sein'  beim  prädicat  Die  sätxe  ent- 
halten meist  ein  für  die  erzählnng  wichtiges  glied :  pdr  ctt  hyde  stöd 
hringedstefna  ||  isig  7  ütfüs  33,  odfxrt  tdel  stöd  ||  hüsa  seiest  145b,  ptrt 
pes  sele  stände  ...  |  rinca  gehwyleum  ||  tdel  7  unnyt  413,  ßonne  blöde 
fdh  II  hüsa  seiest  |  heorodreorig  stöd  934b,  uplang  astöd  759b,  ae  on 
mer^enne  \  mecum  wunde  ...  |  uppe  lägon  565,  ßcet  he  for  mundgript  | 
minum  scolde  ||  liegean  lißysig  966.  geartee  stowe,  ||  fxtr  his  liehoma 
legerbedde  ferst  \\  steefep  (efter  symle  1007,  goldfdg  scinon  ||  web  cefter 
wdgum  994b,  cynna  gehwyleum  \  pdrade  ewice  hwyrfap  98,  m(tre  peoden  | 
unbliöe  s<rt  180b,  fxet  pone  hilderd>s  \  hol  gedigeÖ  300,  hröf  äna  genas  \\ 
ealles  ansund  1000. 

2)  'Besitzen':  pect  ic  merestrengo  |  mdran  dhte  \\  ...  Öonne  ttwii 
öper  man  533. 

3)  'Machen':  ac  he  me  habban  wile  ||  dreore  fdhne  447,  nolde 
eorla  hleo  . . .  ||  Pone  eteealmeuman  \  ewiene  forlettan  792,  ferder  alwalda 
...  |  eowic  gehealde  \\  siÖa  gesunde  318. 

4)  'Begegnen',  'finden',  'erleben',  ebenso  anch  'hören', 
meinen'  bilden  oft  mit  negiertem  romparativ  (§165,4;  einen  empb* 
tischen  ausdrnck,  der  eingeschobener  Charakteristik  an  ruhepunkten  dient. 
syödan  (trest  wcard  \\  feasceaft  fundenl,  ...  Geata  leode  ||  cempan  j(- 
corone  |  pdra  pe  he  chioste  findan  mihte  206,  ntrfre  he  . . .  ehr  ne  sipdan  | 
heardran  hcrle  healdegnas  fand  719;  pat  he  ne  mette  ...  |  on  (Iran 
tuen  II  mundgripe  mdran  753;  ic  hine  cüde  |  enihtwesende  372,  mtfre  k 
muran  geseah  ||  eorla  ofer  eorpan  247b,  ne  seah  ic  eipeodige  \\ 
manige  men  \  mödiglicran  337,  n<enigne  ic  under  swegle  \  selran  hyrde  ,1 
hordmddum  htrlepa,  |  sypÖan  Hdma  (ttwag  |  ...  Brösinga  metie  1197,  nö 
ic  on  niht  gefragn  \\  under  heofones  hwealf  \  heardran  feohtan  |  ... 
earmran  mannon  575  ff. ;  —  hy  on  wiggeatwum  |  wyröe  pincead  ||  eorla 
gea>htlan  368,  nö  his  lifgeddl  \\  sdrlk  pühte  \  seega  (enegum  842,  Ödr  hi* 
foldwegas  |  f(?gere  pUhton,  \\  cystum  cüde  866,  ond  sipdan  witig  god...  I, 
tn&rdo  deme,  |  swd  him  gemet  pince  687,  ne  his  lifdagas  |  leoda  (rnigutn 
nytte  tealde  794,  nö  ic  me"  an  herewa>smum  \  hndgran  talige  j|  güd$c- 
weorca  \  ponne  Grendel  hine  677,  Öonne  wine  ic  tö  pe  |  wyrsan  gepingeo, 

. . .  gif  pü  Grendles  dearst  \\  . . .  nean  bidan  525. 

5)  Adjectiva  verbunden  mit  'werden'  nahern  sich  stark  dem  ver- 
balen ausdrnck;  sie  bringen  gewöhnlich  einen  fortschritt  in  der  erzählnn?: 
pat  hit  wearÖ  ealgearo,  ]|  healeerna  mit  st  77  b,  he  pier  eaUum  weard  || 
mdg  Higeldces  |  manna  cynne  ||  freondum  gefeegra  915,  scolde  his  aldor- 


Digitized  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWÜLFEPOS. 


417 


gedal  ...  ||  earmlic  wurdan  807,  gyf  .../>«  ccancylmas  \  cölran  wurdap 
282,  gode  ßancedon,  \\  Jxes  pe  htm  ypläde  \  eade  wurdon  228,  he  on  möde 
icearÖ  \\  forht  on  ferhÖe  754,  forÖam  syöÖan  tcearÖ  ||  ylda  bearnum  \  un- 
dyrne  cüd,  ||  Patte  . . .  150,  wie  tceard  Grendles  ping  ||  ...  undyrne  cüö 
410b,  hwwpere  me  gt/fepe  tceard,  ||  Pat  ic  dgUtcan  \  orde  gerauhte  555  b, 
Beowidfe  tceard  \\  güöhreö  gyfepe  819. 

$  175.  Uebersicht. 


lebe- 
weseu 

natur, 
sächl. 
concr. 

abstr. 

neutra 

in  Beow. 
1-1250 

j  AS 

79 

63 

48 

190 

j  SA 
appos. 

18 
54 

51 

28 

18 

87 
82 

447 

subst. 

80 

4 

4 

88 

präd. 

53 

11 

17 

8 

89 

136 

m.  verb 

20 

12 

12 

3 

47 

(23  °/„) 

zusammen 

304 

169 

95 

15 

583 

composita 
aus  adj.-sbst. 

5 

11 

5 

21 

zusammen  604 
Auf  100  verse  48, 3  adj. 


§  176.  Ueber  die  Stellung  der  adjectiva  im  rhythmus  des 
verses  bloss  ein  paar  andeutungen,  zunächst  über  AS  und  SA, 
soweit  sie  zusammen  eine  halbzeile  füllen.1) 

AS  und  SA  stehen  in  der  mehrzahl  der  fälle  im  ersten 
halbvers;  A  und  S  werden  offenbar  gleich  stark  betont,  ziehen 
daher  oft  doppelalliteration  an  sich,  bilden  also  für  sich  allein 
einen  vollen  ersten  halbvers.  Die  rhythmische  form  der  ein- 
zelnen ersten  halbverse  muss,  da  es  sich  um  nominalbindungen 
handelt,  vorwiegend  A,D,E  sein,  seltener  B,  C,  nämlich  wenn 
eine  präposition  etc.  vorangeht.  Im  zweiten  halbvers  sind 
C,  D,  E  selten,  aber  A  häufiger  als  das  hier  sonst  so  beliebte  B, 
eben  wegen  der  nominalfüllung,  sodass  AS  und  SA  einen  guten 

')  Pass  der  dichter  nicbt  ein  sklave  der  alliteration  zu  sein  braucht, 
muss  jedem  klar  sein,  der  einen  blick  in  den  synonymisch  geordneten 
adjectivschatz  wirft. 


Digitized  by  Google 


418 


SCHEINERT 


teil  aller  der  zweiten  halbverse  des  typus  A  ausmachen:  zu- 
gleich ein  hinweis  darauf,  wie  sehr  die  rhythmik  des  verses 
von  den  natürlichen  rhythmen  der  worte  und  den  typischen 
oder  nicht  typischen  Wortverbindungen  abhängt.  Fast  aus- 
schliesslich im  ersten  halbvers  stehen  AS  und  SA  als  zweite 
Variationsglieder,  da  diese  überhaupt  raeist  im  ersten  halbvers 
stehen:  Btowulf  Scyldinsa,  \\  Uof  leodcyning  54. 

Die  Stellung  SA  lässt  sich  vielleicht  an  einigen  stellen 
aus  rhythmischen  gründen  erklären.  So  tritt  bei  SA  in  manchen 
fällen  D  ein,  das  offenbar  beliebter  ist  als  E;  wie  es  sich  bei 
der  Stellung  AS  ergeben  würde:  flota  fdmigkedls  218,  sadol 
scanvum  fdh  1038,  cofer  irmheard  1112.  In  fällen  wie  989 
tnn  cerjod  wird  vielleicht  die  schwere  form  L  J_  |  1  x  ver- 
mieden, die  bei  AS  eintreten  müsste;  auf  _._L  lässt  man  eben 
lieber  vLx  folgen:  syndolh  sweotol  817;  dies  zugleich  wider 
eine  constellation,  die  umgekehrt  (als  AS)  überhaupt  keinen 
vers  ergeben  würde. 

Von  den  appositiven  und  substantivierten  adjectiven  be- 
gegnen im  zweiten  halbvers  nur  verschwindend  wenige  (rund 
20  °0),  weil  sie  durch  die  der  substantivischen  etwa  gleich 
schwere  betonung  in  die  erste  halbzeile  geführt  werden.  Von 
den  prädicativen  und  mit  verben  verbundenen,  die  teils  als 
nicht  gegenständlich,  teils  als  zum  verbalbegriff  gehörig  gefasst 
weiden,  stehen  64  0  0  uud  58  %  etwa  im  zweiten  halbvers. 

VI.  Nachsätze,  negation,  häufung,  angomessenheit. 

§  177.  In  verschiedenen  fällen  folgen  auf  das  adjectiv 
ergänzende  nachsätze,  und  zwar: 

1)  Der  eomparativ  zieht  einen  vcrgleichungssatz  nach  (wu 
übrigeus  nicht  immer  der  fall  ist,  vgl.  §  165).  Das  gleiche  kann  bei 
Superlativen  eintreten,  nur  ungleich  geltener,  z.  b.:  healsbea$a  rnäst  \\ 
päraiie  ic  on  fohlan  \  grfnrgen  habbe  )|  1195;  ähnlich  2129. 

2  Der  positiv  kann  einen  graduierenden  znsatz  haben,  der 
einen  nachsAtz  erfordert:  tea-s  htm  sc  man  tö  fion  Uof  \\  fxet  hr  frone 
breostivylm  |  forberan  ne  mehte  ||  1876;  vgl.  auch  «o  pees  fröd  UofaA  \\ 
tumena  bcarna  |  pa-t  pone  grund  wite  ||  136C. 

3)  Zahlreich  sind  die  nachsätze  nach  impersonalieu:  n<r*  öa 
Oft;  tö  don  ||  }xvt  da  dtfdcean  tuj  |  eft  gemetton,  ||  2591,  sted  bid  geo- 
morltc  |  gomelum  ceorle  \\  tö  gebidanne  . . .  2444,  pasi  wojs  yldum  cüp  I 
pat  hie  ne  möste  . . .  705- 


Digitized  by  Google 


ADJECT1VA  IM  BEOWULFEPOS. 


419 


8  178.  Vom  gebrauche  der  negationen  bei  adjectiven 
ist  schon  behandelt  die  ausschliessung  eines  hölieren  grades 
einer  eigenschaft  durch  negierung  des  comparativs  (vgl.  §  165,4). 
Analog  der  §  162,  2  besprochenen  Verwendung  von  im-  kann 
die  negation  des  gegenteils  der  position  dienen:  nö  his  lifecddl  || 
sdrlic  pühte  \  secga  cenegum  ||  841,  ne  to  gncaÖ gifa  1930,  u.ö. 

Eine  besondere  art  der  Verwendung:  der  negation  im  prädicativsatze 
ist  diese:  an  einem  ruhepunkte  der  erzählung,  bei  neuem  einsäte  oder  der- 
gleichen (§173),  wird  etwas  au  sich  denkbares  für  den  vorliegenden  fall 
ausgeschlossen.  Solch  ein  sätzchen  pflegt  gerade  einen  zweiten  halbvers 
zu  füllen:  nm  he  forht  stcä  deh  2967b,  nas  Ju't  lengra  fyrM  134b,  ncvs 
k  fd>ge  p('t  gyt  2151b;  vgl.  83.  271.  1002.  1575.  2415.  2975. 

$  179.  Besondere  betrachtung  erheischt  noch  die  ad- 
jectivhäufung:  es  werden  zu  gleicher  zeit  von  einein  dinge 
mehrere  (fast  immer  zwei)  eigenschaften  ausgesagt,  die  für 
die  Charakteristik  gleichen  wert  haben: 

asetton  |  segen  gyldenne  \\  heah  ofer  heafod  47,  sinces  brtßla,  \\  ga- 
molft-a.T  oiid  güdröf  607,  Od  was  . . .  Beowulf  Seyidinga  |!  Uof  Uodrynwg 
...||  foleum  gefreite  53.  Diese  häufung  kommt  in  B.  1—1250  etwa  70 
mal  vor,  nämlich  36  mal  von  lebewesen.  31  mal  von  natnrdingen  und  säch- 
lichen concreten,  3  mal  von  abstracten,  d.h.  in  100  versen  findet  man 
durchschnittlich  5,  5  stellen.  —  Personen:  34.  54.  58.  102.  121.  129.  132. 
196.  237.  262.  279.  340.  357.  416.  4437.  4*7.  403  u  s  w.;  —  sächl.  con- 
creta:  32.  47.  82.  214.  218.  222.  302.  304.  307.  322.  325.  412.  438.  453. 
485  u.s.w.;  —  abstracta:  49.  133.  191. 

§  180.  Die  frage,  ob  ein  verwendetes  adjectivum  jedes- 
mal auch  dem  inhalt  des  ganzen  satzes  angemessen  sei, 
muss  zu  des  dichters  gunsten  beantwortet  werden.  Zur  Cha- 
rakterisierung einer  speciellen  Situation  bietet  ja  der  Wort- 
schatz der  adjectiva  nicht  vielerlei  dar,  aber  einerseits  ist  das 
übrige  material  so  reichhaltig,  andrerseits  sind  die  eigen- 
schaften so  eng  mit  den  dingen  verwachsen  und  ist  auch  alles 
so  verwendet,  dass  man  kaum  eine  stelle  als  'katachrestisch* 
wird  nachweisen  können.  Dagegen  passen  eine  grosse  anzahl 
gar  trefflich  iu  den  Zusammenhang: 

atidon  fia  \  Uofne  pt-oden  34.  h<rf<lc  fxt  gtf'ihod,  ...  ]|  snotor  oml 
stcydferhd  scle  Hrodjärcs  825,  ic  pis  gid  bt  pc  |  äwnec  wintrum  fröd  172  :. 
Auffällig  könnte  höchstens  erscheinen,  da;-*  die  leute  Bcowulfc,  die  sich 
eben  feige  benommen  haben,  wie  sie  den  schätz  aus  der  drachenhöhle  holen, 
gleich  wider  nidhedige  tuen  3165  heissen;  doch  vielleicht  kam  dem  dichter 
die  höhle  auch  nach  de«  drachen  tode  noch  unheimlich  vor.  Leichter 


420  SCHEINERT 

erklärbar  ist  es,  wenn  Hereraod  1713  bolgenmod,  1715  mrfre  peoden  heisst. 
Mctre  peoden  ist  eben  der  herscber  als  solcher,  und  überdies  ist  vum 
peoden  eine  stebende  formel,  die  einzige  im  Beowulf  (15  mal;.  Denn  die 
stehenden  epitheta  Homers,  ohne  die  ein  gewisses  substantivuni  selten  er- 
scheint, und  die  selten  mit  einem  andern  verbunden  werden,  gibt  es  im 
ags.  nicht.  So  ist  auch  märe  peoden  eine  blosse  nominalformel  und  findet 
auf  verschiedene  personen  anwendung,  während  die  homerischen  epitheta 
perpetua  im  wesentlichen  auf  ein  bestimmtes  object  beschränkt  sind.  Im 
gegensatz  zu  dieser  wortfreibeit  herscht  im  ags.  die  dargelegte  typische 
begriffrgebundenheit.  Aehnliche  formein  wie  märe  peoden  (aber  sehr  selten 
und  deshalb  kaum  formelhaft  sind  geong  cempa  1948-  2014.  2*326.  hak 
hildedeor  1646.  1816.  3111,  swiHe  gesibas  29.  1934.  2040.  2518;  heah  bei 
sele,  ealdstceord. 

III.  Capitel.   Znr  weiteren  beurteil  ung. 

§  181.  Um  die  analysierte  art  und  weise  der  darstellung 
durch  adjectiva  in  ihrer  bedeutung  für  die  gesammte  darstel- 
lung  sowie  in  ihren  eigenheiten  weiter  zu  bestimmen,  sind 
Untersuchungen  über  die  darstellung  durch  die  mittel  der  spräche 
überhaupt  anzustellen.   Es  wird  also  zu  vergleichen  sein: 

1)  die  darstellung  durch  andere  mittel  des  directen  stils: 
substantiva,  verba,  und  die  mannigfaltigsten  combinationen; 

2)  die  mehrzahl  der  poetischen  adjectiva  mit  anderen 
arten  der  poetischen  ausdrucksfülle  (z.  b.  den  adverbien); 

3)  die  indirecte  darstellung:  wie  offenbaren  sich  die  Cha- 
raktere durch  reden,  handeln  und  durch  ihre  Wirkung  auf 
andere,  und  wie  viel  von  den  Charakteren  wird  auch  durch 
adjectiva  geschildert? 

4)  Alles  dies,  zunächst  natürlich  die  Verwendung  der  ad- 
jectiva, ist  in  anderen  literaturwerken  zu  untersuchen,  vorerst 
im  epos. 

Im  rahmen  dieser  arbeit  können  und  sollen  naturgemäß 
über  die  aufgeworfenen  fragen  bloss  noch  ein  paar  andentungen 
gegeben  werden. 

I.  Die  adjectiva  in  der  Judith  und  im  Cy newulf ischen 

Guthlac. 

§  182.  Zur  vergleichung  mit  dem  Beowulf  wähle  ich 
aus  den  angelsächischen  epen  die  Judith  (J.)  als  eins  der 
poetisch  wertvollsten,  und  als  ein  gedieht  extrem  geistlicher 


zed  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


421 


richtung  das  von  GuMacs  tod  (G.  =  Gufcl.  B  791—1353),  das 
mit  recht  Cynewulf  zugeschrieben  wird.  Es  bedarf  nun  nicht 
näherer  ausführung,  dass  das  typische  der  Charakterisierung 
im  Beowulf  sich  in  beiden  gedienten  widerfindet,  dass  alle 
drei  gedichte  das  schwerwuchtige  in  ethos  und  pathos  der 
darstellung  gemeinsam  haben.  Trotzdem  sind  natürlich  unter- 
schiede vorhanden,  die  teils  durch  die  Verschiedenheit  der 
Stoffe,  teils  durch  die  der  dichter  bedingt  werden.  Und  die 
müssen  sich  dann  auch  aus  dem  gebrauch  der  adjectiva  er- 
kennen lassen.1)   Davon  ein  paar  proben. 

L  Judith. 

§  183.  Die  vergleichung  mit  der  Judith  erfordert,  wTeil 
das  gedieht  nicht  vollständig  erhalten  ist,  einige  vorsieht, 
selbst  wenn  man  annimmt,  dass  das  verlorene  stück  bloss  eine 
knappe  Schilderung  der  feinde  und  der  not  der  belagerung 
enthalten  habe.  Es  wird  also,  auch  schon  wegen  der  kürze 
des  gedichts,  gut  sein,  bloss  wert  auf  das  zu  legen,  was  im 
Beowulf  der  Judith  gegenüber  nicht  vorkommt, 

Die  Judith  behandelt  einen  geistlichen  stoff.  Dies  zeigt  sich  auch 
darin,  dass  für  gott  im  B.  22  mal  ein  adjectivum  angewendet  wird,  in  der 
Judith,  die  etwa  ein  neuntel  vom  umfange  des  B.  hat,  14  mal.  Dabei  ist 
noch  eine  merkwürdige  Verschiedenheit  des  Wortschatzes  zu  beachten:  ece 
und  tcUi's,  die  im  B.  bevorzugt  werden,  fehlen  in  J.  ganz,  dagegen  finden 
wir  einmal  Uof  (347),  das  im  B.  bloss  beziehungen  von  menschen  unter- 
einander bezeichnet. 

Die  adjectiva  für  Holo fernes  könnte  man  als  eine  combination 
derer  für  den  reckentypus  und  derer  für  Grendel  ansehen;  einerseits  vioJij, 
8triömöd,  andrerseits  bealofuü. 

Judith,  die  heldin  des  gedieht* ,  erfährt  eine  ausführlichere  Schilde- 
rung als  die  frauen  im  B.  Natürlich  ist  sie  beahhroden,  ceöele,  aber  auch 
alf&cinu,  und  durch  ihre  tat  hat  sie  ansprach  auf  die  epitheta  des  mann- 
lichen heldentypus  (morfij  335,  ellenröf  109.  146),  am  meisten  aber  wird 
ihre  klugheit  betont.  Doch  verleugnet  der  dichter  auch  seine  geistliche 
tendenz  nicht  und  nennt  seine  heldin  halig,  wogegen  es  für  'fromm'  noch 
keinen  adjectivbegriff  in  vollzogener  abstraction  gibt;  denn  dass  sie  tat- 
sächlich fromm  und  demütig  ist,  zeigen  die  gebete,  die  ihr  der  dichter  in 
den  mund  legt. 

Die  mannen,  juden  wie  heiden,  werden  in  der  hauptsache  in  der 
altepischen  art  geschildert. 

')  Für  diese  habe  ich  das  material  annähernd  in  der  Vollständigkeit  wie 
aus  dem  Beowulf  auch  aus  der  Judith  und  aus  dem  Guölac  gesammelt. 


Digitized  by  Google 


422 


SCH  l'INERT 


Bei  den  tieren  ist  anf  die  im  B.  fehlenden  adjectiva  für  den  adler 
hinzuweisen:  tarn  dtes  gtorn}  ürigfedera,  saloicigpada,  hyrnednebba  210. 

Sächliche  concreta  wie  ' waffen',  'kostbarkeiten',  'bürg'  erlialten 
ganz  ähnliche  epitheta  beigelegt  wie  im  B.:  glänz,  grosse,  stoff,  Verzierung, 
eindruck  bezeichnend.    Interessant  ist,  dass  das  gold  einmal  als  read  ,3&* 
erscheint.   Jedenfalls  ist  zweifellos,  dass  der  dichter  eine  recht  lebhafte 
freude  am  sinnlich  anschanbaren  besitzt. 

Die  Charakterisierung  der  allgemeineren  begriffe  und  abstracta,  deren 
zahl  nicht  gross  ist,  stimmt  im  wesentlichen  zu  der  im  Beowulf. 

§  184.    Ueber  den  adjectivschatz  sei  nach  den  einzelnen 

bedeutungsgruppen  folgendes  bemerkt: 

IT.  Die  helligkeitsangaben  tiberwiegen  auch  in  J.  die  färben- 
worte,  von  denen  bloss  read  339  und,  will  man  diea  hinzuzählen,  har  328 
vorkommen.  Die  ausdrücke  für  'geschmückt'  sind  verhältnismässig  etwa 
ebenso  häutig,  aber  im  einzelnen  meist  andere  (z.  b.  golde  gtfraHtxcod  171. 
329,  beagutn  gehla-st  3(5);  statt  der  composita  auf  -mal  'daraasciert',  gibt 
es  das  eine  scirmdled,  und  im  B.  fehlt  gänzlich  ein  so  specieller  ansdrnck 
für  körperliche  Schönheit  wie  bldchleor  128. 

III.  Sogar  ftir  'tapfer',  das  im  B.  so  reichlich  vertreten  ist,  hat  J. 
eine  reihe  eigener  worte,  z.  b.  cllenorist  133,  styrnmöd  227,  stercedferhö  55. 
227.  'Klug',  im  B.  31  mal,  begegnet  in  J.  mit  11  mal  verhältmssmässig 
viel  häutiger:  das  intellectuelle  ist  dem  dichter  wichtig.  Dabei  wird  das 
hier  mangelnde,  im  B.  so  häufige  wis  ersetzt  durch  die  dort  unbekannten 
gleaw  (171t  mit  znsatz  13.  140.  148)  und  fioneol  (bloss  in  comp.,  z.  b.  staro- 
Öoncol  145.  331.  131.  172.  342). 

IV.  Ma-gtneacen  293  wird  wie  eacen  B.  198  (§  12)  'machtvoll',  'ge- 
waltig' bedeuten. 

V.  Merkwürdig  ist,  dass  in  der  ganzen  Judith  göd  und  dessen  Syno- 
nyma zum  ausdruck  der  gesamintfähigkeit  fehlen,  und  dass  von  den  aus- 
drücken für  'boshaft'  keiner  mit  den  im  B.  gebrauchten  identisch  ist  x b. 
bealoful  48.  63.  100.  248,  hctepoticol  105),  vgl.  §  187,  V. 

VI.  Aus  den  gefühlsadjectiven  sind  ein  paar  im  B.  nicht  vorhandene 
-//c-bildungen  zu  erwähnen:  torhtlic  157,  forhiUc  245,  wistectslic  65,  sicid- 
lic  240. 

VIH.  ZustAndsangaben ,  wie  im  B.,  gibt  es  30  gegen  150  in  dem 
neunmal  so  umfangreichen  B. 

§  185.  Für  die  adjectiva  insgesammt  ist  zu  bemerken, 
dass  die  für  personen  gebrauchten  70  °/0  von  allen  ausmachen 
(im  B.  bloss  52  °/0),  und  dass,  was  die  einfügung  in  den  satz 
betrifft,  die  attributive,  appositive  und  substantivierte  art  die 
übrigen  in  viel  höherem  grade  überwiegen  (90  %  zu  10  %) 
als  im  B.  (77  zu  23). 

Der  fundamentale  unterschied  beider  gediente  aber  liegt 
darin,  dass  im  B.  auf  100  langzeilen  im  durchschnitt  etwa  4S 


Digitized  by  Google 


ADJECT1VA  IM  BEOWULFEPOS. 


423 


adjectiva  kommen,  in  der  J.  (mit  der  gesammtzahl  269)  etwa  76. 
Und  zwar  lässt  sich  speciell  noch  feststellen,  dass  die  zustands- 
angaben  in  der  J.  fast  noch  einmal  so  häufig  sind,  die  übrigen 
noch  ein  halb  mal  so  häufig  als  im  B.   Es  kommen  nämlich  auf 

100  Beowulfverse  ca.  4  zustandsang.,  44  andere,  =  48, 
100  Judithverse  ca.    8  „  68      „      =  76. 

Ein  wenig  trägt  hier  wol  der  umstand  mit  bei,  dass  es  für  die  J. 
keine  substantivischen  composita,  keine  kcnningar  gibt,  dass  also  an  deren 
stelle  einfache  substantiva  (z.  b.  mttgd)  mit  einem  adjectivum  treten  müssen, 
aber  der  dichter  hat  ganz  offenkundig  überhaupt  eine  besondere  neigung, 
durch  adjectiva  zu  charakterisieren.  Dies  zeigt  sich  in  der  anhäufung  von 
adjectiven  auf  eine  stelle:  getcrec  nü,  mihtig  dryhten,  ||  torhtmud  tire» 
brytta  ...  92,  pä  seo  gleaice  het  \  golde  gefrattexcod  ...  171,  earn  cttes 
georn,  |  ürigfedera,  ||  salotcigpdda  \  . . .  hymednebba  210,  hü  se  stidmoda  | 
styrmde  and  gylede,  \\  modig  and  medugäl  25.  Solche  stellen  finden  sich 
in  den  350  Judithversen  40,  gegen  70  in  B.  1—1250,  d.  h.  auf  100  Judith- 
verse kommen  ca.  11,5,  auf  ebensoviel  Beowulfverse  ca.  5,5.  Der  Judith- 
dichter  (dem  im  ganzen  eine  grosse  klarheit  der  darstellung  nachzurühmen 
ist)  kann  sich  also  auch  im  einzelnen  an  theoretischen,  aufklarenden  angaben 
nicht  genug  tun. 

2.  Guthlao. 

§  180.  In  Guölacs  tod  als  einer  heiligengeschichte  tritt 
das  geistliche  dement  weit  mehr  in  den  Vordergrund  als  in 
der  Judith. 

Für  'gott'  gibt  es  verhältnismässig  weniger  adjectiva  als  in  der  J., 
dafür  kommt  aber  auch  Christus  ^1072  ff.)  vor,  und  zwar  mit  denselben 
adjectiven  (ece,  almihtig).  Für  die  'teufel'  wird  kein  rechtes  adjectivum 
gefunden,  öfter  werden  auf  sie  participia  verwendet,  die  meist  ihrem  Un- 
glück ausdrnck  geben  (ganz  wie  bei  Grendel,  vgl.  dugude  bescyrede  867, 
dreamum  bidrorene  873,  sorgteylmum  soden  1046). 

Dem  heiligen  GuÖlac  fehlt  natürlich  die  typische  eigenschaft  des 
beiden,  die  tapferkeit,  nicht,  wenn  sie  auch  hier  die  standhaftigkeit  im 
dulden  bedeuten  muss  (z.  b.  heard  926.  1082,  tllenheard  1138,  beald  1)98). 
Kr  ist  aber  auch  milde,  klug,  trefflich,  sogar  adele,  beliebt,  und  berühmt, 
dazu  tadig  und  hälig.  Oft  wird,  wie  das  der  Stoff  mit  sich  bringt,  die 
qual  des  kranken  (z.  b.  ädhcerig  987,  eines  uncyöig  1199)  angegeben,  meist 
aber  durch  umständliche  participia  ijürum  gesicenced  1110,  mortem  weel- 
pilum  1127),  doch  ist  GuÖlac  bereit  zum  sterben  (forösides  füs  1023;  und 
sogar  froh  (ntödgUed  1035,  nas  forht  934). 

Sächliche  concreta  sind  äusserst  selten:  die  Schöpfung  ist  (797) 
fotger,  gefealic,  wynlic,  das  paradies  Uoht  (806),  beorht  (826),  deore  1,843), 
auch  das  haus  Guölacs  hat  keine  sinnlich  erkennbare  eigenschaft,  sondern 
ist  ganz  einfach  hälig,  1120.  1264.  1284.   Auch  das  schiff  hat  in  mel,  Uoht, 


Digitized  by  Google 


424 


SCHEITERT 


lädt  füs  (1304  ff.)  keine  eigenschaften,  die  eine  lebendige  anschauung 
voraussetzen. 

Allgemeinere  nnd  abstracte  begriffe  sind  ganz  ausserordent- 
lich häufig,  und  zwar  beruht  dies  zu  einem  teile  nuf  dem  Stoffe:  so  wenn 
sehr  oft  'tod'  (strong,  hreöe  1113,  u.b.w.)  begegnet,  'krankheit'  ,peaH, 
hat  951,  u.b.w.),  'lohn',  'ewige  freude',  während  es  eine  liebhaberei  des 
autore  ist,  wenn  er  statt  von  den  personen  so  gern  von  ihrem  'geiste', 
ihrer  'seele'  redet:  950  mod  Steide  hcard  (GuÖlac),  on  sargum  $efan 
(Guölac)  1330. 

§  187.   Zum  adjectivschatz  sei  folgendes  bemerkt: 

II.  Bezeichnungen  physischer  eigenschaften  begegnen  im 
G.  halb  so  viel  (22)  als  in  der  um  über  ein  drittel  kürzeren  J.  (42),  und 
von  diesen  22  sind  noch  die  hälfte  helligkeitsausdrticke,  die  übrigens  an 
einer  reihe  anderer  stellen  auch  bereits  zu  gefühlsangaben  verblasst  sind 
(z.  b.  beorht  815.  913,  leoht  1084). 

III.  'Klug',  'weise'  ist  nicht  viel  seltener  als  'tapfer',  'standhaft'. 
Wis  fehlt  auch  hier;  neu  sind  deophydig  974  und  deophicgende  1085. 

IV.  Leof  wird  gern  gebraucht,  während  lad,  das  auf  die  teufel  an- 
wendbar wäre,  nicht  von  personen  vorkommt. 

V.  Auffällig  ist,  dass  von  den  im  B.  so  beliebten  Worten  für  'wacker' 
(göd  etc.)  bloss  einmal  seiest  auftritt.  God,  das  im  B.,  der  Gen.,  den  Ps. 
sehr  häufig,  im  Andreas  auch  oft  begegnet,  im  G.  A  3  mal  (141.  365.  552), 
ist  bei  Cynewulf  überhaupt  äusserst  selten:  im  Crist  2  mal,  aber  nicht  von 
einer  bestimmten  person,  sondern  allgemein  (911.  1576,  etwa  =  'recht- 
schaffen '),  in  der  Jul.  1  mal  (he  is  tö  freotule  god  102),  in  der  El.  eben- 
falls bloss  1  mal  als  adjectiv,  und  zwar  wider  von  keiner  bestimmten 
person,  und  noch  dazu  in  der  reimformel  frödra  ond  gödra  637.  Ob  da 
ein  dialektunterschied  vorgelegen  hat?  Einigermaasen  ersatz  schafft  sich 
der  dichter  in  Guölacs  tod  durch  Umschreibungen  wie  leahtorleas  (1060 ':. 
weorcum  wlitig  (1278),  die  offensichtlich  schon  an  die  bedentung  ♦fromm' 
streifen,  wofür  eine  deutliche  Umschreibung  gebildet  ist  mit  godes  tciüan 
georn  839. 

VI.  Die  gefühlsadjectiva  begegnen  etwa  an  hundert  stellen 
(hälig,  micel,  und  viele  vereinzelte;  auch  cedele  gehört  dazu). 

VII.  Die  zustandsangaben  sind  zahlreich  (GuÖlac  ist  'bereit'  in 
sterben;  sein  diener  'traurig'  darüber);  zusammen  etwa  70  auf  563  verse, 
d.  h.  ca.  12, 5  auf  100  verse,  also  noch  mehr  als  in  der  J.  mit  ca.  8. 

Im  ganzen  aber  wird  die  adjectivzahl  der  J.  (77  auf  100  verse^  mit 
rund  365  stellen,  d.  h.  65  auf  100  verse  nicht  erreicht,  und  G.  nimmt  somit 
etwa  die  mitte  zwischen  B.  und  J.  ein.  Dabei  unterscheidet  er  sich  aber 
von  beiden  andern  durch  seine  fast  bloss  auf  innerliches  gerichtete  geistige 
atmosphäre,  die  den  dichter  mehr  mitfühlen  als  scharf  auffassen  iasst. 
Daher  die  äusserst  hohe  zahl  der  gefühlsadjectiva. 


Digitized  by  Google 


APJECTIVA  IM  BE0WULFEP08. 


425 


II.  Die  adjectiva  im  Verhältnis  zu  anderen  mittein 

des  directen  stils. 

§  188.  Um  ein  paar  andeutungen  über  das  Verhältnis 
der  darstellung  durch  adjectiva  zu  der  durch  andere  mittel 
des  directen  stils  zu  geben,  mögen  ein  paar  bemerkungen  über 
die  verschiedene  Verwendung  der  nomina  bei  'Beowulf  und  bei 
den  begriffen  4 not,  leid,  sorge'  folgen. 

Die  zahl  aller  stellen,  an  denen  im  Grendellied  (B.  1—1250) 
nominale  ausdrücke  auf  Beowulf  angewendet  werden,  be- 
trägt 85  (nomen  proprium,  substantivische  synonyma,  adjectiva). 
Dabei  kommen  55  mal  adjectiva  vor,  d.  h.  auf  eine  stelle  0,05 
adj.  Die  entsprechenden  zahlen  für  'not,  leid,  sorge'  sind  31, 
12,  0,39.  Diese  begriffe  haben  also  viel  weniger  adjectiva, 
offenbar  weil  an  ihnen  nicht  so  verschiedenartige  bestimmt- 
heiten  wie  an  einer  person  wahrgenommen  werden  können, 
und  weil  sie  nicht  in  so  mannigfaltigen  Verhältnissen  auftreten 
können. 

Umgekehrt  verhält  es  sich  mit  der  Verteilung  der  poetischen 
form  der  Variation  von  gegenstandsbezeichnungen.  Diese  tritt 
bei  den  69  stellen  mit  substantivischen  ausdrücken  für  Beowulf 
(denn  von  den  genannten  85  sind  16  abzuziehen,  die  meist  ein 
adjectivum  nach  einem  pronomen  enthalten,  z.  b.  196.  203.  343. 
372  etc.)  13  mal  ein,  also  in  19  °/0  aller  fälle,  wobei  noch  die 
anwendung  eines  pronomens  mit  erst  nachträglich  gegebenem 
substantivum  (248.  628.  913)  als  eine  abart  der  Variation  mit 
eingerechnet  ist.  Bei  'leid,  not,  sorge'  aber  kommen  auf  31 
fälle  10  mit  Variation,  also  32  °/0.  Das  interessegefühl  des 
dichters  braucht  eben  bei  Beowulf  nicht  an  der  person  als 
person  zu  haften,  sondern  kann  sich  in  der  darstellung  seiner 
erlebnisse  entladen;  die  inhalts-  und  beziehungsärmeren  begriffe 
wie  'leid,  not,  sorge'  werden  leicht  ein  paarmal  ausgedrückt, 
bis  sich  das  gerade  bei  ihnen  stark  erregte  gefühl  des  dichters 
beruhigt  hat,  und  er  zu  einem  novum  übergehen  kann: 

191  w*8  Jnet  sc win  tv  sw.vfl, 

laj>  7  lonssnm,  )>6  on  Öä  leode  becum, 
nydwracu  nil'grini,  nihtbealwa  m&st 

§  189.  Ueber  die  verweudung  der  composita  unter 
den  substantivischen  synonymen  ist  etwas  ähuliches  zu 

B.itrige  sur  geschieht  der  deuuehen  iprtche.  XXX.  29 


Digitized  by  Google 


420 


SCUEINKRT 


bemerken.  In  einem  compositum  kann  eine  beziehung  mit 
zum  ausdruck  gebracht  werden,  die  in  die  logisch  schärferen 
bestimmungen  Substantiv  und  attribut  nicht  mit  aufgenommen 
werden  könnte  (oder  wenigstens  nicht  muss):  fedeeempa  1544, 
$uÖcyning  2563.  Wenn  dalier  nach  Krackows  Übersicht  (Kra- 
ckow  s.  24,  vgl.  die  fussn.  vor  §  156)  von  den  synonymen  für 
Grendel  und  den  drachen  60  0  für  Grendels  mutter  66  "  0, 
für  Beownlf  50  %,  Hroögar  45  °'0  eomposita  sind,  so  liegt  dies 
daran,  dass  der  dichter  bei  der  Vorstellung  der  ungeheuer 
stets  nebenvorstellungen  wie  'entsetzen',  'hass',  'fluchwürdig- 
keit' mitdachte,  die  sich  in  compositis  ausdruck  erzwangen. 
Bei  den  helden  können  solche  nebenvorstellungen  hier  und  da 
fehlen,  andrerseits  können  sie  öfter  auch  durch  adjectiva  aus- 
gedrückt werden,  weil  hier  die  speciellen  erfahrungen  des 
lebens  mit  ihrer  schärferen  bestimmtheit  zu  geböte  standen. 

Hinwiderum  gibt  es  in  der  Judith  kein  einziges  substantiv- 
compositum  für  die  heldin  des  gedichts,  während  für  die  mäuner 
eine  ganze  anzahl  zur  Verfügung  stehen. ')  Da  nun  schon  der 
Beowulf  bloss  fünf  composita  für  frauen  zählt,  und  auch  diese 
bloss  für  die  fürst  in  oder  die  gattin  (folcctcm  641,  fridusibb 
2017,  freoduwchbe  1942,  hcahgcbcdda  63,  gcomcoiäe  2931.  3150). 
so  rührt  dies  offenbar  daher,  dass  der  Angelsachse  bei  frauen 
nicht  eine  solche  menge  lebensbeziehungen  mitdachte  wie  bei 
männern,  die  kämpfer  oder  fürsten  oder  beides  waren.  Soll 
aber  ein  weib  als  heldin  geschildert  werden,  so  kann  man 
natürlich  auf  sie  die  substantivcomposita  für  männer  nicht 
übertragen  (z.  b.  randwija,  hilderinc),  während  adjectiva  ohne 
weiteres  auch  auf  frauen  angewendet  werden  können. 

§  190.  Als  beispiele  weiterer  arten  directer  Charakteri- 
sierung seien  erwähnt: 

for  his  mödßrace  38ö,  müdes  myrde  810.  —  Verwant  siud  diesen 
übrigens  auch  einige  ausdrücke,  iu  die  ein  adjectivum  eingegangen  ist: 
Jmrh  holdne  hi$e  267,  Jmrh  rümne  sefan  278.  —  Wendungen  mit  biife 
eines  verbums  begegnen  auch:  Jxtt  he  Jjriitijes  ||  mann»  majcncraft  j 
on  his  miuulgripe    ||    hmporüf  halbe  379,     zehtcylc  hiora  his  ferhpt 

l)  Für  Judith  werden  adjectiva,  einfache  wie  componierte,  gebraucht 
oder  Verbindungen  von  adjectiv  und  Substantiv,  in  denen  wider  bloss  ein- 
fache worte  wie  »urjd,  xcif  vorkommen:   wiÖ  da  hälgan  >n(p;d  2ü0,  ülcs 
ellenrOf         SUawhydiz  tcif  148. 


zed  by  Google 

I 


ADJECTIVA  TM  HEOWri.KEPOS. 


427 


treoirde,  \\  pett  he  forfde  in  od  mfctJ,  ...  1106.  —  Eigene  aussagen  wie: 
habbe  ic  nmröa  fela  \\  tmgmmcn  on  geogo/jc  4<>s  greifen  schon  mit  in  das 
gebiet  indirecter  Charakteristik  durch  reden  und  handeln  über. 

Jedenfalls  ist  die  nicht  rein  nominale  ausdrucksweise  der 
directen  Charakterisierung  im  alten  epos  sehr  selten.  Dass 
dies  im  späteren  epos  anders  wird,  lehrt  ein  blick  in  Chaucers 
Canterbury  tales  (vgl.  §  1). 

§  191.   Die  adjectiva.  die  man  als  eine  art  poetischer 

ausdrucksfülle  meist  epitheta  ornantia  genannt  hat,  haben 

folgende  parallelen: 

1)  Die  figur  der  Variation,  vgl.  §  188;  —  2)  viele  compositions- 
glieder,  nämlich  solche,  die  bloss  verstärkende  zusätze  sind  (vgl.  §  157); 

—  3)  adverbia,  z.b. :  Öd  se  eltengitst  earfodlice  präge  gePolodt  86,  öd 
htm  gebeacnod  ica-s,  ges<ig«l  söölice  sureotolan  tdcne  heulöegnes  fiele  140: 

—  4)  diesen  nahe  kommen  umstandsangaben  wie  inödes  myrÖe  810; 

—  5)  Mengenangaben:  mädma  menigco  2143,  gebdd  tcintra  tcorn  264. 

§  192.  Für  das  Verhältnis  der  adjectiva  zu  den 
verben  findet  man  belege  bei  A.  Banning,  Die  epischen  for- 
mein im  Beowulf  I,  Marburg  1886. 

Die  verbalen  parallelen  kommen  natürlich  zunächst  bei  den  Stim- 
mungsangaben in  betracht:  nihticeorce  gefeh  828b,  nces  hie  öd-re  fißle 
gefean  hcefdon  562.  —  Ohne  object  werden  gebraucht:  pd  was  on  sdhtm 
sinces  brtßta  607,  tceorod  icits  on  wynne  2014,  und  gewöhnlich  auch  die 
adjectiva,  z.  b.  Geat  was  gl«  dm  od  178").  —  Unter  'belehren'  führt 
Banning  Idrena  gdd  auf.  Dazu  ist  indes  zu  bemerken,  dass  durch  das 
ndjectiv  erstens  eine  grössere  constanz  ausgedrückt  wird,  zweitens  eine 
innigere  beziehung  zum  Charakter  des  lehrers. 

III.  Ueber  die  spätere  epik. 

§  193.  In  der  späteren  epik  und  bis  auf  die  neueste  zeit 
ist  die  Verwendung  der  adjectiva  als  darstellungsmittel  von 
grund  aus  anders  geworden. 

Uebergänge  dazu  zeigen  sich  schon  bei  Layamon.  Laya- 
mon,  dessen  vers  sicher  ein  abkömmling  des  alliterationsverses 
ist,  bewahrt  auch  stilistisch  noch  genug  anklänge  an  die  älteste 
zeit:  z.  b.  kommt  die  Variation  noch  vor.  Doch  gibt  es  be- 
deutende unterschiede:  die  spräche  ist  monotoner  gewordeil, 
denn  der  Wortschatz  ist  ärmer;  die  alten  composita  sind  fast 
ebenso  gänzlich  geschwunden  wie  die  fähigkeit  neue  zu  bilden. 
Daraus  ergibt  sich  die  schwäche  von  Layamons  Stil:  er  nennt 
seine  objecte,  z.  b.  Vortiger,  noch  öfter  als  der  Beowulfdichter 


428 


8CHEINERT 


mit  einem  nominalen  synonymon,  aber  er  widerholt  in  unend- 
licher gleichförmigkeit  den  blossen  namen,  oder  pe  hing,  oder 
Vortiger  pe  hing.  Eine  reihe  andrer  benennungen  treten  gegen 
diese  ganz  zurück.  Die  eintönigkeit  erstreckt  sich  auch  auf 
die  adjectiva.  Sie  werden  nur  selten  auf  sächliche  concreta, 
oft  auf  personen  angewendet,  und  zwar  werden  sie  bei  diesen 
sehr  leicht  zu  stehenden  formein,  besonders  im  prädicativen 
gebrauch  in  beisätzen.  >)  Und  auch  ganz  im  allgemeinen  nimmt 
der  prädicative  gebrauch  einen  viel  breiteren  räum  ein  als  im 
angelsächsischen  epos. 

§  194.  Parallel  mit  der  ausbildung  des  prädicativen  ge- 
brauchs,  mit  dem  man  sich  dem  object  mehr  beobachtend  gegen- 
überstellt, entwickelt  sich  auch  die  verweilende  beschrei- 
bung,  z.  b.  beim  auftreten  einer  neuen  person.  So  bei  Chaucer 
(§  1),  so  auch  in  der  Chanson  de  Roland  (§  7).  So  wird  in 
Sir  Gawayne  and  the  Green  kniglit  (ed.  Morris,  EETS.,  0.  S.  4, 
London  1864)  der  Grüne  ritter  bei  seinem  erscheinen  an  Artus' 
tafeirunde  von  vers  136—221  geschildert  z.  b.  136  ff.: 

per  liales  in  at  pe  halle  dor  an  aghlich  mayster, 

On  pe  most  on  pe  inolde  on  mesure  hyghe; 

Fro  pe  swyre  to  J>e  swange  so  sware  and  so  J>ik, 

and  his  lyndes  and  his  lyines  so  longe  and  so  grete  etc. 

Dann  erst  folgt  wider  die  darstellung  der  begebenheiten. 
Während  sich  also  die  darstellungsweise  des  ags.  epos  in 
ihrem  verlaufe  immer  ziemlich  gleich  bleibt,  kann  die  neuere 
epik  die  früher  mehr  in  stetiger  sumniierang  auftretenden 
Stilmittel  mehr  spalten  und  hier  das  eine,  dort  das  andere 
überwiegen  lassen. 

§  105.  Dazu  kommt  noch  ein  fundamentaler  unterschied. 
Die  fortwährende  angäbe  von  eigenschaften,  besonders  des 
Charakters,  wird  bei  personen  im  mittelalterlichen  epos  immer 
seltener,  während  im  neuesten  epos  (z.  b.  bei  Tennyson)  nur 
noch  verschwindend  wenige  adjectiva  für  Charaktereigenschaften 
zu  finden  sind.   Als  beispiel  sei  erwähnt,  dass  im  Beowulfepos 

')  So  von  Vortiger:  ße  swike  tces  ful  deornc  (und  ähnlich >  t.  b. 
2,144,12.  145,8.  20.  148,19;  of  celch  an  uuele  he  ices  war  (und  ähnlich 
mit  war)  2,129,15.  130,14.  134,4.  130,2.  153,23.  156,11.  158,20  u  s  w.: 
Sachsen:  Jx  gode  beon  to  fihten  2, 133,20.  1U7, 1.  182, 10. 


zed  by  Google 


ADJECTIVA  IM  BE0WULFEP08. 


429 


mit  seinen  über  3000  langversen  204  adjectiva  auf  den  lielden 
persönlich  angewendet  sind,  in  den  fast  10000  reimpaaren 
Gottfrieds  von  Strassburg  (den  ich  Iiier  heranziehe,  weil  über 
nie.  dichtungen  noch  keine  entsprechenden  arbeiten  vorliegen) 
bloss  107  auf  Tristan  (vgl.  Pope,  lit.3,  s.39>);  nicht  117,  wie 
Pope  s.  48  sagt).  Dagegen  gibt  es  im  neueren  epos  natürlich 
viele  adjectiva  für  sächliche  concreta,  auch  für  die  äussere 
erscheinung  von  personen,  die  aber  dann  in  ihre  einzelheiten 
zerlegt  wird;  z.  b.  Scott,  The  Lady  of  the  Lake  1,  18,346  ff.: 

What  though  the  sun,  with  ardent  frown, 
Had  slightly  tinged  her  cheek  with  brown,  — 
The  sportive  toi],  which,  short  and  Light, 
Had  dyed  her  glowing  hue  so  bright, 
Served  too  in  hastier  »well  to  show 
Short  glinipses  of  a  breast  of  snow,  etc. 

Die  darstellung  durch  adjectiva  wird  also  in  der  hauptsache 

auf  das  gebiet  eingeschränkt,  wo  sie  unentbehrlich  ist,  auf  das 

sinnlich  anschauliche.   Für  Charaktere  kann  sie  ab  und  zu 

auftreten  mit  indirecter  beziehung  auf  die  personen  (also  auch 

durch  Zerlegung),  und  mehr  aus  Symptomen  erschliessbar;  so 

Scott,  The  Lady  of  the  Lake  1,  21,  409  ff.: 

On  his  hold  visage  middle  age 
Had  slightly  pressed  its  signet  sage, 
Yet  had  not  quenched  the  open  truth 
And  fiery  vehemence  of  youth; 
Forward  and  frolic  glee  was  there, 
The  will  to  do,  the  soul  to  dare, 
The  sparkling  glance,  soon  blown  to  fire, 
Of  hasty  love,  or  headlong  ire. 

Dies  alles  rührt  sicherlich  nicht  bloss  daher,  dass  bei  zu- 
nehmender arbeitsteilung  und  bei  fortschreitender  differenzie- 
rung  der  lebens Verhältnisse  die  poetischen  Charaktere  mannig- 
faltiger werden  und  nicht  mehr  mit  einem  adjectivum  im  kern 
bezeichnet  werden  können,  nicht  daher,  dass  das  neuere  epos 
so  viele  lyrische  demente  enthält,  sondern  offenbar  ist  auch 
die  kunst  indirecter  darstellung  von  personen  gestiegen,  und 
kann  der  Unterstützung  durch  direct  charakterisierende  adjec- 
tiva entbehren. 

')  Wo  aber  die  adjectiva  ans  modal  modirieierteu  aussagen  fehlen.  Ueber 
die  indirect  zu  beziehenden  adjectiva  kann  man  sich  bei  Pope  nicht  orientieren. 


430 


RCHRINKRT,  ADJECTIVA  IM  BEOWULFEPOS. 


[Nachtrag.  Zu  0.  Pittrichs  behandlung  der  adjecti  vischen  com- 
posita,  Zs.  f.  rom.  phil.  29  (1905),  109  ff.  257  ff.  (auch  Leipziger  habilitation«- 
schrift  u.  d.  t.  l'eber  wortzus.-setzung,  Halle  1904)  möchte  ich  bemerken, 
dass  von  meinen  gmppeu  l,a  (§  157)  im  wesentlichen  Pittrichs  b  und  c 
auf  s.  170  entspricht,  mein  4, 1  (§  160)  Pittrichs  III  auf  s. 259 ff.,  die  oben 
in  §  162,  b  verzeichneten  Pittrichs  1  und  2  auf  s.  171.  —  Was  Pittrichs 
scheiduug  von  Übereinstimmung»-  und  ab  weichungs  n  a  m  en 
(s.  1.11  ff.)  betrifft,  so  dürften  zu  den  letzteren  sicher  zu  zählen  sein  die 
grnppe  1,4  und  einige  ans  3,9  (oben  §  159),  wahrend  meine  gruppt-n  l.b 
und  2  (§  157  f.)  wie  auch  die  meisten  übrigen  im  franz.  fehlende  überein- 
stimmungsnamen  sein  würden.  Genaueres  vermag  ich  kaum  anzugeben,  wie 
ich  auch  nicht  zu  sagen  wüsste,  warum,  um  bloss  ein  beispiel  von  vielen 
anzuführen,  ein  wort  wie  bienaime  (bei  Pittrich  gruppe  B.  II,  1.  P,  a,  II. 
s.  259)  nicht  ebensogut  wie  bienheureux  (bei  Pittrich  gruppe  A,  I,  3,  c.  s.  170) 
zu  den  übereinstimmnngsnamen  gehören  soll.  Im  allgemeinen  würde  ich 
aber  geneigt  sein,  die  übereinstimmnngsnamen  mit  der  ersten  Untergattung 
der  abweichnngsnamen  als  real  determinierte  (z.  b.  epine  fdavehr, 
neolatin)  und  als  limitierend -negativ  determinierte  (z.  b.  im- 
pudern,  iüogique)  bezeich nungsnamen  zusammenzufassen,  unter  sie 
die  meisten  der  übrigen  abweichnngsnamen  mit  aufzuteilen,  und  ihnen 
andeutungsnamen  gegenüberzustellen,  z.  b.  cerf  rolant.  Penn  wie  mir 
scheint,  kann  es  für  das  Verständnis  des  psychologischen  Vorgangs  bei  ent- 
stehuug  dieses  ausdrucks  nur  irreführen,  wenn  man  die  auffassnug  eines 
merkmals  der  abweichung  von  andern  dingen  der  art  als  etwas  wesent- 
liches dabei  ansieht.  Es  kommt  vielmehr  darauf  an,  dass  der  uame  ent- 
steht unter  mitwirkung  einer  ferner  liegenden  association  (Wundt,  Völker- 
psych.  1,1*, 646  ff  ),  die  er  im  hörenden  wider  erweckt;  und  so  andeutend 
die  Vorstellung.  Worte  wie  Hirschkäfer  würden  dann  eine  übergangsgruppe 
zwischen  den  beiden  genannten  bilden.  Pie  andeutungsnamen  (typus  erq 
rolant)  scheinen  übrigens  unter  den  ags.  adj.  ebensowenig  vorzukommen 
wie  unter  den  neufranzösischen.  Andere  fälle  8.  §  155  ende.  Auf  näheres 
kann  ich  hier  ebensowenig  eingehen  wie  auf  eine  scharf  psychologisch- 
genetische formuliemng  meiner  behandlung  der  composita  oben  §  157  ff. 

Oben  g  14,  z.  5  ergänze  'vgl.  8  123'  nach  'wird*.  —  §  32,  16  v.  u.  lies: 
wröht  :  heard  2914;  herentd  :  heard  2474  ] 

LEIPZIG,  13.  februar  1905.      MORITZ  SCHEIN ERT. 


Digitized  by  Google 


I 


ZUR  TECHNIK  DER  MITTELHOCHDEUTSCHEN 

DICHTUNG. 

An  zusammenfassenden  arbeiten  über  die  technik  unserer 
mhd.  dichtungen  ist  so  gut  wie  nichts  vorhanden.  Wol  gibt 
es  zahlreiche  Untersuchungen  über  den  Stil  einzelner  dichter, 
in  den  einleitungen  der  ausgaben,  in  dissertationen  und  Pro- 
grammen. Gelegentlich  werden  einmal  mehrere  dichter  oder 
dichtungen  in  der  betrachtung  zusammengefasst ,  wie  von 
Roetteken  in  seiner  schrift:  Die  epische  kunst  Heinrichs  von 
Veldeke  und  Hartmanns  von  Aue,  Halle  1887,  von  Schmedes 
in  seinen  Untersuchungen  über  den  stil  der  epen  Rother, 
Nibelungenlied  und  Gudrun,  Kieler  diss.  vom  jähre  1893. 
Kaum  häufiger  geschieht  es,  dass  bestimmte  einzelne  erschei- 
nungen  durch  ein  grösseres  gebiet  verfolgt  werden;  ich  nenne 
die  Schriften  von  K.  M.  Osterwald,  Ueber  die  kunst  der  Cha- 
rakteristik in  der  deutschen  poesie  des  mittelalt ers,  mit  be- 
sonderer berücksichtigung  der  weiblichen  Charaktere  im 
Parzival,  Merseburger  programm  von  1863;  Leo  Wolf,  Be- 
schreibung des  mhd.  volksepos  nach  seinen  grotesken  und 
hyperbolischen  Stilmitteln,  Göttinger  diss.  1902,  Palaestra  no.25; 
W.  Vogt,  Die  wortwiderholung  ein  Stilmittel  im  Ortnit  und 
Wolfdietrich  A  und  in  den  mhd.  spielmannsepen  Orendel,  Os- 
wald und  Salman  und  Morolf,  Breslau  1902.  Ueber  das 
deutsche  hinaus  griff  das  buch  von  Rud.  Fischer,  Zu  den 
kunstformen  des  mittelalterlichen  epos:  Hartmanns  Iwein,  das 
Nibelungenlied,  Boccaccios  Filostrato  und  Chaucers  Troylus 
and  Cryseyde,  Wien  und  Leipzig  1899. 

Wie  auf  dem  gebiete  der  syntax.  so  scheint  es  mir  auch 
auf  dem  gebiet  der  poetischen  technik  fruchtbarer  zu  sein, 
wenn  einzelne  erscheinungen  über  einen  grösseren  räum,  durch 


432 


BKHAGHEL 


längere  Zeiten  verfolgt  werden,  als  wenn  für  einzelne  werke 
oder  Verfasser  das  gesammte  material  vorgelegt  wird.  Dies 
ist  der  gedanke,  der  mich  geleitet  hat  bei  den  Untersuchungen, 
die  ich  vorlegen  möchte.  Und  zwar  möchte  ich  zunächst 
handeln  über  die 

Freiwillige  widerholung  derselben  vorstellungsreihe. 

Ueber  die  widerholung  derselben  vorstellungsreihe,  d.  h. 
ganzer  aussagen,  soll  gehandelt  werden.  Es  bleibt  also  die 
widerholung  einzelner  Wörter  oder  wortgruppen  ausser  betracht, 
soweit  diese  nicht  für  sich  allein  ganze  sätze  bilden,  und  ebenso 
die  erscheinung,  dass  ein  einzelnes  Satzglied  durch  einen  ganzen 
satz  widerholung  erfährt.1) 

Dass  einzelne  dichter  der  mhd.  zeit  es  lieben,  'mehrere 
begriffe,  ja  vollständige  gedanken  und  urteile  mit  anderen 
worten  zu  widerholen',  ist  bereits  mehrfach  wahrgenommen 
worden,  so2)  von  Schmedes  (s.  34  ff.)  für  Rother,  Nibelungen- 
lied und  Gudrun,  von  Vogt  für  die  von  ihm  behandelten  dich- 
tungen,  vgl.  s.  17,  von  Roetteken  für  H.  von  Veldeke  und 
Hartmann  von  Aue  in  der  vorhingenannten  Schrift  s.  100—103, 
für  verschiedene  mhd.  dichtungen  von  Heinzel,  Anz.  fda.  15, 157, 
für  Veldeke  von  mir,  Einl.  zur  Eneide  s.  cxxm  ff.,  und  von 
Firmery,  Notes  critiques  sur  quelques  traductions  allemandes 
de  poemes  franrais  du  moyen-äge,  s.  17  ('c'est  que  la  traduction 
est  abondante  en  repetitions  de  toute  sorte'),  für  Herbort  von 
Fritzlar  von  W.  Reuss,  Die  dichterische  persönlichkeit  Herborts 
von  Fritzlar  s.  27,  für  Hartmann  von  Aue  von  Firmery,  a.a.O. 
s.  5b'  ('Hartmann,  qui  est  un  charmant  bavard,  mais  un  bavard, 
se  repete  assez  souvent'),  für  Gottfried  von  Strassburg  von  \V. 
Scherer,  Literaturgeschichte  s.  166,  von  Preuss,  Strassburger 
Studien  1,28,  und  von  Firmery  s.  111  ('on  ne  risquera  pas  de 

')  Ich  meine  beispiele  wie  die  folgenden  (vgl.  anch  meine  Modi  im 
Heliand  8.23):  W.  öen.  3583  Er  sprach,  suohte  sine  bruodere,  Wa  si 
Hilten  ire  chorler.  —  Vor.  Alex.  103  Xu  teil  ich  iu  sagen  von  Ale- 
xandere s  geburte,  Wie  si  alhi  geuurie.  —  Laurin  142  Diu  wunne 
wart  da  zestaret,  Swaz  freuden  an  dem  garten  lac.  —  Waith.  5t»,  5  Wer 
gap  dir  minne  den  geicalt,  Das  du  doch  so  gewaltic  bist.  —  Diokl.  35  Da: 
ich  in  vor  mynem  tode  bespreche,  K  mir  min  kranckes  hertze  breche. 

*)  Nichts  bei  Thamhayu,  Stil  des  Rolandslieds. 


ZUR  TECHNIK  DER  MI1D.  DICHTUNG 


433 


se  tromper  beaucoup  cn  afflrmant  que  Gottfried  amplifie  dans 
les  memes  cas  que  Hartmann'),  für  Konrad  von  Würzburg 
von  Joseph,  Klage  der  kunst  s.  30  und  31,  für  die  Halbe  bir 
von  Wolff,  Einl.  s.  xxxv  ff.,  für  die  Kudrun  von  Panzer,  Hilde- 
Kudrun  s.  75,  für  Albrecht  von  Kemenaten  von  Zupitza,  Helden- 
buch 5,  einl.  xxn  und  xxiv,  für  das  drama  von  Heinzel,  Be- 
schreibung des  geistl.  Schauspiels  s.  118  ff. 

Aber  in  keinem  fall  ist  auch  nur  für  den  einzelnen  dichter 
oder  das  einzelne  werk  der  gesammte  stoff  vereinigt  oder  gar 
in  den  einzelheiten  seiner  erscheinungen  untersucht.  So  hat 
Schmedes  nur  die  fälle  'künstlerisch  wolberechtigter  Variation' 
verzeichnen  wollen  (s.  34);  von  den  'ungeschickten  wider- 
holungen',  von  den  'tadelnswerten  tautologien'  soll  keine  rede 
sein.  Noch  weniger  ist  erkannt,  welch  allgemeine  Verbreitung 
der  erscheinung  zukommt.  Wesentlich  dem  höfischen  epos  gilt 
Scherers  ausspruch,  Lit.-gesch.  s.  163:  'der  gefühlvolle  anteil 
an  menschen  und  dingen  wird  die  quelle  der  epischen  breite'. 
Umgekehrt  meinte  Schmedes  s.  34:  'ein  so  wirksames  mittel 
zur  hebung  des  ausdrucks  musste  sich  am  ehesten  in  volks- 
tümlicher dichtung  von  geschlecht  zu  geschlecht  vererben'. 
Endlich  ist  von  einer  wirklichen  erklärung  der  erscheinung, 
von  einer  einordnung  in  einen  grösseren  Zusammenhang  bis 
jetzt  nichts  wahrzunehmen. 

Wie  wenig  die  erscheinung  bis  jetzt  die  gebührende  be- 
achtung  gefunden  hat,  zeigt  sich  auch  darin,  dass  die  wider- 
holung  gelegentlich  den  anlass  gegeben  hat,  eine  spätere  ein- 
schal tung  anzunehmen:  vgl.  Annolied  v.  23  ff.  in  Roedigers 
ausgäbe;  Parzival  139, 1. 2  in  Leitzmanns  ausgäbe;  Laurin 
195.  196  im  Berliner  heldenbuch;  Schröder,  Der  epilog  der 
Eneide,  Zs.  fda.  47, 299  ('die  art,  wie  das  dknde  gerne  von 
13490  den  ausdruck  von  13482  wider  aufnimmt,  ist  ein  psy- 
chologisches charakteristicum  der  eiuschaltung,).  Und  Wolff 
hätte  auch  nicht  in  der  summarischen  weise,  wie  er  es  getan 
hat,  die  widerholungen  verwenden  dürfen  bei  dem  von  ihm 
versuchten  nachweis,  dass  die  Halbe  bir  ein  werk  Konrads  sei. 

Wenn  ich  nun  daran  gehe,  die  erscheinung  über  ein 
grösseres  gebiet  zu  verfolgen,  so  kann  auch  ich  natürlich 
nicht  die  ganze  ungeheure  masse  des  Stoffes  vorlegen.  Es 
muss  hier  das  gleiche  verfahren  eingeschlagen  werden,  wie 


Digitized  by  Google 


434 


BEHAGHEL 


bei  umfassenderen  Untersuchungen  auf  dem  gebiete  der  syntax, 
das  verfahren,  das  ich  in  meiner  arbeit  über  den  gebrauch 
der  Zeitformen  befolgt  habe:  icli  greife  also  eine  anzahl  von 
dichtungen  heraus  und  trage  aus  bestimmten  abschnitten  der- 
selben das  material  vollständig  zusammen.   Diese  stücke  sind: 


Wiener  Genesis  von  1—4000  (nach 
Piper) 

Exodus  von   1 — 1500  (nach  Koss- 

manu) 
Annolied  ganz 
Rolandslied  von  5000 - 0500 
Kaiserchronik  von  10M4— 11351. 

12813  14000 
Vorauer  Alexander  von  1 — 1000 
Kother  ganz 

Nibelungenlied  str.  1—240.  2000— 

2100  (nach  Bartsch) 
Laurin  1-1890 
Eilhart  von  1-2000 
Herbort  von  1—2000 


Lanzelet  von  1—3500 
Erec  von  1—1500 
Iwein  von  1  —1500 
Parzival  von  116,5—179,12 
Gottfried  von  3000—4500 
Flore  von  1—1500 
Engelhart  und  Engel trut  von  1  -  1200 
Heinrich  von  Freiberg  von  1—1500 
Diokletians  leben  von  1  —  1200 
Wittenweilen  Bing  s.  l — 35  einschl. 
Erinnerung  gauz 
Der  welsche  gast  1 — 1500 
Minnesangs  Frühling  von  s.  1  — 100 
einschl. 

Walther  8. 1—75  (nach  Lachmann). 


Von  der  freiwilligen  widerholung  desselben  gedankens 
soll  hier  die  rede  sein.  8chon  Vogt  s.  7  hat  zwischen  einer 
notwendigen,  d.h.  einer  logisch  bedingten,  und  einer  nicht 
notwendigen,  logisch  nicht  bedingten  ; willkürlichen'  wider- 
holung unterschieden.  Ich  möchte  die  letztere  art  lieber  als 
'freiwillige*  bezeichnen,  weil  mit  dem  ausdruck  'willkürlich1 
sich  eine  schiefe  Vorstellung  über  den  Ursprung  dieser  dinge 
verbindet. 

Zu  den  notwendigen  widerholungen  gehört  es  einerseits, 
wenn  dasselbe  reale  oder  geistige  geschehnis  sich  mehrmals 
vollzieht.  Dann  niuss  es  eben  auch  mehrfache  sprachliche 
Verkörperung  linden.  Hierher  fallen  die  'widerholungen'  des 
homerischen  epos. l) 

')  .Soweit  die  klassische  philologie  von  solchen  zu  lnrichten  weiss, 
handelt  es  sich  fast  durchaus  um  wörtliche  oder  mehrere  wörtliche  wider- 
holungen. Eine  umfassende  Sammlung  von  ihnen  gibt  Carl  Ed.  Schmidt. 
Parallelhomer  oder  index  aller  homerischen  iterata  in  lexikalischer  anord- 
nung.  Göttinnen  1885.  Die  zahlreichen  erörtemngen ,  die  sich  an  sie  an- 
geschlossen halten,  stehen  zum  gröbsten  teil  im  dienst  der  sog.  homerischen 
frage.  Ich  nenne  die  folgenden,  in  denen  weitere  literatnr  zu  rinden  ist: 
G.Hermann,  De  iteratis  apud  Homerum,  Opuscula  1,111;  Christ.  Die 


Digitized  by 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNO. 


435 


Auch  wo  für  lateinische  dichter  die  iteratio  versuum  be- 
handelt wird,  gilt  die  betrachtung  wol  durchaus  fällen  unserer 
notwendigen  widerholung,  versen,  die  nicht  an  derselben,  son- 
dern an  verschiedenen  stellen  übereinstimmend  auftreten. 
Hierher  gehören  die  arbeiten  von  Th.  Fritzsche,  Horatiana, 
Güstrower  programm  1900,  und  De  iteratis  ebda.  1903,  und  die 
von  ihm  1900,  s.  3  weiter  angeführten  arbeiten. 

Solche  widerholung  findet  sich  denn  auch  im  altdeutschen 
epos,  wenn  im  verlaufe  der  erzähl ung  die  herkömmlichen 
kämpfe,  das  ceremoniell  der  feste,  der  empfange  von  gasten 
widerkehrt.  Oder  in  der  Exodus  gebietet  gott  dem  Moses 
zweimal,  die  band  in  sein  gewand  zu  stecken,  und  daraus 
ergibt  sich  zweimal  dieselbe  handlung:  733  Ich  weis  er  iz 
neliez,  In  den  buosem  er  sie  stiez.  —  Iii  Ich  weis  er  iz  aue 
do  ne  liez,  In  den  buosem  er  sie  stiez.  —  In  zwei  aufeinander 
folgenden  schlachten  bewährt  Turpin  seine  eigene  predigt: 
Rol.  5161  So  waz  er  mit  munde  lertc,  Mit  werken  er  iz  bi- 
tearte.  —  5394  Tha  beicarete  ther  thegen  AI  thuz  er  mit  theme 
munde  lerte.  Das  ist  insbesondere  die  weise  des  volksepos, 
vgl.  Panzer,  Das  altdeutsche  volksepos  s.  13  und  33.  Ziemlich 
häufig  sind  derartige  notwendige  widerhol ungen  im  Laurin: 
man  vgl.  417  mit  3G7  und  613  (wo  die  richtige  lesung  gewis 
die  in  den  Varianten  stehende  ist),  570  mit  587,  605  mit  655, 
946  mit  988,  1012  mit  1038. 

Für  Hartmann  ist  es  bemerkenswert,  wie  er  gelegentlich 
der  in  der  vorläge  vorhandenen  widerholung  aus  dem  wege 
geht:  in  Chrestiens  Erec  ist  das  zusammentreffen  des  zwergs 


widerholnngen  gleicher  und  ähnlicher  verse  in  der  Ilias,  Münchner  sitzunprs- 
herichte  1880,  221;  Schnorr  von  Carolsfeld,  Literaturvergleichende  be- 
merkungen  zu  Homer,  Arch.  f.  lit.-geseh.  10.  301);  Filipski,  Pas  stehende 
heiwort  im  volksepos,  progr.  von  Villach  188(1.  s.  vni:  Sittl.  IMe  wider- 
holnngen in  der  Odyssee  München  1882:  Pfudel,  Die  widerholungen  bei 
Homer,  progr.  der  ritterakademie  zu  Liegnitz  181*1;  C.  Rothe,  Die  bedeu- 
tung  der  widerholungen  für  die  homerische  frage,  Fe» t schritt  des  franz. 
grmuasiuros  zu  Berlin  18!H),  s.  12t.  I'ie  letztgenannte  abhandlung  ist  m.  e. 
das  beste  von  dem,  was  bis  jetzt  über  die  angelegenheit  gesagt  worden 
ist;  Caucr,  Grundfragen  der  Homerkritik.  8. 2<J7,  hat  ihre  ergebnisee  sich 
vollkommen  angeeignet.  Aber  auch  Rothe  hat  den  weiteren  Zusammenhang 
der  erscheinung  nicht  erkannt  und  viel  zu  wenig  ausserhalb  des  griechischen 
Umschau  gehalten. 


: 


436  BEHAGHEL 

erst  mit  der  jungfrau,  dann  mit  Erec  in  ganz  übereinstim- 
mender weise  dargestellt  (157  =  202,  161  =  209,  163  =  210), 
während  Hartmann  keine  nähere  Übereinstimmung  der  beiden 
sclülderungen  zeigt.  Bequem  macht  es  sich  Herbort,  der  ein- 
fach erklärt,  dass  die  handlung  gerade  so  verlaufen  sei  wie  in 
einem  früheren  fall: 

215  Von  also  grozer  frümekeit,  Als  ich  in  da  vor  hau  geseit,  Da  ich 
von  Jason*  gesprochen  han:  Das  muget  ir  alhic  vurstan.  —  1213  Waz  sal 
umbc  rede  gemget?  Daz  er  dort  hette  geklaget,  Des  envttrgaz  er  hie  niht. 
—  1985)  Waz  mac  ich  hie  sprechen  fori?  Die  er  gesprochen  hette  dort, 
Dieselben  tcort  er  hie  sprach.  —  Aehnlich  Wigalois  14, 23  Waz  weit  ir  der 
rede  me?  iSi  sagt  im,  als  ich  tu  e. 

Aber  auch  für  eine  und  dieselbe  tatsache  kann  ein  anlass 
bestehen,  der  ihr  widerholtes  aussprechen  notwendig  erscheinen 
lässt.  Es  kann  geschehen,  dass  sie  bei  verschiedenen  gelegen- 
heiten  wirksam  wird.  Hierher  gehört  z.  b.  die  widerholte 
Charakteristik  Berchters  Roth.  45  uud  161: 

45  Do  heter  ein  graven,  Der  half  ime  teol  zo  waren  Mit  listen  grozer 
eren.  Kr  was  sin  man  unde  mac.  Der  was  der  aller  getruiste  man, 
Den  ie  sichein  romisc  kuninc  gewan.  —  161  Sie  leite  ein  vile  listiger  man. 
Der  was  dem  kuninge  vile  leph  Unde  nehate  der  untruwen  niet. 

Oder  die  doppelte  Schilderung  der  ausstattung  von  Rothers 
mannen,  das  eine  mal  beim  verlassen  des  schiff  es,  das  andere 
mal  bei  ihrem  auftreten  am  hofe  Constantins: 

Roth.  222  Ire  mantcle  icaren  gesteinit  Li  der  erden  Mit  den  besten 
jachanden  die  ge  dorten  gewerden.  —  234  die  herren  ritin  uffe  Constan- 
tinis  hof.    Do  luhte  manic  jachant    Von  enander  in  daz  gewant. 

Hierher  gehört  es  ferner,  wenn  einmal  die  tatsache  unmittelbar 
festgestellt  wird  und  später  die  Wahrnehmung  dieser  tatsache, 
der  eindruck,  den  die  tatsache  macht,  vorgeführt  wird: 

Vgl.  z.  b.  Roth.  2431  her  karte  sich  hine  umbe  Und  tcranc  sine  hende 
im  vergleich  mit  Roth.  24«»9  Sivs  du  einin  grawin  man  Mit  deme  schonin 
barte  stan,  Der  mich  tchouwete  Wunderen  note?  Her  karte  sich  umbe  Und 
wranc  sine  hande.  -  Ferner  \V.  Gen.  3797  Eines  tages  daz  gescach  Daz 
si  in  einen  gesach,  Er  tet  neizwa:  werche,  Da  er  niemannes  zuo  bedurfte. 
Si  wantc  iz  wäre  ir  wole  ergangen,  Daz  si  da  nesuch  niemannen.  — 
Ebenso  Roth.  3795  Do  sprach  der  hclit  lossam:  1c  sage  der  starke  mere: 
Dar  stat  liothercs  wif  Unde  quelit  dm  erlichin  Hb  im  vergleich  mit  3844 
liother  quam  mit  listin  Zo  Conslantinis  tiske.  Bi  deme  saz  Rotheres  ictb 
unde  qualitc  ir  Hb  —  Piokl.  544  Und  als  die  meister  trurig  waren.  7>a 
kam  der  knabe  mit  liubschem  gebaren    Und  sach  die  meister  truren. 


zed  by  Google 

j 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


437 


Oder  es  geschieht,  dass  eine  und  dieselbe  tatsache  auf 
verschiedene  personell  wirkt  und  nun  von  mehreren  nach- 
einander ausgesprochen  wird.  Die  erwägungen  Rotliers  514  ff. 
werden  von  seinen  mannen  590  ff.  widerholt. 

Vgl.  ferner  Erec  1461  (die  mutter)  Diu  sprach:  richer  got  vil  guoter 
Du  geruoche  mines  kindes  phlegen.  . . .  (der  vater)  L'nsern  hcrren  got  bater 
Daz  er  ir  müeste  walten.  —  Engeln.  668  Wer  mähte  uf  erden  vinden 
Zwene  knaben  so  gar  gelich?  Ja,  sprach  der  tu  Ute  künic  rieh,  Die  werdent 
nimmer  funden.  Daz  got  in  aUen  stunden  l'rüeven  groziu  minder  kan, 
Daz  schinet  zxcare  xeol  hier  an,  Daz  dise  jüngelinge  An  aller  slahte  dinge 
So  gar  gelich       ander  sint. 

Oder  die  sache  liegt  so,  dass  das  einmalige  aussprechen 
der  tatsache  noch  nicht  die  genügende  Wirkung  erzielt  hat, 
dass  auf  eine  aussage,  eine  frage  noch  nicht  die  gewünschte 
antwort  erfolgt  ist,  also  der  anlass  zur  aussage  fortdauert: 

Eilhart  1986    Dine  hulde  her  habin  sol'  \ 

'Der  in  slug?'    ''in  truwin  ja,  \ 

Wa  ist  her  nu?"    'hir  vil  na, 

Dar  ich  in  wol  gevinde.' 

"So  heiz  in  vor  mich  bringen!" 

'Sal  he  dine  hulde  han?'  \ 

"Ja,  sicaz  Ive  mir  hat  getan'  \ 

Daz  si  om  umme  daz  vorgebin"  I 
(  'Kusse  mich,  vatir,  vor  den  degin 
\  Und  mache  die  sune  vullen  stete!' 

"Swaz  he  mir  tede  unde  hete 

Getan,  daz  rorkise  ich." 
{  'So  saltu  vor  in  küssen  mich.' 

"Waz  wiltu  mere  duz  ich  tu?" 

'So  hastu  lut irlichin  nu  I 

Vorkorn?'    "Ja,  ich  hüte  han"  J 

—  H.  von  F.  1009  "Zürne  ich,  vrouwe?",  'ja!'  sprach  sie,  "Nein  ich", 
'ir  tuot'  —  Diokletian  759  Nu  ist  daruff  geneiget  myn  sin,  Das  dir  trerdr 
min  reiner  hl  um.  Ich  meynen  myn  kuschen  magfum  (Der  jungeling  sxccig 
und  anticurt  nicht).  Zu  dem  knaben  sy  do  sprach  ...  (781)  Ich  gib  dir 
minen  maytum.  —  Ms.  F.  93,  15  '  If  OJ  weit  ir  so  eine  her  gcganY'  'Frouwe, 
ez  ist  also  geschehen.'  'Sugent,  war  umbe  sint  ir  her?  des  sult  ir  mir 
verjehen.' 

Endlich  gibt  es  fälle,  wo  ein  und  derselbe  Vorgang  für 
unsere  betrachtung  verschiedene  zustände  durchläuft  und  in 
mehreren  derselben  die  sprachliche  darlegung  herausfordert: 
wenn  ein  ding  durch  meine  bände  geht,  so  nehme  ichs  in  die 
band,  es  verweilt  darin  längere  oder  kürzere  zeit,  und  ich 


438 


NKHAOHEL 


entledige  mich  seiner  wider.  Hierher  mag  es  gehören,  wenn 
wir  zunächst  erfahren,  dass  eine  tatsache  ins  werk  gesetzt 
werden  soll,  und  dann  die  ausfuhrung  mitgeteilt  wird:  z.  b. 
Rother  1444  So  heiz  den  schaz  herrore  tragin  im  vergleich  mit 
1456  Dm  meren  schätz  man  vor  in  troch.  Aehnlich  Rother 
3047  =  3052.  3520  =  3530.')  Besonders  aber  rechne  ich  hierher 
die  form  der  recapitulation:  wenn  eine  tatsache  y  an  eine  tat- 
sache x  angeschlossen  werden  soll,  so  geschieht  dies  oft  genug 
nicht  mit  einem  blossen  do  oder  einer  andern  art  der  einfachen 
weit erf iihrung,  sondern  es  wird  gesagt:  nachdem  x  geschehen 
war,  trat  y  ein; 

Z.  b.  Roth.  1S1  Von  deine  Stade  sie  voren.  Eia,  tce  die  segele  duzzen, 
Do  au-  in  Ott  tri  tluzzen.  —  Vor.  AI.  426  Do  trat  er  vor  mute  viel,  Das 
im  sin  schenket  zehrast  t  ut  duz  er  ane  tugent  lach.  Unt  also  der  chunich 
der  nider  viel,  Alexander  sin  hlut  triel.  —  Eilh.  748  Uf  so  singen  sie:  rr 
gezelt.  Do  sie  trarin  uf  geslagin,  Do  hiz  der  koning  her  vore  tragin.  — 
Herhort  1770  l  nt  hiz  legen  den  fullemunt  Zu  einer  muren  nuwe  Von  star- 
keine  gehuiee.  Sie  uart  icit  mute  groz.  Do  die  mure  bereit  teart,  Sie 
machten  Kemenaten.  Do  sie  das  getaten,  Sie  hizzen  graben  irn  graben.  — 
Parz.  155,29  Daz  ors  mit  daz  phärddin  Krhuoben  ein  so  hohen  grin. 
Duz  cz  Iicanet  erhörte  Vor  der  stat  ans  graben  orte,  Froun  Ginovem 
knapp  unde  ir  mac.  Vor  von  dem  orse  erhörte  den  bac,  .  .  .  Do  gahte 
dar  der  knappe  kluoc. 

Diese  fälle  also  von  notwendiger  widerholung  werden  im 
folgenden  ausgeschaltet. 

Die  masse  des  Stoffs  zerlege  ich  in  zwei  hauptgruppen: 

widerholung  mit  weiterführung, 
Variation. 

Dem  entsprechen  die  beiden  von  Vogt  s.  30  aufgestellten 
kategorien:  Variation  mit  neuem  inhalt  im  zweiten  gliede  — 
Variation  ohne  neuen  inhalt  im  zweiten  gliede. 

Vogt  gibt  freilich  selber  zu,  dass  die  an  erster  stelle  ge- 
nannte abteilung  im  begrilT  der  Variation  eigentlich  keinen 
platz  habe.  Aber  er  meint:  'das  ausschlaggebende  ist  der  ein- 
druck,  den  die  erscheinung  macht,  und  diese  beispiele  machen 
den  eindruck  der  Variation'.  Ueber  eindrücke  ist  nun  freilich 
schwer  zu  streiten;  ich  ziehe  es  vor,  mich  an  wirklich  fassbare 

')  Hierher  gehört  das.  was  Miklosich  unter  der  4  widerhol  iiiig  ganzer 
stellen'  verzeichnet.  Darstellung  im  slavischen  volksepos  s.  18  (Denkschriften 
der  k.  akad.  d.  wissensch.  Ixl.  38,). 


Digitized  by  Googl 


ZUR  TECHNIK  DHU  MIU).  UICHTUNO. 


439 


unterschiede  zu  halten,  glaube  aber  freilich,  dass  nur  dem  ober- 
flächlichen beobachter  das  den  eindruck  der  Variation  machen 
wird,  was  ich  in  meiner  ersten  abteilung  unterbringe;  auch 
werden  wir  sehen,  dass  die  Ursachen  beider  gruppen  von  er- 
scheinungen  weit  auseinander  liegen. 

Erster  abschnitt. 

Widerholung  mit  weiterführung,  darunter  verstehe 
ich  die  erscheinung,  dass  von  zwei  aufeinander  folgenden  satz- 
gebilden  ein  teil  (x)  der  bezeichnung  ein  und  derselben  Vor- 
stellung gewidmet  ist,  während  der  andere  teil  (y  im  ersten, 
y1  im  zweiten  satze)  verschiedene  Vorstellungen  verkörpert; 
aber  diese  stehen  logisch  auf  gleicher  stufe,  haben  das  gleiche 
logische  Verhältnis  zu  den  übrigen  Satzgliedern.  Es  steht  also 
auf  der  einen  seite  x  -f  y,  auf  der  andern  x  -f-  y1.  Sollten 
beide  satzgebilde  durch  ein  einziges  ausgedrückt  werden,  so 
würde  es  nur  durch  eine  zusammeuzählung  der  beiden  ab- 
weichenden glieder  mit  hilfe  der  conjunction  und  geschehen 
können:  x  -f  (y  und  y>). 

In  der  regel  stimmen  die  sich  entsprechenden  satzgebilde 
—  es  können  auch  mehr  als  bloss  zwei  sein  —  in  der  äusseren 
form  soweit  überein,  dass  die  abweichenden  Satzglieder  auch 
grammatisch  die  gleiche  rolle  spielen  und  man  also  nach  der 
art  des  weitergeführten  Satzgliedes  die  beispiele  einteilen  kann. 

Gewöhnlich  liegt  die  sache  so,  dass  nur  ein  einziges  Satz- 
glied weitergeführt  wird,  alles  übrige  identisch  ist. 

a)  Nur  selten  wird  das  verbum  weitergeführt;  ich  kann 
diesen  fall  nur  mit  einem  beispiel  aus  dem  Rother  belegen: 

7S8  Den  schätz  man  ane  zale  nam  Unde  trog  in  allez  daz  an  Uz 
des  kuuingis  kameren:  Sie  vor t in  uffc  den  wa genin  llinne  zo  den 
kielen  Maniger  »lachte  geteilt. 

Dagegen  erfahren  einerseits  das  subject,  andrerseits  die 
bestiinmungen  der  verba  häufig  weiterführung. 

b)  Weiterführimg  des  subjects: 

1)  das  verbum  ist  dasselbe:  die  weiterführung  geschieht 
meist  bloss  einmal: 

W.  Gen.  110  Vit  gewaltich  ist  unser  trehtin,  Vile  michel  ist  daz 
gotes  ic  und  er.  —  ebda.  1730  Do  lerte  er  in  die  site,  Daz  er  sich  an 
einer  scante  besnite,   Unde  suaz  mannet  geburte    In  sinevie  chunne  tcurte, 


Digitized  by  Google 


440 


BEHAOHEL 


Daz  die  alle  sich  same  besniten.  —  Roth.  5067  Do  zoch  iegelieh  man 
Hin  zo  sime  lande,  Dar  leveten  sie  ane  scJiande.  Rother  der  riche  Der 
levete  rromicliche.  —  Nib.  137,2  So  muosen  ouch  die  recken  mit  in  al 
zehant  Damite  muos  ouch  Sivrit.  —  Herbort  225  Die  fürsten  dar 
quamen,  Die  die  hoclizit  furnamen,  Die  ich  genennen  niht  enkan.  Frouwen 
und  die  dinstman  Quamen  alle  sament  dar  Wol  bereitet  und  gar.  — 
ebda.  1 1 72  Daz  lantfolc  qua  m  durch  icu  nder  dare,  Kitt  er  und  frauwe  n 
Quanten  dar  durch  schoiccn.  —  Tristan  4262  Daz  weinde  Marke,  daz 
wände  ouch  er  (Rual),  Daz  weindcns  algemeine.  —  H.  v.  F.  609  Die 
rarsten  wazzer  namen,  Vil  herren  da  zuo  quamen  Und  manch  ritter 
wunnenclich,  Die  namen  wazzer  und  satzten  sich. 

Mehrmalige  weiterführung  ist  hier  nur  einmal  belegt: 

Rol.  6202  Wole  vaht  Turpin  Unt  Gerhart  vone  Rossel  in.  Ixe  unde 
Pegon  Vahten  umbe  then  ewigen  Ion.  Wole  vahten  thie  kuonen  Kar- 
linge. Man  sah  tha  jiur  prinnen  .  .  .  Wole  vaht  thes  keiseres  kunne, 
Tha-  mare  helet  Ruolant. 

2)  In  andern  fällen  ist  das  verbum  (oder  eines  der  verben, 
s.  das  beispiel  aus  dem  Tristan),  durch  ein  synonymon  ersetzt, 
die  identischen  teile  erscheinen  also  variiert: 

Bloss  einfache  widerholung: 

W.  Gen.  498  Sulvaia  unt  ruta,  Xardus  unt  balsamita,  Der 
stauch  wahset  so  wita;  Minz  unte  cpphich,  Chres  unt  lattoch, 
Astriza  unt  wichpom  Ilabent  ouch  suzen  toum.  —  Anno  427  Cato 
unti  Pompeius  Rumitin  romischi  hus;  AI  der  senatus  Mit  sorgen 
vluhin  si  diruz.  —  Roth.  4648  Do  ginc  der  herzöge  von  Meran  Int- 
gigin  der  vrouwen  lossam.  Luppolt  unde  Eric  in  Intfiengen  die  koningin. 
—  Nib.  173,1  Damite  reit  ouch  Sindolt  unde  Hunolt,  Die  wol  ge- 
dienen  künden  daz  Gunthercs  golt.  Dane  wart,  Hagenen  bruoder  unde 
ouch  Ortwin,  Die  mohten  wol  mit  eren  in  der  herrerte  stn.  —  Herbort 
1303  Die  cur  galten  zoume  braunen  Gliche  der  sunnen;  Der  spore  in 
gegen  der  sunnen  schein,  Als  sie  beide  teeren  ein,  Daz  sicert  und  daz  schone 
sjicr  Als  der  sterre  lucifer.  —  Tristan  4321  Nu  gie  der  guote  Marke  hin 
l  ud  husten  unde  enphienc  in.  Diu  herschaft  al  zehant  do  kam  l  ud 
kusten  in  besamter.  —  H.  v.  F.  53  Daz  aber  ich  dise  arbeit  Hab  minem 
sinne  vür  geleit,  Daz  machet  eines  herren  tugent;  Sin  hohe*  adel. 
sin  edele  jugent  Ez  mir  gebot  und  mich  sin  bat.  —  ebda.  672  Der 
megde  sie  [KarsieJ  do  seite  Und  dem  hochgemuoten  degen  Mit  warten 
mutigen  sitezen  segen.  Die  kiuschen  und  die  claren  Vrouwen,  die  da  waren 
Mit  ir  in  der  keminaten,  Iren  segen  ouch  sie  taten.  —  W.  gast  922  Ir 
gebärd  hat  ouch  diu  minn.  Ich  sugiu  von  der  warheit,  Vorht,  tut,  haz  utul 
girescheit,  Lieb,  leit,  milt,  erge  unde  zorn  Hant  ir  gebärde  niht  rtrlurn. 

In  einem  fall  hat  die  widerholung  ihren  ganz  besonderen  grund: 

Nib.  162, 1  Des  sol  uns  helfen  Ha  gen  e  unde  ouch  Ortwin.  Dane- 
wart  und  Sindolt,  die  lieben  recken  din.  OucJi  sol  da  mit  riten  \\>lker, 
der  kuene  man,  Der  sol  den  vanen  fueren,  baz  ich*  niemen  engan. 


zed  by  Google 


ZÜR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


Volker  wird  deshalb  nicht  der  summierung  im  subject 
des  ersten  satzes  angeschlossen,  sondern  mit  einem  besonderen 
verbura  eingeführt,  weil  sich  daran  eine  zweite  aussage  reihen 
soll,  die  ihm  allein  gelten  kann,  die  worte:  Der  sol  dm  vancn 
füeren. 

Die  weiterfuhrung  ist  eine  mehrfache: 

Nib.  232,3  Die  stolzen  Burgonden  die  habent  so  gevaren,  Das  si 
vor  allen  schänden  ir  ere  künnen  wol  bewaren.  Man  sach  da  vor  ir  handen 
vil  manegen  satel  bloz,  Da  von  liehten  stcerten  das  velt  so  lute  erdoz.  Die 
küenen  Tronegcere,  die  frumten  groziu  leit,  Da  mit  Volkes  kreßen  daz 
her  zcsamne  reit;  Da  frumte  manegen  toten  des  küenen  Hagenen  hant, 
Sindolt  und  Ilunolt,  die  Gernotes  man,  Unt  Humolt  der  kiiene,  die 
hantz  so  vil  getan,  Daz  ez  Liudegere  mac  immer  wesen  leit.  —  Herb.  763 
Der  minne  fuer  ist  so  starg,  Daz  mir  sudet  min  marg  Und  brinnet  min 
gcbeine.  Ich  han  dehein  ädern  so  kleine,  Sie  cnsi  warm  und  heiz. 

In  einem  fall  endlich  ist  das  erste  verbum  in  der  wider- 
holung  durch  das  allgemeine  verbum  tuon  wider  aufgenommen: 

Nib.  2076,4  Wol  streit  der  kiiene  Gernot:  MMR  tct  oucli  Gisclher 
der  degen. 

c)  Ein  prädicatsnomen  ist  weitergeführt: 

Eol.  5146  linde  thie  geruou'eten  vore  in  lagen  In  ire  eigen  pluote  er- 
worthen!  Sie  lagen  erstikket  unde  verdorben.  —  Kehr.  11263  Erwasplaich 
unt  ubel  getan,  Er  was  mit  pluote  berunnen.  —  Eilh.  1302  Do  was  he  von 
der  sere  genesin,  He  was  gesunt  unde  vro.  —  Lanz.  350  Ir  wellet  übel  sin, 
Ir  weUct  gar  der  tiuvel  wesen.  —  W.  gast  199  Swa  ein  vrouwe  reht  tuot, 
Ist  ir  gebärde  niht  guot  Und  ist  ouch  niht  ir  rede  schone,  Ir  guot  getat 
ist  ane  kröne,  Ich  sagiu  daz  ir  guot  getat  Mac  ouch  nimmer  wesen  stat, 
Kan  si  niJU  gebaren  wol  Und  reden  daz  si  reden  sol. 

e)  Das  object  des  verbums  wird  weitergeführt: 

1)  Das  weitergeführte  und  das  weiterführende  object  sind 
gleichartig  gebaut: 

a)  Ein  genitiv-,  dativ-  oder  accusativobject  wird 
weitergeführt: 

aa)  Das  verbum  ist  das  gleiche: 

Die  weiterführung  geschieht  einmal: 

W.  Gen.  144  Er  geboth  deine  merern  Wethe,  daz  is  war,  Daz  iz  lieth 
pare  Unde  (lerne  tage  frume  wäre.  Er  geboth  der  maninnen,  Daz  si  liuthe 
mit  minnen.  —  ebda.  2156  Mit  netzen  ioch  mit  hunten  Vieng  er  hirze 
unde  hinten.  Er  chund  ouch  fahen  lieher  dei  vehen.  —  Rol.  5208  Karl 
mit  sinem  grawen  parte,  Hat  menegiu  rike  pethwungen,  Thie  alswarzen 
Ungeren,  Pulle  unde  Latran.  Tho  ih  frithe  von  ime  gewan,  Vile  ubele 

Beiträge  «ur  getchichte  der  deutschen  spräche.   XXX.  «JQ 


Digitized  by  Google 


442 


DEHAOHEL 


mir  gescah,  Thaz  i7i  thaz  ie  zeprah;  Wände  er  thie  kuonen  Sahsen 
bethtoanc.  —  ebda.  5313  So  wer  genozzen  hine  rare,  Ther  have  thie  ere 
gare,  So  teer  morgens  leve  zu  thirre  zit,  Ther  have  thie  marke  ane  strit. 

—  Alex.  171  Der  lertin  chriechisch  unde  Latin  U)U  puchstabe  sezzen  an 
eineme  perment  —  Noch  to  was  er  ein  lutzel  chinl  —  Uni  lertin  vil  man  ich 
puch.  —  ebda.  185  Er  lertin  alle  wisseheit,  Wie  verre  der  sunne  von 
der  maninnen  geit,  Unde  lertin  ouch  den  listf  Wie  hoch  von  dem  wazzer 
zem  himele  ist.  —  Roth.  620  Viere  boten  er  do  sande  Vilwitin  inme  lande. 
...  Einen  brief  er  do  sante  Zo  eim  unkundigin  lande.  —  ebda.  2048  Nu 
warte  an  dise  schohe,  Die  gab  mir  der  helit  got,  Unde  tete  mir  lieris  ge- 
noch,  Unde  einin  mantil  wol  getan  —  Wol  mich  daz  ich  ie  dare  quam! 

—  Unde  zwelf  bouge  die  ich  han,  Die  gaf  mir  der  helit  lossam.  —  ebda. 
4652  Bother  huste  sin  wif,  Si  was  ime  alse  der  lif.  He  kuste  ouch  die 
aldin  koningin.  —  Eilh.  1794  Do  vundin  sie  einen  schilt  rot  Besengit 
also  garwe,  Daz  sie  in  bi  der  varwe  Nicht  mochtin  irkennen;  Ouch  runden 
sie  von  dem  vure  Ein  ros  vorbrant  vil  gare.  —  H.  v.  F.  382  Alda  er 
sinen  vater  vant  Und  sine  muoter  bi  ein  ander.  Isote  sine  swesler 
vander  Mit  züchten  bi  in  sitzen,  —  Waith.  8,30  Ich  sach  swaz  in  der 
werlte  was,  Veit  walt  loup  ror  unde  gras.  Swaz  kriuehet  unde 
fliuget  Und  bein  zer  erde  hinget,  Daz  sach  ich. 

Die  weiterführung  geschieht  mehrmals: 

Rol.  6211  Er  sluoh  selbe  mit  siner  hatU  Then  herren  Ealbinen 
Unt  sinen  pruother  Ebelinen.  Er  sluoh  in  vier  unt  zweinzeh 
graven,  Thie  thie  aller  vortheristen  waren.  Ienoh  sluog  er  ein  vile 
breite  scare. 

bb)  Es  steht  einfache  widerholung  des  verbs  und  ersatz 
durch  tuon  nebeneinander  in  einem  falle  der  mehrfachen 
weiterfuhrung: 

Kehr.  10359  Do  touft  in  der  hailige  man,  Die  zwelf  redencere  tet 
er  alsam,  Do  touft  er  zeware  Die  zwene  edele  rihtare. 

cc)  Das  verbum  ist  variiert: 

W.  Gen.  527  (Duo  der  tiufel  durch  uhermuot  Wesen  wolte  same  got 
Unt  er  in  verteeiz),  Daz  er  in  ab  (lerne  himele  stiez  Joch  sine  gesinden 
alle  Sant  in  die  helle.  —  Exod.  906  Aaron  do  sagete  in  Alle  die  ere 
die  got  Moisene,  Dem  heiligen  man,  Chunt  hete  getan;  Ouch  er  offenote 
Aller  der  diete  Zeichen  vile  scone,  Die  er  vone  gote  vrone  Habete  ge- 
wunnen.  —  Kehr.  10307  .SV  sant  ouch  ze  eren  Trieren  der  urmaren  Den 
roch  den  got  selbe  ze  der  marter  truoch  . . .  Und  dar  zuo  golt  und  ge- 
staine  Und  ander  vil  manige  herscaft  Frumte  sie  ze  Trieren  in  die 
stat.  —  Alex.  191  Er  lertin  (U  die  chundicheit,  Wie  der  Jumel  umbe 
get,  Unt  stach  ime  die  list  in  sinen  gedanc  Zerchennen  daz  gestirnt  unt 
ouch  sinen  ganc.  —  Roth.  190  Swer  danne  wil  scat  nemen,  Derne  sai  in 
ane  zale  geben;  Wil  er  aber  bürge  unde  lant,  Des  gibich  ime  in  ,w« 
gewalt,  Um  in  des  sehen  dunkel  vil.  —  ebda.  506  Wir  nOn  is  den  herren 


zed  by  Google 


20R  TECHNIK  DER  MHD.  DICDTDNO. 


443 


atten  sagen  Unde  künden  iz  goten  knechtin.  —  H.  v.  F.  66  An  dem  ist 
daz  erkennet  wol,  Daz  er  mit  tugenüicher  tat  Vil  ho  er  wir  de  encorben 
hat,  Zucht ,  maze  mit  bescheidenheit.  Sin  ellenhaftez  herze  treit  Man- 
heit,  triuwe  und  milte.  —  Erinn.  74  Bichte  unt  bivilde,  Misse  unt 
salinen  Daz  bringent  si  allenthalben  Ze  etlichem  choufe.  Ez  si  der  chre- 
sein  oder  diu  toufe  Od  ander  swaz  si  stden  began,  Daz  lant  si  niemen 
vergeben  stan,  Wan  als  dtu  miete  erwerben  mac. 

ß)  Das  infinitivobject  ist  weitergeführt,  unter  beibehal- 
tung  des  regierenden  verbums: 
Einmalige  weiterftihrung: 

Exod.  708  Er  hiez  in  erwinden,  Er  hiez  in  vahen  den  zagel.  —  Kehr. 
10953  Er  hiez  si  ain  pruoder  nemen  Unt  hiez  ti  vur  den  chunicJi  tragen. 

Mehrmalige: 

Herb.  1168  Unt  hiz  im  machen  ein  bat  Unt  hiz  in  baden  unde 
scheren  Unt  hiz  des  guldinen  steren  Nemen  harte  gute  wäre.  —  ebda. 
1760  Unt  hiz  aberuten  Mos  und  gestruche,  Busche  unt  ungcbruclie,  Unt 
hiez  die  gazzen  reinen  Unt  hiz  buwen  unde  fegen  Uf  die  hohe  und  in 
den  grünt  Und  hiz  legen  den  fuüemunt. 

y)  Ein  objectiver  satz  wird  weitergeführt: 
Bei  gleichem  verbum: 

Eilh.  1611  He  dachte,  he  wolde  sinen  Up  Wagin  um  daz  selbe 
wip,  Und  auch  durch  den  willen,  Daz  die  sine  gesellen  Mochten  also  ge- 
nesen; Und  dachte  im  sulde  libir  wesiti,  Daz  he  von  dem  worme  vor- 
torbe,  Den  daz  he  ane  wer  irstorbe.  —  Parz.  126,22  »SV  daJite  in  wil  im 
niht  versagn:  Ez  muoz  abr  vil  bcese  sin.  Do  gedahte  vier  diu  künegin: 
Der  Hute  vil  bi  spotte  sint. 

Bei  variiertem  verbum: 

W.  Gen.  2747  Ich  han  wole  besuochet,  Daz  din  got  ruochet,  Und 
han  wole  ervunteiiy  Daz  got  durch  dich  Mir  was  gnadich. —  Erinn.  598 
Schowe  dinen  lieben  man  Unt  tum  vil  vlizehlichen  war,  Wie  sin  antlutze 
si  gevar,  Wie  sin  schäitel  si  gerichtet.  Schawe  vil  ernstlicJie,  Ob  er  gebar 
iht  vreelichen. 

2)  Das  weitergeführte  und  das  weiterführende  object  sind 
ungleich  gebaut: 

W.  Gen.  8962  Der  chunig  denne  gebiutet,  Daz  man  dir  abe  stehet 
daz  houbet.  Er  heizzet  dich  an  den  galgen  hahen.  —  Exod.  893 
Moyses  ime  sagete  Waz  er  gesehen  habete.  Ich  wetz  er  ime  zelen  began 
AI  diu  wort  diu  er  vernam.  —  Kehr.  11138  Daz  buoch  chundet  uns  sus: 
Daz  riche  besaz  Heraclius.  (11155)  Nu  sagent  uns  ouch  diu  buoch 
daz,  Wie  gewaltig  er  unter  den  haiden  was.  —  ebda.  112124  Die 
boten  taten  in  ouch  daz  chunt,  Daz  chorn  wuohse  da  in  dem  jare  drie 
stunt,  Daz  hon  ich  in  den  raren,  Si  mähten  elliu  tcunder  da  sehen  umle 
hören.   Die  boten  sageten  ze  aller  vorder ost   Den  herren  ain  m ichein 

30* 


Digitized  by  Google 


444 


REHAGHEL 


trost,  Da  wäre  guot  spise  Als  in  dem  pardise,  Daz  Hut  wäre  arer 
fraissam.  —  Alex.  199  Der  lertin  mit  getcaven  faren,  Unt  wie  er  sin 
sper  solte  tragen,  . . .  Unt  also  der  stich  teere  getan,  So  lertern  zu  dem 
swerte  vahen  ...  Unt  lertin,  wie  er  sich  solte  betearn.  —  ebda.  216  Unt 
lertin  ze  dinge  sizzen  Unt  lertin  wie  er  daz  bedahte.  —  Eilh.  1721  Zu 
dem  koninge  her  do  reit,  Und  sagete  im  groze  tumheit,  He  hete  irslagin 
den  trachen.  Mit  desin  valsddichen  sacJiin  Sprach  he  zu  dem  koninge  san, 
He  solde  sine  tochtir  han. 

f)  Die  adverbielle  bestimmung  des  verbs  —  adverb, 
prä positionier  ausdruck,  adverbialsatz  —  wird  weitergeführt: 

Das  verbum  ist  identisch: 

Exod.  1075  Xr  wurchet  vile  starche;  [Guot  ist  imeere  chraft;]  Wur- 
chet tach  unde  naht.  —  Roth.  71  Siu  luchtit  uz  deme  gedigene,  So 
daz  gesterne  tut  von  deme  himele.  Siu  luchtit  vor  anderen  wiben,  So 
daz  galt  von  der  siden.  —  ebda.  198  Do  voren  die  boten  here  Gegin 
Constinopole  dar  zo  Krechen.  Si  voren  vermezzeliche.  —  W.  gast 
585  Swigent  man  daz  lernen  sol,  Daz  man  dar  nach  wil  sprechen  wol. 
. .  Daz  kint  mit  vorhten  lernen  sol,  Swaz  er  dernaeh  wil  sprechen  wol. 

—  ebda.  405  Ein  junevrouwe  sol  selten  ihi  Sprechen,  ob  maus  traget  niht. 
Ein  vrowe  sol  ouch  niJU  sprechen  vil,  Ob  si  mir  gelouben  wil.  [S.  naebtr.]  — 
ebda.  659  Swelch  kint  schimpht,  der  schimphe  also,  Daz  man  der  von 
nien  werde  unvro.  ...  Man  sol  schimpften  daz  ez  glimphe. 

Zu  dem  identischen  verbum  ist  eine  Variation  hinzugefügt : 

W.  Gen.  1359  So  begunde  unseren  treJitin  Vile  harte  riuwen,  Daz 
er  ie  geseuf  den  man.  Iz  rouw  in  vone  herzen  Unde  begunde  in  harte 
sm erzen,  Die  er  geseuf  zeren,  Daz  die  deme  tievele  sohlen  werden. 

Das  verbum  ist  durch  tuon  ersetzt: 

Anno  637  Van  Criechin  unt  Engelantin  Die  kuninge  imi  gebi 
santin.  So  dedde  man  von  Denemarkin,  Von  Vlanterin  unti  Hiu- 
zinlanti. 

Das  verbum  wird  bei  der  widerholung  variiert: 

W.Gen.  1011  Daz  uns  daz  liehet,  Da  uns  ter  tiefei  mit  be- 
ste i che t,  Daz  unseeh  daz  tünchet  gut,  Da  wir  mite  garnen  den  tot. 

—  Roth.  1  Bi  deme  wester en  mere  Saz  ein  kuninc,  der  heiz  Routher ; 
In  der  stat  zu  Bare  Da  lebete  er  zu  wäre  Mit  vil  grozen  erin.  — 
Nib.  21,  9  Er  versuochte  vil  der  riche  durch  ellenthaften  muot 
Durch  sine  s  Hb  es  sterke  Er  reit  in  menegiu  lant  —  Pars.  124, 7 
Des  selben  wer  ich  mich  mit  slegn:  Für  die  sine  muoz  ich  an  mich  legn, 
Und  für  den  schuz  und  für  den  stich  Muoz  ich  alsus  wupen  mich. 

—  ebda.  151,13  Diu  eniachte  decheinen  wis,  Sine  sähe  in  die  den 
hohsten  pris  Hete  od  solt  erwerben:  Si  wolt  e  sus  ersterben.  Aüez  lachen 
si  vermeit,  Um  daz  der  knappe  für  si  reit.  —  H.  v.  F.  413  Wenne 
ist  die  rede  geschehen,   Oder  wa  hat  er  dir  vorjehen  Der  lieben  mere,  die 


zed  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEH  M1ID.  DICHTUNG. 


445 


du  sages?  —  Ms.  F.  82,16  So  ich  bi  ir  bin,  daz  tatet  mir  den  muot, 
Und  stirbe  ab  rehte,  swenne  ich  von  ir  kere. 

g)  Endlich  ein  ganz  eigentümlicher  fall:  die  weiterführung 
des  mit  der  anrede  verbundenen  ausrufs: 

Herb.  1592  Sie  sprachen:  owe  unselic  iar  Und  auwe  unselic  slag, 
Ouwe  unselic  tag,  Ouice  unselige  zit. 

II.  Ganz  selten  geschieht  es,  dass  mehr  als  ein  glied  weiter- 
geführt wird: 

a)  Es  werden  die  aus  dativ  und  accusativ  bestehenden 
ergänzungen  des  verbs  weitergeführt: 

Rother  4830  Asprinne  gaf  he  Remis  Unde  lech  ime  die  marke, 
Den  gen  rieten  allent  samt  Lech  he  die  riehen  Scotland.  Lo- 
tringin  unde  Brabant,  Vriesen  unde  Hollant  Gaf  he  vier  heren. 

—  ebda.  4846  Erwine  gaf  he  Ispanien.  Sassen  unde  Turinge  Gaf 
he  zen  graten. 

b)  Es  wird  subject  und  object  bei  identischem  verbum 
weitergeführt: 

Rother  5104  Sehe  intfinc  he  sin  rosfert,  Des  was  der  helt  wolc 
teert,  Do  intfxengin  Botheres  man,  Swaz  mit  Berkere  quam. 

III.  Schliesslich  kann  es  geschehen,  dass  bei  widerholtem 

—  variiertem  —  nebensatz  der  hauptsatz  weitergeführt  wird: 

Exod.  761  Mir  ist  neizwaz  gescehen,  Daz  ich  nemach  nicht 
reden.  Hinte  ist  der  dritte  fach,  Da:  ich  reden  niene  mach.  —  Alex. 
106  Ze  den  stunden  do  »tu  sin  genas,  Do  wart  ir  ein  vil  michcl 
notfal:  Diu  erde  erbibetc  uberal,  Do  was  der  doner  vil  groz.  ...er  (die 
sonne)  hete  vil  nach  sinen  schimen  verlorn,  Do  Alexander  wart 
geborn.  —  Rüther  2326  Ein  in  st  ab  sie  nam  Unde  slouf  in  ein  swarziz 
gewete,  Alse  sie  sich  geteilot  hette,  Einin  j)almcn  sie  ober  ir  achslen 
nam,  Alse  sie  uz  deme  lande  wolde  gan.  —  Nib.  172,1  Do  si  wolden 
dem,  Den  vanen  muose  leiten  Volker  der  küene  man;  Also  si 
tcolden  riten  von  Wörme;  über  Bin,  Hagcne  von  Tronege  der  muose 
scarmeister  sin.  —  ebda.  85, 1  Von  swannen  kamen  die  recken  an  den 
Bin,  Ez  mühten  selbe  fürsten  oder  fürsten  boten  sin.  Von 
swannen  si  füeren,  si  sint  hohe  gemuot.  —  Erec  1001  Geschaeh  tu  ic 
ungemach  Von  minen  schulden,  de  ist  mir  leit.  (ich  habe  gebii&st,  laset 
mich  leben)  Und  habe  ich  iht  des  getan  Des  ich  von  rehte  ingelten  sol, 
Daz  widerdiene  ich  harte  wol.  —  Erinn.  640  Xuo  sich  encit 
umbe,  Edich  diu  jungistc  stunde  Begriffe,  diu  dir  ie  zu  furchten  was.  . . . 
Unt  sprich  mit  dem  herren  Jobe:  'Churzlichen  vervarent  miniu  jar. 
E  dich  din  jungistez  geligere  Begriff  an  dem  bette,  Chcre  din  schef  ze 
stette'.  —  W.  gast  671  Swer  volget  dem  nide  ode  dem  com,  Der  hat 
sin  zuht  gar  verlorn.  Swer  volget  dem  zorn,  spricht  unte  tuot,  Daz 
in  dar  nach  niht  dunket  guot.  —  ebda  784  Uceret  si  dan  übel  ode  guot, 


Digitized  by  Google 


446 


BEHAOHEL 


Daz  mag  ir  werten  nihtes  niht.  Hart  si  iht  übeles  ode  siht,  Daz 
mant  si  daz  si  sich  behuote. 

B.  Diesen  belegen,  wo  die  zu  einander  addierten  glieder 
die  gleiche  Stellung  innerhalb  der  im  ganzen  parallel  gebauten 
sätze  einnehmen,  steht  eine  reihe  von  solchen  gegenüber,  wo 
dies  nicht  der  fall  ist: 

I.  Die  einander  ergänzenden  glieder  erscheinen  in  dem 
einen  satz  als  subject,  in  dem  andern  als  object  oder  als 
adverbielle  bestimmung: 

Nib.  66,1  Sin  vater  hiez  im  zieren  sin  ritterlich  geicant,  Unde  ir 

vil  lichten  brüneje  die  wurden  ouch  bereit.  W.  Gen.  817  Duo  ioch 

daz  icib  Iribet  iemer  zein  anderen  niet,  Noch  unter  iureme  chunne 
Niemer  gefehede  zerinne.  —  ebda.  1469  Mit  deme  selben  bluote  Ge- 
winnen wir  widere  die  totiffe,  Die  wir  so  dickche  vlicsen,  So  wir  uns  mit 
sunden  bewellen.  Die  riuwigen  zahire  Gebent  unsis  die  touffe  widere. 
—  Nib.  229,4  Den  frouwen  an  ir  magen  tet  er  diu  grazlichen  leit.  Ouch 
muoste  da  beliben  vil  maneger  frouwen  trut. 

n.  Was  in  dem  einen  satz  object  ist,  erscheint  in  dem 
andern  als  adverbielle  bestimmung: 

Eilh.  1466  Wol  hundert  Htter  harnas  Hiz  he  in  daz  sclüf  tragin. 
Ouch  wart  der  kil  wol  beladin  Mit  golde  und  mit  gewande.  —  Nib. 
148,3  Er  hiez  gewinnen  Hagencn  undc  ander  sine  man  Und  bat  ouch 
harte  balde  ze  höre  nach  Gernote  gan. 

HI.  Andere  fälle: 

Kehr.  10058  Vil  michcl  wart  do  der  haiden  scal  Uber  berch  und 
über  tal,  Si  bunden  uf  ir  gczelt;  Ouch  huoben  di  juden  ir  gelpf.  — 
Rother  75  Sie  ist  in  midin  also  smal,  Sie  gezeme  eime  herren  wol, 
Unde  mochte  von  ir  adele  Gezeme  eime  koninge  (nach  ihrer  figur  und 
abstamniung  passt  sie  für  einen  könig).  —  ebda.  3673  Dune  salt  nicht  eine 
dare  gan.  Berker  ist  ein  wis  man  Unde  hat  dir  manigen  rat  getan;  Witt 
du,  koninc  here,  Bchalden  din  ere,  Dan  bidde  mit  dir  gan  Lup polte 
den  getruwen  man  (nimm  Berchter  nnd  Lnppolt  mit  dir).  —  Parz.  155. 17 
Wand  in  groz  hunger  niht  vermeit:  AI  rastende  er  des  morgens  reit  Von 
dem  vischare.  Sin  wunde  und  harnas  swarc  Im  müedc  und  hunger  sagete 
l  ud  diu  verre  tagereise  Von  Artuse  dem  Berteneise,  Da  man  in  allent- 
halben rasten  lic  (er  fastete  des  morgens  und  auf  der  reise). 

C.  In  einigen  fällen  mehrfacher  widerholung  stimmt  die 
construetion  zum  teil  überein,  zum  teil  weicht  sie  ab: 

Eilh.  977  I salde  weinete  sere  Und  dar  zu  manche  vrautee  here.  Der 
konin  g  vil  uf  daz  grab:  Dcse  icort  he  weincruie  sprach:  ...  Von  den  in- 
gesinden  Was  do  jamer  unde  not.  —  Nib.  200,1  Sindolt  und  Hunolt 
unde  ouch  Gernot  Die  sluogen  in  dem  stritc  manegen  hclt  tot.  Volker 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


447 


und  Hagene  unde  ouch  Ortwin  Die  lascten  imc  stritc  vil  matteres 
kämet  schin  Mit  vliezendem  bluote,  die  sturmkiiene  man.  Da  wart  von 
Dancwarle  vil  michel  wunder  getan.  —  Engelh.  462  Ouch  was  ir  leben 
tugentrich  An  der  gescfiepfede  ein  unt  ein.  Ouch  floz  ein  spräche  von 
in  rwein.  Und  was  ouch  ein  gebatrde  an  in. 

Sehr  interessant  ist  es,  die  Verteilung  dieser  beispiele  auf 
die  verschiedenen  Schriftsteller  zu  beobachten: 


Wiener  Genesis  11  beispiele 

Erec 

1  beispiele 

Exodus 

5 

i» 

Lanzelet 

1  . 

Anno 

2 

n 

Parzival 

4  R 

Boland 

5 

n 

Tristan 

2  n 

Kaiserchronik 

7 

n 

Engelhart 

1  „ 

Alexander 

6 

■ 

Heinrich  von  Freiberg  6  „ 

Rother 

15 

n 

Erinnerung 

3  H 

Nibelungen 

12 

r> 

Welscher  gast 

7  „ 

Eilhart 

6 

n 

Ms.  F. 

2  „ 

Herbort 

7 

n 

Walther 

1  n 

Seit  beginn  der  klassischen  zeit  also  ist,  wenn  wir  vom 
Nibelungenlied,  von  Herbort  und  vom  Welschen  gast  absehen, 
diese  ausdrucksform  stark  zurückgetreten;  nur  bei  Heinrich 
von  Freiberg  taucht  sie  wider  auf. 

Und  bei  Gottfried  liegt  sie  sonst  in  rhetorisch  stilisierter 
form  vor,  in  der  gestalt  der  anaphora,  vgl.  Preuss,  Strassburger 
Studien  1, 28.  Auch  in  stellen  wie  Herb.  1594  (s.  oben  s.  445) 
dürfte  die  widerholung  als  bewusstes  kunsmittel  empfunden  sein. 

Zweiter  abschnitt. 

Variation. 

Hier  wird  zunächst  ein  unterschied  geschaffen  durch  die 
art  des  räumlichen  abstands  zwischen  den  einander  variieren- 
den aussagen:  ich  unterscheide  anschliessende  widerholung 
und  wideraufnahme. 

Wichtig  ist  es  sodann  in  allen  fällen,  die  gleichwertigen 
aussagen  nach  form  und  inhalt  mit  einander  zu  vergleichen. 

Erstes  capitel. 
Anschliessende  widerholung. 

Darunter  verstehe  ich  die  widerholung,  bei  der  die  einander 
variierenden  aussagen  unmittelbar  aufeinander  folgen. 

A.  In  weitaus  den  meisten  fällen  geschieht  die  widerholung 


Digitized  by  Google 


448 


BBBAQBSL 


in  der  gleichen  vortragsform,  d.  h.  es  wird  jedesmal  unmittelbar 
erzählt,  oder  jedesmal  die  Wahrnehmung  eines  andern  mit- 
geteilt, oder  es  werden  jedesmal  die  worte  eines  andern  be- 
richtet, entweder  nur  in  directer,  oder  nur  in  indirecter  rede, 
oder  die  widerholungen  sind  teile  einer  betrachtung  u.s.w. 

Der  anschluss  kann  ohne  hilfe  von  conjunctionen  geschehen, 
oder  mit  hilfe  von  solchen  vollzogen  werden.  Der  zweite  fall 
ist  für  uns  viel  befremdlicher,  weil  die  zur  anweudung  kom- 
menden conjunctionen  in  den  meisten  fällen,  wo  sie  sonst  auf- 
treten, die  aufgäbe  haben,  neues,  ergänztingen,  gegensütze  an- 
zureihen. 

L  Anschluss  ohne  conjunctionen: 

die  widerholung  ist  keineswegs  stets  eine  völlig  genaue; 
wir  können  vielmehr  drei  fälle  unterscheiden: 

die  einander  variierenden  aussagen  decken  sich; 

das  zweite  mal  wird  weniger  gesagt  als  das  erste  mal; 

das  zweite  mal  wird  mehr  gesagt  als  das  erste  mal. 

a)  Die  aussagen  decken  sich: 

1)  Die  aussagen  sind  positiv  gehalten: 

«)  Ein  einzelner  satz  steht  einem  einzelnen  satz  gegenüber: 

aa)  Die  aussagen  geschehen  in  derselben  satzform: 

x)  Die  widerholung  geschieht  unter  anweudung  des  gleichen 
Wortlauts: 

Ring  5c,  24  Hehn  ab,  heim  ab!  icas  ir  gemneh.  —  ebda.  7c,  21  S< 
ruoften  lant:  wie  guot,  nie  guot.  —  ebda.  7d,  40  Chuoucz  der  schre: 
druez,  morder,  druez. 

3)  Es  erscheinen  die  gleichen  Wörter,  aber  in  veränderter 
reihenfolge: 

Mb.  F.  81,13  Ist  ez  ir  leit,  doch  dien  ich  ir  iemer  merc.  lauer  mere 
teil  ich  ir  dienen  mit  st<rte,  Und  weiz  doch  wol  daz  ich  sin  niemer  Ion  ge- 
winne. —  ebda.  81,20  Xu  lieze  ich  ez  gerne,  mühte  ich  ez  Inn:  Ez  tceüntt 
durch  daz  niht  ron  ir  mine  sinne,  Mine  sinne  weint  durch  daz  niht  von  ir 
scheiden. 

In  beiden  fällen  steht  der  erste  satz  am  schluss  einer 
strophe,  die  widerholung  am  beginn  der  nächsten;  es  handelt 
sich  also  ganz  deutlich  um  eine  mit  bewusstsein  angewante 
rhetorische  figur. 

a)  Die  aussagen  sind  wenigstens  so  weit  übereinstimmend 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEK  MTID.  DICHTUNG. 


449 


gebaut,  dass  die  formalen  subjecte  zugleich  sachlich  einander 
entsprechen: 

W.  Gen.  606  Von  diu  sol  ieglich  man  Sinen  rater  ioch  sine  muoter 
lazzen,  Er  sol  siu  begehen.  —  W.  Gen.  2132  In  der  muoter  icambe  Waren 
si  sa  mit  champhe.  Ein  ander  sie  drungen.  —  Exod.  501  Sin  antluzze  er 
nider  cherte,  Er  verbarch  siniu  ougen.  —  ebda.  1275  Daz  tcazzer  ich  da- 
mite  ruore,  Ze  bluote  iz  sich  bechere,  Ze  bluote  muoz  iz  werden.  —  Rol 
5779  Zesamene  sie  giengen,  Ein  ander  si  umbe  viengen,  Si  peswiefen  zuo 
thcn  brüsten  Ein  ander  sie  kusten.  —  ebda.  6445  Er  tcas  nah  zuo  there 
erthe  komen,  Vile  kume  er  sih  gehabete.  —  Kehr.  10435  Hie  wirl  du  sedel- 
Haft!  Bowe  dise  hovestat.  —  ebda.  10815  Von  gote  er  sich  cherte,  Der 
toufe  er  widersagete.  —  Rother  6  Ime  dient  in  andere  heren:  Zwene  und 
sibinzich  kuninge.  Biderve  und  vormige,  Die  waren  ime  al  undertan.  — 
ebda.  2423  Den  kerkenere  man  uf  brach,  Dar  in  schein  do  der  tac,  Schire 
quam  in  daz  Hecht.  —  Nib.  76,4  Wir  icellen  sciere  hinnen;  des  ich  guoten 
willen  hau.  —  ebda.  2013, 1  l'nt  truogen  für  die  titr  Siben  tusent  toten 
würfen  si  derfftr.  —  Laur.  1281  Si  stiez  ez  ime  an  die  hant,  Des  fröute 
sich  der  wigant  ;  Sin  herze  wart  fröuden  vol,  (Er  sach  diu  twerc  alliu  wol). 

—  Parz.  118,9  So  weitider  unde  roufte  sich,  An  sin  har  kert  er  gerich. 

—  Tr.  3518  Sin  muot  begunde  im  uf  gan,  Sin  herze  daz  wart  muotes  vol. 

—  ebda.  3215  Und  hümeten  vil  schotte  Mit  ime  in  sinem  done.  Er  fuor 
in  vor  ze  prise,  Si  nach  in  siner  wise.  —  H.  v.  F.  21  Und  ?tat  so  richer 
rede  cleit  Disem  sinne  an  gcleit.  Dise  materien  er  hat  Gesprettzct  in  so 
lichte  icat.  —  Ring  4, 1  Sey  ruoften  laut,  Sey  schreiten  fast.  —  ebda. 
9c,  28  Ich  wil  nach  dir  verderben,  Miiczli  mein,  nach  dir  So  teil  ich 
sterben.  —  Ms.  F.  37, 13  Ich  erkos  mir  selbe  man,  Den  weiten  miniu  ougen. 

i)  Die  aussagen  gehen  in  ihrem  bau  stärker  auseinander: 

W.  Gen.  1891  Nu  wil  ich  dines  libes  samen  Den  sternen  ebenmazen, 
Sam  michel  werde  din  chunne.  —  ebda.  2090  Riehe  oder  arme,  Die  cho- 
ment  alle  zu  sinem  barme.  In  sin  scoz  er  si  setzet.  —  Exod.  1438  Ir  lebete 
lutzel  über  naht,  Si  stürben  al  gemeine.  —  Kehr.  10556  Sande  Veter  im 
do  rescain;  Vil  o/fenliche  er  in  such.  —  Rother  1297  Den  waren  die  porten 
uf  getan,  Sie  liezen  sie  uz  unde  in  gan.  —  Nib.  70,  4  Von  sculden  si  do 
klageten  ;  des  gie  in  wvrliche  not.  —  ebda.  2092,3  Waz  wizet  ir  mir  recken? 
waz  han  ich  iu  getan?  —  Laur.  960  Ich  teile  mit  iu  disen  plan,  Ir  herren 
und  gesellen  min.  Er  sol  unser  aller  sin.  —  Lanz.  134  Da  von  waren  im 
entriten  Die  ritter  alle  gemeine.  Er  beleih  vil  nach  aleine.  —  ebda.  3748 
Hie  mite  si  der  rede  genuoc,  Wir  suln  diz  mare  legen  nider.  —  Parz. 
119,6  Etsliches  sterben  wart  vermiten,  Der  bleib  da  lebendic  ein  teil.  — 
Tr.  3023  AU  hat  diu  jägerie  Den  selben  namen  curie  Von  cuire  funden 
und  genomen,  Von  cuire  so  ist  curie  komen.  —  Ms.  F.  94,  35  Owe,  sprach 
ein  wip,  Wie  vil  mir  doch  von  liebe  leides  ist  beschert!  Waz  mir  diu  liebe 
leides  tuot! 

In  einigen  fällen  bilden  die  einander  variierenden  aussagen 


Digitized  by  Google 


450 


BEHAGHKL 


glieder  einer  hypotaktischen  periode,  sind  hauptsätze,  zu  denen 
ein  nebensatz  die  gemeinsame  ergänzung  bildet,  oder  neben- 
sätze,  die  zum  selben  hauptsatz  als  bestimmung  hinzutreten; 
oder  es  ist  beides  zugleich  der  fall: 

Laarin  1287  Et  wäre  wip  oder  man,  Ez  müeste  in  an  daz  leben  gan, 
Ich  lieze  ir  kein  genesen  niet.  —  H.  v.  F.  1261  Und  swaz  in  von  mir  tcirt 

geseit,  Daz  ist  die  ganze  tearheit,  Des  han  ich  wäre  briere  alhie.  

W.  Gen.  1167  Er  phlanzote  sinen  garten  Mit  mislichen  chruten,  Dar  sich 
mit  nerte,  Dem  hunger  sich  mit  werte.  —  Tr.  4233  (Und  seile  dem  ge- 
sinde),  Wie  er  ze  marc  werden  liez,  Den  lantliuten  sagen  hiejs,  (Ez  wäre 
in  sincr  muoter  tot).  —  Engelh.  947  (Und  alzehant  do  daz  geschach,  Daz 
si  mit  ougen  si  besach),  So  liez  si  tougenlichen  Nach  der  gesihte  slichen 
Ir  sinne  unmazen  lise,  Ir  herze  das  vil  wise  Wolte  nach  den  ougen  Spehen 
also  tougen,  (Ob  iender  an  in  wäre  Kein  sacht  wandelbare). 

bb)  Die  aussagen  geschehen  in  verschiedener  satzform: 

k)  Es  sind  hauptsätze  verschiedener  art,  der  eine  ein  be- 
hauptungssatz,  der  andere  ein  fragesatz  oder  aufforderungssatz : 

Exod.  1275  Daz  wazzer  ich  damite  ruore,  Ze  bluote  iz  sich  bechere, 
Ze  bluote  muoz  iz  werden.  —  Roth.  379  We  trorich  sie  weifen!  Vil  trurich 
iz  uz  ir  herzen  gienc.  —  Iwein  618  Die  stimme  gap  in  wider  Mit  geliehen* 
galme  der  walt.  Wie  da  sanc  sänge  galt!  —  Parz.  168,7  Avoy  teie 
stuonden  siniu  heinl  Echt  geschickede  ab  in  schein.  —  Diokl.  79  Ach  ycJt 
vil  armer  eilender  man,  Was  trostes  ich  hat  verlorn  han;  Alle  myn  fröudc 
ist  gar  dahin. 

a)  Die  eine  aussage  geschieht  in  der  form  des  nebensatzes, 
die  andere  in  der  des  hauptsatzes,  eine  ausdrucksweise,  die 
mit  der  neigung  zusammenhängt,  aus  dem  nebensatz  in  den 
hauptsatz  überzugehen  (vgl.  IF.  14,438): 

Kehr.  10124  Der  tievel  gewan  nie  den  gewalt:  Swa  er  ie  mit  gote 
iaht,  Iz  enname  ie  bose  ende;  Er  wart  ie  der  gescente.  —  Roth.  596  Am 
VOM  golt  unde  schätz,  Des  ein  michil  mankraft  In  diner  kameren  Is  gc~ 
legit  zo  samene;  Des  bistu,  kuninc,  riche.  —  Nib.  2039,2  Do  sluoc  uf  in 
In nc,  daz  al  daz  hus  erdoz.  Palas  unde  turne  erhuüen  nach  ir  siegen.  — 
Herb.  1406  Die  quam  im  zu  sulclien  staten,  Wen  sie  da  engegen  was,  Daz 
er  des  Stiches  genas;  Die  plate  bestunt  den  »per  for.  —  Iwein  858  Ich  weiz 
wol  daz  er  rieftet  An  mir  min  ungewizzenheit ;  Im  ist  min  ungevuoge  leiL 
—  Lanz.  537  Daz  ich  schiet  von  eime  lande,  Da  nieman  man  bekande; 
Da  ensint  niht  wan  vrouwen.  —  Tr.  3586  (Do  begunde  er  suoze  deenen), 
Daz  maneger  da  stuont  unde  saz,  Der  sin  selbes  namen  vergaz;  Da  be- 
gumlen  herze  und  oren  Tumben  unde  toren  Und  uz  ir  rehte  wanken.  — 
ebda.  4053  Ist  daz  der  hövesche  koufman,  Von  dem  um  sin  sun  Tristan 
So  manege  lugende  hat  geseit?  Wir  haben  von  siner  frumekeit  Mar  unde 
mare  vil  vernomen.   —   Flore  444  Den  künic  duhte  der  gewin   An  der 


zed  by  Googl 


ZUR  TECFINIK  DER  MHD.  DICHTUNO. 


451 


frowen  daz  beste,  Swie  si  doch  muotveste  An  riuwende  wäre  Von  herzec- 
liclier  sware;  Ir  gelimpf  und  fr  spil  Hiez  si  truren  unde  weinen.  —  ebda. 
1492  Nu  sehent,  welch  valsch  da  schine,  Des  er  si  ane  schxdde  zech;  Er 
was  ir  ane  not  gcvech.  —  Waith.  4, 13  (Ein  bosch  der  bran),  Da  nie  niht 
an  Besenget  noch  verbrennet  wart;  Breit  unde  ganz  Beleip  sin  glänz  Vor 
fiurcs  flammen  unverschart. 

ß)  Dem  einzelnen  satz  steht  eine  satzgruppe  gegenüber: 
diese  besteht: 

aa)  aus  hauptsatz  und  einem  nebensatz. 

k)  Der  einfache  satz  geht  der  gruppe  voran: 

W.  Gen.  3G69  AI  sin  gebare  was  tugentlich;  In  elliu  diu  und  er 
tele,  So  hete  er  guote  site.  —  Nib.  144,1  Ir  habet  ir  zorn  verdienet;  ia 
horten  wir  wol  daz,  Daz  iu  die  herren  beide  tragent  grozen  haz.  —  Tr.  3282 
Wie  hete  ein  koufman  iemer  In  siner  unmüezekeit  So  groze  muoze  an  in 
geleit?  SoW  er  die  muoze  mit  im  han,  Der  sich  unmuoze  sol  began?  — 
ebda.  3704  Da  wolten  genuoge  Vil  gerne  sin  gewesen  als  er.  Im  sprach  vil 
maneges  herzen  ger  Suoz'  unde  minneclichen  zuo:  A  Tristan,  wasre  ich  alse 
duo.  —  Engelb.  290  Ich  warne,  an  mir  verderben  muoz  Ritters  name  und 
ouch  sin  amt.  Ich  ßrhte,  ich  muoz  ir  beider  samt  Ledic  unde  fri  gestan. 
—  ebda.  828  Der  uz  erweite  künic  rieh  Muoste  mit  den  kleiden  Si  zwene 
underscheiden.  Er  gap  in  tingelich  gewant,  Da  durch  der  eine  würde  er- 
kant  Vor  dem  andern  deste  baz.  —  W.  gast  869  Wip  schoene  an  sin  und 
an  lere,  Diu  hat  ir  Up  mit  kleiner  ere.  Diu  schwn  vil  lihte  den  eren  scheit, 
Wirt  si  niht  mit  dem  sinne  beleit. 

a)  Der  einfache  satz  folgt  nach: 

Nib.  110,3  Ich  wil  an  iu  ertwingen,  swaz  ir  muget  han,  Lant  unde 
bürge,  daz  sol  mir  werden  undertan.  —  Lanz.  511  Da  von  vrage  ich  ane 
nit,  Daz  ir  mir  saget,  wer  ir  sit;  Iuwcm  namen  sult  ir  mir  zellen.  — 
Waith.  51,7  Eines  friutules  minne  Diust  niht  guot,  da  ensi  ein  ander  bi; 
Minne  entouc  niht  eine.  —  Ms.  F.  71,21  (Des  war  si  sol  gedenken  wol,) 
daz  ez  ir  niht  enzeeme,  Ob  si  min  leben  name;  Sie  muoz  es  iemer  Sünde  han 
(widernm  loslösung,  8.  vorige  seite). 

bb)  Aus  hauptsatz  und  mehreren  nebensätzen: 

Engeln.  1146  Si  wolte  ungerne  meinen  Si  beide  sament  geliehe.  Diu 
süeze  tugentriche  So  rehte  kiusche  was  benamen,  Daz  sich  ir  herze  begunde 
schämen,  Daz  ez  solte  brinnen  Xach  zweier  manne  minnen. 

y)  Es  stehen  sich  satzgruppen  gegenüber: 

aa)  hypotaktische  perioden  aus  hauptsatz  und  nebensatz: 

x)  von  übereinstimmendem  bau: 

W.  Gen.  1052  Adam  sin  wib  erchande,  So  noch  sitc  ist  in  demo  lande. 
Er  hete  mit  ir  minne,  So  man  noh  spulget  hinnen  unt  ennen.  —  Exod.  747 
(Ist)  daz  sine  meinent,  Daz  ich  dir  han  erzeiget,  Xoh  si  niene  geloubent, 


Digitized  by  Google 


452 


BEIIAGHEL 


Daz  ich  dir  hau  erouget.  —  II.  v.  F.  139  Swer  mer  liep  hat  dan  einez, 
Der  enhat  nindert  keincz;  Stcer  mit  zwetn  lieben  liebe  pflicht  Hat,  der  en- 
treit herzetüiebe  nicht. 

a)  Von  nicht  übereinstimmendem  bau: 

W.  Gen.  483  Den  der  stauch  chumet,  Neheines  mazzes  in  gezimet;  Kr 
ist  der  tcunne  so  sat,  Daz  er  czzen  nemach.  —  Rother  854  Ich  nckan  ach 
nicht  mer  gesagen,  Mrar  mite  de  kiele  sin  geladen,  Wene  mit  isirinen  Stangen, 
Grozcn  unde  langen.  Lach  och  anderis  iecht  dar  ane,  Des  nekan  ich  u 
niet  gesagen.  —  Nib.  20, 1  Nu  icas  er  in  der  Sterke,  daz  er  teol  trafen 
truoc,  Stces  er  darzuo  bedorfte,  des  lag  an  im  genuoc.  —  Ring  3d,  8  Nu 
we  min  und  umbname,  Daz  wir  ie  zesamen  chamen.  Daz  wir  ie  gestochen 
haben,  Dess  müss  wir  schand  und  laster  tragen.  —  Diokl.  235  Wtltu  gern 
mt/n  hulde  han,  So  bis  dinen  meistern  uiulertonn.  Dyoclecianus,  ob  du  das 
tust,  Min  liebes  kint  du  wesen  must.  —  VV.  gast  271  Kiemen  wirt  ze  eim 
ruometre,  II  an  der  vrouwcn  ist  unmetre.  Swcr  den  vrouwcn  ist  enieiht, 
Der  enist  ane  ritemen  niht. 

Eine  besondere  art  des  ungleichen  baus  ist  der  chiasti- 
sche  bau: 

Rol.  5037  Thie  fieithenen  waren  tho  gelegen,  Thie  thes  heres  scolten 
phlegen.  Thie  thie  aller  vorthcroslen  waren,  Mit  pluote  sie  bethekket  lagern. 

bb)  Hypotaktische  perioden,  von  denen  die  eine  aus  haupt- 
satz  und  nebensatz,  die  andere  aus  hauptsatz  und  zwei  neben- 
sätzen  besteht: 

W.  fien.  1115  So  gibet  er  uns  puozze  Mit  der  suntone  antlazze,  Der 
wir  im  beiahen,  Niht  der  wir  uberhuoben.  Die  müzzen  wir  dane  tragen, 
Daz  wirre  antlaz  niene  haben.  —  Engeln.  140  Hct  ich  nn  so  getane  kunst 
Da:  ich  nach  miner  girde  Erhorhen  möhte  ir  wirde,  Des  wolte  ich  gerne 
vlizic  sin.  Künd  ich  ir  lobes  tri&ben  schin  Ze  lichte  wider  bringen,  Dar 
nach  so  wolte  ich  ringen  Als  ein  triuwe  gernder  man. 

cc)  Hypotaktische  perioden,  in  denen  auf  beiden  Seiten 
mehr  als  ein  nebensatz  steht;  sie  sind  nicht  übereinstimmend 
gebaut: 

Engeln.  1027  Sä  daz  die  knaben  tugentrich  Einander  waren  so  gelich, 
Daz  kein  unterscheiden  Wart  fanden  an  in  beiden,  So  was  ouch  vil  geba*re 
Daz  kumberliche  swwre  Diu  schatte  durch  die  beide  Ute.  Wie  soltc  ir  Ivcrze 
tugendhaft  An  den  werden  kinden  L'nderschcide  vinden,  Sit  daz  ir  ougen 
beide  An  in  kein  underscheide  Futulen  noch  ersahen? 

dd)  Parataktische  gruppen  werden  einander  gegenüber- 
gestellt: 

x)  von  übereinstimmendem  bau: 

H.  v.  F.  321  Durch  vrenule  er  jene  Isoten  doch,  Zu  diser  er  durch 
State  zoch;  Durch  vremde  er  jene  Isoten  meit,  Durch  State  er  diser  was 
bereit  Mit  dienstlichen  dingen. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNO. 


453 


a)  Von  nicht  übereinstimmendem  bau: 

Anno  23  Duo  deilti  got  siniu  werch  al  in  zuei:  Disiu  werlt  ist  daz  eine 
deil,  Daz  ander  ist  geistin;  Dannini  lisit  man,  daz  zua  tcerilte  sin:  Dia 
eine  da  wir  inne  birin,  Diu  ander  ist  geistin  (so  auch  Kraus  gegen  Roe- 
diger,  Zs.  f.  d.  öst  gymn.  1896,  s.  236). 

Nib.  113,2 

Ez  enmüege  von  dinen  eilen  din  lant  den  fride  hau,  \ 
Ich  teil  es  alles  wählen:  und  ouch  diu  erbe  min,  \ 
Erwirbest  duz  mit  sterke,  diu  sulen  dir  underta>nic  sin.  I 
Din  erbe  unde  ouch  daz  mine  sulen  geliche  ligen.  \ 
Siceder  unser  einer  am  andern  mac  gesigen,  ' 
Dem  sol  ez  allez  dienen,  die  Hute  und  ouch  diu  lant.  I 

ee)  Hypotaktische  und  parataktische  gruppe  stehen  einander 

gegenüber: 

\V.  Gen.  3357   Da  bevie  die  sconen  Bachel 
Ein  vile  michil  ser. 
Si  teas  suanger, 
Si  truoch  sun  den  ander.  > 
Ire  wart  vil  we,  \ 
Do  si  siu  ze  chemenaten  gie.  ) 

Ein  fall  chiastischer  anordnung: 

Iwein570  In  rüeret  regen  noch  sunne,  Noch  entrüebent  in  die  witule: 
Des  schirmet  im  ein  linde,  Diu  ist  sin  schatte  und  sin  dach.  Si  ist  breit 
hoch  utul  also  die  Daz  regen  noch  der  sunnen  blic  Niemer  dar  durch  kumt. 

2)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ  gehalten: 
c)  Die  positive  geht  voran: 

aa)  Ein  einzelner  satz  steht  einem  einzelnen  satz  gegenüber: 

x)  Die  aussagen  stimmen  soweit  überein,  dass  die  formalen 
subjecte  auch  sachlich  einander  entsprechen: 

W.  Gen.  1873  (Do  aue  got  sach  sinen  tcillen,)  Do  hiez  er  in  stillen, 
Er  hiez  in  daz  chint  nieht  ruoren.  —  ebda.  3475  Da  geswigete  er,  Ne 
redite  iz  nieht  mere.  —  Exod.  561  Mit  dir  teil  ich  tconen,  Von  dir  newil 
ich  chomen.  —  ebda.  987  Sus  getan  gecJtose  Daz  dunchet  mich  so  bose,  Iz 
in  ist  niuwehtes  teert.  —  Diokl.  896  Er  muosz  erhemket  werden;  Er  sol 
uff  diser  erden  Dekein  wile  beliben.  —  W.  gast  147  Muoze  ist  jungen  liutn 
untugent,  Trakeit  ist  niht  tvol  bi  jugent. 

3)  Die  subjecte  entsprechen  sich  sachlich  nicht: 

Parz.  117,1  Der  valsch  so  gar  an  ir  verswant,  (Htge  noch  ore  in 
nie  da  rant.  —  ebda.  173,1  Man  untl  uip  diu  sint  al  ein;  Als  diu  sunn 
diu  hiute  schein,  Und  ouch  der  name  der  heizet  tac.  Der  enteederz  sich  ge- 
scheiden  mac.  —  Tr.  3365  Du  solt  mich  einer  bete  geicern,  Der  teil  ich  VON 
dir  niht  enbern. 


Digitized  by  Google 


454 


BEHAGHEti 


In  manchen  fällen  treten  die  einander  variierenden  aus- 
sagen gemeinsam  als  bestimmung  zu  einem  hauptsatz: 

Alex.  423  Der  chunich  uf  fon  der  tavelen  spranch,  Wände  in  sin  sorn 
twanc;  Wan  im  der  strit  niwehtwol  geviel.  —  Waith.  58,21  (Die  swifelare 
sprechent,)  tz  si  alles  tot,  Ezn  lebe  nu  nieman  (der  iht  singe). 

Oder  als  übergeordnete  Sätze  zu  einem  nebensatz: 

Kehr.  10074  Gebot  allen  den  ewarten,  Das  si  sich  sciere  garten,  Di 
ze  dem  sende  chomen  waren,  Daz  ir  nehain  daz  verbare,  Er  nesunge  ran 
der  gotes  urstende  aine  misse. 

Hier  ist  der  satz:  er  nesunge  aine  misse  ergänzung  eben- 
sowol  zu  daz  ir  nehain  daz  verbwre  als  zu  daz  sie  sich  sciere 
garten]  die  beziehung  zu  dem  letztern  satz  ist  allerdings  eine 
zeugmatische. 

bb)  Ein  einzelner  satz  steht  einer  satzgruppe  gegenüber: 
k)  Der  einzelne  satz  steht  an  erster  stelle: 

W.  Gen.  503  Der  valer  hiez  tu  iz  sagen,  Sprach,  er  nescolte  iz  niht 
verdagen.  —  Erinn.  945  Da  sint  die  gedanch  alle  vri;  Dane  tcäiz  niemen 
mcoz  angest  si. 

a)  Der  einzelne  satz  steht  an  zweiter  stelle: 

Erinn.  805  Ir  ist  lutzel,  die  der  triwen  pflegen;  Wanket  unt  unsterte 
ist  ir  leben.  —  W.  gast  722  Man  sol  die  maze  wol  ersehen  In  allen  dingen, 
daz  ist  guot;  An  maze  ist  niht  wol  behuot. 

cc)  Satzgruppe  und  satzgruppe  stehen  einander  gegenüber: 

W.  Gen.  61   Daz  er  vil  sciere  si  verstozzen 
Mit  allen  sinen  gnozzen 
Vone  himile  in  die  helle 
Mit  allen,  die  ime  geJiengen 
Unde  dieder  ioch  zuo  geswigen. 
Sich,  daz  ir  deheiner  hie  belibe.  } 

ebda.  555  Bevalech  got  deme  manne,  j 
Daz  eitie  ze  behaltenne, 
Daz  er  sin  ouge  j 
Cherte  von  eneme  poume,  \ 
Noch  des  inbizze,  i 
Des  da  ufe  wuhse.  I 
Verbot  ime  vasto,  | 
Daz  er  sich  dar  nicht  anehaße,  \ 
Noch  in  es  niemer  so  harte  gezame,  j 
Daz  si  in  sinen  munt  icht  chome.  ) 

Exod.  1253   Swie  er  duz  zeichen  sähe,  \ 
Diu  rede  duhte  in  smahe.  / 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DKR  MIID.  DICHTUNO 


455 


Swaz  er  sähe  mit  den  ougen, 
Er  newolt  iedoch  gelouben, 
Daz  si  warhaft  waren 
Oder  vone  gote  vuoren. 

Rol.  5441    Kr  sprah:  scol  JRolant  gesigen,  \ 
So  wil  A  sehe  tha  beiigen.  \ 
Behavent  tfiie  kristenen  thie  ere, 
So>i«  ruoke  ih  mere 
Niuweht  ze  levene 
Noh  kröne  ze  tragent. 

ß)  Die  negative  aussage  gebt  voran: 
aa)  Ein  einzelner  satz  steht  einem  einzelnen  satz  gegenüber: 
k)  Die  aussagen  geschehen  in  derselben  satzform: 
Die  formalen  subjecte  entsprechen  sich  auch  sachlich: 

Exod.  803  Nieht  des  in  ne  verdagesi,  Dise  rede  ime  sagest.  —  ebda. 
731  (Du  stoze  dine  hant  Sciere  in  daz  din  gewant.)  Ich  weiz  er  iz  neliez, 
In  den  buosem  er  sie  stiez.  —  ebda.  881  Got  in  nieht  hin  nam  Durch 
8us  getanen  natnen,  Er  leib  deine  jungen  Durch  di  be&nidunge.  —  Alex.  33 
Uni  ich  ne  wil  mih  niwit  langer  sparn,  Des  liedis  wil  ich  volvarn.  — 
Rol.  5606  Thie  heithenen  ne  mähten  tha  niht  mere  Jurten.  Lihte  waren  sie 
verjaget.  —  Mb.  2039, 4  Done  konde  niht  verenden  des  sinen  willen  der 
degen.  Irinc  lie  Hagenen  unverwundtt  stan.  —  Lanz.  1311  Nu  enwolten 
sine  gesellen  Mit  im  niht  lenger  twellen,  Si  wolten  heim  ze  lande.  —  Iwein 
726  lehn  han  wider  iuwem  hulden  Mit  minem  teizzen  niht  getan;  Ane 
schulde  ich  grozen  schaden  han.  —  ebda.  882  Und  enlac  ouch  niht  langer 
da;  Er  gienc  hin  uz  zuo  in  zehant.  —  Tr.  3604  Dane  wart  ouch  ougen 
niht  gespart,  Da  kaphete  vil  maneger  dar.  —  Diokl.  229  Die  wisen  meister 
alle  syben  Nit  lenger  by  dem  keiser  bliben;  Ir  ieglicher  urloubes  do  begert. 
—  Ms.  F.  90, 11  (So  weiz  ich  niht  vil  groze  schulde  die  ich  habe,)  Niuwan 
eine,  der  enkume  ich  niemer  abe;  Aüe  Sünde  lieze  ich  wol  wan  die:  (Ich 
minne  ein  wip). 

Die  subjecte  entsprechen  sich  sachlich  nicht: 

W.  üen.  1078  Litze  si  der  zähere  nicht  beturen,  Unz  iz  ime  maht  er- 
barmen; Hete  imt  weinent  an  gelegen,  Unz  er  ire  sculde  hate  vergeben.  — 
ebda.  1223  Daz  oppher  was  ungename,  Got  newolt  iz  inpfahen.  —  ebda. 
1572  Nieht  mere  sine  worhten,  Des  gezimberes  was  ente.  —  Rol.  5317  Iwer 
nehtin  ne  kumet  niemer  hinnen;  Iwer  armiu  sele  muoz  iemer  tha  ze  helle 
prinnen.  —  ebda.  5891  (Thar  nah  sluoh  er  siven  htrren,)  Thine  mähten  unser 
neheineme  werren.  Wir  biren  vore  in  gewis.  —  ebda.  6038  Wime  komen 
niemer  hinnen;  Iz  ist  unser  jung  ister  tah.  —  Lanz.  342  Ich  enweiz  niender 
sinen  gnoz;  Er  treit  in  allen  vor  daz  zil.  —  Erec  164  Zuo  in  was  im  niht 
ze  gach;  Er  reit  in  also  verre  nach.  —  Farz.  158,28  Diun  rüerent  mir  kein 
herzen  ort;  Ja  muoz  enmitten  drinne  sin  Der  frouwen  ungedienter  pin.  — 
Diokl.  130  (Der  liebe  knabe  By  uch  belibe  in  der  neht . . .)  Der  keiser  sprach 


45G 


BEHAGHEIj 


das  tun  ich  nicht,  Er  muosz  ein  teil  von  mynem  gesteht.  —  Ring  4,  6,  5 
Des  wart  nit  langer  do  gebitten,  Vü  drat  si  auch  zesamen  ritten.  -  W.  gast 
727  (Der  man  der  sol  sinne  han,  Wan  daz  vihe  ist  sinnes  an.)  Anders  ist 
niht  zwischen  in  Niuwan  tugetit  unde  sin;  Der  sin  bescheidet  einen  man 
Von  dem  vihe  daz  niht  kan. 

Die  beiden  aussagen  sind  nachsalze  eines  und  desselben 
nebensatzes: 

W.  gast  511  (Der  wirt  sol  ouch  der  spise  enpern,)  Der  sin  geste  niht 
engern,  Diu  in  ist  ungemeine. 

a)  Die  aussagen  geschehen  in  ungleicher  satzform:  es  wird 
der  nebensatz  durch  einen  hauptsatz  variiert  (s.  oben  s.  450): 

Rother  4562  (Der  leide  overmut,  Dar  von  der  tuevel  gewan,)  Daz  HM 
nimer  zeran  Ochis  noch  acfiis  NocJi  allis  ungemachis;  Des  hat  he  immer 
genuch.  —  Parz.  146,14  (So  sage  mir  durch  den  dienest  min  Artuse  und 
den  sinen,)  Ine  side  niht  flühtic  schinen;  Ich  wil  hie  gerne  beiten.  —  Ms.  F. 
84,26  (Sol  ich  von  der  gescheiden  sin,)  Des  ica>n  min  leben  niht  lange  sie. 
Ich  verdirbe  in  kurzen  tagen. 

bb)  Der  einzelne  satz  steht  einer  satzgruppe  gegenüber: 
k)  Der  einzelne  satz  geht  voraus: 
Die  gruppe  ist  eine  hypotaktische: 

W.  Gen.  3523  Den  troum  ne  wolte  er  verswigen,  (Wand  er  ne  chund 
iz  vermiden,)  Er  muose  zelten,  Daz  ime  got  ruohte  offenen. 

Waith.  27, 17 

(Durchsüezet  und  geblüemet  sint  die  reinen  frouwen:) 

Ez  wart  nie  niht  so  wünneclicJies  an  ze  schouwen  I 

In  lüften  noch  uf  erden  noch  in  allen  grüenen  ouwen.  f 

Liljen  unde  rosen  bluomen,  swa  die  liuhten 

In  meien  touwen  durh  daz  gras,  und  kleiner  vogele  sanc, 

Daz  ist  gein  solher  wünnebertulen  fröidc  kranc, 

Swa  man  siht  scluene  frouwen. 

a)  Der  einzelne  satz  folgt  der  —  hypotaktischen  — 
gruppe  nach: 

Nih.  147, 3  Hau  ich  getriuwer  iemen,  die  sol  ich  niht  verdagen ;  Disiu 
starken  mo2re  sol  icJi  minen  fri wenden  klagen.  —  Eilh.  366  Bi  ime  lach 
nichein  lant,  Ez  en  hete  betwungen  der  degin,  Wen  Kurnevales  eine;  Die 
ander  lant  gemeine  Hate  her  betwungen.  —  Parz.  130, 14  Ich  wern  mich 
iemen  küssens  wene  An  einen  sus  wol  gelobten  munt;  Daz  ist  mir  selten 
worden  kunt.  —  W.  gast  675  Da  von  sol  man  sich  wol  betearn,  Daz  man 
sinn  zorn  niht  laz  volvarn.  Man  sol  in  mit  des  sinnes  baut  Binden  zuo 
der  zühte  want. 

cc)  Satzgruppe  und  satzgruppe  stehen  einander  gegenüber: 
k)  hypotaktische  und  hypotaktische: 


zed  by  Google 


Zm  TECHNIK  DEK  MHD.  DICHTUNG. 


457 


tValth.  22,28  Er  tore,  er  dunkel  mich  niht  wise  Und  ouch  der  sin  ere 
pnse:  Ich  wati  si  beide  toren  sint. 

a)  Hypotaktische  und  parataktische: 

Exod.  1279  Daz  wazzer  iuch  anestinche,  Swaz  ir  tcclt  trinchen.  Ze  dem 
mose  jouch  zedem  brunnen  Da  nemugel  ir  gewinnen  Niht  daz  ir  getrinchet. 
So  harte  iz  iuch  anc  stmchet. 

Nib.  227, 1 

Ze  ernste  und  ze  strite  reit  niemen  also  wol,  \ 
So  der  gast  ril  cdele  u;er  Xiderlant;  j 
Da  xeorhte  michcl  wunder  des  küenen  Sicrides  haut.  \ 
Swaz  die  recken  alle  in  strite  hant  getan, 
Dancwart  utul  Hagene  unde  atuler  ski'tnegcs  man, 
Swaz  si  striten  nach  eren,  daz  ist  gar  ein  teint 
Unz  eine  an  Sivriden,  des  künec  Sigemundes  kint. 

—  Diokl.  155  So  wil  ich  jnen  also  schriben,  Daz  sij  nit  da  binden  beliben ; 
Sy  kument  alle  siben  her:  Das  ist  das  jeh  an  sy  beger. 

a)  Parataktische  und  parataktische: 

Ms.  F.  12, 14   Ez  mac  niht  heizen  minne, 

Der  lange  wirbet  umbe  ein  icip. 
Die  Hute  werdents  inne, 
Utul  wirt  zerfüeret  dur  nit. 
Man  sol  ze  liebe  gahen:  \ 
Deist  für  die  merkare  guot;  \ 
Dazs  iemen  werde  inne,  j 
E  ir  wille  si  ergan.  ) 

b)  Die  zweite  aussage  bietet  weniger  als  die  erste: 

1)  Die  erste  aussage  ist  ausführlicher,  geht  mehr  in  die 
einzelheiten  als  die  zweite: 

a)  Es  stehen  sich  einzelne  Sätze  gegenüber: 

Rol.  5280  Michel  grisgrammen  unde  zorn  Was  under  in  erpluot,  Ge- 
seriget  was  in  der  muot. 

ß)  Es  stehen  sich  einzelner  satz  und  satzgruppe  gegenüber; 
dabei  geht  natürlich  die  satzgruppe  in  der  regel  voraus: 

aa)  Die  gruppe  ist  hypotaktisch: 

Iwein  318  Und  einen  schaden  clage  ich,  Daz  der  wafenriemen  Also 
rehte  lützcl  ist,  Daz  si  niht  lenger  vrist  Mit  mir  solde  umbe  gan;  Ez  wa; 
te  schiere  getan.  —  ebda.  1454  »SV  sprach:  geselle,  an  dir  ist  tot  Der  aller 
tiurste  man,  Der  riters  tiamen  ie  gewan  Von  ma)iheit  und  von  milte.  E;n 
gereit  nie  mit  schilte  Dehein  riter  also  volkomen.  —  Tr.  3430  l?nd  wizzent 
tnichel  baz  dan  ich,  ^\'a  der  hirz  hin  ziuhet  Und  vor  den  hunden  fliuhet: 
Die  erkennent  die  gelegenheit.  —  Flore  284  Des  reht  des  stauen  herzen, 
Daz  wünneclicher  liebe  gert,  Der  niemen  ist  wert,  In  diuhte  danne  süeze, 

Beiträge  rur  geschichte  der  deutschen  iprache.   XXX.  31 


458 


BBHAGHBL 


Ob  er  liden  müeze  Grozen  kumber  von  minnen.  Wer  mac  sanfte  Uep  ge- 
winnen? —  Engelh.  1079  Da  man  sich  des  vereinet  Und  einen  menschen 
meinet  Für  den  andern  etewa,  Daz  fueget  diu  nature  da  Verborgen  unde 
tougen.  Si  leret  terze  und  ougen  Ein  für  daz  ander  triuten. 

bb)  Die  gruppe  ist  parataktisch: 

W.  Gen.  3985   Sine*  troumskeiden  er  vergaz, 
Er  irgaz  triuwen 
Iouch  maniger  riuwen, 
Die  er  in  dem  charchare  leid, 
Er  ime  ioseph  den  troum  skiet, 
Der  in  azte  und  tranchte, 
Pettote  ime  sanfte: 
Der  scenche  des  alles  ergaz.  \ 

Kehr.  10855   Er  hiez  si  biten  und  {legen, 
Daz  si  Mercurium  anbetten; 
Die  teile  daz  er  lebete, 
Er  habete  sie  mit  eren 
Alse  enbot  er  den  Herren .  } 

—  Rother  4843  Bother  saz  bit  voller  hant  Und  deilte  widene  die  lant,  üt 
richede  manigen. 

Ms.  F.  84, 22   Ze  jungest  er  mir  überwunde  \ 
Daz  sende  leit  daz  nahen  gat: 
Daz  wirt  lachen  unde  spil.  I 
Sin  truren  gat  ze  freuden  vil.  } 

Gelegentlich  geht  umgekehrt  der  einfache  satz  voran: 

Rother  1497  Da  begunden  vrige  herren  gan,  Dar  nacht  die  edilen 
graven  Unde  alle  die  da  waren  In  Constantinis  hove  Ane  die  riken  her- 
zogen. Swaz  der  anderen  vrome  was,  Die  zugin  hin  mit  hercs  craft  Zo 
Dietheriche. 

y)  Es  stellt  sich  satzgruppe  und  satzgruppe  gegenüber: 

W.  Gen.  189   Dehein  leu  si  so  her, 

Noch  nehein  ander  Her, 

Iz  nesi  ime  Untertan. 

Der  fogel  nevliege  nie  so  holte, 

Er  necliome  sciere, 

Swa  er  in  höre. 

DeJtein  wurm  si  so  freissam, 

Er  nesi  im  gehorsam  ' 

Nieth  ich  uznime  \ 

Iz  nevolg  ime.  J 

Alex.  97  Der  was  ein  vurste  also  getan 

Er  ne  wolte  neheinem  kunige  wesen  undertan, 
Er  ne  wolte  ouh  ni  uz  neheinem e  stürme  geflichen 
Swi  im  8tniu  dtne  da  irgingen. 


zed  by  Googl 


ZUR  TECHNIK  DER  MUD.  DICHTUNG. 


450 


Er  was  ein  tuerlich  degen 

Unde  wolte  ouh  rehter  herscefte  phlegen. 


Rother  289   Nu  orlove  mir  mines  herren  bodescap, 
Dar  umbe  ich  bin  gesant, 


Waz  der  ein  riche  kuninc  inbot. 

Der  ist  der  aller  schoniste  man, 

Der  ie  von  wibe  gequam 

Unde  verit  mit  grozer  menige. 

Ime  dienent  snelle  helede. 

Ros  unde  juncvrouwen, 

Unde  ander  ritaris  gezouwe, 

Des  vlizit  sich  min  herre. 

Von  du  mahtu  mit  eren 

Mir  irlouben  mines  herren  bodescap, 

Wände  her  weiz  aller  tugende  kracht. 


Eilh.  1020  (Wen  Isalde  die  im  wol  gunde 
Daz  he  begrabin  teere,) 


Wen  he  or  hate  irslagin 
Den  attir  libestin  man 
Den  sie  ze  der  werlde  i  getean: 
Daz  was  der  kone  Morold. 
Da  mete  hate  he  vorscholt, 
Daz  im  die  vrauwe  teere  gram, 
Wen  he  irem  ohemen  nam 
Beide  Up  und  ere. 


2)  Die  zweite  aussage  enthält  eine  allgemeine  angäbe,  die 
erste  den  einzelfall,  in  dem  das  allgemeine  in  dieerscheinung  tritt: 

Alex.  38   Daz  deheiner  so  riche  wäre,  \ 
Der  ...  i  so  manec  lant  gewunne  I 


Rother  1148  Her  nam  den  knechten  das  brot,  Her  teten  over  deme  disge 
groze  not.  —  Nib.2059, 4  (Sin  schild  was  verhouwen:)  einen  bezzern  er  gewan. 
Vü  schiere  wart  der  reckt  do  gewafent  baz.  —  Ms.  F.  46, 3  Ich  kom  sin 
dicke  in  solhe  not,  Daz  ich  den  liuten  guoten  morgen  bot  Engegen  der 
naht.  Ich  was  so  verre  an  si  verdaht  Daz  ich  mich  underwilent  niht  versan. 

3)  Die  zweite  aussage  enthält  eine  bestimmung  weniger 
als  die  erste"): 

>)  Da«  glied,  das  die  eine  aussage  mehr  enthält  als  die  andere,  hebe 
ich  durch  Sperrdruck  hervor. 


Daz  ich  der  sage,  herre  got, 


Wen  he  or  machte  groze  swere 
Die  sie  vil  kume  möchte  getragin, 


So  der  wunderliche  Alexander. 
Im  ne  gelicliet  nefiein  ander.  } 


31* 


460 


BEHAGHXL 


a)  Eine  adverbielle  bestimmung: 

Kehr.  10276  Durch  unser  8  unde  ruoclUes  du  mennische  werden. 
Herre,  du  nceme  bain  und  flaisc.  —  ebda.  10792  Wip,  durch  dine  guote 
Heia  mich  so  getaner  note,  Netuo  du  des  niht  mere.  —  Nib.  221,2  Er  fiele 
wol  gexeorben  mit  den  helden  sin  Sivrit  der  recke,  der  het  ez  guot  getan. 
—  Herb.  724  Sie  begutulen  in  beider  sit  sweben  In  der  minne  suzze- 
keit,  Ir  herze  in  uf  und  nider  reit.  —  Erec  1080  Nunc  xceiz  ich  tees  ir 
bitent  Daz  ir  niht  ritent  Ze  miner  frowen  der  künegin.  Ir  soldet  nu 
geriten  sin.  —  Tr.  4382  Und  hast  doch  zwene  väter  als  e,  Hie  vi  inen  herren 
unde  mich;  Er  ist  diu  vater,  also  bin  ich.  —  Waith.  8, 10  Der  wäre  krist, 
Da  von  du  bist  Nu  alle  frist  Gehaltet  und  gelieret.  Des  bistu  froice 
geret.  —  Erinn.  763  Warne  gedeechte  du  min  mit  den  messen?  Du  hast 
min  gar  vergezzen. 

ß)  Eine  objective  bestinimung: 

W.  Gen.  936  Du  sprach  er  deine  wibe  manech  leit,  Er  sprach  scar- 
fere  worte. 

Engeln.  1042   Daz  herze  muoz  enpfaJien  ] 
Liep  oder  leit  vil  drate 
AI  nach  der  ougen  ratt:  \ 
Wem  swaz  den  ougen  sanfte  tuot 
Daz  dünket  ouch  daz  herze  guot.  J 
Herze  und  ougen  hant  den  site 
Daz  si  gehellent  under  in. 
Daz  ouge  muoz  des  herzen  sin 
Ze  minneclichen  dingen 
Leiten  unde  bringen. 

y)  Die  widerkolung  ist  um  einen  ganzen  satz  kürzer: 

W.  Gen.  1015  (Ware  denchen  wir  armen,) 
Daz  wir  got  fercJiergen,  i 
Daz  er  nicht  erchenne  > 
Unser  hinterskrenchen,  I 
Daz  wir  in  megen  tringen  \ 
Mit  umeren  lugen?  \ 

6)  Eigentümlich  sind  folgende  fälle  eines  weniger  im  zweiten 
satz:  es  bleibt  das  verbum  unwiderholt,  dagegen  werden  attri- 
butive oder  adverbielle  bestimmungen  der  ersten  aussage  in 
einer  zweiten  selbständigen  aussage  widerholt: 

Exod.  1025  Sie  dwungen  vile  starche  Daz  Hut  zuo  dem  werche 
Mit  siegen  unde  stozzen  Wunderlichen  grozzen.  Si  enphiengen  vile  manigen 
slach.  —  Nib.  187,4  Den  sie  doch  Sivrit  gewan  Mit  drin  starken 
wunden  die  er  dem  künege  sluoc  Durch  eine  wize  brünne,  diu  was 
guot  genuoc.  Daz  swert  an  sinen  ekken  braht  uz  wutiden  bluot.  —  Pari. 
117,7  Sieh  zoch  diu  frouwe  jamers  balt    Zer  waste  in  Soltane; 


zed  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEK  MHÜ.  DICHTUNG. 


461 


Xtht  durch  bluomen  uf  die  plane.  Ir  herzen  jamer  was  so  ganz,  Sine  kerte 
sich  an  keinen  kränz,  Er  wcere  rot  oder  val. 

c)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

1)  Die  zweite  aussage  ist  ausführlicher,  geht  mehr  in  die 
einzelheiten  als  die  erste: 

a)  Es  stehen  sich  einzelne  Sätze  gegenüber: 

Exod.  1334  (Des  ingaU  daz  laut  harte,)  Wand  iz  wart  gczuchtgot 
Mit  manicvalter  not;  Got  suohte  si  heime  Mit  herige  vile  ddeinime.  — 
Rol.  6242  Thie  heithenen  waren  enein  komen,  Sie  haten  ire  herren  Mar- 
silie  gesworen,  (So  wer  fluhe  vone  theme  reale,  Theme  wäre  ze  stete  ther 
tot  gare).  —  ebda.  (3280  Ich  versnithe  thih  rile  harte,  Vone  theme  guoten 
Durendarte  WH  ih  thih  einen  niuwen  site  leren.  —  Nib.  2066,2  Den 
starken  Iringen  klagen  si  began.  Si  weinde  sine  wunden.  —  Herb.  502  Daz 
mere  breitte  sich  san.  Uber  al  daz  lunt  Quam  do  der  schal.  —  Iwein  500 
Wan  ich  sihe  wol  si  sinl  wilde,  Sine  erkennent  man  noch  sin  gebot.  —  Waith. 
57, 18  So  tuot  si  leides  mir  so  vil,  Si  kan  mir  rerseren  Herze  und  den  muot. 

ß)  Es  stehen  sich  satz  und  satzgruppe  gegenüber: 

W.  Gen.  698  Weder  si  tun  mohte,  Ub  siz  name  Oder  siz  verbare.  — 
Kehr.  10101  (Man  sach  iedannoch  Den  potech  ligen  toten,)  Swi  in  ze- 
vuorten  genote  Die  vogele  joch  die  hunde.  Di  netwalten  nehain  stunde, 
Alse  daran  wol  seein:  Iz  warre  hut  oder  bein,  Aldaz  si  maJiten  geniezen, 
Anders  si  da  niht  vcrliezcn.  —  Roth.  2415  (Zo  deme  kerkenere,)  Dar  sie 
mit  notin  warin.  Die  eilenden  haftin  Lagin  in  unkreften.  —  Nib.  24, 2 
Die  Hute  in  sahen  gerne.  Manec  frouwe  und  manec  meit  Im  wünschten, 
Daz  sin  wille  in  iemer  trüege  dar.  —  Laur.  82  Ich  muoz  der  reise  mich 
erwegen  Mit  tu,  vil  lieber  herre  min.  Ich  wil  iuwer  geselle  sin  Dort  hin  ze 
dem  garten:  Da  sül  wir  aventiure  warten.  —  Eilh.  1037  Ouch  lobete  man 
sie  genug.  Swa  man  guter  vrauicin  genug,  Da  bchilt  sie  eine  den  pris. 

Erec  403   Er  was  ein  grate  riche, 
Vil  gar  unlasterliche 
Sins  erbes  verstozen 
Von  sinen  übergenozen. 
In  het  dehein  sin  bosheit 
In  dise  annuot  geleit: 
Ez  was  von  urliuge  komen. 
Im  het  diu  Überkraft  genomen 
Allez,  daz  er  ie  gewan. 

Iwein  640   iUnd  zergie  der  vogelsanc,) 

Alss  ein  swarzez  weter  twanc.  } 
Diu  wölken  begunden  \ 
In  den  selben  stunden 
Von  vier  enden  uf  gan,  [ 
Der  lichte  tac  wart  getan,  > 
Daz  ich  die  linden  kume  gesach. 


Digitized  by  Google 


462 


HEOAGHEL 


Herb.  620   Do  brachen  sie  die  feste,  } 

Sie  zufurten  die  bürg  al,  \ 

Kemenaten  unde  sal,  I 

litis  utule  palas,  I 

Allez  daz  dar  inne  was.  ' 

—  Tr.  4487  Hie  wart  genigen  riche;  Si  nigen  algeliche,  Die  bi  dem  mare 
waren.  —  Engelh.  106  (Ob  triuwc  p fliege  niemen)  So  würde  kranc  der 
riehen  habe.  Man  zitge  in  unde  brache  in  abe  Ir  guot  und  al  ir  ere.  — 
W.  gast  363  Ich  icil  ouch  daz  miniu  kint  Diu  von  adel  komen  sint 
Handeln  ir  gesellen  wol.  Ein  ieglich  edel  kint  sol  Mit  werken  unde  mit 
dem  muote  Sinem  gesellen  tuon  ze  gtwte.  —  Ms.  F.  14, 19  (wer  eine  geliebte 
gewonnen  hat,  der  schweige:)  So  ist  er  guot  frowen  trut,  So  mac  er  dl 
wol  triuten  Swier  wil  stdle  ttnd  über  lut. 

y)  Es  steht  satzgruppe  gegen  satzgruppe: 

Exod.  1373  Ein  here  groz  utule  breit  Daz  lant  iz  besaz,  Also  icit  so 
iz  icas.  Uze  unde  inne  So  nemohtet  ir  vinden  Niener  neheine  stat,  Chroten 
neware  der  michel  chraft.  —  Rother  2216  Sone  wart  nie  nicJtein  man,  Der 
din  genoz  modite  sin.  Daz  nemich  an  de  truwe  min,  Daz  nie  nichein 
moter  getean  Ein  barin  also  lossam,  Daz  iz  mit  zuchtin,  Dietherich, 
Mochte  gesizzin  ineben  dich. 

Iwein  249   Man  verliuset  micJiel  sagen,  \ 
Man  enwellez  merken  unde  dagen.  } 
Maniger  biut  diu  oren  dar, 
Em  nemes  ouch  mit  dem  herzen  war, 
Sone  wirt  im  niht  ican  der  doz, 
Und  ist  der  schade  alze  groz;  \ 
Wan  si  verliesent  beide  ir  arbeit,  \ 
Der  da  harrt  und  der  da  seit.  I 

Eugelh.  694   Iuwer  lop  ist  flücke  | 
Uf  erden  also  sere  I 
Daz  man  siht  iuwer  ere 
Alumbe  und  umbe  steeimen.  ' 
Si  vert  ze  Beheimen, 
Ze  Ungtftt  und  ze  Witzen, 
Ouch  siht  man  da  ze  Priuzen 
Vast  iuwer  ere  erwahsen. 
Franken  utule  Sahsen 
Hat  erfüllet  iuwer  pris. 

2)  Die  zweite  ist  deutlicher,  sozusagen  eine  auslegung 
der  ersten: 

a)  Zumeist  ist  die  zweite  aussage  die  nochmalige  aus- 
führung  eines  anaphorischen  pronomens  oder  adverbs: 

aa)  Es  stehen  sich  einzelne  sätze  gegenüber: 


ZUR  TECHNIK  DEK  MHD.  DICHTUNG. 


403 


Rother  3240  Daz  dede  min  herre  Constantin,  Der  liebe  vater  din 
Sante  uns  over  ntere.  —  Diokl.  152  f Miner  botten  sol  einer  ryten  dar,]  Sy 
sprachent  herre  es  gefettet  uns  wol:  Der  botte  sin  strasze  ryten  sol  —  ebda. 
631  Die  meister  sprachent  alle,  86  tcoltent  alle  des  glich  tun:  Ir  ieglicher 
tcolt  jm  machen  sun  Einen  tag.  —  W.  gast  977  Diemüete  zimt  in  beiden 
tcol:  Ein  riter  und  ein  vrouwe  sol  Diemüete  sin.  —  Waith.  59, 28  Ich  han 
tu  gar  gesaget  daz  ir  missestat:  Zwei  xcandel  han  ich  iu  genennet. 

bb)  Es  stehen  sicli  einzelner  satz  und  satzgruppe  gegenüber: 

Exod.  1466  (Dise  gerte  nim  ze  dir,  Slach  siege  manige  Uf  den  stoub 
der  erde,)  Aaron  tet  durch  not  Daz  ime  got  unt  Moyses  gebot:  Er 
machete  stoub  manichvalt  Mit  der  gerte  in  der  haut. 

cc)  Es  stehen  sich  satzgruppe  und  satzgruppe  gegenüber : 

Kehr.  10953  (Er  hiez  si  ain  pruoder  nemen  Unt  hiez  si  vur  den  chu- 
nich  tragen,)  Der  bruoder  tet  do  durch  not,  Daz  im  sin  maisler  gebot: 
Diu  prot  er  uf  huop,  Vur  den  chunich  er  si  truoch. 

Rother  823  Des  stcoren  sie  ime  eide,  \ 
Die  liezin  sie  ummeine.  \ 
Sie  gelobetin  daz  sie  hietin  Macht ere  Thideric.  } 

Lanz.  624   Si  vragete  in  der  nurre,  \ 

Der  enkund  er  niht  gevristen  ;  j 

Si  geschuof  mit  wibes  listen,  | 

Daz  er  ir  alles  des  verjach  \ 

Des  im  von  kintlteit  geschach.  ' 

ß)  Andere  fälle: 

Exod.  922  .SV  suohten  ir  venic,  Si  strahten  sich  werde  Nider  zuo  der 
erde.  —  Rol.  5231  Hcithenen  thie  vermezzen  Ilten  zuo  then  ire  rossen.  Tha 
Ute  man  vure  man.  —  Kehr.  10319  Zir  aller  gesihte  Chom  iz  hin  widere 
gerihte,  Do  samente  sich  daz  gebaine.  —  Laur.  194  Des  wart  cz  allez 
sigehaft.  Des  gesigete  ez  ze  allen  ziten  In  stürmen  und  in  striten.  —  Diokl. 
1013  Der  alt  boum  ist  hoch  und  breit,  Das  tut  dem  jungen  grosses  leit; 
Das  der  luffl  nit  zu  ym  mag  Das  schadet  dem  jungen  nacht  und  tag. 

3)  Die  erste  aussage  enthält  eine  allgemeine  angäbe, 
die  zweite  den  einzelfall,  in  dem  sich  der  allgemeine  satz 
betätigt: 

a)  Es  stehen  sich  einzelne  Sätze  gegenüber: 

W.  Gen.  3690  (Zu  einemc  herren  hiez  putifar.)  Der  was  ein  geweitig 
man,  Derne  was  daz  here  underian.  —  ebda.  3888  Iz  neuert  umb  iueh 
niht  rehte,  Ir  gehabet  iueh  hiute  ubile.  —  ebda.  10861  So  lebeten  si  iemer 
scone,  Gebuten  über  lant  und  über  seaz.  —  Rol.  5231  ( So  wie  wir  thie  von 
ime  gesciethen,)  Sane  irretc  um  niemen,  Karl  nekome  niemer  ane  unser 
erbe.  —  Nib.  2057, 2  Daz  hat  mich  erreizet  uf  maniges  mannes  tot.  Ich 
pm  alrerste  erzürnet  uf  Uawartes  man.  —  Iwein  164  (Ich  enpfahe  gerne, 


Digitized  by  Google 


464 


BBHAGHEL 


als  ich  sol,  Iuwer  zuht  und  iutcer  meisterschaft).  Doch  hat  si  alze  groze 
kraft:  Ir  sprechet  ahe  sere  Den  ritern  an  ir  ere.  —  Parz.  126,  11  Die 
sagten  mir  von  ritterschaft:  Artus  küneclichiu  kraft  Sol  mich  nach  riters 
eren  An  Schildes  ambet  keren.  —  ebda.  170,25  luch  sal  erbarmen  notec 
her:  Gein  des  kumber  sit  ze  wer  Mit  milte  und  mit  güete.  —  Engeln.  248 
Uf  alliu  sedeclichiu  dinc  Stuont  sines  herzen  girde.  Sin  muot  nach  hoher 
wirde  Kunde  ringen  unde  streben. 

In  folgenden  beiden  fällen  sind  die  einander  variierenden 
sätze  nebensätze  zu  einem  und  demselben  hauptsatz: 

W.  Gen.  3940  (Du  rat  deme  chunige,)  Daz  er  mir  gnade,  Daz  er 
mich  hinnen  lose.  —  Kehr.  10192  Und  mag  er  dir  gehelfen  hiute,  Jlaizet 
er  den  toten  gesunt  sin,  (Wir  revtdlcn  ouch  das  gebot  din). 

ß)  Es  stehen  sich  satz  und  satzgruppe  gegenüber: 

W.  Gen.  564   (La  mich  darane  chiesen) 

Übe  du  mir  wellest  gehorsamen,  } 
Übe  du  mich  wellest  wem,  \ 
Daz  tu  ditz  ein  obez  wellest  verberti.  | 

ebda.  3925   "Wider  an  din  ambahte  dich  setzet,  } 
Den  pechare  du  im  biutest,  \ 
Also  du  c  wonetest.  J 

—  Iwein  243  (Sagt  eure  geschichte.)  Swaz  ir  gebietent,  deist  getan.  Sä  ir 
michs  niht  weit  erlan,  So  rernemet  ez  mit  guotem  siie.  —  Flore  302  Da; 
sie  durch  lange  leide  Ir  triuwe  nie  verheztn,  Des  mohten  sie  genirzm.  In 
wart  von  stwter  triuire  Sorge  alt,  fröude  niuwe.  —  H.  v.  F.  1438  Der 
herre  in  liez,  als  im  wol  zam,  Mit  guoter  handelunge.  Tristan  der  süeze 
iunge  lliez  im  zu  siner  lipnar  Zwo  marc  goldes  wegen  dar.  —  Ms.  F. 
30, 23  Vater  aller  teeisen  Sin  hantgetat  erloste.  In  die  helle  schein  ein 
lieht:  Do  kam  er  sinen  kitulen  ze  tröste.  —  ebda.  37,9  Du  fliugest  sicar 
dir  liep  ist:  Du  erkiusest  in  dem  walde  Einn  boum,  der  dir  gevaUe. 

y)  Es  stehen  sich  satzgruppen  gegenüber: 

Engelh.  600  Mich  dünket  wol  daz  er  unt  ich  Gar  gelich  ein  ander 
sin.  Sin  forme  git  den  selben  schin,  Den  ouch  diu  mine  geben  kau. 

Diokl.  549   Er  sprach  ich  billichen  fragen  sol:  \ 
ITrtS  bristet  uch  myn  lieben  frunde,  J 
Des  gebent  mir  ein  Urkunde.  f 
Ich  sihe  das  ir  sint  sere  betrüebet,  \ 
Üwer  hertze  ist  mit  untnuot  geüebet. 
Darummb  so  sagent  mir  den  grünt.  ) 

4)  Die  zweite  aussage  enthält  ein  oder  mehrere  glieder 
weiter  als  die  erste: 

«)  Ein  einzelnes  Satzglied  tritt  neu  hinzu: 

aa)  Ein  adverb  zum  verbum: 


zed  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  KBD.  DICHTUNG. 


465 


v)  Es  stellen  sich  einzelne  sätze  gegenüber: 

Kehr.  10834  Julianum  si  re weiten,  Si  chum  in  ze  rihtare.  —  Rother 
190  (ich  gebe  ihm  schätze  und  bürgen;)  He  gerne  ich  daz  don  teil.  — 
ebda.  2423  Dar  in  schein  do  der  tac,  Schirc  quam  in  daz  lieht.  —  ebda. 
3140  Entrouwcn,  sprach  der  spileman,  Ir  Itavent  ime  unrechte  getan,  Ir 
velschedin  ane  not.  —  ebda.  4727  Inde  levete  mit  grozin  erin.  Die  hetter 
immir  mere  Bizze  an  sinin  tot.  —  Lanr.  685  Her  Dietrich  muoste 
entwichen  Vor  dem  degene  riche;  Daz  muoste  er  tuon  durch  not,  — 
Iwein  1205  Den  mac  niernm  al  die  trist  Gesehen  noch  gevinden.  8  am 
daz  holz  underr  rinden  Alsame  sit  ir  verborgen.  —  Flore  182  Do  sanc 
diu  galander,  Daz  smirlin  und  diu  nahtegal;  Die  horte  man  da  über  al. 
H.  v.  F.  699  Ir  wizen  bein,  die  linden,  Begonde  sie  dar  in  winden.  8ie 
watd  uiul  war  sich  raste  dar  in.  —  W.  gast  138  Ich  teil  ein  ander  heben 
an;  Ich  ger  dar  an  von  gote  sinne.  —  Ms.  F.  94,25  La  mich,  Minne, 
tri.  Du  solt  mich  eine  teile  sunder  liebe  lan.  —  Waith.  7,32  Ich  mane 
dich,  gotes  werde,  Wir  biten  umb  unser  schulde  dich,  (Daz  du  uns  sist 
gencediclich. 

a)  Es  stehen  sich  einzelner  satz  und  satzgruppe  gegenüber: 

Anno  266  Di  dir  plegin  ztüit  unt  erin,  Die  dagis  unte  nahtis 
riedin,  Wi  si  ir  erin  bihildin.  —  Kehr.  10067  i'nz  iz  diu  chunigin  verbot 
Bi  dem  halse  und  bi  der  wide.  Si  steuor,  swer  brauche  ir  fride,  Si  hiez  in 
in  dem  sende  houbten. 

i)  Es  stehen  sich  satzgruppen  gegenüber: 

Exod.  536  Du  virtu'm  waz  ich  chode  zuo  dir,  Virnim  wolc  waz  ich 
dir  sage.  —  W.  gast  239  Welch  man  zi  blichen  tuot,  Der  ist  vor  ruom  niht 
wol  behuot.  Der  rüemt  sich  teer  sehen  Sicherheiten,  Swer  gebaret  zihlichen. 

bb)  Es  tritt  ein  attribut  hinzu: 

k)  Es  stehen  sich  einzelne  sätze  gegenüber: 

Kehr.  10938  Ja  gebot  der  gotes  widerwart  Hin  ze  Chriechen  ein  her- 
vart,  Er  vazte  sich  über  mer  Mit  ahn  chreftigem  her. —  Nib.  216,2  Sun 
den  Sigemundes  ich  hie  gesehen  hau  Sivriden  den  starken  hau  ich  hie 
bekant.  —  Waith.  15,29  (Des  was  ic  der  vater  geselle,  Und  der  geist,)  den 
niemen  mac  Sunder  scheiden:  es  al  ein,  Sieht  und  ebener  danne  ein 
zein  (Als  er  Abrahame  erschein).  —  Ms.  F.  37,32  Geswigcn  sint  die 
nahtegal,  Si  haut  gelan  ir  süezez  singen. 

a)  Es  stehen  sich  satz  und  satzgruppe  gegenüber: 

W.  gast  935  Swer  den  wisen  erkennen  sol,  Der  bedarf  ouch  sinnes 
wol.  Wil  man  ervarn  sinen  muot,  Da  zuo  hart  kleiner  sin  guot. 

cc)  Anderes: 

Kehr.  10756  Vor  aller  der  menige  Suochte  si  ir  venie,  Dem  babes 
viel  si  ze  vuozen.  —  Waith.  61,  8  Mir  ist  liep  daz  si  mich  klage  Ze  maze 
als  ez  ir  schone  ste,  Ob  man  ir  marc  von  mir  sage,  Daz  ir  da  von  si  sanfte 
we.  Si  sol  iemer  mere  durcli  den  willen  min  Ungefüege  sware  und  fröide 


Digitized  by  Google 


466 


BEHAGHEL 


lazen  sin.  —  Ms.  F.  85, 7  (Man  sagt  mir)  daz  Hute  sterben;  Der  si  wunder 
die  verderben,  (So  si  minnen  alze  sere). 

ß)  Der  zusatz  erfolgt  in  der  gestalt  eines  ganzen  satzes: 

aa)  eines  hauptsatzes,  der  mit  und  an  die  widerholung 
angeschlossen  wird: 

Nib.  74, 4  Do  liefen  in  engegenc  eil  der  Guntheres  man.  Die  hoh- 
gemuoten  recken,  ritter  unde  kneht,  Die  giengen  zuo  den  Herren  Und  em- 
pfiengen  dise  geste  in  ir  Herren  laut.  —  H.  v.  F.  1070  Der  »taget  ich  ein 
gelübde  bot,  Die  unseren  Herren  Crist  gebar.  IcJi  swuor  ir  unde  laze 
ez  war. 

bb)  Eines  nebensatzes.  In  den  meisten  fällen  ist  der  neben- 
satz  dann  so  gestaltet,  dass  er  formal  ebenso  gut  zu  der  ersten 
aussage  gehören  könnte: 

W.  Gen.  804  Sprach,  sie  hete  si  verraten,  Si  hete  si  besuichen,  Das 
si  des  obezzes  Helen  bizzen.  —  ebda.  1161  Dorn  unt  bramen  llt  er  uz 
prechen,  Den  accJier  er  furbte,  Daz  deste  baz  darane  untrte  Ein  iegelich 
chorn,  Da  e  stunl  Hiuffolter  unte  dorn.  —  ebda.  2174  Tos  aver  seol  werden, 
Daz  nemach  nieman  erwenten,  Mannes  geuverf  nehüfet  porvile,  übe  is 
got  niene  wile.  —  Exod.  1061  (Wir  sin  dine  scalche,)  Du  ruoch  uns  be- 
halten, Nu  Hb  uns,  Herre,  etewaz,  Daz  wir  dir  dienen  deste  baz.  —  Kehr. 
10242  Der  pfar  liget  so  manichvalt,  Er  ist  also  witen  zetailet,  Daz  in 
niemer  nehain  man  gehailet.  —  Roth.  2743  Swar  er  zo  der  dicke  quam, 
Die  slouc  her  alse  en  donir  san;  Swaz  er  der  Heiden  ane  quam,  Dar  slouc 
Her  uffe  den  man,  Daz  sie  al  zescreitin.  —  Eilh.  1309  He  was  so  innig- 
lichin  vro,  He  vorgaz  all  ir  rutee,  Do  sin  libir  Here  komen  was.  —  Parz. 
165,  8  Sin  undencant  sich  Gurnemanz,  Solh  was  sin  underwinden,  Daz  ein 
vatcr  sinen  fanden  Mäht  ez  in  niht  baz  erbieten.  —  Tr.  3239  Er  begunde 
im  wol  gcvallen  Vor  den  andern  allen,  Sin  Herze  in  sunder  uz  erlas,  Wan 
er  von  sinem  bluote  teas.  —  ebda.  3621  So  lie  der  tagende  riche  Suoz' 
unde  wunneclicHe  Sine  scHanzune  fliegen  in,  Er  sanc  diu  leichnotelin  Bri- 
tunschc  und  galoise,  Latinsche  und  franzoise  So  suoze  mit  dem  munde, 
Daz  niemen  wizzen  künde.  —  Engeln. 980  Ir  süezer  minneclicher  Up  Hart 
itt  kuner  stunde  In  beiden  holt  von  grutule,  Ir  einic  sin,  ir  einie  leben, 
Wart  in  zwein  also  gegeben  Daz  si  beguwle  minnen  Mit  libe  und  ouch 
mit  sinnen  Si  beide  sament  geliche,  Daz  so  raste  nimmer  wip  Geminnet 
eines  manncs  Up.  —  Ring  4, 9  Ich  wolte  haben  meyn  gemach,  Den  frid  so 
wolt  ich  suocJien,  Wolt  ir  es  sein  geruocHen. 

In  einigen  anderen  fällen  kann  sich  der  neue  nebensatz 
formal  nur  an  die  zweite  aussage  anschliessen: 

Kol.  5112  So  waz  er  erreihte  ane  theme  man,  j 
Iz  wäre  stal  oder  Horn,  \ 
Thaz  was  allez  verloren.  I 
Er  frumetc  manegen  heithenen  bleih.  ' 


zed  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


467 


Ther  stal  vor  ime  weih, 
Sam  er  pli  wäre. 
Er  wart  then  heithcnen  sware. 

Roth.  244  Ir  gewandes  narrten  sie  groze  wäre  Eia,  waz  der  kaffere  was.  Die 
den  rrouwen  sageten,  Wilich  gewant  de  gcste  haceten.  —  Nib.  2075,3 
Si  mutzen  drinne  ersterben  in  vil  kurzer  zit,  Si  arnent  mit  dem  tode  daz 
in  diu  kiineginne  git.  —  Iwein  1194  Herre,  do  gruoztet  ir  mieh,  Und  ouch 
da  niemen  mere.  Do  erbutet  ir  mir  die  ere,  Der  ich  iu  hie  Ionen  sol.  — 
Tr.  3372  Swaz  ir  gebietet,  daz  bin  ich:  Juwer  jäger  und  iuwer  dienestman; 
Daz  bin  ich,  alse  ich  beste  kan. 

y)  Der  zusatz  erfolgt  in  gestalt  einer  adverbiellen  bestim- 
mung  und  eines  ganzen  satzes: 

Kehr.  11108  Sin  lichname  wället  ze  Costenobcle  In  dem  peche  unt  in 
dem  swebele.  Da  wont  er  unz  an  den  jungistm  tach,  Daz  iz  niemen  ver- 
wandelen  nesol  noch  nemach.  —  ebda.  11280  Nu  He  du  dich  toufen  An 
den  waren  gelouben ;  Geloube  vaste,  des  ist  dir  not,  Oder  dir  ist  vil  nahen 
der  tot.  —  Lanz.  3048  Daz  er  hete  gevangen  Xiht  wan  einen  siaien  helt, 
Von  dem  uns  dicke  ist  gezelt,  Daz  er  ein  der  tiursle  wolte  sin,  Mit  den 
Wehten  schenkein  her  Maurin.  Den  vienc  er  ruht  wan  umbe  daz,  Daz  man 
wiste  dester  baz.  —  Erec  1225  Nu  riwet  ez  mich  ze  spate.  Ja  warne  ich 
mich  ze  unzit,  Sam  der  hose  so  er  in  dem  netze  lit. 

ö)  Zusätze  verschiedener  art  treten  auf  in  den  verschiedenen 
Sätzen  der  widerholung: 

Herb.  1670   Ector  hette  die  kraft, 
Die  schone  hette  Paris, 
Elenas  der  was  wis, 
Deiphebus  den  richtum, 
Troilus  den  werltrum. 
Ectoris  lop  was  gebreit 
Von  Sterke  unt  von  manheit, 
Do  kerte  er  Paris 
An  minne  allen  sinen  pris. 
Elenas  was  ein  wise  man 
Der  liez  sich  wisagen  an. 
Deiphebus  fil  anz  gemach, 
Dem  der  richtum  geschah. 
Troilus  sich  aneliz, 
Daz  er  ein  gut  turnierer  hiz.  ) 

d)  Von  der  zweiten  aussage  ist  einerseits  ein  glied  der 
ersten  nicht  widerholt,  anderseits  ein  neues  glied  hinzugetreten; 
es  handelt  sich  in  beiden  fällen  meist  um  adverbia  oder  ad- 
verbielle  bestimmungen: 

W.Gen.  1155  Kain  wart  vile  teacher  Ze  puteene  den  accher. 
Sumer  unt  winter  Was  er  vil  munter.  —  ebda.  3157  Esau  wolt  in  bi- 


Digitized  by  Google 


! 


468 


HEHAUHKL 


leiten  Mit  sinen  heliten  gemeiten,  Er  wolt  in  mit  cren  Hine  heim 
foren.  —  Kehr.  10718  (Daz  tuoch  si  wider  uf  huop,)  Daz  pilde  si  umbe 
di  oren  sluoch,  Si  blou  iz  mit  dem  ge wände.  —  Roth.  1568  Gebot  den 
ritarin  Hin  zo  der  wertschefte.  Her  hiez  sie  sichirliche  raren.  — 
Ms.  F.  34,3  Uf  der  linden  obene  Da  sanc  ein  kleinez  vogellin.  Vor  dem 
w aide  wart  ez  Int. 

Andere  fälle: 

Nib.  63,2  So  hilf  ich  dir  der  reise  Mit  der  bcsleti  waie,  die  ritUr 
ie  getruoe;  Ir  sult  ir  füeren  genuoc.  —  Diokl.  365  Hub  einer  under  in 
allen  an  Und  rette  als  manger  gar  wol  kan.  Zu  dem  keiscr  er  do 
sprach.  —  ebda.  851  Herre  hilf  und  vernim  Mir  armen  durch  den 
zarten  got,  Hilf  mir  mine  ere  behaben.  —  Ms.  F.  81,11  Ist  ez  ir 
leit,  doch  dien  ich  iemer  mere.  Iemer  teil  ich  ir  dienen  mit  statte. 

Aeusserlich  ähneln  diese  fälle  denjenigen  der  widerholung 
mit  weiterführung,  sind  aber  doch  anders  geartet.  Die  stelle 
Nib.  21, 2  (s.  oben  s.  444)  würde  bei  zusammendrängung  in  einen 
satz  eine  addition  erfordern:  'in  seinem  mut  und  seiner  stärke 
ritt  er'.  Dagegen  hier  würde  sich  eine  blosse  nebeneinander- 
stellung ergeben:  'sie  schlug  das  bild  mit  dem  gewaud  um  die 
obren';  'auf  der  linde  vor  dem  walde  sang  das  vöglein'. 

e)  Ein  ganz  eigentümlicher  fall,  wo  die  aussagen  sich 
nicht  decken,  ist  der,  dass  eine  allgemeinere  aussage  ein- 
geschaltet ist  in  die  aufzählung  von  einzelheiten,  die  zusammen- 
gezählt die  summe  der  allgemeinen  aussage  ergeben: 

Exod.  1054  Si  waren  zebluwen  —  Si  habeten  vile  grozze  not  — ,  Ir 
werch  wäre  in  gemerot,  In  alltrslahte  wise  Abc  gewunnen  diu  spise. 

Es  bleibt  eine  anzahl  von  fällen  übrig,  in  denen  mehrere 
der  geschilderten  erscheinungen  zusammentreffen: 

Erstens:  die  zweite  bestimmung  ist  einerseits  deutlicher 
—  weitere  ausführung  eines  anaphorischen  pronomens  — .  ander- 
seits enthält  sie  den  zusatz  einer  adverbiellen  bestimmung: 

Eilh.  713  Swcs  er  hete  begert,  I)az  solde  gewisliche  irgan,  Tristrant 
der  wolte  in  bestan  Dar  nach  an  dem  dritten  tage. 

Zweitens:  die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ; 
die  zweite  ist  um  einen  zusatz  reicher: 

W.  Gen.  519  Swer  des  einen  gechort,  Der  tot  in  ferbiret,  Er  nerstirbet 
niemer  Unt  ist  doch  ebeniunger.  —  Rol.  6396  Thine  kröne  muo:  «* 
ander  tragen,  Sine  kumet  niemer  uf  thin  houbet,  i'nz  si  thir  min  herrt 
Karl  erhübet.  —  Roth.  4821  Wir  sulin  hie  bestan.  Ich  nekome  nirnmir 
hinne  Ane  des  koningis  minne.  —  Lanx.  1376  Do  cnwas  da  tu  cm  an  ahe 


zed  by  Googl 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


469 


halt,  Der  im  iht  leides  teete,  Fürst  daz  er  ir  gesichert  hcete.  Si  liezens 
durch  ir  ere  Und  durch  die  vroxcen  here. 

Drittens:  es  vereinigt  sicli  weiterführung  und  Variation, 
positiver  und  negativer  ausdruck,  grössere  detaillierung  der 
ersten  aussage,  hinzufügung  eines  gliedes  in  der  zweiten 
aussage : 

Eilh.  1124  Kumeval  weinete  biterlichin.  Die  andern  des  ouch  niht 
verbarin,  AUe  die  da  bi  warin,  Begunde  do  ir  bannen  Tristratules  un- 
gemach;  Graz  jamir  dar  geschach  Do  sie  in  trugen  an  den  se. 

Hier  entsprechen  die  beiden  ersten  verse  inhaltlich  den 
fünf  weiteren,  und  zwar  enthält  die  erste  aussage  die  beiden 
Summanden:  Kurneval  —  die  anderen,  die  im  folgenden  alle 
zusammengefasst  sind.  Insofern  enthält  die  erste  aussage 
mehr  als  die  zweite.  Die  zweite  aussage  bietet  dafür  den 
zusatz  der  Zeitbestimmung:  do  sie  in  trugen  an  den  se. 

Die  beiden  Sätze  der  ersten  aussage  stellen  sich  als  weiter- 
führung des  subjects  dar  (s.  oben  440),  wobei  das  verbum  ein- 
mal positiv,  einmal  negativ  ausgedrückt  ist. 

II.  Anschluss  mit  conjunctionen: 
a)  Parataktisch: 

1)  Mit  un d  (Joch):  es  ergeben  sich  hier  —  mit  einer  kleinen 
Verschiebung  —  im  wesentlichen  dieselben  Unterabteilungen  wie 
bei  der  asyndetischen  anreihung. 

a)  Die  aussagen  sind  beide  positiv  oder  beide  negativ 
gehalten : 

aa)  Die  aussagen  decken  sich: 

t<)  Ein  einzelner  satz  steht  einem  einzelnen  satz  gegenüber: 

Kehr.  11079  Iz  teil  selbe  min  trehtin  Unt  gebildet  dirz  der  hailige 
Crist.  —  Laar.  566  Ich  teil  mich  dir  für  eigen  geben  Utid  wil  dir  wesen 
undertan.  —  Nib.  159, 1  Daz  lat  iueh  ahten  ringe  Unt  senftet  iuwerm 
muote.  —  Lanz.  1104  Si  waren  vreuden  riche  Unt  heten  tcünne  die  maht. 

—  ebda.  1856  Da  von  er  schiere  bekam  Und  erkorert  sich  an  siner  kraft. 

—  Tr.  3662  Sit  ich  ez  iu  doch  sagen  sol  Unt  ir  ez  wettet  wizzen.  —  ebda. 
3884  Und  er  nam  allenthalben  war  Und  spehete  wa  unde  wa.  —  ebda.  4425 
Senft'  und  ritterlicher  pris  Diu  misseheüent  alle  wis  Und  mugen  vil  übele 
samet  gewesen.  —  Flore  1270  Daz  ist  min  beste  rat  Und  dunket  mich  guot 
wilze.  —  Engeln.  162  Ein  valscher  merke  Und  kenne  sine  unsUeten  art.  — 
ebda.  192  Der  ruoche  hären  disiu  wort  Und  neige  herze  und  oren  her.  — 
ebda.  366  Ez  wirt  dir  guot,  sam  mir  got,  Und  bringet  dir  noch  Salden  vil. 

—  H.  v.  F.  354  Rat,  lieber  vriunt  gehiure,  Und  gip  mir  rates  stiure.  — 


Digitized  by  Google 


470 


BEFIAGHEL 


ebda.  1506  So  wil  ich  im  erlouben  zwar  Die  reis*  und  teil  in  lasen  rar». 

—  Ring  4. 31  Die  schand  missreit  uns  allen  Und  tuot  uns  in  dem  magen 
tce.  —  ebda.  4c,  34  Daz  tuot  mir  zom  und  müt  im  eh  ser.  —  ebda.  5d,28 
(Vergebt  utis  unser  bosheit:>  Sey  reutet  uns  ser  und  ist  uns  läid.  —  Waith. 
12, 6  Her  keiser,  ich  bin  froneboU  Und  bring  m  boteschaß  ton  gote. 

In  verhältnismässig  zahlreichen  fällen  bilden  die  einander 
variierenden  aussagen  glieder  einer  hypotaktischen  periode, 
sind  übergeordnete  sätze,  zu  denen  ein  nebensatz  die  gemein- 
same ergänzung  bildet: 

Laar.  602  So  teil  ich  in  dienen  gerne  Und  teil  in  teesen  undertan 
(Die  teile  ich  daz  leben  han).  —  EUh.  962  Ob  sie  in  lebende  runde,  Sie 
machte  in  teol  gesunde  Und  hülfe  im  schiere  uz  der  nod.  —  Lanx.  3342 
Wan  ez  was  ein  ellich  m<ere  Und  retten  al  die  ritter  daz,  Daz  ez  der 
tremde  tote  baz.  —  H.  v.  F.  1343  Die  helde,  die  mit  ritters  tat  Jr  man- 
heit  so  gewirdet  hat  Und  ritterlich  erworben  han,  Daz  sie  gesitzen  dar  an. 

—  Diokl.  455  Das  sy  dir  gantz  für  war  geseit  Und  solt  ouch  des  sicher 
sin,  Das  mir  uff  die  triuwe  min  Kein  creatur  lieber  ist. 

Oder  nebensätze,  die  zu  einem  übergeordneten  satz  als 
bestimmung  hinzutreten: 

Kol.  6121  Verfluochet  ist  thiu  muother  thie  in  truoh  Unt  tha  tan  er  ie 
geborn  wart.  —  Kehr.  10545  Nu  habent  si  mich  gezalt,  Ich  habe  enphangen 
din  gewalt  Und  si  an  dinen  siuol  gesezzen.  —  Laar.  1760  Wir  suln  ton 
1  Murine  sagen,  Wie  dem  sin  dinc  ergie  Und  sich  sin  leben  anetic.  —  Herb. 
169  Dem  kunige  was  til  leit,  Daz  Jasones  lop  was  breit  Von  landen  zu 
landen  Und  daz  man  erkande  Uber  al  sinen  namen.  —  Erec  671  (Mennec- 
lich  ze  freuden  vie,)  Dar  nach  als  in  duhte  guot  Und  in  lerte  sin  muot.  — 
ebda.  853  .SY  wände  er  wa*re  erslagen  Und  er  belibe  des  slages  da.  — 
H.  v.  F.  272  (Und  als  er  in  sin  herze  las  Und)  die  Sünde  geachte  Und  daz 
unrecht  betrachte.  —  ebda.  1270  Der  schal  so  michel  und  der  doz,  Daz  sie 
die  mere  liezen  ligen  Und  der  rede  wart  geswigen  Von  disem  enlenden  man. 

—  W.  gast  770  (Daz  si  tememen,)  waz  si  guot   Cml  waz  rehte  si  getan. 

—  ebda.  1026  (Nu  teil  ich  sagen,)  waz  diu  kint  Suln  verneinen  undc  lesen 
Und  waz  in  mac  nütze  wesen. 

□)  Es  stehen  sich  satzgruppe  und  einzelner  satz  gegenüber: 

Eilh.  21  (Die  seibin  warne  ich  hie  mite,)  Daz  sie  den  seibin  bosin 
setin  Eine  wile  tarin  lazin  Und  sich  mlcher  wise  mazin  Die  an  in  waruiel- 
bere  8 int  —  Flore  1293  Verga-ze  ich  iuwers  libes  Durch  minne  eines  andern 
wibes  Durch  daz  ich  iwer  nien  sa-he,  Und  ob  mir  daz  gesefurhe,  Des  wolt 
ich  iemer  truric  sin.  —  W.  gast  788  Da  wider  git  ir  bilde  dez  guote,  Das 
si  tuo  reht  unde  wol,  Und  zeigt  ir  waz  si  tolgcn  sol. 

a)  Es  stehen  sich  satzgruppe  und  satzgruppe  gegenüber: 

Kehr.  10175  Ilechuchet  sich  dirre  tote,  Wir  tolgen  dinem  rate,  Und 


zed  by  Googl 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


471 


Der  oning  obir  al  gebot,  Daz  sich  die  Wigande  Vlizzen  in  dem  lande, 
Stcer  von  Kurnevali  s  queme,  l)az  man  im  den  Hb  neme.  IocJt  bat  he  sine 
libin  höldin,  Daz  si  wol  bewarin  woldin,  Stenz  man  ir  geringe,  Daz  man 
die  balde  hinge,  Oder  sie  singe  ane  rechtes  zil. 

In  einzelnen  fällen  ist  zu  dem  und  noch  eine  weitere  be- 
stimmung  hinzugetreten,  die  erst  recht  glauben  lässt,  dass  der 
zweite  satz  etwas  neues  bringt: 

H.  v.  F.  128  Und  er  zwivalter  liebe  enpfant,  Des  nam  in  selber  wunder 
Und  wundert  in  be sunder,  Daz  er  leit  herzeliche  not  Umb  ietweder  Isot.  — 
Ring  5  b,  7  Daz  er  wainet  und  auch  gräin, 

bb)  Die  zweite  aussage  bietet  weniger  als  die  erste: 

W.  Gen.  151  Unde  zierten  tach  unde  naht  Mit  perehteler  chraft, 
linde  seinen  vile  ziere.  —  Tr.  3057  Die  nam  aber  do  wunder,  Daz  in  daz 
kint  besunder  Und  mit  bescheidenheite  So  manec  jagerecht  vurleüe  Und 
daz  ez  so  vil  wiste  Von  sus  getanem  liste. 

cc)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

k)  Die  zweite  aussage  ist  ausführlicher,  geht  mehr  in  die 
einzelneren  als  die  erste: 

Alex.  199  Der  lertin  mit  gewaven  faren  Unt  wie  er  sich  mit  einem 
seilte  solte  bexcaren  Unt  wie  er  sin  sper  solte  tragen.  —  Nib.  127, 1  Allez 
daz  wir  han,  Daz  si  tu  utulertan,  Und  si  mit  tu  geteilet  Up  unde  guot.  — 
Herb.  308  Mit  guter  geseüeschaft  bereit,  So  sie  sie  beste  funden  Und  er- 
kiesen künden,  Daz  sie  waren  deheine  zagen.  —  Erec  466  Und  sagte  sin 
geverte  gar  Unde  daz  er  komen  dar  Mit  sinr  amien  wäre  7>e  nemen  den 
sparweere.  —  ebda.  1118  Unz  si  im  gesagte  meere  Wie  ez  ergangen  wäre 
Und  waz  ir  geschach  ze  leide.  —  ebda.  1264  Und  lobtens  unsern  trehtin 
Daz  im  also  jutigen  So  schone  was  gelungen  Utu2  daz  im  sin  erstiu  ritler - 
schaft  Mit  l ob el icher  heiles  kraft  Iedoch  also  gar  ergie.  —  Parz.  169, 29 
Er  sagete  im  gar  diu  underscheit  Utxd  wie  er  von  siner  muoter  reit.  — 
Tr.  4159  (Uerre,  ich  mühte  iu  wunder  sagenj  Wie  sich  die  dinc  hat  her 
getragen  Und  wie  ez  sich  gefueget  hat  Umbe  Tristanden,  der  hie  stat. 

a)  Die  erste  aussage  enthält  eine  allgemeine  angäbe,  die 
zweite  den  einzelfall,  in  dem  das  allgemeine  in  erscheinung  tritt: 

Nib.  2028,2  Ich  han  uf  ere  lazen  nu  lange  miniu  dinc  Und  han  in 
rolkes  stürmen  des  besten  vil  getan.  —  Lanz.  346  Bereitent  mich,  dest  an 
der  zit,  Und  sagent  mir  swaz  ir  guotes  meget.  —  Ring  6,  35  Ich  pin  ein 
schuldig  man  Und  han  gesundet  aus  der  mass  Wider  euch  auf  diser  strass. 
—  Waith.  3, 23  (Da  von  wirt  er  geuneret,)  Der  utis  da  sünde  leret,  Und 
der  uns  uf  unkimclte  jaget. 

a)  Die  zweite  aussage  enthält  eine  bestimmung  mehr  als 
die  erste,  ein  fall,  der  hier  ziemlich  stark  vertreten  ist. 

Dieses  mehr  besteht  zumeist  in  einer  adverbiellen  be- 
stimmung: 


Digitized  by  Google 


472 


BEHAGHEL 


Nib.  91, 2  Die  edelen  fürsten  junc  Den  scaz  in  baten  teilen,  den  xcoet- 
lichen  man,  Und  gerten  den  mit  vlize.  —  Iwein  301  Da  sluoc  er  an  daz 
et  erhol  Und  daz  ez  in  die  burc  erschal.  —  Engelb..  809  Geschalte  ir 
eime  Sterbens  not  Der  ander  leege  für  in  tot  Und  wolte  harte  gerne 
ligen.  —  ebda.  1135  Sus  saz  si  redende  aUe  tage  Und  treip  verholne 
dise  klage  Mit  herzen  und  mit  munde.  —  Diokl.  223  (Üwer  rede  teil  mir 
gefallen)  Daz  ir  üch  aüe  also  erbietent  Und  üwer  ieglicher  sich  teil  nietten 
Zu  leren  mynen  lieben  sun.  —  ebda.  626  Doch  trüwe  ich  üch  wol 
uff  enthalten  Mit  mynen  künsten  manigfalten,  Daz  ir  den  ersten  tag  nit 
sterbent  Und  so  ellentklichen  nit  rerderbent.  —  Ring  4  d,  18  Uilffa,  herr, 
und  hilffa  schier.  —  ebda.  7b,  33  Tuon  wir  wellen,  waz  wir  schullen,  Und 
ewer  gpott  mit  ernst  herßllen.  —  Ms.  F.  5,28  Sus  kan  ich  an  rrönden 
uf  stigen  joch  abe,  Und  bringe  den  wehsei,  warn  ich,  durch  ir  liebe  ze 
grabe.  —  Waith.  18,28  Sins  hundes  louf  sins  hornes  diu  Erheüe  im 
und  erschelle  im  wol  nach  eren.1)  —  ebda.  27,23  Daz  kan  trüeben  muot 
erfitditen  Und  leschet  dllez  truren  an  derselben  stunt.  —  ebda.  38,14  (Er 
armet  an  der  sele,)  Der  dir  volget  unz  anz  ende  mite,  Und  der  dir  aller 
diner  fuore  stat  mit  willen  bi. 

In  anderem: 

EUh.  27  sulche  rede  Die  nutze  ist  vernomen  Utid  guten  liuten  wol 
mag  vromen.  —  Diokl.  76  Und  verschied  und  nam  ein  reines  ende. 

i)  Die  zweite  aussage  nimmt  eine  bestimmung  der  ersten 
nicht  wider  auf,  bringt  aber  eine  neue: 

Ms.  F.  37,4  (Ez  slttont  ein  frouwe  aUeine)  Und  warte  über  heide 
Unde  warte  ir  liebe. 

ß)  Die  eine  aussage  ist  positiv  gehalten,  die  andere  negativ: 
aa)  Die  positive  geht  voraus: 

Iwein  544  (Sit  din  gemücte  stet  also,)  Daz  du  nach  ungemache  stre- 
best Und  niht  gerne  sanfte  lebest.  —  ebda.  666  Ich  hete  von  des  weteres 
not  Mich  des  libes  begeben  Unde  enaht  niht  uf  min  leben.  —  H.  v.  F.  40 
Sint  daz  er  diz  buoch  vorlie  Und  sin  niht  hat  voltichteL  —  Ring  4,4 
(Wilt  du  reiten  umb  die  er,)  So  halt  dich  her  utul  wart  nit  mer.  —  Erinn. 
932  Der  muos  immer  sin  geschrenchet  In  der  ewigen  notschrange  Unt  chuni 
ouch  nimmer  danne.  —  Ms.  F.  18,27  Wie  minne  ein  scelekeit  weere  Unde 
harnschar  nie  erkos.  —  ebda.  20,  21  Ist  danne  daz  er  triuicen  pfliget  Und 
den  niht  wil  entwenken.  —  Waith.  29, 25  Ich  trunke  gerne,  da  man  bi  der 
maze  schenket  Und  da  der  unmaze  niemen  iht  gedenket.  —  ebda.  33, 14 
Wir  volgen  ime  und  komen  Niemer  fuoz  uz  sinem  spor. 

bb)  Die  negative  geht  voran: 

Lanz.  237  (Swer  da  wonet  einen  tac),  Daz  er  niemer  riuwe  pflac  Und 
imer  vraliche  warp  Unz  an  die  stunt  daz  er  erstarp.  —  Iwein  538  (Si  dir 


>)  Hier  wäre  es  auch  möglich,  die  adverbielle  bestimmung  zu  beiden 
verben  zu  ziehen. 


jd  by  Googl 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


nu  nahen  ode  bi  Klint  umb  »eilte  wage  iht,)  Daz  verstcic  mich  niht  Unde 
wise  mich  dar.  —  Flore  1400  Em  mohte  sich  getrosten  niht  Lud  begunde 
sieh  wenen  An  clagen,  truren  unde  senen  Mit  muutvcster  statte.  —  Erinn. 
739  Daz  mir  so  icol  geschalte,  Daz  ich  den  tivel  itht  an  sarhe  Unt  sin 
antlutze  rerbare.  —  Ms.  F.  18,22  Ich  wil  ir  niemer  abc  gegan  Und  biut  ir 
Steden  dienest  min. 

2)  Mit  ouch: 

W.  Gen.  1712  Einen  sun  gebare  Der  mtrde  scarf  unde  grimmich, 
Wider  daz  Hut  umalich,  Er  wurt  ouch  in  ungnadich. 

3)  Mit  oder: 

a)  Die  aussagen  decken  sich: 

W.  Gen.  202  Daz  dehein  eiter  Si  so  pittir,  Daz  ime  seade  Oder  irider 
ime  chraft  habe.  —  Rol.  5670  Kumet  uns  iemen  mere  withere  Wane  thu 
eine,  Other  levet  there  seilen  theheiner?  -  ebda.  6091  Owe  thaz  ih  thih  ie 
gesah  Other  ie  theheine  künde  thin  gewanl 

ß)  Die  zweite  bringt  eine  bestimmung  mehr: 

Kehr.  11253  Unt  gclobeten,  daz  er  daz  laut  Niemer  mer  mit  in  ge- 
wunue,  Swer  80  dannen  entrunne  Oder  geswiche  an  ir  not. 

4)  Mit  noch: 

a)  Die  aussagen  decken  sich: 

W.  Gen.  615  Duo  si  neduanch  Nehein  ubel  gedanch,  Noch  unter  ire 
brüst  Chom  nehein  ubel  gelust.  —  Exodus  327  Daz  er  dan  nesunne  Noh 
ime  intrunne.  —  Rol.  6006  Niemer  gerate  ih  iz  thir  Noh  ist  iz  min  wille. 
—  Kehr.  10660  Er  swuor  daz  er  ir  guotes  nie  niht  geteehe,  Noch  si  int 
nie  niht  enphulhe  noch  gegnbe.  —  ebda.  10710  Du  nemaht  dich  min  niht 
erteern,  Noch  dich  selben  niht  entern. 

ß)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

W.Gen.  2630  Got  da-  netcollc  Noh  porlange  nedulte.  -  H.  v.  F.  97S 
Tristan  ot  nicht  begerte  Isoten  noch  entcolde,  Als  er  er  rechte  sohle,  Ge- 
meinschaft Itaben  nicht  mit  ir. 

5)  Mit  wan: 

a)  Die  beiden  aussagen  decken  sich: 

Eilh.  18  Bosheite  mag  man  si  geliehen  Und  dar  umbe  trol  schelten, 
Wan  sie  sin  billicJie  engelten.  -  Flore  850  Der  muostens  wesen  totdertan, 
Wan  sie  was  ir  getealtig.  —  Ms.  F.  37,  23  Min  tritt,  du  soll  gäouben  Dich 
amlerre  wibe,  Wan,  helt,  die  solt  du  miden.  —  Ms.  F.  58, 2  He  iesch  an 
mi  to  lose  minne.  Dat  quam  ron  sinen  kraulcnt  sinne,  Wan  et  ime  sin 
tumpheit  riet. 

ß)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr,  enthält  mehr  einzel- 
heiten  oder  eine  weitere  bestimmung;  in  diesen  fällen  ist  es 

Beiträge  für  geichichte  der  HeuUchen  spräche.    XXX.  32 


Digitized  by  Google 


474 


HEHAÜHEL 


uns  wenigstens  einigermassen  möglich,  den  zweiten  satz  als 
begründung  zu  empfinden: 

Lanz.  290  Wan  daz  er  umbe  ritterschaft  Enteiste  weder  ditz  uoc/i 
daz,  Wan  er  uf  ros  nie  gcsaz,  Harnaseh  er  niht  bekande.  —  DiokL  276 
(  werft  rates  sint  wir  fro,  Wenn  er  ist  nütz  and  gefeüet  uns  teol.  —  Ms.  F. 
66)  1  Der  seh(rne  sumer  gel  uns  an:  Des  ist  vil  manic  rogel  blide,  Wan  si 
rrüuwent  sieh  ze  stride  Die  sehet  nen  zit  vil  wol  enpfan. 

6)  Mit  da  von: 

W.  gast  1149  (Swer  an  tihten  ist  geruoe,  Der  gewinnet  immer  gnuoe 
Materje  an  der  warheit:)  Diu  lüge  si  von  im  gescMeit.  Da  von  sol  ein 
hü f seh  man,  Der  sich  tüiten  nimet  an  Vü  wunderwol  sin  bewart  Daz  er 
niht  kome  in  die  rart  Der  lüge. 

b)  Hypotaktisch: 

Es  kann  geschehen,  dass  der  inhalt  des  hauptsatzes  im 
nebensatz  widerholt  wird: 

1)  In  einem  relativsatz: 

Kehr.  10912  (Waz  sol  din  her  noeh  werden,)  So  din  sele  brinnet  in 
der  helle,  Diu  da  iemer  mer  wellet.  —  Nib.  100, 1  NocJi  weis  ieh  an  im 
mere,  da:  mir  ist  bekant.  -  Eilh.  1134  Do  bat  der  here  nicht  me  Mit  im 
an  daz  schif  tragin  Wen  sine  harfin,  horte  ieh  sagin,  Und  sin  swert  des 
he  begerte.  —  Lanz.  1520  Do  wart  von  im  zerbrochen  Manie  schilt  daz  er 
zeeloup.  —  H-  F.  1073  (Swenne  mir  der  sa>lden  tac  betaget,)  Daz  mir  gc- 
truwet  würde  eine  maget,  Die  ich  minem  libe  Zu  vrouwen  wul  zu  teilte  In 
rechter  e  sohle  han.  —  Diokl.  362  Und  giengent  zuo  dem  keiser  dar  Do 
sy  den  keiser  fumlen. 

2)  In  einem  satze,  der  mit  daz  eingeleitet  wird: 

W.  Gen.  1031  Duo  hiez  er  den  engel  cherubin  Dafore  sten  werigen 
Mit  furinime  suerte,  Daz  er  daz  pewarte,  Daz  ter  niemen  in  ehome.  — 
ebda.  3707  AI  daz  er  hete,  Daz  pevaüi  er  zuo  siner  geweite,  Daz  ime  al 
daz  wäre  undertan  Daz  der  ime  scolte  dienen.  —  Erinn.  116  (Swer  in  ze 
gebene  hat)  Der  mac  tuon  swaz  er  wil,  Daz  er  dehüine  wis  so  vil  Mac 
getuon  böser  dinge,  Ez  buzen  die  phenninge.  —  ebda.  554  Sus  getane 
räche,  Wer  mac  sich  da  vor  entreden,  Daz  er  von  solhen  suclUen  Uibe  fri. 
—  Ms.  F.  45, 21  Ah  ungeloubic  ist  ir  Up  Daz  si  der  zurifcl  dar  uf  bringet 
(Daz  si  hat  alselhen  nit).  —  Waith.  9, 10  Ich  saeh  mit  minen  ougen  Mantie 
und  wibe  tougen  Deich  gehörte  und  gesaeh  Swaz  iemen  tet,  swaz  iemen  sprach,1) 


3)  In  causaler  anfügung: 


»)  Verwant  mit  unserer  erscbeinnng  sind  stellen  wie  Eilb.  1054  Zu 
lest  begunde  im  stinken  Daz  geluppe  uz  der  wunde,  Daz  niman  enkwnde 
Im  von  stänke  nalen. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEK  MTW.  DICHTUNG. 


475 


B.  Die  widerholung  kann  geschehen  in  verschiedener  ge- 
staltung  des  Vortrags. 

a)  Die  Verschiedenheit  der  gestaltung  kann  darin  bestehen, 
dass  die  tatsache  das  eine  mal  unmittelbar  erzählt  wird,  das 
andere  mal  mittelbar,  in  der  art,  dass  die  Wahrnehmung  eines 
anderen  über  die  tatsache  mitgeteilt  wird: 

Anno  4ö5  Duo  gelach  dir  manig  breit  scari  Mit  bluote  binmnin  gnri, 
Da  mohte  man  sen  douwen  Durch  helme  tKirhouwen  Des  richin  Pompeiis 
man.  —  Herb.  187  Peleas  gedachte  ouch  mere,  Wie  ein  lant  teere  In  eime 
(eise  uf  dem  mer  Harte  veste  von  gewer;  Ez  was  ein  wol  bewart  lant. 

b)  Es  geschieht  das  eine  mal  die  mitteilung  in  directer 
rede,  das  andere  mal  wird  über  den  inhalt  der  gedanken  und 
der  worte  bloss  berichtet. 

1)  In  der  grösseren  zahl  der  fälle  geht  der  bericht  voraus : 

a)  In  manchen  beispielen  sind  bericht  und  rede  ungefähr 
gleich  ausführlich: 

Eilh.  1227  Und  bat  sie  getruwer  rete  Waz  he  zu  dem  bestin  tete  Um 
die  grozin  hungirnot.  'Der  litte  ist  mir  vele  tot',  Sprach  der  koning  riche, 
'Nu  ratet  alle  geliche,  Wes  wir  werdin  in  ein.'  —  ebda.  1482  Tristrant  dem 
sturmanne  entbot  Daz  he  Irlunt  vormede,  Ab  he  den  tod  nicht  gerne  lede. 
Ue  sprach:  'ich  habez  wol  vornomen  Ab  wir  mit  schiffen  darc  komen,  Daz 
wir  vorlisen  den  Up.'  —  Engelh.  1192  Da  von  diu  tugenthere  Über  ein  vil 
baUle  kam,  Daz  Engelhart  ein  süezer  nam  Wcerc  danne  Dieterich.  \Ye, 
sprach  si  tougen  icider  sich,  Engelhart  der  name  guot  Vil  sanfter  in  den  oren 
tuot  Danne  Dieterich  für  war.  —  Diokl.  171  Der  keiner  si  fruntlichen  ent- 
pfieng,  Gar  zuchtenklichen  er  zuo  in  gieng.  Er  sprach  sint  mir  alle  wilkumen. 

ß)  In  einem  teil  der  beispiele  enthält  der  bericht  nur  die 
allgemeine  ankündiguug  dessen,  was  die  rede  ausführlicher 
darlegen  wird: 

BoL  5300  Thie  Karlingen  gaven  ime  lof  unt  ere.  Sie  sprachen  alle  bi 
eineme  munde:  So  wole  there  teile  unde  stunde,  Thaz  Kuolant  ie  wurthe 
geboren!  Er  ist  uns  ze  tröste  here  komen.  —  Rotb.  716  Unde  sagete  in  allen 
sine  not,  Die  dar  hette  der  helid  got.  Her  sprach:  nu  vi  mimet,  turin  Wi- 
gande, Ich  moz  uzime  lande  In  einis  recken  wise  varen.  Ich  wene,  der 
kuninc  Constantin  Gehoubitit  habe  die  boten  min.  —  Nib.  77,  4  Do  saget 
ez  im  ir  einer  (wo  der  könig  zn  finden  sei).  Welt  ir  den  künec  rinden,  daz 
mac  vil  wol  gescehen.  In  jenem  sale  witen  han  ich  in  gesehen.  —  ebda. 
114,4  (Dem  sol  ez  allez  dienen,  die  Hute  und  ouch  diu  lant)  Daz  wider- 
redete  Hagene  unde  Gernot  ze  hant.  Wir  han  des  niht  gedingen,  sprach 
do  Gernot,  Daz  wir  iht  lande  ertwingen,  daz  iemen  drumbe  tot  Gelige  vor 
beides  banden,  wir  haben  richiu  lant.  —  ebda.  119,4  (Nach  swerten  rief 
do  sere  von  Metten  Ortwin:)  Do  understuond  ez  Gernot.  Er  sprach  ze  ürt- 

32* 


Digitized  by  Google 


476 


BEHAGHBL 


wine:  'tat  iuwer  zürnen  sian;  Uns  enhat  der  herre  Sivrit  solhes  niht  getan. 
Wir  miigenz  noch  wol  sceiden  Mit  zühten,  dest  min  rat/  —  ebda.  153,4 
Do  bat  er  im  der  m&re  den  künec  Gunther  verjehen.  Mich  nimet  den  tuichel 
wumler,  spracJi  do  Sivrit,  Wie  habt  ir  so  verlieret  die  vrcelichen  sit. 

y)  In  zwei  fällen  bietet  die  rede  ein  tatsächliches  mehr 
und  zwar  beide  male  die  angäbe  eines  grnndes: 

Roth.  961  Do  reiten  ime  de  herren  daz  her  ir  also  pflege,  Daz  sie  ez 
vur  got  nemen.  'Wir  newizzen  umbe  Jiothere  net.  Die  ist  ein  vreislicher  diet\ 
Den  8tä  wir  grozliche  geben,  Daz  sie  uns  lazen  daz  leben.  —  Parz.  117, 22 
Den  gebot  si  allen  an  den  lip  Daz  se  immer  ritters  wurden  lut.  Wan 
friesche  daz  mins  herzen  trut,  Welch  ritters  leben  weere,  Daz  wurde  mir 
vil  swarc.  Nu  habet  iudi  an  der  witze  kraft  Und  helt  in  alle  riterschafl. 

ö)  Zumeist  ist  die  zweite  fassung  die  knappere: 

Eilh.  667  Des  enwil  ich  tun  nit,  Swaz  so  mir  dar  umme  geschit.  So 
sprach  der  helt  gute,  Daz  fie  des  nicht  wolde  lazin  sin.  —  Engelh.  1091 
Des  sjwach  si  dicke  wider  sich:  Ach  herre  got,  wie  gar  bin  ich  ...  (es  folgt 
bis  1134  eine  rede,  in  der  Engeltrut  klagt,  «las»  sie  zwei  iniinner  ungleich 
liebt;  gott  möge  sie  bald  einen  unterschied  zwischen  beiden  ausfinden  lassen, 
damit  sie  den  einen  vorziehen  könne,  der  andere  ihr  ein  graus  werden 
möchte.  Dann  wird  fortgefahren  1135—1152:)  Sus  saz  si  redende  alle  tage 
Und  treip  verholen  dise  klage  Mit  herzen  u>ul  mit  munde.  Si  dahte  zaller 
stunde  Wie  si  des  begunde  Daz  si  gescheiden  kutule  Die  knaben  UM  be- 
suiuter,  Also  daz  ir  dar  under  Der  ander  misseviele  Und  daz  ir  herze 
wiele  Von  gründe  nach  dem  einen;  Si  wolte  ungerne  meinen  Si  beide  sament 
geliche.  Diu  süeze  tugentriche  So  rehte  husche  was  benamen  Daz  sich  ir 
herze  begunde  schameti,  Daz  ez  solte  brinnen  Nach  ztecier  manne  minnen. 

Zweites  capitel. 

Wideraufnahme. 

Hier  ist  von  bedeutung  die  grosse  der  entfernung,  die 
zwischen  der  ersten  aussage  und  der  wideraufnahme  liegt.«) 

A.  Zwischen  die  beiden  aussagen  sind  nur  einige  worte 
eingeschaltet,  die  einen  der  ersten  aussage  unmittelbar  vonin- 
liegenden satz  ergänzen:  die  beiden  aussagen  decken  sich: 

Anno  127  (Her  saminodi  schilt  unti  sper,  Halspergi  unti  brunigen,) 
Duo  gart  er  sich  ci  Sturme,  [Die  Mmi  stalin  heirtij  Duo  Stifter  heriveirti.*) 

')  Die  zwischen  den  beiden  einander  variierenden  aussagen  stehenden 
teile  der  rede  schliesse  ich  in  den  folgenden  beispielen  stets  zwischen  eckige 
klammern  ein. 

*)  Vgl.  Anno  237  Daz  Vierde  dier  ein  ebir  was,  Iz  haviti  isime 
awin,  Daz  ne  condi  nieman  gerahin,  Isirni  ceine  vreissam;  Wi  soldiz 
iemir  werdin  sam? 


zed  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEli  MHD.  DICHTUNG. 


477 


B.  Zwischen  die  beiden  parallelen  aussagen  sind  ganze 
Sätze  eingeschaltet: 

I.  Ein  nebensatz  steht  zwischen  den  beiden  aussagen 
derart,  dass  er  der  ersten  untergeordnet,  der  zweiten  über- 
geordnet ist: 

Herb.  820  Daz  meinen  so  sich  me  emcart,  Er  genese  miner  lere,  Swie 
sicli  er  teere,  An  libe  und  an  der  hut. 

II.  Ein  nebensatz  steht  dxo  xotrov  zwischen  den  beiden 
aussagen,  die  einander  gleich  geordnet  sind,  derart,  dass  er 
formal  zu  der  ersten  wie  zu  der  zweiten  aussage  gezogen 
werden  kann.  Es  ist  also  möglich,  dass  satzfügungen  vor- 
liegen, wie  sie  Heliandsyntax  §  531  verzeichnet  sind.  Wahr- 
scheinlicher ist  es  mir  aber,  dass  in  den  meisten  fällen  der 
nebensatz  als  ergänzung  der  ersten  aussage  gedacht  ist;  dann 
liegt  die  gleiche  erscheinung  vor  wie  unter  C. 

a)  Die  beiden  aussagen  decken  sich: 

1)  Sie  sind  beide  positiv  oder  beide  negativ: 

W.  Gen.  3264  Der  het  einlife  sune,  Der  si  haben  maliten  michcle 
frume,  Die  gerne  mit  in  lebeten,  [Vb  die  man  sieh  besniten  Nah  hebreis- 
keme  site  Forne  an  der  scante.J  Si  buweten  gern  in  ire  lante.  —  Hol.  6161 
Nu  hilf  mir,  froutee  sente  Marie,  Thaz  ih  then  geist  min  Muoze  geben 
withere,  [E  (her  heUhcnc  Marsilie  Über  thie  cristene  rihsente  wcriJtc:}  Min 
lichename  wnihe  E  begraben  in  there  erthe.  —  Kehr.  9998  Der  icart  der 
werlt  widerzame,  [Swaz  mennis  da  mit  icare,}  Der  wäre  ain  unvertregelich 
man.  —  Alex.  834  »SV  beseiteten  sich  in  den  se,  Daz  man  si  in  allem  tage 
niene  sach,  [E  man  die  gntnd feste  zebrach],  Si  seneten  sich  in  des  setves 
grünt  (Und  chomen  after  uz  wider  gesunt).  —  Laar.  722  Saga,  [hastu  die 
stcesler  min?]  Daz  soltu  mich  trizzen  lan.  —  ebda.  861  Des  hete  wir  michel 
schände,  [Swa  man  ez  in  dem  lande  Seite  für  ein  zageheit,}  Daz  w<rrc  uns 
ein  smacheit.  —  Eilh.  103  Du  wart  jamer  unde  not,  (Do  die  froutee  lag 
tod,J  Sie  warin  alle  untro.  —  ebda.  342  Wen  ez  mit  nichte  vormeit  [Swaz 
ez  gutes  mochte  getu  Heide  spate  und  ouch  vruj  Des  en  Hz  he  dorch  nichein 
ding.  —  ebda.  1511  Wir  bedürfen  wol  wiser  sinne,  [Sülle  wir  komen  hinnen,} 
Daz  muz  mit  grozin  listen  geschin.  —  Herb.  320  Daz  mare  sich  breite,  \E 
er  wäre  vollen  gekleitj  Do  was  daz  rnwre  harte  breit.  -  ebda.  543  Der 
kunic  eine  tochter  hate  Harte  wise  an  rate,  [Als  mir  daz  buch  saget,}  Sie 
was  ein  harte  wise  maget.  —  Parz.  120,  3  Da  mit  er  mangen  hirz  erschoz, 
Des  sin  muoter  und  ir  volc  genoz,  [Ez  wäre  ajber  oder  sne,]  Dem  wilde 
tet  sin  scJiiezen  we.  —  ebda.  161,17  {Gcwapent  reitz  der  tumbe  man  Den 
tac  so  verre,)  ez  hete  lan  Ein  bloz  wiser,  [solt  erz  hau  gcriten  Zwene  tage,} 
ez  weere  vermiten.  —  Flore  1302  Ouch  sulent  ir  mich  erlazcn,  [Daz  ich  iu 
fürhten  muozj  Des  tuont  mir  rat  unde  buoz.  —  Diokl.  1079  Die  werdent 


Digitized  by  Google 


478 


BEHAUHEL 


erst  verfluchen  die,  [Die  intern  sun  lassent  leben  hie  Und  in  wol  ntöchtcnt 
getöttet  hau,]  Iber  die  trirt  das  fluochcn  gann.  —  Ma.  F.  40,  G  Sin  teüU 
derst  ergangen,  [Als  wirz  uns  beide  hau  gedaJit,]  So  hat  erz  an  ein 
ende  braJit. 

2)  Die  eine  ist  positiv,  die  andere  negativ: 

a)  Die  positive  geht  voraus: 

Exod.  1452  Die  boten  er  entleerte,  [Des  er  in  vor  gehiez.J  Nicht  er 
des  tie  icar  liez.  —  Roth.  10(55  Owi  tee  tump  wer  do  waren,  [Daz  wer  unse 
lochte r  virsageten  Rothcre,  Der  dise  rirlreif  über  mere,]  ls  negewelt  nicht 
groz  wisheit, ')  —  Nib.  2034, 2  Ich  wib  gerne  leisten,  [Swaz  ich  gelobet  hau,} 
Dunh  deheinc  vorhte  wil  ihs  abc  gan.  —  ebda.  2051,  l  Do  gedahtr  Hagene: 
du  muost  des  todes  wesen.  [Dich  envridc  der  übel  tiuvcl,]  Dune  kaust  niht 
genesen.  —  Iwein  1338  Daz  er  sin  selbes  gar  vergaz)  Und  daz  vil  kumc 
versaz,  fSo  si  sich  rouf'te  unde  sluoc,]  Vil  ungerne  er  ir  daz  vertruoe.  — 
Waith.  35,33  Ir  mutzet  in  die  Hute  sehen,  (weit  ir  erkennen  wol,}  Nieman 
uzen  nach  der  vance  loben  sol. 

ß)  Die  negative  geht  voraus: 

Nib.  58,  1  Des  enist  mir  niht  ze  muole,  [Daz  mir  stden  recken  ze 
Hine  folgen  mit  Durh  deheine  hercart,]  daz  wäre  mir  vil  leit.  —  ebda. 
77,1  Der  sol  mich  niht  verdagen,  /  Ha  ich  den  künectimle.J  Daz  sol  man 
mir  sagen.  —  Laur.  108  In  mohte  niht  belangen,  (Swer  in  solte  sehen  an,} 
Der  muoste  al  sin  truren  lan. 

b)  Die  zweite  aussage  bietet  weniger  als  die  erste: 

Nib.  107,  1  Mir  wart  gesaget  mare  in  mines  vater  laut,  /Du-:  hie  bt 
in  wann  Die  küenesten  recken, ]  des  hau  ich  vil  vernomen,  {Die  ie  kunec 

gewänne). 

Hier  findet  nach  der  wideraufnahme  noch  eine  fortsetzung 
des  zwischenstehenden  nebensatzes  statt, 

Lanr.  125  Witegc  der  wigant  Sluoc  dierosen  abe  zehatü  In  dem 
rosengarten.  Die  guldinen  borten  Wurden  getreten  in  den  plan;  Daz  ge- 
steine  muost  sin  schineii  lan,  [Also  wir  ez  haben  gehwret;]  Diu  wunne  wart 
da  zestaret. 

c)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

Kehr.  10N04  Du  hast  disses  tages  iemer  mer  scatule,  {Daz  du  vor  mtr 
bist  gestanden./  Du  nemaht  dich  es  niemer  mer  rehaUi,  Du  neicellcsl 
rat  hau.  —  Roth.  211  Dri  tage  unde  nacht  Ilodich  dir,  sprach  der  kauf- 
man,  [Sowar  du  wilt  ritin  oder  gan.]  Ich  wil  diner  schiffe  wol  mit  triuwen 
pldegen.  —  Nib.  42.  2  (  Horte  man  wol  sit,  Daz  si  den  jungen  woiilen  ze 
eime  Zurren  hau.)  l>cs  engerte  niht  her  Sivrit,  der  vil  wa?tlic)ie  man.  (Sit 
daz  noch  beide  lebeten,  Sigmunt  und  Sigclint,}  Niht  icolde  tragen  kröne  tr 
beider  liebez  kint.  —  ebda.  108, 1  Ouch  tuere  icJi  tu  selben  der  degenheäc 

>)  So  ist  der  vers  offenbar  zu  lesen. 


zed  by  Googl 


ZUR  TECHNIK  DEU  MIID.  DICI1TUN0. 


479 


jehen,  [Daz  man  kiinec  deheinen  kurner  habe  gesehen,}  Des  rcdent  vil  die 
Hute  über  elliu  disiu  lant.  —  Laur.  1243  Frou  Künehilt  gienc  sa  zehant 
[Da  si  Dietleiben  vant  In  einer  kemenatej  Dar  Ute  si  vil  drate.  —  Parz. 
168, 29  Si  jähen:  er  wirt  wol  gewert,  fSwa  sin  dienst  genaden  gert,]  Im 
ist  minne  und  gruoz  bereit.  —  Waith.  65, 5  Ez  weer  ein  vil  hovelicher  muot, 
[Des  ich  iemer  gerne  wünschen  solj  Frouwen  und  herren  ZOBVM  ez  wol. 

C.  Zwischen  beiden  einander  gleich  geordneten  aussagen 
steht  ein  nebensatz,  der  formal  Sur  ersten  aussage  gehört, 
sachlich  aber  zu  beiden  aussagen  im  gleichen  Verhältnis  steht: 

L  Die  beiden  aussagen  decken  sich: 
a)  Sie  sind  beide  positiv: 

W.  Gen.  967  Unz  du  erstirbest  Unt  ze  erde  wirdest,  Daunen  du  wurde 
genomen,  [Wuni  du  wäre  ein  stoup,}  So  solt  tu  zuo  asken  werden  ouch. 

—  ebda.  3883  8i  waren  in  sorgen,  [Waz  ir  scolte  werden,]  Si  waren  unvro. 

—  Pol.  5120  (Otto  unt  Ive  Thic  wonetrn  in  iheme  wige  Also  ntines  dreh- 
tines  knehte.)  Tha  mite  havent  sie  gewannen,  {Da»  sie  gotes  antlutzc  scheut 
Unt  iemer  froliche  levent:]  Thaz  worhtc  in  ther  guote  wille.  —  Kehr.  10022 
Silvester  hat  offenliche  ver jehen,  [Er  gerbe  den  toten  wider  daz  leben.}  Daz 
han  wir  alle  uzer  sinem  munde  wol  vernomen.  —  ebda.  10902  Daz  du 
uobest  den  valant,  [Den  mennischen  hant  Mach  zebrechen  und  verbrennen.] 
Daz  hast  du  dir  reweit  ze  herren.  —  Laur.  473  Her  Dietrich  von  Berne 
Het  ez  betoubet  gerne,  [Als  er  von  Hiltprant  Jtete  geheeret.]  Er  wolde  ez 
haben  betaret.  —  Erec  1023  Ir  butent  ir  groz  ungemach,  [Daz  ir  leider 
nie  geschach.]  Wider  si  so  hubent  ir  vil  getan.  —  II.  v.  F.  312  Blanschc- 
manis  die  werden  Gar  lieplich  er  in  herzen  truoc  Mit  rechter  herzenliebe 
gnuoc,  [Als  er  ez  wol  crscheinctc;]  Er  minnetc  unde  meinete  Von  herzen 
die  eil  schäme  maget.  —  W.  gast  157  Swer  junger  lebet  müczeclichen,  Der 
ruowet  alter  lcsterlich*:n,  []\'an  er  niht  tuon  wolde  Do  er  mohte,  da:  er 
sohle.]  Swer  an  unzuht  sin  jugent  wendet,  Der  hat  sin  alter  gar  geschendet. 

iL  Die  zweite  aussage  bietet  weniger: 

Exod.  1128  Du  ne  habest  si  geledigot,  [Also  du  iz  mir  gehiezze,]  Noh 
iz  war  ncliezze  (die  zweite  aussage  ist  allgemeiner  als  die  erste).  —  II.  v.  F. 
85  Wir  han  gehört,  (wie  Tristrant  In  Arundele  daz  lant  Zu  dem  herzogen 
quam)  . . .  (167)  Daz  hab  u  ir  aüez  wol  vornumen.  —  Eriim.  174  Dar  umbe 
heb  wir  uns  ze  ruffe  Unt  sprechen  ez  sul  got  misseccmoi,  (Daz  wir  der 
misse  verneinen,  Die  wir  so  nicht  sehen  leben,  Als  si  von  rechte  sohlen:] 
Dar  umbe  si  wir  in  crbolgen. 

III.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

Kehr.  10628  Und  hcl[e  allen  den,  [Diez  gezogenlicht  vernemen,]  Leben- 
digen und  toten,  Den  genade  got  der  guote,  Der  himclisehe  herre,  Hie  an 
dem  libe,  dort  an  der  scle.  —  ebda.  10804  Du  hast  disses  tages  iemer  mer 
scande,  [Daz  du  vor  mir  bist  gestanden,!  Du  nemaht  dich  es  niemer  mer 
rehaln,  Du  newellest  minen  rat  han.  —  Flore  292  Zwei  geliebe,  der  leben 


480 


REHAGHEL 


Was  von  m innen  kumberlich,  [Diu  sider  wurden  fröuden  rieh.]  Von  der 
m innen  daz  kam,  Diu  in  dicke  was  so  gram. 

I).  Zwischen  beiden  aussagen  steht  ein  nebensatz,  der 
formal  zur  zweiten  aussage  gehört,  sachlich  zu  beiden  im 
gleichen  Verhältnis  steht:  die  beiden  aussagen  decken  sich: 

Lanz.  527  Dar  zuo  han  ich  vermisset  gar  II Vr  ich  bin  und  war  ich 
rar.  [Het  ich  verpfant  min  houbet,  Daz  ez  da  von  war  verlorn,  Ine  seit 
im  wanne  ich  si  gebornj  So  enwist  ich  doch  dar  umbe  niht.  —  Tr.  3108 
(Der  ditiges  nam  ich  so  vil  icar,)  Unz  mich  min  muot  bcgunde  biten  Cnd 
schänden  sta>tecliche  In  fremediu  künicriche;  [Und  wände  ich  gerne  hat* 
crkant  l'nkunde  Hute  und  fremediu  laut,}  Do  tcas  ich  spate  unde  fruo 
Also  bcträhtic  dar  zuo. 

E.  Zwischen  zwei  nebensätzen  steht  ein  beiden  über- 
geordneter satz  dxo  xoivov:  die  beiden  aussagen  decken  sich: 

Laur.  335  Swer  gibt  ir  sit  ein  kücner  man,  [Zwar  der  muoz  liegen 
dar  an,]  Swer  sprichet,  daz  ir  sit  ein  recke. 

F.  Zwischen  den  beiden  parallelen  aussagen,  die  in  neben- 
sätzen niedergelegt  sind,  steht  ein  nebensatz,  der  mit  ihnen 
auf  gleicher  stufe  der  abhängigkeit  steht: 

Waith.  22, 12  ( Wer  kan  den  herren  von  dem  knehte  scheiden, )  Swa 
er  ir  gebeine  blozez  fände,  [Het  er  ir  joch  lebender  künde.]  So  getcurme 
dez  fleisch  verzert. 

G.  Zwischen  den  beiden  aussagen  steht  ein  oder  mehrere 
selbständige  sätze,  deren  inhalt  zu  beiden  aussagen  in  der 
gleichen  beziehung  steht.  Die  weiteren  Unterabteilungen  werden 
einerseits  zu  machen  sein  nach  der  art  der  beziehung,  die 
zwischen  der  tbtd  xoivov  stehenden  aussage  und  den  beiden 
parallelen  aussagen  besteht;  anderseits  ist  es  von  erheblicher 
bedeutung,  in  welcher  art  nach  der  zweiten  aussage  die 
weitere  fortsetzung  geschieht,  ob  und  in  welcher  weise  sieh 
diese  an  das  vorhergehende  anschliesst1): 

I.  Die  in  der  mitte  stehende  aussage  steht  zu  den  beiden 
einander  variierenden  aussagen  in  causalem  Verhältnis: 

a)  Die  einander  variierenden  aussagen  decken  sich: 

1)  Was  auf  die  zweite  der  übereinstimmenden  aussagen 
weiter  folgt,  schliesst  sich  sachlich  unmittelbar  an  die  zweite 
der  einander  variierenden  aussagen  an: 

•)  Ich  habe  diese  weiter  folgenden  partien  nur  daun  ausgeschrieben, 
wenn  schon  aus  wenigen  worten  der  Zusammenhang  klar  wird. 


zed  by  Googl 


ZIR  TECHNIK  DBB  MHD.  DICHTUNG. 


4SI 


W.  Gen.  847  So  hat  er  sich  gemeilegot.  [Der  tiufel  des  lachot.]  So  ist 
er  unreine  (So  nehat  er  geinaine  Mit  heiigen  chitulen.)  —  Exod.  511  Sinen 
(mines  Hutes)  tcuof  ich  han  vemomen,  [Diu  seerfe  der  heidene  ist  in  obe,f 
Jr  scr  han  ich  vernomen.  (Durch  das  bin  ich  here  chomen.)  —  Rol.  5267 
Iiiute  scule  wir  vrolichc  raren.  [Hiute  tccrthe  wir  lulcrc  wcstepam.J  Hinte 
ist  unser  frowethc  tah,  (  Wamle  sih  vrowen  mah  Elliu  thiu  Iwilige  cristen- 
heit.)  —  ebda.  5398  Thaz  tete  ther  herre  umbe  thaz:  [Er  wolte  gerne  wagen 
then  lif.  In  thuhte  es  wäre  zit,  Thaz  in  ther  wirt  periete,  Thaz  er  ime  sinen 
pltenninc  gave.J  Thar  nah  vaht  ther  helet  mare.  (Manegen  wunten  unde 
veigen  Getete  er  unter  then  heithenen.)  —  ebda.  6357  Nune  ruoche  wir  wer 
sie  sin.  [Si  wellent  gemartherd  werthen.  Ouh  sade  wir  ersterben;  There 
sele  phlege  min  drchtin:]  Enruochet  wer  thie  wizcnare  sin.  (Sine  kument 
ouh  niemcr  hinnen.  Uns  rechcnt  thie  Karlinge.)  —  ebda.  6422  Sin  eilen 
gesweih.  Er  wart  varlos  unde  pleih,  Thie  ougen  ime  vergiengen;  [Thone  er- 
kauf er  leithcr  niemcn.J  Sin  tugent  ime  tho  erlasc,  Ze  themc  gesihene  ime 
tho  gebrast.  (liuolant  ime  thannen  half.)  —  Kehr.  10759  Dine  genade, 
herre,  ich  suoclie;  {Du  rihte  mir  über  diu  chappelan,  Der  mir  ungetriwe- 
liehe  min  golt  nam.]  La  dich,  herre,  rebarmen  Über  mich  vil  armen.  (Ja 
nehan  ich  alles  trostes  mere.)  —  ebda.  10971  Ich  mach  im  dise  erde  Duz 
si  niemcr  mer  nehain  icuocher  bringe.  [Daz  habe  im  dirre  minne!  Ich 
gerich  minen  zom:  Ir  habet  alle  samt  den  Up  verlorn.]  Elliu  dise  lantscaft 
Ne  wirt  niemer  mer  berhaft.  —  Roth.  144  Eilf  graven  ime  do  swuoren 
Daz  si  erme  herren  umbe  die  maget  voren.  [Sie  waren  dem  kuninge  alle 
holt;  Daz  machete  silber  unde  golt  Daz  er  in  kunincliche  gap.J  Si  würben 
des  herren  bodescap.  —  ebda.  918  Her  sprach:  kuninc,  man  sagetc  mer  ie 
Von  dir  groze  vrumecheit.  fluider  nu  ist  min  arbeid  Also  groz  zo  mime 
schadin  . . .]  Mir  ist  gesaget,  daz  du  gewaldich  sis.  [Min  dienst  biede  ich 
dich  an.  —  ebda.  1314  Ir  zoch  zo  Diethcriche  die  kracht,  Die  von  degen- 
heite  Gelidin  hatten  arbeite.  [Sic  tu hatten  die  kleider  noch  die  ros.  . .  j  Ir 
zoch  dar  hiene  ein  groz  heris  kraß  Zo  Diethcriche.  Her  gab  en  rrumeliche. 

—  Nib.  2, 1  Ein  vil  edel  magedin,  Daz  in  allen  landen  niht  scha%ners  mohte 
sin,  Kriemhilt  geheizen:  si  wart  ein  sewne  wip  [Dar  umbe  muosen  degenc 
vil  Verliesen  den  Up.  Der  minneclichen  meide  triuten  wol  gezam.  Ir  muotten 
küene  recken:  niemen  was  ir  gram.}  Ane  mazen  schiene  so  was  ir  edel  Up: 
(Der  junevrouwen  fügende  zierten  amleriu  wip.)  —  ebda.  50, 1  Disiu  selben 
mare  gehörte  Sigemunt.  [Ez  reiten  sine  Hute:]  da  von  wart  im  kunt  Der 
wille  sines  kindes,  (Was  im  harte  leit.)  —  ebda.  143,4  Die  wellent  suochen 
her  eulant.  [Ir  habet  ir  zom  verdienet./  Si  tvcllent  herverten  ze  Wormez  an 
den  Hin.  (In  hilf  et  vil  der  degene.)  —  Iweiii  1158  Daz  ist  iuwer  jungeste 
zit.  [Ir  habet  minen  herrn  crslagen.  Man  mac  so  jtvmerlichez  clagen  An 
ininer  lieben  vrouwtn  Und  ame  gesinde  schomvenj  Daz  ir  den  Up  hant 
verlorn.  (Daz  si  iueh  nu  niht  hant  erslagen,  Daz  vristet  niuwan  daz  clagen.) 

—  Lanz.  406  Er  liez  es  heil  wählen.  [Daz  ros  begunde  scre  brogen  Wan 
er  ruort  ez  mit  den  sporn.  Die  vrowen  heten  wol  gesworn  Daz  er  sich  miiese 
erstozen.J  Gelücke  was  der  wise  sin.  (Daz  ros  lief  den  wech  in,  Der  nahe 
bi  dem  seice  lac).  —  ebda.  3115  So  stach  er  manigen  dernider.  [Wer  solte 
setzen  sich  derwider,  Wan  sin  gelücke  nie  vergaz?  Man  sprach  dem  wizen 


482  BEHAGHEL 

ritler  baz  Danne  man  da  icman  tete,  Wan  er  wol  geriten  hete.J  Er  stark 
manegcn  uf  das  gras  (Und  enruohte  wer  in  uf  las.)  —  Tr.  3767  Waz  half 
in  duz?  fern  was  da  niht:/  AI  sin  suocheti  was  ein  tcihl.  (Und  alse  er  sin 
da  niht  envant,  Do  leerte  er  teider  Irlant.)  —  Flore  931  Und  tuont  ah  ich 
iueh  wise.  fJoch  git  der  unwise  Dein  wisen  dicke  guoten  rat,  Des  er  selbe 
niht  enhat.)  Dar  wnbe  so  volgent  mir.  (Enhilfct  ez  niht,  so  tuont  ir  Dar 
nach  iawern  willen.)  —  ebda.  1065  Ez  hat  mich  tntric  gemäht,  So  ich  slafen 
solte  hinaJit,    Daz  mich  beduhte  [ich  sach   Zwo  tuben  inme  troume.  Die 
sament  uf  einem  boume    GescUccliche  nisten.    Ein  habech  aller  nahest 
kam  . . .  I  Dirre  troum  betrüebet  mich.  —  ebda.  1224  Von  amaht  si  nider 
seic  Floren  in  sin  schoze.  fDen  hate  si  ze  genoze  Ir  leides  und  ir  starre. 
Weder  cm  sanfter  wäre,  Daz  ist  niemanne  kunt.J  Si  kam  in  amaht  zuo  der 
stunt.  (Flore  was  ir  allez  bi.)  —  Engelh.  11  Ir  lop  kan  üeben  trüeben  glast, 
Si  wil  uf  erden  werden  gast,  f Die  riehen  wichen  man  ir  siht  . . .  29  Trimm 
ist  an  tugenden  teste  Swie  truobe  ir  lop  nu  glcste.    [Si  leret  dodi  daz 
beste.)  —  ebda.  178  Daz  ich  kiinne  bringen  Den  ratschen  uzer  sime  site. 
Zcware  ich  warn  es  niht  hic  mite,  Daz  ich  von  hoher  triuwe  sage.   /  W  an 
der  ungetriuwe  zage  Ungerne  da  belibet,  Da  man  gerne  tribet  Von  triuwen 
guoter  mare  r/7./  Da  von  so  muoz  ich  unde  wil  Kamen  uz  der  zuotersihi 
Daz  ein  triuwcloser  wiht    Von  disem  mare  uf  triuwe  kome.    (Ich  wil  daz 
den  getriuwen  frome  Dis  aventiurc  aleinc).   —   Erinn.  295  (Daz  ist  ein 
strich  der  hvhverte.)  Ez  sint  die  allermäisten  sunde  Die  man  wider  gotes 
huldc  mac  getuon.  (Dtr  hohvertige  man  ist  des  tivels  suon  . . .  (310)  Von 
dem  diu  ubermuot  anegenge  nam.J    Si  ist  alles  ubelis  rolläist    (  Unt  enhrt 
den  hailigcn  gäist  Iii  dein  menschen  nicht  beliben).  —  \V.  gast  5Kri  Swigent 
man  daz  lernen  sol   Daz  man  dar  nach  wil  si>rec)ien  wol.    /Swer  stcigtnt 
niht  lernen  wil.  Der  spricht  unnützer  dinge  vil.)  Man  sol  daz  zieren  he/nt- 
liehen  Daz  man  wil  sprechen  offeidichen.  (Daz  kint  mit  vorhten  lernen  stA 
Sieaz  er  dernach  wil  spreehen  wol.  —  Ms.  F.  32, 15  (Xu  sage  dem  schämen 
mibe,  Daz  mir  tuot  ane  maze  we)  Daz  ich  si  so  lange  mide.  (Lieber  hrte 
ich  ir  minne  Dan  al  der  vogcle  singen.)  Nu  muoz  ich  von  ir  gescheiden  sin: 
(Truric  ist  mir  al  daz  herze  min.) 

2)  Was  auf  die  zweite  aussage  folgt,  schliesst  sich  sach- 
lich nicht  an  diese  an,  sondern  an  die  in  der  mitte  stehende 
aussage,  so  dass  also  eine  förmliche  verschlingung  zweier  ge- 
dankenreihen vorliegt  (ab  ab)1): 

Exod.  (>87  Daz  Hut  ist  ungehorsam,  (Nicht  vernemen  iz  nerhan 
Swennc  diu  rede  wirt  in  wage,  Sine  geloubenl  daz  ich  in  sage,/  Noch  ne- 
horent  m ine  stimme,  (Chodcnt  ich  vare  mit  trugedinge.)  —  ltoth.  S47  Wände 
unser  was  ein  michil  tel  De  ne  zo  rechte  nebe  sagen  den  kiel.  (Wer  vorttn 
die  preislichen  diet.J  Da  newart  schouwenis  niet.  (Dar  ligit  ein  gebunden 
vor  sime  zorne).  —  Nib.  2069,1  Des  todes  zeichen  truoc  Irinc  der  küenc 
(daz  was  in  leit  gcnuoc.J  Genesen  niht  enkunde  der  Hawartes  man:  i  Dv 


')  Anf  diese  erscheinung  hat  schon  Heinzel  geachtet,  Anz.  fda.  15, 157. 


zed  by  Googl 


ZUK  TECHNIK  DEK  MHD.  DICHTUNG. 


483 


muost  ez  an  ein  strilen  ron  den  von  Tencmarke  gan.)  —  Laur.  1607  Edeler 
fürste  riche,  Tuo  an  mir  tugentliche.  fleh  minen  Up  und  min  leben  Uf  dine 
genade  han  ergeben.  NiJU  laz  crslaJien  daz  volc  gar.f  Nim  diner  tugendc  an 
mir  war  (Dar  umbe  müezen  si  alle  sant  Dienen  diner  edelen  hant).  — 
ebda.  1795  Ich  silie  wol,  uf  der  erden  Ist  sin  name  getealtec  gar,  (Und 
dienet  im  der  enget  schar,  So  mimu  göter  gar  blint  Und  mir  ouch  ze  nihte 
sint.J  Der  mac  wol  gewaltec  sin,  (Daz  ist  an  mir  worden  schin,  Si  cn- 
mofiten  mir  gefiel fen  niht:  Ir  lvelfe  was  gar  enwiht.)  —  Eilh.  322  Der  koning 
hate  in  uz  irkorn,  Daz  lie  sines  riches  teilt  Und  im  lant  und  ere  behilt. 
fllc  was  ein  forste  von  dem  lande.]  Und  stunt  zu  siner  hatulc  Allez  daz  in 
dem  höre  was,  (Und  was  geheizzen  Tinas.)  —  Lanz.  212  Si  vorhten  keinen 
vrcmdett  gast  [Schilderung  der  befestigungen  214— 221. J  Da  warens  am 
vorhte  (dann  fortsetzung  der  beschreibung).  —  Diokl.  471  Ilerre  es  tut  mir 
ungemuch  Das  ich  uff  discr  krancken  erden  Kit  mag  eins  kindes  swanger 
werden.  fYedoch  so  habent  ir  einen  sun  Nach  dem  sullent  ir  schikken  tun.] 
Sit  ich  leitlcr  keinen  sun  habe,  (So  sol  der  selbe  liebe  knabc  Min  lieber  sun 
ouch  wesen).  —  Ms.  F.  92,22  Und  tuo  genadecliehen  dein  mir;  funsanfte 
mir  daz  luot  Und  sol  ich  von  dir  wichen./  Du  la  gein  mir  den  dinen  haz. 
(Son  mac  mir  niemer  werden  baz,  Wan  in  dem  himelriche.) 

3)  Die  fortsetzung  steht  zu  der  unisehliessenden  und  zu 
der  iu  der  mitte  stehenden  aussage  in  gleich  naher  oder  gleich 
ferner  beziehung: 

a)  Beide  aussagen  sind  positiv  oder  beide  negativ: 

W.  Gen.  69  Do  seein  der  gotes  gwalt.  fMichahel  hub  uf  sine  hant,  Er 
tele  deine  tierele  einen  slach,  Daz  der  himel  under  ime  brast . .]  Vilc  michel 
ist  diu  gotes  chraft.  —  ebda.  1102  So  bim  wir  also  gemeit,  Sam  uns  wole 
si  gescehen,  fSo  ne welle  wir  sin  bihte  iehen.j  Sus  in  ruume  Eermezze  wir 
uns  daunc  gnuoge.  —  ebda.  1517  Daz  si  selbe  unde  ir  wib  In  allen  dingen 
waren  salich  [Noch  ire  chinden  Niemmer  guotes  scolte  zerinnen.  Den  gab 
diu  erde  Gnuog  des  darane  solle  werden  ...J  In  alle  wis  waren  si  salik. 
—  Anno  422  Duo  irvorhtim  dar  manig  man,  fWanti  si  sagin  schinin  So 
breite  scarin  sini;J  Des  libis  si  alle  vorhtin.  —  Exod.  469  Michel  wunder 
do  genam  Den  vile  tiurlichen  man  Waz  diu  suche  wäre.  (Er  negesach  nie 
mere.  Er  begundc  darc  gahen,  Daz  er  iz  besähe;]  Er  wolle  gerne  ervinden, 
Waz  wäre  an  tisen  dingen.  —  Kohr.  10747  Dir  wirt  der  siege  ienoch  mere. 
/Ich  wtrne,  du  mir  allez  liugest.  Und  ist  arer  daz  du  mich  hinaht  bei  ringest, 
Nechumet  mir  min  golt  niht  vil  fruo  widere,  Du  gewinnest  vil  manigen 
ubelen  lach,]  Ich  getuon  dir  eidlichen  unchunden  orslach.  —  ebda.  10829 
Si  wanden  alle  warliche  Iz  war  aincs  engels  stimme,  {Die  rede  begunden 
si  harte  minnen.J  Iz  chome  in  von  dem  hailigen  gaiste,  Des  versahen  si 
sich  alre  maiste.  —  liotb.  264  Ich  wenc  daz  nie  so  manic  man  Schone  in 
(Uz  laut  ncijuam:  (Sie  sint  alle  wol  getan,  beide  ros  unde  man.]  Iz  ne- 
quamen  ne  lute  so  wunnenclichc  In  diz  Uonstantinis  riche.  —  ebda.  574 
War  umme  her  in  sohle  seren?  flr  herre  hete  doch  schaden  mere  Dan  der 
anderin  sicheinirj  Man  nesoldene  nicht  leiden.  -  Nib.  2097, 1  Swaz  uns 


484 


BEHAQHEL 


gcscliehen  künne  daz  lazet  kurz  ergan.  [Ir  habt  so  vil  gesunder  und  tttrrens 
uns  bestan  Daz  sie  uns  sturmmüedc  lazent  nicht  genesen.]  Wie  lange  stdn 
wir  recken  in  disen  arebeiten  wesen?  —  Eilh.  194  Daz  Jte  dir  wolle  gunnen 
des  Daz  du  beschauwest  vremde  lattt.  [Du  hast  die  sinen  wol  irkant.  Die 
diuen  dir  nu  alle  gerne.]  Dir  entoug  nicht  zu  enperne  Dir  werdin  ouch  atuler 
laut  kunt.  —  ebda.  1783  Sich  wie  das  ros  teas  beslagin:  Daz  hat  den  hclt 
bergt  tragin  Der  den  tracIUn  irslug  [Merke  ebin  den  gevug:  Die  ros  man 
hir  nicht  besleit  Als  an  desir  slawen  geit.J  Desir  die  hir  gerctin  is,  Des  wes 
sichir  und  getcis,  Der  hat  irslagin  den  scrjmnt.  —  Herb.  88  Unt  baniche 
mincn  sin  dar  ane  Daz  ich  in  bekere  deste  baz.  {Wen  der  ist  herte  unde 
laz.J  Ich  wil  in  bigen,  ob  ich  kan.  —  ebda.  727  Die  frauwe  begunde  sieh 
schämen,  [Doch  vurtreip  si  iz  mit  gamenj  Unt  wart  ouch  dicke  vil  rot.  — 
Erec  320  .So  schein  diu  lieh  da  Durdi  wiz  alsam  ein  swan.  (Man  sagt, 
daz  nie  kint  gewan  Ein  Up  so  gar  dem  tcunsche  gclich.f  Ir  Up  scJtein  durch 
ir  sidwc  wat  Alsam  diu  lilje,  da  si  stat  Under  swarzen  dornen  wiz.  — 
ebda.  1219  <  Wider  iueh  vergahte  ich  mich.  Des  entwanc  mich  kein  not.» 
Wan  daz  mirz  min  schalkheit  gebot.  [Des  sol  ich  iu  ze  buoze  stan]  Won 
ich  dar  an  gevolget  han  Tumbes  herzen  rate.  —  Lauz.  30G4  Da z  der 
eilende  So  manic  sper  brach  enzwei  [Und  doch  von  dem  turnei  Mit 
eren  fuor  und  ane  Verlust, ]  Daz  er  begie  so  manege  just,  Michel 
wunder  da  geschach.  —  Parz.  1  IG,  5  Ez  machet  truric  mir  den  Up  Daz 
also  mangiu  heizet  icip.  [Genuoge  sint  gein  valsche  snel,  Etslic?te  rahrhrs 
Iure:  Sus  tcilent  sich  diu  nurre.J  Daz  die  geliehe  sint  genamet  De*  hat  min 
herze  sich  geschamet.  —  Engelh.  686  Und  sin  et  in  daz  riche  Uf  imeer 
hohe  nulle  komen.  [Kan  unser  dienest  iht  gefromen,  Der  sol  iu  werden 
hie  bereit,}  An  iu  wir  beide  suocJien  Geiutde  und  ouch  gelücke.  —  I>iokl.  419 
l  'nd  do  der  keiser  si  ersach  Des  ersten  wibes  er  gar  vergas.  [So  trol  orfid 
ime  ir  angesicht;  Sin  htrze  das  teart  gefangen.]  Umb  die  erste  hat  er  kein 
belangen.  —  ebda.  619  Er  seit  war  daz  liebe  kint.  [Er  hat  ez  baz  ilenn  wir 
gesehen.]  Des  müessen  wir  im  der  warheit  jehen.  —  Ring  3d,  4  Die  täpling 
allen  missend,  [Ieder  schluog  sich  an  den  giel,  Der  schimpf  begond  wem 
reuwen  *  Wag,  wie  laut  seg  schreuwen.)  —  Ms.  F.  29, 14  (Ich  steic  in  einen 
garten)  Da  was  obez  innen:  Des  mohte  ich  nihl  gewinnen.  [Daz  kom  von 
unheile;  Dicke  weget  ich  den  ast:]   Mir  wart  des  obezes  nie  niht  ze  teile. 

—  Ms.  F.  59,  15  Truric  ist  daz  herze  min:  [  Wan  ez  wil  nu  winter  sin, 
Der  uns  sine  kraft  erzeiget  An  den  bluomen,  die  man  siht  Lichter  rarux 
Erbleichet  gance;]  Da  von  mir  geschiht  Leit,  und  liebes  niht.  —  Ms.  F. 
89,9  Swaz  ich  nu  gesinge,  Deist  allez  umbe  niht:  [mir  weiz  sin  niemen 
dane,[  E:  wiget  allez  ringe,  (Dar  ich  han  gedienet,  da  ist  min  Ion  vil  kraue.) 

—  Erinn.  916  Wie  gitane  freude  mac  der  haben,  Der  got  nimmer  gesehrn 
muoz?  [Wenne  wirt  im  ungenaden  buoz,  Wurde  er  gesundert  von  siner 
mitwist,  An  den  dehäin  vreude  ist?]  Wie  mücht  in  immer  wirs  geschehen, 
Die  got  nimmer  Stdn  gesehen! 

ß)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 

Nib.  101, 2  Daz  wir  Od  verdienen  des  jungen  recken  heiz.  [Sin  Up  der 
ist  so  küene.J  man  sol  in  holden  han.  —  ebda.  2010,3  ir  sult  die  toten 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEK  MIID.  DICHTUNG. 


485 


Hute  uz  dem  huse  tragen.  [Wir  werden  noeh  bestanden,  ich  wilz  iu  irar- 
liehe  sagen.]  Sine  suln  uns  under  foezen  hie  niht  langer  ligen.  —  Walther 
35,9  (Die  andern  forsten  alle  sint  vil  milte,  iedoch  So  statcclichen  niht:) 
er  waz  ez  e  und  ist  ez  noch.  [Da  von  kan  er  haz  damit  si  dermite  ge- 
baren.] Er  enteil  dekeincr  lune  varen. 

b)  Die  einander  variierenden  aussagen  decken  sich  nicht, 
die  zweite  aussage  bietet  weniger: 

1)  Was  auf  die  zweite  der  variierenden  aussagen  folgt, 
schliesst  sich  sachlich  unmittelbar  an  diese  an:  aba(a): 

Laurin  269  Man  sol  niht  forsten  phenden  Iii  foezen  und  bi  henden, 
Die  wol  geben  riehen  solt,  Beide  Silber  unde  golt.  [Hin  gegen  des 
meien  zit  So  kument  um  ander  rosen  ril.  Für  war  ich  das  sprechen  wil:] 
Man  sol  niht  fürsteti  phenden  Bi  foezen  und  bi  henden.  (Ich  hau  guotes 
also  vil  Daz  ich  der  phant  niht  geben  WÜ.)  —  Lanz.  104  Ein  mehtege 
samenunge  Qewunnen  si  mit  listen,  Daz  ez  die  niene  leisten,  Di  den 
künic  solten  warnen.  [Do  muost  er  harte  garnen  Daz  er  in  die  mage  het 
erslagen.]  Si  geumnnen  ein  mähtec  mögen  (Und  riten  in  Offenheiten  an.) 
—  Diokl.  819  Du  solt  es  scfiriben  mir,  Wie  din  wille  gen  mir  ste; 
Diner  Übe  tu  mir  ein  wenig  schin.  [tkler  min  leben  ist  zergangen]  Schribe 
balde,  wende  min  verlangen.  (Der  knabe  sich  überreden  lie:  Ein  schribgezug 
er  entpfie.) 

2)  Die  fortsetzung  steht  zu  den  umschliessenden  und  zu 
der  in  der  mitte  stehenden  aussage  in  gleich  nahen  oder  gleich 
fernen  beziehungen  (abab): 

W.  Gen.  3645  Er  skiet  mit  riuwen  Von  den  ungetriuwen,  Mit  gebun- 
denen armen:  [Daz  mähte  got  erbarmen.]  Manigen  zäher  er  lie  Do  er 
von  in  gie.  —  Hol.  5767  Sie  waren  luter  unde  reine,  Ane  rost  unt  ane 
meilen,  Sam  thin  heiligen  kindelin,  Thiu  thurh  selben  mitten 
drehtin  Herodes  hiez  erslahen.  [Then  kor  sculen  sie  mit  rehtcr  urteile 
hären  Wände  sie  themc  heiligen  gclouvcn  niht  ne  untwichen.J  Aller  slahte 
lästere  waren  sie  sicher.  —  Roth.  474  Ich  hete  eilif  sune  herlich.  Nu  sin 
ir  siltene  an  desse  vart.  Owi  daz  ich  ie  geborn  wart!  Waz  ich  lieber  kinder 
rirlorin  Hanl  Lupolt  und  Erewin  Waren  die  edelsten  sune  nun.  Dise  zwenc 
nemach  ich  nimmir  verklagen.  [Daz  sal  nu  min  rat  sin,  Daz  wir  varen 
herevart.J  Mich  ruwent  scre  mine  kint.  —  Nil).  4, 1  Ir  pflogen  drie  kitnege 
edel  unde  rieh,  Gunther  unde  Gernot  die  recken  lobt  lieh,  Und  Giselher  der 
junge,  ein  uz  eneelter  degen,  [Diu  frouwe  was  ir  swester,]  die  forsten  hetens 
in  ir  pflegen.  —  Trist.  3050  Und  bringet  iuwern  prisant  Ze  höre  nach 
hovelichem  site:  [Da  hovet  ir  iueh  selben  mite.  So  wizzet  ouch  ir  selbe  teol, 
Wie  man  den  hirz  prisanten  sol:]  Prisantet  in  ze  rehte.  —  Flore  334  Un- 
gern unde  Vergalt,  Dar  zuo  Kriechen  daz  laut  Hott  er  gar  in  siner 
haut.  [Ein  sin  ceheim  der  Storp,  Ein  kitnec  von  gebürte  groz,  Des  Flore 
vil  wol  genoz.]  Wände  er  des  küneges  lant,  Daz  Hongerie  waz  getiant, 
Nach  sime  tode  besaz.  —  Ms.  F.  75, 31  Jo  hat  si  mines  lones  zil  Gesetzet 


Digitized  by  Google 


486 


IlKHAfüIKL 


an  wol  tusent  jar.  [Ich  muoz  verderben,  daz  ist  war.  Min  herzeleit  das  ist 
ze  breit,  Daz  ich  ie  leit.J  Min  Ion  der  ist  noch  unbereit.  —  Waith.  51.22 
Wir  suln  sin  getneit,  Tanzen,  lachen  unde  singen  Ane  dörperheit. 
f)Ve  teer  fröre  unfro?  Sit  die  vogele  also  schone  Singent  in  ir  besten  donej 
Tuon  wir  auch  also!  (die  anfforderung,  ebenso  zn  tnn  wie  die  vögeh  ent- 
hält die  anfforderung  zu  singen,  also  einen  teil  der  einleitenden  auffordening>. 

—  ebda.  67,35  Ez  hat  schau  unde  rede  verlorn.  [Da  wonie  ein  wuntler 
inne:  daz  fuor  ine  weiz  war:]  Da  von  gesieeic  daz  bilde  iesa. 

c)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

1)  Die  zweite  aussage  ist  ausführlicher,  geht  mehr  ins 
einzelne: 

«)  Was  auf  die  zweite  aussage  folgte  schliefst  sich  sachlich 
unmittelbar  an  diese  an: 

Nib.  15, 2  Ane  recken  minne  so  wil  icJt  immer  sin.  fSus  scane  ich  wil 
beliben  unz  an  minen  tot,]  Daz  idi  von  mannes  minne  sol  gewinnen  nimmer 
not.  (jYu  versprich  ez  niht  ze  sere). 

ß)  Die  fortsetzung  schliesst  sich  an  die  in  der  mitte 
stehende  aussage  an: 

Exod.1299  Alle  die  lantliute  Wurden  zenote;  [Si  gruoben  zallen  stunden 
Vil  harte  tieffe  brunnen,]  Der  durst  tet  in  vil  not,  (In  wäre  hezzer  der  tot ; 
]\'ande  sie  ze  neheiner  stunde  Wazzer  nevunden.) 

y)  Die  fortsetzung  steht  zu  den  umsch liessenden,  wie  zu 
der  an  zweiter  stelle  stehenden  aussage  in  gleich  nahen  oder 
gleich  fernen  beziehungen: 

Exod.  29  Nu  sende  mir  sanetum  Spiritum  paraclitum,  Der  min  gebende 
lose,  [So  wil  ich  gerne  chosenj  Der  heilige  ge.st  din  Ordene  die  rede  min. 

—  Roth.  91  Ich  sage  dir  ze  wäre,  Herre,  is  tot  Lipolt.  [Die  ist  der  ton  allen 
herzen  holt  Utule  weit  ouch  wol,  we  ez  umbe  daz  wiph  stat.J  Truwen,  daz 
is  min  rat:  Der  wirbcl  dir  aller  truwelichis  umbe  daz  megetin.  —  ebda.  1SCÖ 
(Unde  were  aber  Rothere  gegeren  Die  unse  toclttcr  schone,)  Sone  tröste 
dich  nieman  honen,  (Her  hette  dir  uze  sime  lande  Der  turin  wigatule  Gr- 
sentit,/  daz  dich  nieman  Mit  here  torste  bestan.  —  Eugelh.  776  Sus  wart 
ir  adel  unde  ir  zuht  Gepriset  und  gerüemet.  [Der  hof  der  stuont  geblüemet 
Mit  den  beiden  über  al.J  Ouch  treib  man  umbe  als  einen  bai  Ir  lop  in 
deme  riche.  (Man  jach  des  endeliche  Si  solten  engel  beide  sant  Und  niht 
menschen  sin  genant.)  —  Heinr.  v.  Fr.  430  Umb  dise  seliclichen  rfmc  Machten 
kurz  iren  rat.  [Swes  man  sich  vor  betrachtet  hat,  Des  rates  rede  nicht 
lange  wert.  Also  geschach  in  ouch  alJiie.J  Vil  schiere  sich  berieten  sie  Und 
wurden  des  ze  rate  In  ir  lierzen  drate;  (Sie  wolden  Tristande  Geben  die 
wizgehandc.)  —  Ms.  F.  85,23  Mir  gat  einez  ime  herzen:  [Da  von  lide  ich 
manegen  smerzen:]  Daz  ersuochet  mir  die  sinne  Beide  uzerhalp  und  inne. 

2)  Die  zweite  aussage  enthält  eine  bestimmung  mehr: 

d)  die  fortsetzung  steht  zu  der  umschliessenden  wie  der 


i 


Digitized  by  Google 


zur  Technik  dkr  Mitn.  Dichtung. 


487 


umschlossenen  aussage  in  gleich  nahen  oder  gleich  fernen  be- 
ziehungen: 

Roth.  4070  Ir  virdinet  daz  himilriche.  [Ja  vore  wir  godis  recht.]  Sic  er 
hie  hüte  wirt  ir  »da  gin,  Des  tele  sal  genade  havin.  —  H.  v.  Fr.  12H0 
Her  Tristan  hiez  nemen  war  Des  knappen  mit  richlicher  pflege,  [Wem  er 
was  stete  und  alle  icege  Vorbedechtic  unde  vruot.J  Des  knappen  hübesch 
unde  guot  Hiez  der  zierliche  degen  So  wol  zu  siner  maze  pflegen,  Daz 
sin  weder  e  noch  sit  Nie  me  wart  gepflogen  haz.  —  Diokl.  1028 
(Herre  der  groz  bome  ist  also  ho,)  Daz  er  dem  jungen  die  sunne  verhalt. 
[Do  von  des  jungen  krafft crkalt.J  Do  mag  kein  sunne  noch  regen  zuo. 

d)  Die  zweite  aussage  bietet  zum  teil  weniger,  zum  teil 
mehr  als  die  erste: 

1)  Die  fortsetzung  schliesst  sich  unmittelbar  an  die  zweite 
aussage  an: 

Laar.  575  Hilf  mir  werder  Dietleip,  Von  Stire  ein  ritt  er  unver- 
zeit.  [Du  soll  mich  des  geniezen  lan,  Daz  ich  din  rehte  steester  han.J  Nu 
hilf  mir,  degen  here,  Durch  aller  frouwen  ere.  —  Eilh.  862  Do  wart 
der  here  Tristrant  Dorch  die  stelin  ringe  gewunt:  [Des  was  he  lange 
ungesunt.  Do  stunt  ez  ane  sone,  Daz  die  helede  kone  Zu  samen  waren 
gerant.J  Getount  wart  do  Tristrant  Mit  eime  geluppeten  spize.  (Wen 
mochte  des  nicJU  vordrizen?) 

2)  Die  fortsetzung  steht  zu  den  umschliessenden  und  der 
umschlossenen  aussage  in  gleich  nahen  oder  gleich  fernen  be- 
ziehungen: 

Nib.  2084,2  Der  vil  snelle  man,  Spratic  von  sinen  herren  zen 
vinden  für  die  tür.  [Man  wände  er  witre  erstorben:]  er  kom  gesunder 
wol  dar  für. 

IL  Die  in  der  mitte  stehende  aussage  bietet  eine  nähere 
ausfuhrung  des  variierten  gedankens: 

a)  Die  beiden  umschliessenden  aussagen  decken  sich: 

1)  Die  fortsetzung  schliesst  sich  an  die  zweite  der  variierten 
aussagen  an: 

W.  Gen.  1485  Er  sach  sine  scante,  Spottende  er  danne  wante,  [Sine 
hende  sluog  er  zesamine.]  Sines  vater  honde  hete  er  ze  gamine. 

2)  Die  fortsetzung  schliesst  sich  an  die  in  der  mitte  stehende 
aussage  an: 

Roth.  1857  Wie  mochtin  uffe  der  erden  Die  mantele  immer  werdin 
Bezzer  mit  gevoge?  [Die  invillc  waren  hermelin  ...]  Wie  mochte  turirs 
icht  sin?  (Dar  zuo  smactiz  suze.)  —  Iwein  1110  Alsus  beleip  im  daz  leben, 
Do  daz  tor  hernider  sleif.  [Ez  sluoc,  als  ich  vernomen  habe,  Daz  ros  ze 
mitiem  satel  abe,  Und  schriet  die  swert scheide  Und  die  sporn  beide  Hindcr 
der  vertaten  dan:]  Er  gnas  als  ein  sa>lec  man.  (Do  im  daz  ros  tot  lac.) 


Digitized  by  Google 


488 


B1EHAGHKL 


3)  Die  fortsetzung  steht  der  umschliessenden  und  der  um- 
schlossenen aussage  gleich  nahe  oder  gleich  fern: 

Roth.  1304  Wol  cntfengen  sie  die  armen  Atule  lezin  sich  ere  not  er- 
barmen. [Dicke  richte  man  den  tisch:  Da  was  daz  inbiz  geieis  Allen  die 
des  gerochten,  Daz  sie  den  helit  gesochtin.J  Den  besclieinete  men  groze 
minne  Unde  brachte  sie  alles  godes  eninne.  —  Herb.  494  Do  gingen  die 
herren  tcol  bereit  Hin  gegen  dem  burctore.  [Die  junccherren  gingen  rore 
Die  in  trugen  ir  swertj  Do  gingen  sie  zu  der  stat  wert. 

b)  Die  zweite  aussage  bietet  weniger  als  die  erste,  die 
fortsetzung  knüpft  an  die  zweite  aussage  an: 

Roth.  3092  Dar  in  trouch  man  golt  rot,  Nuschen  unde  böge  unde 
harbant,  Seltscne  kramgewant,  [Daz  santc  Constantin  Mit  rade  na  der 
tochter  sin.]  Daz  got  begunde  man  zo  tragin:  (Scire  wart  der  kiel  gcladhin.) 

c)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

1)  Die  fortsetzung  knüpft  an  die  zweite  aussage  an: 

Eilh.  758  Ouch  gab  her  im  da:  ros  sin;  [Daz  was  ein  edel  kastelan . . .] 
Daz  gab  der  koning  riche  Sinem  nefen  minneglielie  Und  ein  swert  zu 
maze  breit:  (Den  stal  ez  nergin  vormeit,  Sica  ez  mit  zome  wart  geslagin.) 

2)  Die  fortsetzung  steht  zu  den  umschliessenden  wie  der 
umschlossenen  aussage  in  gleich  nahem  oder  gleich  fernem 
Verhältnis: 

Kehr.  11053  Kr  ist  ain  marterare  here;  [Mercurius  hiez  er  .  ..  Er 
was  ain  vurste  in  dem  lande,  f  Durch  gotes  ere  Wart  gemartert  der  hailige 
herrc.  —  Roth.  3064  Lonis  du  mir  Constantin,  Ich  Itrcnge  dir  die  tochter 
din.  [Wir  mozin  aver  einin  kiel  ha  ein,  Die  maniger  hande  wondir  trage, 
Golt  umle  stehie  ...]  Nu  sprich  waz  du  mir  biedis;  Utule  behaget  mir  die 
mede,  Ich  sezze  in  urteil  den  lif,  Ich  nebrenge  der  liotheres  wi[.  (Genadhe 
herre,  sprach  Constantin,  Ich  icize  dich  u[  den  scaz  min  ...)  —  Erec  1064 
Doch  räch  erz  ze  rehte.  [der  zwerg  wird  geprügelt.]  »SV«  unzuht  irorf  ge- 
rochen, Daz  daz  bluot  ab  im  ran.  —  Laiiz.  122  Der  Hute  lutzrl  do 
genas,  Die  sie  in  der  vorburc  [unden;  [Sie  taten  manege  wunden  Den 
alten  zuo  den  kinden.J  Sie  entcolten  niht  cricinden,  E  si  sie  gar  ersluogen, 
Wan  si  riwec  herze  truogcn.  —  Diokl.  1179  Üch  gescJiicht  argers  denn 
eym  ritter  geschach.  [Es  wirt  gar  ein  herte  sach.J  Noch  übeler  wirt  es  üch 
ergan,  Dm  er  dem  ritter  hat  getan,  Der  sinen  besten  wint  ersluog. 

3)  Die  zweite  aussage  nimmt  ein  glied  der  ersten  nicht 

auf  und  fügt  ein  neues  hinzu,  ohne  dass  die  fortsetzung  eine 

nähere  anknüpf ung  bietet: 

Herb.  1146  Unt  hüben  sich  stille  dan,  [Die  [rouwen  er  mit  im  natn. 
Die  schone  wise  MedeamJ  Unt  hüben  sich  uf  da*  mer. 

III.  Die  in  der  mitte  stehende  aussage  bildet  den  inhalt  der 
ankündigung,  die  in  den  umschliessenden  aussagen  enthalten  ist: 


Digitized  by  Google 


ZUK  TECHNIK  DEU  MHD.  DICHTUNG. 


489 


a)  Die  aussagen  decken  sich:  die  fortsetzung  schliesst  sicli 
an  die  mittlere  aussage  an: 

Kehr.  11209  Ich  sage  tu  ze  aim  bispelle:  [Ain  Hut  heuet  Hebrei.J 
Da  sult  ir  tumen  pilde  bi.  (Den  zeicte  got  ain  vil  guot  laut.) 

b)  Die  zweite  aussage  bietet  weniger:  die  fortsetzung  hat 
zu  den  umschliessenden  wie  zu  der  umschlossenen  aussage 
gleich  nahe  oder  gleich  ferne  beziehungen: 

Nib.  149,4  Des  anticurte  Gernot,  ein  ritter  teilen  und  gemeit: 
[Daz  wer  et  wir  mit  swerten,]  so  sprach  Gernot.  —  Ring  5(1,37  Doch  für 
war s  ich  euch  daz  künde  Nach  der  häiligen  geschrifte  sag:  [Die 
nmd  ich  nit  vergeben  mag  ...]  Daz  sey  euch  von  mir  gesätt. 

c)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  (wie  unter  b): 

Kehr.  10568  Hec  dicit  apostolus:  [Hie  mit  soltu  beslozzen  sin,]  Ge- 
bildet dir  sanete  Feter  der  maister  min. 

IV.  Die  in  der  mitte  stehende  aussage  enthält  eine  erklä- 
rung  über  die  umschliessenden  aussagen: 

a)  Die  beiden  aussagen  decken  sich;  die  fortsetzung  schliesst 
sich  sachlich  an  die  zweite  der  umschliessenden  aussagen  an: 

Erec  1044  (Daz  ez  die  magt  hat  geslagen,  Daz  enwil  ich  niht  ver- 
tragen:) Vonrehtesol  er  garnen  daz  [ünde  sage  in  umbewaz:]  Da  tet  im 
sin  unztüä  so  wol,  Daz  man  ims  Ionen  sol  [Ez  soltz  der  magt  niht  haben 
getan.  —  ebda.  1219  Wider  iueh  vergahte  ich  mich:  [Des  sol  ich  iu  ze 
buoze  stan;  zu  spät  bereue  ich  meine  tat.y  Iu  ist  von  mir  geschehen  leit. 
(Ich  binz  der  iu  widerreit.) 

Das  eigentümliche  der  widerholung  ist  in  Erec  1044  noch 
der  umstand,  dass  man  nach  der  in  der  mitte  stehenden  er- 
klärung  statt  der  widerholung  den  grund  für  die  erste  aus- 
sage erwarten  würde  (s.  oben  s.  473, 5). 

b)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste:  die  fort- 
setzung schliesst  sich  unmittelbar  an  die  zweite  aussage  an: 

Herb.  648  Zu  dem  ersten  ez  deine  bran,  Sint  bran  iz  serc,  [Daz  ist 
niht  anders  mere.J  Do  sie  die  minne  ane  geswanc,  Noch  dan  was  sie  so 
kranc,  Sint  quam  sie  in  die  sinne:  Do  sterkete  sich  die  minne,  Als  ir  wol 
gehört  her  na.) 

c)  Die  zweite  aussage  enthält  teils  weniger,  teils  mehr  als 
die  erste;  die  fortsetzung  schliesst  an  die  zweite  aussage  an: 

Iwein  8  Er  hat  bi  mitten  ziten  Gclebct  also  schone,  Daz  er  der  cren 
kröne  Do  truoc  und  noch  sin  name  treit.  [Des  habent  die  warheit  Sine 
lantliute:  Si  jehent  er  lebe  noch  Mute.]  Er  hat  den  lop  erworben,  Ist  im 
der  Up  erstorben.  So  lebt  doch  iemtr  sin  name.  (Er  ist  lasterlicher  schäme 
Beiträge  «ur  geschichte  der  deutschen  sprach*.  XXX.  33 


Digitized  by  Google 


400 


HEHAUHEL 


Jemcr  vil  gar  erteert,  Der  noch  nach  sinem  8Üe  vert.)  —  Piokl.  47  (hteh 
bitten  ich  uch  uz  hertzen  gir,  Daz  ir  einer  bett  icollent  volgcn  mir.  (Da: 
ist  das  hinderst  daz  ich  üch  bitt:]  Min  lieber  herr,  nu  zornent  nit,  Da: 
bit  ieh  üch  durch  den  zarten  got.  (Ich  han  doch  ie  geleist  üirer  gebot. | 

—  Ms.  F.  15,1  Vil  scharne  unde  biderbe,  Dar  zuo  edel  unde  guot,  So 
\ceiz  ich  eine  frouteen:  Der  zimet  teol  allez  daz  sie  tuot.  [Ich  sage  es 
nicht,  weil  es  mir  vergönnt  war,  mit  ihr  zu  reden  oder  bei  ihr  zu  liegen: 
es  ist  wahr.]  Sist  edel  und  ist  sefurne,  In  rehter  maze  gerne  it.  lehn 
such  nie  eine  frouteen  Diu  ir  Up  schöner  künde  han.  (Durch  dtiz  teil 
ich  mich  flizen,  Swaz  sie  gebildet,  Daz  daz  allez  si  getan.) 

V.  Was  in  der  mitte  steht,  bringt  ganz  neues,  führt  die 
erzählung,  den  gedanken  weiter: 

a)  Die  aussagen  decken  sich: 

1)  Die  fortsetznng  schliesst  sich  unmittelbar  an  das  zweite 
glied  der  Variation  an: 

Rol.  6306  Then  arm  er  im  abe  swanc.  [Unter  thtu  teart  ein  michrl 
gethranc:  l'heme  kunige  sie  hine  hülfen;  (die  heiden  fliehen;  der  könig  ver- 
birgt sich;  Roland  sucht  den  könig  und  erschlägt  alles.) 7  Ther  kunine 
verlos  sinen  zeswen  arm.  (Kr  floh  vile  scantliche.)  —  Xib.  164,3  Do  bot 
die  riefte  gäbe  (hinther  der  künec  guot,  [Nu  saget,  sprach  do  Gunther,  den 
vianden  min,  Si  mugen  mit  ir  reise  wol  da  heime  sin.]  Dm  boten  rieht 
gäbe  man  do  für  truoc:  (Dine  forsten  niht  versprechen  die  IJudegeres  man.) 

—  Eilh.  112  (Her  teant  die  hende  sine  Und  weinete  bitterlichen,)  So  tattn 
sie  alle  geliche  Die  da  mit  ime  warin.  [Sie  stundin  bi  der  barin,]  Sie 
sehnten  unde  teeinten,  (Wol  sie  bescheinten,  Daz  in  die  traute e  nahe  ging.  ) 

—  Iwein  739  (Ich  tjostierte  teider  in:)  Des  vuort  er  min  ros  hin.  [Daz  beste 
heil  daz  mir  geschach,  Daz  was  daz  ich  min  sper  zebrach.  Vil  schone  salzte 
mich  sin  haut  Hinderz  ros  an  daz  lant.J  Er  nam  min  ros  (Und  liez  tnich 
ligen.) 

2)  Die  fortsetzung  steht  zu  den  umschliessenden  wie  zu  der 
umschlossenen  aussage  in  gleich  nahem  oder  fernem  Verhältnis: 

W.  Gen.  929  (Adam  und  Eva  sollen  ihre  schuld  bekennen:)  leider  si 
newolten,  [Wattte  si  nesolten.  In  ir  alten  rede  si  stunten,  Die  senlt  nf 
einander  wullen:]  Si  newolten  sich  ergeben.  —  Kehr.  10681  Daz  sie  durch 
ir  groze  not  Den  Unten  wuosc  ir  tuoch,  [Si  chochete  unde  buoch,]  Komaren 
wuosc  si  ir  gewant.  —  Roth.  2249  Der  ist  Bother  also  leib,  [Her  nelmt 
dich  virtricen  nicht.  Swannen  du  verist,  helit  balt,  Du  bist  ein  bode  her  ge- 
sant.]  Di  sint  des  kuningis  hulde  lieb.  —  Laur.  414  (Da  von  gewinnst» 
fröudcn  vil.)  Für  war  ich  daz  sprecJten  sol:  [Ich  gan  dir  der  ere  wol  Baz 
denne  dem  libe  min.  Nim  hin  ditze  gürtelin;  Daz  soltu  gürten  umbe  den 
Up,  So  sihestu  an  der  selben  zit  Diu  getwerc  in  dem  berge  wol.]  Für  war 
ich  daz  sprechen  sol.  —  Eilh.  618  (Ich  gelobe  bi  allem  rehte,)  Daz  ich  daz 
wil  gerne  tun.  [Mine  hülfe  hat  er  dar  zu,]  Und  ist  mir  innigliehin  Up.  — 
Herb.  1959  Uz  minen  ougen  balde!  [Daz  uwer  der  tufel  tcalde.'J  Bumei 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


491 


balde  min  laut.  —  Erec  535  Nu  hat  got  über  mich  Verhenget  swes  er  wolde. 
[Amiers  demxe  es  solde,  So  ist  min  leben  nu  getan.  Daz  teil  ich  von  gote 
han.  Kr  mac  den  riehen  steenner  teil  Dem  armen  geliehen.]  Sin  geicalt  ist 
an  mir  worden  schin.  —  Lanz.  580  Min  bare  diun  ist  niht  verrc  hie:  [Da 
geruochent  ir  beliben  Und  hübschent  mit  den  wiben:  Die  macfient  tu  kurze- 
teile.]  Dar  enist  niht  ein  halbiu  mile.  —  Flore  42  Eins  zagen  Iverze  ist  ze 
swach,  Daz  er  unsenfte  lebe  linde  nach  tagenden  strebe.  [Des  tugent  diu 
verdirbet,  Under  stundn  er  si  verbirt.J  Der  enteirt  an  libe  nocli  an  guote 
Umbe  tugent  schadehaft.  —  W.  gast  627  (in  sinem  muot  man  stillt  sol 
Einn  vrummen  man  erwerben  wol)  Und  sol  sich  rihten  gar  ttach  im:  Daz 
ixt  tugent  unde  sin.  [Er  sol  die  naht  und  den  tac  An  in  gedenken,  ob  er 
mac.  Em  sol  dez  verlazen  niht,]  Und  steaz  im  ze  tuon  geschiht,  Da  volge 
mit  dem  biderben  manne.  —  Ms.  F.  61, 9  Des  bin  ich  getrost  ie  mere  Daz 
mich  die  nidigen  niden.  [NU  und  elliu  bassiu  lere  Daz  müez  in  daz  Iverze 
sniden.]  Ich  teil  leben  mit  den  bliden,  Mine  blitschaft  nifit  vermiden.  — 
ebda.  83, 11  (Ich  han  mir  selben  gemachet  die  stecere,)  Daz  ich  der  ger  diu 
sich  mir  teil  entsagen.  [Diu  mir  zerwerbenne  vil  lihte  wäre,  Die  fliuhe  ich, 
tean  si  mir  niht  kan  behagen.]  Ich  minne  die,  diu  mir  es  niht  teil  vertragen. 

In  einem  fall  stehen  die  einander  variierenden  aussagen 
am  anfang  und  ende  zweier  aufeinander  folgenden  Strophen 
ond  somit  zugleich  am  anfang  und  ende  eines  gedichtes: 

Ms.  F.  83,11  Icli  han  mir  selben  gemachet  die  sweere,  (Daz  ich  der 
ger  diu  sich  mir  teil  entsagen,)  [Die  fliuhe  ich,  tean  si  mir  niht  kan  be- 
hagen ...  7  Den  kumber  tum  ich  mir  selben  getan. 

In  zwei  anderen  beispielen  steht  fast  ein  halbes  hundert 
verse  zwischen  den  übereinstimmenden  aussagen;  auch  hier 
bildet  die  zweite  aussage  einen  abschluss,  wenigstens  den  eines 
abschnitts  der  erzählung: 

Iwein  615  War  ich  gewesen  vür  war  Bi  dem  brunnen  zehen  jar,  lehn 
begiizze  in  nimer  me:  Wan  ich  het  ez  baz  gelazen  e.  [Lange  weitererzählung  : 
771:]  Und  sa>z  ich  iemer  da  bi,  lehn  begüzze  in  niemer  mere:  Ich  engalt 
es  e  so  sere.  —  Erinn.  789  Als  ein  diep  begriffet  dich  der  iungiste  tac: 
Diu  guot  dich  mht  gevristen  mac.  [Lange  rede;  849:]  Als  ein  diep  begriffet 
dich  der  jungist  tac,  Din  guot  dich  niht  gefriden  mac,  (Du  last  ez  allez 
hinder  din.) 

b)  Die  zweite  aussage  bietet  weniger  als  die  erste: 
1)  Die  fortsetzung  schliesst  sich  an  die  zweite  der  einander 
variierenden  aussagen  an: 

Roth.  568  Mit  der  vust  er  in  scloch,  Daz  ime  uz  den  halse  vuor  daz 
bluot  Und  er  ouch  lach  drie  nacht,  Daz  er  nehorte  noch  nesprach.  fDo 
sprachen  Bercheris  man,  Her  hete  ime  al  rechte  getan.  War  umme  her  in 
solde  seren?  Ir  herre  liete  doch  schaden  mere,  Dan  der  anderin  sicheinir, 
Man  nesolde  ene  nicht  leUlen]  Der  herzöge  hette  den  schaden,  Im  was  ein 

33* 


Digitized  by  Google 


492 


ÜEHAdHEL 


micltil  slach  geslagen.  —  Nib.  5.  8  Die  Herren  waren  miUe,  mit  kraft  un- 
mazen  kücne  (ihr  land  ist  Burgund,  sie  wohnen  in  Worms;)  In  dienete  ron 
ir  landen  vil  st  oh  tu  ritterscaft  Mit  lobelichen  eren.  [Ihre  eitern  waren 
llote  und  Dancrat,]  Die  drie  künege  waren,  als  ich  gesaget  han,  Von  vil 
hohem  eilen:  in  waren  undertan  Ouch  die  besten  recken.  (Daz  tcas  ron 
Tronege  Hagetie.)  —  Laur.  151  Sehet  do  kam  dort  her  geriten  Ein  gctwcrt 
mit  swinden  siten,  Daz  was  Laurin  genannt.  (154—230  Beschreibung 
Laurins.)  Laurin  kam  für  geriten  (Die  ßrsten  heten  sin  gebiten.)  — 
ebda.  897  (An  dem  selben  morgen)  Komen  sie  unverborgen  Für  den 
berc  lob  es  am  Uf  einen  wünneclichen  plan  Under  eine  linde  grüene,  [Da 
erbeizten  die  helde  küene.  Ir  ros  duogen  sie  uf  den  plan.]  Der  was  so 
rehte  wünnesam.  (Uf  dem  plan  stuont  bluotes  vil.) 

2)  Die  fortsetzung  steht  den  umschliessenden  wie  der  um- 
schlossenen aussage  gleich  nahe  oder  gleich  fern: 

Engelb.  885  An  jaren  unde  an  sinne  Was  diu  vil  rehte  kluoge  Ge- 
wahsen in  der  fuoge,  Daz  si  bedenken  wolte,  Waz  werdem  manne  solU 
Schone  und  lobelichen  stan.  [Si  wolde  in  ir  gedanken  han  Uz  enrelter 
manne  pris.J  Wer  hövesch  weere  in  alle  wis,  Des  künde  si  getearten. 

c)  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

1)  Die  fortsetzung  knüpft  unmittelbar  an  die  zweite  der 
einander  variierenden  aussagen  an: 

RoL  6311  Ze  fluhte  sie  sih  huoben.  [Thie  heitftenen  riefen  alle  ze 
stete:  Nu  rih  unsih,  herre  Mahmet.]  Sie  fluhen  ze  den  stunden  Sam  ther 
hirz  vore  then  hunden,  (Der  kuninc  verhal  sih  mit  listen.)  —  Laur.  131H 
Do  wapenten  sich  die  viere.  [Wan  Dietlcip  der  junge  degeti,  Diu  getwrrc 
heten  in  daz  leben  Ane  schaden  wol  genomen;  Vaste  werte  sich  der  degen. 
Des  vlos  manec  tweic  sin  leben.]  Die  wile  wapenten  sich  san  Die  vier 
recken  lo besam.  (Do  sprach  der  von  Berne.)  —  Eilh.  1054  Zu  lest  be- 
gunde  im  stinken  Daz  geluppe  uz  der  tcunde,  Daz  nieman  enkutide  Im 
von  stänke  nahen.  [Er  wird  in  ein  besonderes  haus  untergebracht;  klagen; 
1082:)  Sine  ivundc  im  so  scre  stang,  Daz  sie  in  medin  gemeine,  Niwan 
der  koning  alcine  Und  der  troyseze  Tinas,  Die  des  armen  sichen 
plag  in.  (Alle  tage  sie  zu  im  sagin.)  —  ebda.  1185  Uf  dem  se  ich  schaden 
natu.  [Ich  was  ouch  ein  speleman.  Der  wint  hat  mich  getrebin  here.]  Ich 
bin  beroubit  uf  dem  mere.  Ich  bin  getarnt  biz  an  den  tod.  (Do  he  gesach 
sine  not  Do  hiz  her  sin  wol  plegin.)  —  Tr.  3551  Mit  den  (mit  seinen 
blinden)  so  ruorte  er  unde  sluoc  Ursuoclic  und  notelin  genuoc  Seltsame, 
süeze,  guote.  [Hie  mite  wart  ime  ze  muote  Umbe  sine  leicht  von  Bhtun. 
Sus  nam  er  sinen  plectrum,  Nagel  unde  Seiten  zoher  . . .  J  Sine  noten  und 
sine  ursuoche,  Sine  selts<me  grüeze,  Die  luxrphte  er  also  süeze,  Und  machete 
si  so  schone,  Daz  iegelicher  dar  zuo  lief.  (Vil  schiere  kom  diu 
hoveschar.) 

2)  Die  fortsetzung  schliesst  sich  an  die  «*o  xotvov  stehende 
aussage  an: 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEU  MHD.  DICHTUNG. 


493 


Eilh.  69  (Und  tet  im  schaden  grozen  Mit  sinen  vechtgenozen.)  Daz 
vomam  ein  koning  riche,  [Der  quam  ouch  ritterliche,  Der  was  Rivalin  ge- 
nant,} Der  horte  sagin  mere  Daz  dem  koninge  tvere  Geschadet  an 
manegin  enden.  (Dar  begunde  er  wenden  Und  dinte  im  offinbare.) 

3)  Die  fortsetzung  steht  zu  den  umschliessenden  und  der 
umschlossenen  aussage  in  gleich  nahem  oder  gleich  fernem 
Verhältnis: 

Hol.  5183  Sie  huoben  thie  ftuht.  [Tha  xcart  posiu  manzuht.  Sie  be- 
fielen daz  gevildej  Unde  fluhen  ane  thie  perge.  —  Roth.  1020  Mich 
machten  trunkin  mitte  man.  Von  du  nekan  ich  nicheime  goten  knechte  Ge- 
anwarten  zo  rechte.  [Min  drouwe  newart  nie  von  sinne  getan.  Des  geloubit 
mer,  herre  Asprian,]  W'an  diz  mer  noch  in  deme  libe  umbe  gat  Unde  mich 
so  geweltigit  hat,  Daz  ich  widir  nweris  herren  man  Negeine  gote  rede 
nekan.  —  ebda.  2241  Her  bozte  mer  dicke  mine  not;  [Des  lone  ime  noch 
got.  Wir  nuzzen  vroliche  daz  lant  Unde  leveten  vroliche  samt.]  Her  teas 
mir  ie  genedich  unde  got,  Allen  have  mic  nti  virtriven  der  helit  got. 
—  Laur.  108(5  Mit  armen  si  in  umbevie,  [Si  halste  in  und  kusien  Und 
druete  in  an  ir  brüste:]  Si  besloz  in  mit  den  armen,  Daz  ez  muoste  er- 
barmen.  (Er  sprach:  vil  liebiu  sicester  min.)  —  ebda.  1644  Tuo  diner 
tugetule  an  mir  gelich.  [La  mich  niht  ungewert  hie  mite  Und  tuo  noch 
stres  ich  dich  bite.  W'an  man  vil  tilgende  ton  dir  seit:]  Die  laz  ouch  mir 
sin  bereit.  —  Waith.  483  Durch  die  Hute  bin  ich  fro,  Durch  die  Hute  wil 
ich  sorgen:  [Ist  mir  anders  dannc  also,  W'az  dar  umbe?  ich  wil  doch 
borgen:]  Swie  si  sint  so  wil  ich  sin,  Daz  si  niht  verdrieze  min. 

d)  Die  zweite  aussage  bringt  zum  teil  mehr,  zum  teil 
weniger  als  die  erste  aussage: 

Die  fortsetzung  schliesst  sich  unmittelbar  an  die  zweite 
der  einander  variierenden  aussagen  an: 

Kol.  5416  Fluide  sie  sie  noten  Mit  irc  scarphen  swerten,  [Tha: 
sie  sih  ze  jungist  niene  werten:  Sie  vielen  sam  thaz  vihe  zetale.]  Sie  sluogrn 
sie  von  theme  teale  lichte  sam  thie  hiinte.  —  Eilh.  862  Do  icart  der 
hcre  Tristrant  Dorch  die  stelin  ringe  gewunt:  [Des  was  he  lange  un- 
gesunt.  Do  sinnt  ez  ane  sone,  Daz  die  helede  kone  Zu  Samen  waren  gcrant.] 
Gewunt  wart  do  Tristrant  Mit  eime  geluppeten  spize.  —  ebda.  1664 
Der  helt  do  den  sige  genam  An  dem  t rachin,  der  was  gros.  (Swie  vele 
her  des  sint  genoz,  Her  kouftez  doch  vil  turc  ...]  Den  sege  hate  he  ge- 
wannen Mit  menlichir  deginheit.  (Die  zungin  her  im  uz  sncit.) 


Derselbe  gedanke  kann  aber  auch  mehr  als  zweimal  aus- 
gesprochen werden,  uud  zwar  ist  eine  dreimalige  Verkörperung 
derselben  Vorstellung  gar  nicht  selten: 


Digitized  by  Google 


404 


BBHAGHKL 


A.  Die  aussagen  schliessen  sich  unmittelbar  aneinander 
an  (eine  weitere  gliederung  nach  dem  gegenseitigen  Verhältnis 
der  verschiedenen  aussagen  scheint  hier  nicht  mehr  nötig): 

W.  Gen.  1G4   Er  hiez  die  triU  allez  daz  neren  1 
Mit  dem  wochere  wxde  si  bare,  j 
Daz  si  ime  all eme  wunne  wäre,  1 
Also  iegeliches  nature  wäre  getan,  f 
Er  hiez  sie  ez  allez  biwaren  \ 
Mit  wäre  ioch  mit  reste  \ 

ebda.  433   EUiu  dinch  furhten  dich  \    I*we  noch  einhurnc 

Alsame  mich.  }   Scone  sineme  zonie, 
Nieth  si  so  gndich,     \        Swenner  dich  fememe, 
Iz  ne  widersitze  dich.  J        Sine  grimme  er  hine  lege. 

ebda.  10C4  So  c?iom  si  in  umnäht,  So  was  churz  ire  chraft,  So  was  si  fure 
tot.  —  ebda.  3289  Alle  sis  erslogen,  Neheinen  uberhoben,  Sueher  unte  ge- 
suicn  Ilten  si  rerniden.  —  ebda.  3384  Suie  michel  wäre  din  chlage.  Du 
m ose s  si  (dein  weib)  tragen  zu  dem  grabe.  Vil  du  gechlagetest,  Suie  luzzcl 
du  darane  habetest.  Mit  amere  du  dane  gienge,  Vil  lucel  du  damite  ver- 
eidige. —  ebda.  3791  Vile  mähte  si  sih  es  gemun,  Er  newolte  sin  niht  tun. 
Vil  »iahte  si  sih  es  pelgen,  Er  neivolte  ir  volgen.  Daz  hur  er  vermeit.  — 
Exod.  800  (Durch  was  tuost  du  ungemach  Dineme  chunnelinge?)  Des  solt 
du  erwiuden.  Siege  unde  stozze  Solt  du  im  erlazzen.  Durch  die  gotes  minne 
Solt  du  is  erwinden.  —  ebda.  352  (Sie  wollten  trinken)  Daz  begunden  in 
ueren  llirte  unsuozze,  Si  wolten  si  verstozzen,  Si  newolten  in  gunnen  Des 
selben  brunnen.  —  ebda.  485  Twele  eine  wila:  Nicht  du  negahest,  Here  so 
harte  nahest.  —  ebda.  832  Mit  heile  muozzest  du  raren,  Din  got  sol  dich 
be waren,  Dieh  sende  er  mit  gesunde  Heim  zu  dineme  lande.  —  ebda.  13t>4 
Ir  bittet  got  daz  er  sinen  zorn  Ein 

Unde  mich  ledige  von  dirre  not.  —  Alex.  216  Unt  lertin  ze  dinge  sitzen, 
Vnt  lertin,  wie  er  daz  bedahte,  Daz  er  von  deine  unrehti  beschiede  daz  rehte; 
l  ud  wie  er  lantreht  bescheiden  chunte  Allen  den  ers  gunde.  —  BoL  (»146 
Ire  herce  teas  geseret,  Ire  leit  harte  gemeret  Ane  Oicme  aller  tiuristen  kann". 
Ire  frowethe  unt  ire  wunne  Was  utisanfte  geletzet.  Sie  waren  harte  ergetzet 
Ire  frolidien  heimverte.  —  Kehr.  10159  Silvester  last  du  mich  nu  hören 
und  sehen,  Daz  duz  mit  gote  maht  widertuon;  Und  vorderst  du  sinen  namen 
dar  zuo;  Last  du  mich  diu  wort  hören,  (Ich  wil  midi  nach  dir  cheren.)  — 

Roth.  414   (Nu  sagit  man  von  schazze  und  von  golde: 
Der  kuninc  heiz  iz  abe  tragen 
Und  beval  iz  Birne,  kamerare;) 
Daz  er  is  also  plege  \ 
Sowannc  man  iz  luxben  solde;  ] 
Iz  wäre  wafen  oder  vane,  \ 
Daz  is  icht  queme  dane;  \ 
Swa  ein  ros  irsturbe,  i 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEK  M MD.  DICHTUNG. 


495 


Daz  ein  ander  widir  gewunnin  wurde:  \ 

Daz  gebot  er  ime  an  sin  leben  } 

Und  heiz  in  des  so  plegen,  \ 

Ob  man  iz  immer  wider  gegebe,  \ 

Daz  iz  dar  allez  were.  \ 
ebda.  4682  Wenne  durch  des  koningis  ere,  Dune  bescouwedis  nimmer  mere 
Weder  lüde  noch  laut.  Dich  sloge  der  selve  valant.  Inbreche  her  von  den 
lannin,  Diu  levenl  were  irgangin.  —  Nib.  34,  2  In  höre  Sigemundes  der 
buhurt  wart  so  starc,  Daz  man  erdiezen  horte  palas  unde  sah  Die  hoch- 
gemuoten  degene  die  heten  grcrzlichen  scal.  Von  wisen  und  von  tumben 
Man  horte  manegen  stoz,  Daz  der  scefte  brechen  gein  den  lüften  doz.  — 
Eilh.  1071  Da  wart  der  siehe  in  getragin  Mit  unmezigen  clagin  Obir  lut 
und  tougen.  Do  worden  lutir  ougen  Trübe  von  iceinen,  Do  man  den  helt 
reinen  i'z  der  stad  in  daz  hus  trug.  Lute  volgeten  im  genug,  Die  alle  sere 
clageten,  Daz  sie  verlorn  habeten  Also  den  wigant.  —  Herb.  602  Was  ir 
farwe  wiz  rot  far,  Noch  rechte  wiz  noch  rechte  rot,  Wen  als  zu  der  mazze 
was  not.  Noch  wiz  noch  rot  darinnc  schein,  Daz  man  zwischen  disen 
zwein  Hellte  da  mitten  abe  nam.  Zuo  einer  gemisten  varwe  es  quam.  — 
Erec  899  Wir  velschen  beide  ritters  muot  Da  mit  und  wir  ie  mitten  tuon; 
Ez  ist  sunder  pris  und  ane  ruom.  Unser  blwde:  rehten  Gezimt  niht  guoten 
k ruhten.  Unser  siege  gent  niht  manlichen,  Wir  vehten  lästerlichen.  —  Iwein 
160  Er  sprach:  vrouwe,  es  ist  genuoc.  Ir  habt  mirs  joch  ze  vilgeseit;  Und 
het  irs  ein  teil  nider  geleit,  Daz  zieme  iuwerm  namen  wol.  —  ebda.  1466 
Waz  sol  ich,  swenn  ich  din  enbir?  Waz  sol  mir  guot  unde  Up?  Waz  sol 
ich  unsa'ligcz  wip?  —  Parz.  160,11  (Er  was  doch  mässenie  alhie)  Also 
daz  kein  ore  nie  Dehein  sin  untat  vernam.  Er  was  vor  wildem  valsche 
zam:  Der  icas  vil  gar  von  ime  geschaben.  —  Engelh.270  Somacvilkumc 
ein  edel  man  Wert  gesin  in  kranker  habe.  An  hoher  wirde  get  im  abe, 
Swenne  er  gehles  niht  enhat.  Als  ez  nu  in  der  werde  slat,  So  darf  ein 
man  wol  guotes,  Der  edeles  herzen  muotes  Wil  pflegen  unde  spulgen.  — 
ebda.  524  So  laz  mich  raren  mit  dir  hin,  Dar  du  keren  wellest  nu.  Vil 
bezzer  ist  daz  ich  unt  du  Mit  ein  ander  strichen  Dan  ob  wir  sundcrlicJicn 
Iegelicher  füeren.  üb  wir  zein  ander  swücren  Geselleschaft,  waz  würde  daz? 
Uns  beiden  wäre  deste  baz.  —  ebda.  536  So  wil  icJi  keinem  manne  Ge- 
selleschaft  so  gerne  geben.  Mich  dunkel  din  vil  reinez  leben  In  der  sale- 
keite  wol,  Daz  ich  dir  gerne  leisten  sol  Brüederliche  triuue  gar.  Vil  harte 
gerne  ich  mit  dir  var.  —  ebda.  566  Ach  lierre  got,  wie  gar  bin  ich  Eins 
geverten  nu  gewert.  Allez  daz  min  herze  gert  An  geselle  Schafte  nu,  Daz 
hast,  vil  lieber  herre,  du  Nach  vollem  wünsche  mir  beschert.  Ob  dirre  knabe 
mit  mir  vert,  So  bin  ich  immer  Salden  vol.  —  II.  v.  Fr.  761  Minne  unde 
lust  die  giengen  entwer  Under  in  hin  unde  lier.  Die  maget  in  siner  minne 
bran,  Und  in  ir  minne  bran  der  man.  Er  gert  ir,  sie  gerte  sin.  —  ebda. 
1389  Swer  aber  daz  vorschulden  kan,  Und  im  des  heiles  vrou  Seide  gan 
Und  im  den  trost  Gelücke  birt.  —  ebda.  1416  Sin  herze  daz  wart  muotes 
col,  Im  stolztc  herze  utuie  muot,  Sin  muot  der  wart  so  rehte  guot  Und  uf 
die  hübschen  mere  vordacht.  —  Diokl.  602  Nu  sint  ir  siben  meister  kluog, 
Ir  künnent  die  geschrift  und  allen  fuog  Und  habent  an  üch  groz  vernufft. 


Digitized  by  Google 


4% 


HKHAGHEI. 


—  \Y.  gast  459  Ein  vrouwe  sol  niht  hindcr  sich  Dicke  sehen,  ilunket  mich. 
Si  sol  <jf  h  dir  sich  geriht  Und  sol  ril  umhe  sehen  niht. 

B.  Es  schieben  sich  Zwischengedanken  zwischen  die  iden- 
tischen aussagen  ein,  so  dass  die  widerholung  als  wideranfnahme 
ersrheint: 

I.  Die  einschiebung  erfolgt  zwischen  den  beiden  ersten 
der  identischen  aussagen: 

Diokl.  881  Er  hat  minen  Up  gar  nach  gescheut,  find  wercnt  ir  nit 
gar  balde  komen.J  Er  heil  min  ere  mir  benomen.  Ich  wer  wurden  gar  :u 
Schanden,  tlfctt  ich  ime  nit  widerstanden.  )  —  Ms.  F.  43, 1  Mich  tnüet  (deich 
von  der  heben  dan   So  cerre  körn,]  des  muos  ich  wunt  Beiiben:  dest  mir 

ungesund 

II.  Die  einschiebung  erfolgt  zwischen  der  zweiten  und 
dritten  der  identischen  aussagen: 

a)  Die  weitere  fortsetzung  knüpft  unmittelbar  an  die  letzte 
der  identischen  aussagen  an: 

\Y.  iien.  33*23  t'wer  ieglich  Fringe  sinen  roub  fure  mich.  Swaz  er  da 
genamc.  Da;  pringe  here  ril  begarwe.  fl'b  got  wil,  Des  nebistet  hie  pore- 
rite:  Ihe  heolenisken  meilin  Nisculen  unsich  niht  unreinen,]  Lat  mich  stiert 
alle  sehen,  Swaz  sin  uwer  ieglicheme  ze  teile  si  gesechen.  ( Vile  skiere  si 
brnfittn.  Daz  $i  da  gerouhten.)  —  Rol.  fiOOt»  Xirmcr  gerate  ih  iz  tJtir  («Im 
M.vseu  «los  hornos),  Xoh  ist  iz  min  wille.  [Jlalcstnz  in  zit  getan,  So  hatesiu 
NMMfiKM  herlichen  man  Themc  riche  behalten  ...]  Niemcr  mere  geplas  thi* 
hont,  (  1 her  keiner  ne  mah  uns  niht  zt  helfe  komen.)  —  Roth.  307  Xu  sal 
i;  dir  Mtmhei  sin  Durch  dines  herren  willen;  Nu  werph  swaz  du  willes. 
//>«<  bist  ein  wetlicher  man,]  Du  salt  minen  urlob  han.  {Do  sprach  Lupolti 

—  Knpelh.  93*2  <hwh  künde  si  beluogen  Ir  zweier  salde  tougen  Mit  herzen 
und  mä  ougen  So  schone  und  also  rehte,  Daz  man  zicen  edcle  knehte  Als 
innccliche  nie  besneh.  Swenn  ir  diu  state  do  grschach,  Daz  ir  nienten  wart 
<}rwar.  So  warf'  si  die  gesiht  aldar  Vf  die  vil  saldcbirren.  [Si  künde  icol 
betCirrcn  In  beiden  minnetücke.]  lieht  als  si  wirren  fhtcke,  Sus  fuoren  uf 
si  dicke  Ir  spilende  ougen  blicke.  (Und  ulzehant  do  daz  geschach,  Daz  si 
mit  ougen  si  besuch.)  —  Diokl.  993  Des  jungen  boumelins  du  war  Htm, 
End  luge  sunderlichen  wol  zu  im.  fleh  hoffen  er  solle  besser  werdm  Denn 
der  alte  ie  wart  uff  erden,  Wie  vil  er  lute  erncret  hat,]  Darumb  so  tuo  ime 
guten  rat.  i  Der  gartencr  sprach:  ich  tuon  cz  gern.) 

b)  Die  fortsetzung  stellt  zu  dem  zwischengedanken  und 
dem  schlussgedanken  in  gleich  naher  oder  gleich  ferner  be- 
ziehung: 

Eilh.  834  Xein,  des  mag  nicht  gesin,  Sprach  Morolt  der  starke;  Ich 
wil  den  koning  .Markin  Des  Zinses  nicht  vorlazin;  fSic  mochten  alle  wenen, 
Daz  icJi  daz  vor  vorchte  tcte:J  Alsulchir  clugin  rcle  Mag  ich  dir  nicht  ror- 
volgin.  (Mir  worden  alzu  sere  irbolgin  Alle  mines  leeren  laut.)  —  W.  gast  90 


Digitized  by  Goog 


ZUK  TECHNIK  DEU  MIID.  DICHTUNO. 


407 


CM  hau  einn  andern  sin  erkorn.)  Daz  ich  mich  des  gern  vlizen  teil  Und 
teil  dar  uf  gedenken  vil,  [Daz  man  mir  verneine  wol;J  Dar  nach  ich  temmer 
ringen  soL 

III.  Die  einschiebung  erfolgt  an  beiden  stellen: 

a)  Die  fortsetzung  schliesst  an  den  schlussgedanken  an: 

Parz.  138,27  (Got  halte  iueh,  sprach  des  knappen  munt,)  Wer  gap 
iu  den  riter  wunden?  [Der  knappe  unverdrozzen  Sprach:]  wer  hat  in  er- 
scJwzzcn?  [Geschahcz  mit  eime  gabilot?  Mich  dunket,  frouwe,  er  lige  tot./ 
Welt  ir  mir  da  von  iht  sagen,  Wer  iu  den  riter  habe  erslagen?  (Ob  ich  in 
müge  erriten,  Ich  teil  gerne  mit  im  striten.) 

b)  Die  fortsetzung  steht  dem  letzten  einschub  und  dem 
schlussgedanken  gleich  nah  oder  gleich  fern: 

Kehr.  10996  Nu  solt  du  uns  suntigen  wegen  Unt  gefrist  uns  duz  leben 
Vor  dem  gotes  widerwarten.  [Du  truogc  uns  den  in  dise  werlt  ze  tröste, 
Der  uns  von  der  helle  reloste;  Er  ist  suoze  unde  guot  ...  J  Xu  relos  uns 
von  dem  grimmigen  man,  Das  er  unsih  iht  zestore,  Diu  dinest  hie  iht 
geiire.  [Daz  dingen  wir  an  dich:]  Hailigt  maget,  nu  relosc  mich.  —  Diokl. 
649  Hcrre  wir  tcollent  für  traben  /Und  wcUent  studieren  unser  list,  Das 
unser  ieglicher  üch  gefrist  Einen  tag,  des  bedurffent  ir.J  Hie  mit  so  wollent 
riten  wir.  [Disen  harsch  sollenl  ir  bi  üch  behüben.]  Wir  wüllent  unser 
strass  traben.  —  ebda.  83(5  Der  gewin  dächt  mich  dein,  [Das  weis  got  der 
rein;  So  sündet  ich  ouch  swerlieh  hie  an,]  Kein  guotes  ich  hie  merken  kan. 
[Mins  vatters  fluoch  ich  gar  entpfieng.J  Niht  nutzes  mir  daraus:  ergieng. 

Viermaliges  aussprechen  desselben  gedankens  ist  schon  ganz 
selten: 

A.  Hei  unmittelbarem  anschlnss  der  verschiedenen  fassnngeu: 

Tr.  3494  Er  künde  und  wolle  in  allen  leben.  Lachen,  tanzen,  singen, 
Riten,  loufen,  springen,  Zuhlen  unde  sehallen:  Daz  künde  er  mit  allen.  Er 
lebete,  swie  man  wolle,  Und  als  diu  jugent  solle.  Surs  ir  deheiner  began, 
Daz  huob  er  iemer  mit  im  an.  —  H.  v.  Fr.  1450  Er  wil  muh  aeentiure 
t  arn.  Sine  jugent  die  gehiuren  Die  wil  er  aventiuren.  Aeentiure  wil  er 
gern  Und  aventiure  teil  er  wem.  Sicer  aventinre  an  im  gert,  Aeentiure  er 
den  geteert. 

B.  Bei  einschiebung  eines  zwischengedankens: 
a)  Nach  der  ersten  der  identischen  aussagen: 

Engelh.  1168  (Do  nam  diu  schaue  da  zehant  Ir  zweier  namen  in 
den  munt,)  Die  begundes  an  der  stunt  Merken  unde  prüeren  sa.  [Hessen 
name  ihr  besser  gefiele,  den  wollte  sie  lieben.]  Ez  wurden  von  den  lobe- 
samen  Gemerket  dise  zwene  namen,  Dieterich  und  Engelhart.  Ir  zweier  lut 
vil  dicke  wart  Geprüevct  von  der  scho  nen.  Ir  hellen  und  ir  dwnen  Begundes 
ahten  sere. 


498 


BEHAGHEL 


} 


b)  Vor  der  letzten  der  identischen  aussagen: 

H.  v.  Fr.  1394  Den  hat  man  uz  besunder  In  so  hoer  werdikeit.  Und 
wirt  sin  lop  so  wit,  so  breit.  Und  siner  cren  kric  Von  alle  der  massenie 
Wirt  geruofen  uf  daz  zil,  [Daz  einem  künige  teer  zu  vil  Der  sehalb&ren 
werdikeit,  Die  im  ze  hove  da  tcirt  bereit:]  Und  wirt  sins  lobes  schal  gesant 
Mit  hoer  tcirde  in  alle  lant. 

Endlich  fünfmaliges  aussprechen  desselben  gedankens  ist 
nur  einmal  belegt,  mit  einschiebung  eines  zwischengedankens 
vor  den  beiden  letzten  der  identischen  aussagen: 

Engelh.  448   Der  was  gestalt  reht  als  ouch  er,  I 
-4«  libe  und  an  gebare.  J 
67  waren  beide  zware 
Sere  glich  ein  ander. 
Wan  eine  forme  vander  \ 
An  in  beiden,  steer  si  sach.  j 
[Got,  aller  Salden  überdach, 
Der  heete  an  in  gewundert.] 
Si  waren  ungesundert 
An  allen  dingen  beide. 
[Kein  ander  tinderscheide 
An  ir  bilden  wart  erkant 
Dan  daz  ir  pferl  und  ir  gewant 
Ein  ander  waren  ungelich  ...] 
Daz  si  gelich  und  eingevar  j 
An  allen  liden  waren,  1 
Da  mohten  bi  den  klaren  \ 
Die  Hute  kiesen  wunder  an.  ) 

Es  bleiben  noch  einige  besonders  eigentümliche  fälle  der 
widerholung  zu  verzeichnen. 

Ich  erwähne  zunächst  den  fall,  dass  bei  der  widerholung 
einer  gruppe  von  Vorstellungen  die  einzelnen  glieder  der 
gruppen  verschiedene  anordnung  aufweisen  können: 

Eilh.  812   Eigen  unde  lehen 

Wü  ich  mit  dir  teilin, 
Und  durch  dich  vuren  veile 
Unser  Hb  unde  gut, 
o  f  Daz  du  kerest  dinen  mut 
~  \  Und  lazest  den  kamp  sin. 

Gedenke  an  den  Up  din!  1 
Daz  dunkit  mich  gar  teol  getan.  \ 
Sal  ich  dich  nu  zu  dode  slan, 
Daz  ist  mir  inniglichin  kit. 


1, 


{ 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


400 


Schone  jungeling  gemeit,  \ 

Bedenke  dich  des  in  zit  3 

Und  vriste  dinen  jungen  Up!  ' 

Ich  spreche  das  xcerlichin:  > 

Ich  teil  dich  madten  riche     \  1 

Und  gebe  dir  halp  min  erbe  i 
(  Sol  ich  dich  nu  vorterbin, 
4  |  Daz  ist  vil  schedelich  getan: 
2  {  Ilir  um  saltu  din  vechlin  Um. 

Erec  479 

{So  suocfie  ich  helfe  xinde  rat. 
Uf  gnade  so  si  itt  bejehen: 
i  Mir  ist  ein  leit  von  im  geschehen, 

2  !  Daz  ich  immer  klagen  sol, 

[  JSzn  si  daz  ich  michs  erhol. 

(Sin  geticerc  mich  harte  sere  sluoc; 
Daz  ich  im  durch  not  rertruoc: 
j  lEz  was  getoafent  unde  ich  bloz, 
'  Des  iz  do  benamen  genoz.J 

3  {  Oroz  laster  muost  ich  do  vertragen. 
I  Daz  sol  min  herze  immer  klagen. 

2  !  Mim  gefüege  got  noch  den  tac 

\  Daz  ich  ez  ge rechen  tnac. 

j  Rates  muoz  ich  iueh  biten. 
1  |  Beide,  helfe  unde  heil 

IStat  eil  gar  ane  teil, 
Herre,  in  iuicer  hant. 

Weiter  kann  es  bei  widerholung  einer  gedankenfolge  ge- 
schehen, dass  innerhalb  des  einmaligen  ausspreehens  derselben 
ein  glied  der  rede  selber  wider  mehrfache  Verkörperung  erfährt. 
Hierher  gehört: 

Kehr.  101)85  Sie  wurden  harte  unfro,  }  a  i 
Si  rechomen  vil  harte:  }  a  j 
Dem  tode  si  do  H  arten.  b  I 
In  allem  dem  closter  \ 
Chomen  si  ze  dem  untroste.  \  a 
Si  gedahtni  ze  leben  niemere.  }  b 

Die  gedankenfolge  'sie  wurden  traurig  und  erwarteten  den  tod' 
ist  zweimal  ausgesprochen:  das  erste  mal  erfährt  das  erste  glied 
der  reihe  wider  selbst  doppelten  ausdruck. 

Umgekehrt  ist  Engeln.  1118  bei  der  zweiten  Verkörperung 
der  gedankenfolge  deren  zweites  glied  variiert  worden: 


Digitized  by  Google 


500 


HEHAUHKL 


Engelh.  1118 

I  Ich  ziuhe  c:  an  den  werden  Krist, 


[  Mit  herzen  und  mit  sinne. 
j  Doch  sol  mir  got  verbieten, 
b    Das  ich  mich  icoldc  nieten 
V  Mit  der  tat  ir  beider. 
|  Ich  arme  enkan  niht  leider 


Ms.  F.  92,28    Und  sohle  ich  inner  da:  gehben, 


Daz  ich  si  umbcvienge,  J 

So  mües  min  herze  in  fröidcn  stechen,  )  b 

Swnin  daz  also  ergienge,  }  a  | 

So  wurde  ich  von  sorgen  fri  }  b  | 

(Ir  genade  staut  da  bij  j 

Ob  si  mir  des  verhienge.  }  a  ! 


Bei  der  widerholung  der  aus  nebensatz  und  hauptsatz 
bestellenden  wortgruppe  wird  hier  der  nebensatz  nicht  einmal, 
sondern  zweimal  widerholt  und  zwar  so,  dass  der  hauptsatz 
zu  den  einander  gleichen  nebensätzen  axo  xoirov  steht.  In 
diesem  falle  wird  also  ein  teil  der  gedankenreihe  zweimal,  eiii 
anderer  dreimal  ausgesprochen. 

Das  teilglied,  das  bei  der  widerholung  einer  vorstelluiurs- 
gruppe  für  sich  besonders  variiert  wird,  kann  aber  auch  ein 
gedanke  sein,  der  bei  der  ersten  ausspräche  noch  gar  nicht 
vorhanden  war,  das  zweite  mal  als  ein  mehr  hinzutritt: 
Diokl.  5GO 


a  {  So  forchten  wir  misselingen, 
I  W  and  wir  haut  daz  firmament 

b    Von  Orient  gen  Ocident 
\  AI  umb  und  umb  geschowet. 

a    In  diser  zgt  Jiat  es  nit  fug. 

c    llerrc,  wir  WÖäeni  üch  sagen  gnug: 

b     wir  haut  das  gestirne  beselwn; 

c    Das  woUcnt  wir  üch  verjehen. 


a 


Daz  ich  si  beide  minne 


Ich  enmüeze  in  uf  der  erden 
Heiden  holt  von  herzen  sin: 
M  an  daz  si  gcwaltic  min 


Daz  sol  den  edelen  sitezen 
Mit  gotes  helfe  sin  verzigen. 
/ewarc  ich  wolte  c  tot  geligcn, 
K  daz  min  Up  vil  reine 
Ir  zweier  würde  gemeine. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DBB  IIHD.  DICHTUNG, 


501 


Gelegentlich  kann  es  geschehen,  dass  der  cljto  xotvov 

stehende  zwischengedanke  widerholung  erfährt: 

W.  Gen.  3G96   Vde  wole  er  in  benwhte,  \ 

Wole  ime  spuole,  !  a 

Swa  er  dienote.  I 

(Ein  chint  was  er  erlieh,  | 

AI  sin  gebare  tugentlich.  \ 

In  clliu  diu  und  er  tele,  \ 

So  hete  er  guote  site.J  \ 
Got  gab  im  framspuot  1 
In  elliu  diu  und  er  bestuont.    J  a 

Und  endlich  kommt  es  vor,  dass  die  beiden  hauptarten 
der  von  uns  besprochenen  erscheinung,  widerholung  und  weiter- 
führung, vereint  auftreten.   Hierher  gehört  Kother  3140: 

Neman  ersturre, 
E  he  begraeen  wurde, 
Man  Sölden  dar  mide  besfrichin 
So  leveder  sicherliclie; 
|  Nieman  inis  halz  noch  krump, 
|  He  newurde  »eiere  gesuni, 

IGerorde  in  die  koningin 
Mit  deme  goden  steine  min. 

Hier  liegt  im  ganzen  weiterführung  vor:  niemand  stirbt,  wenn 
er  damit  berührt  wird;  niemand  bleibt  krank,  der  damit  be- 
rührt wird  (also  weiterführung  des  hauptsatzes  bei  überein- 
stimmendem nebensatz  (s.  oben  s.  445);  aber  der  erste  haupt- 
satz  erscheint  widerholt,  und  zwar  ist  die  aussage  einmal 
negativ,  einmal  positiv:  nieman  ersturve  =  so  leveder  sicherliche. 

Dagegen  erfährt  der  zweite  der  weiterführenden  sätze 
widerholung  bei  Walther  74, 14: 

Mines  herzen  tiefiu  wunde  \ 
Diu  muoz  iemer  offen  sten,  si  enküsse  mich  mit  friundes  munde.  \ 
Mines  lierzen  tiefiu  wunde 

Diu  muoz  iemer  offen  sten,  si  enhciUs  uf  und  uz  von  gründe. 
Mines  herzen  tiefiu  wunde 

Diu  muoz  iemer  offen  sten,  sin  werde  heil  von  Hiltegundc. 

Hier  ist  der  nebensatz  si  enheiles  uf  und  uz  von  gründe  weiter- 
führung  von  si  enküsse  mich  mit  friundes  munde,  und  wird  dann 
widerholt  durch  sin  werde  heil  von  Hiltcgunde.  Der  dichter 
selber  hat  freilich  gewis  die  dreimal  drei  Zeilen  als  drei  gleich- 
geordnete gruppen  gefasst,  und  sachlich  enthält  der  erste  neben- 


Digitized  by  Google 


502 


BBHAGHBL 


satz  dasselbe  wie  die  beiden  folgenden;  so  wäre  es  vielleicht  rich- 
tiger, die  stelle  einfach  als  beleg  mehrfacher  widerholung  auf- 
zufassen und  zu  den  auf  s.494  verzeichneten  beispielen  zu  stellen. 

Eilh.  27ö  liegt  im  ganzen  widerholung  vor:  die  ersten  vier 
Zeilen  entsprechen  den  zweiten  vier: 


Daz  sie  daz  gar  vorbcrin 
Und  sin  geslccJdc  tcoldin  Min. 
He  begunde  in  iure  berelin, 
Swes  man  in  dar  ume  zege, 
Daz  ez  ir  iegelich  versicege, 
^Yie  es  stunde  umme  sie. 


Aber  innerhalb  der  ersten  aussage  liegt  weiterführung  vor: 
sie  sollten  sein  land  nicht  nennen  und  sollten  sein  geschlecht 
nicht  nennen.  Dabei  lässt  sich  die  vierte  zeile  und  sin  gesUchte 
wolilin  heiin  als  sachlich  abhängig  von  den  vorhergehenden 
fassen,  trotz  des  beiordnenden  und,  vgl.  die  von  mir  Lit-bl.  1904, 
273  aus  Parzival  verzeichneten  stellen  und  Kluges  Zs.  6,  300. 

In  \V.  Gen.  383  liegt  im  ganzen  widerauf nähme  vor;  aber 
die  «jrö  xoivov  stehende  partie  ist  eine  mehrfache  weiter- 
führung  des  ersten  gedankens: 

Den  selben  lettun  Tet  er  ze  adaren;  [Uber  icglich  Iii  er  zock  Den  selben 
leim  zach;  Uz  heitern  leime  Tet  er  gebe  ine,  Uz  proder  erde  Hiez  er  daz  fleisk 
werden,]  Uz  letten  deme  zähen  Machot  er  die  adare. 

Und  ganz  eigentümlich  ist  schliesslich: 

Engdh.  854   Wol  eine  tohter  hcete,  \ 


Diu  rein  uml  edel  künde  sin.  \ 
Din  juncfrouice  minnevar  \  & 
Lebete  sunder  itewiz.  j 
Ich  enkünde  niht  durchgründen  1 
Jr  sch(ene,  ir  adel,  unde  ir  tugent.  \ 


Iiier  widerholen  z.  3  und  4  die  Zeilen  1  und  2,  sind  aber  weniger 
umfassend;  der  begriff  des  'edel'  bleibt  unberücksichtigt.  Z.  2. 
5  und  6  führen  den  inhalt  der  beiden  ersten  verspaare  weiter, 
indem  das  Vorhandensein  der  trefflichen  eigenschaften  nicht 
nur  festgestellt,  sondern  ihre  stärke  gepriesen  wird;  zugleich 
wird  zum  adel  und  zur  tugend  noch  die  Schönheit  gefügt 

Ich  fasse  nunmehr  die  auf  s.  448—502  verzeichneten  tat- 
sachen  in  eine  übersieht  zusammen. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


503 


omuing  || 


öS  »h  th 


*n8  AV 


a 

*-> 

<y 
•  •-• 

Ii 

OD 

hi 
«> 

O 


4> 


in 


CO 


jjoqjaH 


igqjotf 

'jqajl 
Vub[oh 

ouay 
supoxg 


Ol 


Ol 


Ol 


CO  Ol  Ol 


Ol 


Ol 


Ol 


T->  Ol 


Ol  Ol  tH  vH 


iH  «H  Ol 


Ol  T-» 

OJ     •  • 


CO 


Ol 


Ol 


CO  CO 


iM  CO 


3^ 
§  -5 


Digitized  by  Google 


504 


BEHAGHEL 


oununs 

cd  <£> 

CM  Ol  lO 

22 

CO 

Ol  -*  -* 

•  iH 

•  • 

• 

1-t    •  — 

*H 

— H 

iH 

•     •  iH 

%<svä  AV 

tH  • 

•  tH  • 

•  Ol 

•  iH  • 

innig 

i-l  iH  • 

•  • 

iH 

tH  • 

.      •  iH 

•        f                  »        •        4                                    •-•                  •••  • 

•         •                                                                                                               |         •         ■  • 

•         •                  *        |         |                                    ■         •         •                  ••■  • 

•  y-i 

■  71 

iH 

•  ^  • 

UIOMJ 

  Ol  

.    .         .    .    .                  •  vi              ...  . 

^[aziiBq 

•      •             •      •      •                       Hrl      .  ... 

*  • 

1-1 



•  • 

•  i-l  • 

•  tH  i-X 

Ol 

•  • 

T-l 

1-1 

•  i-l 

iH  . 

•  tH 

• 

M 

•  • 

•  tH 

iH  CO 

i-i 

onny 

Ol 

•     •  Ol 

CO  • 

i-t 

«•'!)  A\ 

Ol  • 

i-i     •  Ol 

•  ?1 

»■4 

a 
a 

^= 

o 


In 

© 

u 

o 

05 
V 

— 


© 

B 
a 


•  •      •  ■ 

©  Pi 
Oi 


9 

es 


J 


2 

© 


5  « 

bß  ae 

0  TT 

>  B 

33  a 

8  n 

a.  CS 


n 


1 

br 

P.  « 

oi  3 

vi  E 

jlj   es  „, 

©  ja 

<=»P 


c  5 

SIT 


i 


c3 

CG 

"Ö 

a 
a 


eu  © 

I  i 

.5  bc 

e  ^ 

t~.  es 


1 

B 

o 


©.So 
bC  eS 

,g  5  ■ 

3  §  2 

©  2 
a  es 

©  ■ 


© 

3 


»,  a  Oi 

1  3  «2  ti 

■     4-1  0 

^      t«      «  d 

©   eS   oo  es 
O« 

tä  a 

h   o  «S 

cö  —   0)  „ 

a  5 


2  .. 

5  ig 

o  9 
>  a 

Ii 

H    N    ■  2 


5:  > 


eS  es 

X  OD 

o  ej 

js  £ 

a  a 

•  -  — 

Im  f~> 

P  P 


§2  2 

©  es 

§.  Sf-  " 

Oi  *  - 

2 BD  C 

2  s 

Sa  2 

©  » 

ev   N  2 

©  es 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


505 


t-, 

O 


■ 

T3 

s 


1 1  II  1  II  1 1  k.' 

•fi  iß  cj 

00  CO 

N8  * 

*  * 

^    T-  • 

■  • 

_  ßw 

T-t  T-t 

<N  «*  • 

•  • 

•  tH  tH 

M  04  tH 

Ol  tH 

•UUU3 

•  TH 

•  • 

• 

"*  • 

• 

•  ro 

CM     •  CM 

• 

—  • 

• 

•  ro 

•  Ä  A  H 

H  r(  rl 

•  • 

• 

tH 

.  . 

•qiaSua 

T-t  i-( 

tH  CM  <N 

•  • 

• 

00  • 

• 

•  Ol 

iH  tH  • 

•  • 

• 

T-I  tW 

• 

•        •  • 

09  • 

•  CO  tH 

•  • 

• 

CO  • 

• 

T-t  T-t 

T-t 

<M  T-t  • 

•  • 

• 

•  • 

• 

•  tH 

Ol  • 

CO  t-I 

•  • 

• 

•  • 

• 

•    T-t  • 

■  CO  • 

•  • 

• 

Ol  • 

• 

•  CO 

lajazwj 

•  • 

■      •  Ol 

TH 

CM  • 

•  tH 

I      '  * 

^  n  H 

tH  • 

,jwqi!3 

•  03 

Ol 

(M  tH 

CM 

•  TH 

•  • 

<M  t-i  • 

CM  • 

■            •  • 

t-I  • 

CO  00 

t-I  . 

•  • 

T-t  • 

•  CO 

jaqiog 

-N  — 

i~  oi  co 

T-I  • 

tH 

•  • 

•       *  • 

•  • 

•  • 

•  T-t 

 jq^N 

T>H  • 

«.O  O  tH 

tH 

Dl  • 

•  • 

t*      •  tH 

•  • 

■H 

■ 

•        •  • 

ouay 

•  • 

•  -rH  • 

•  • 

•  • 

•       ■  • 

snpoxg 

•  • 

(M  <M  (M 

•  T-t 

■  ■ 

•       ■  • 

•nao  AY 

CM  rH 

-f  »O  T-t 

T-I  • 

I 

'S 
■S 

> 

°SS 
o 
— 

1 

CO 

3 

CR 
CJ 


^3 


I 

TS 

s 

bfj  »■ 

d  N 

08  ^ 
P 
P 

^=  ei 


■ 
fit 
Ä 
P 

'  *  SC 

Ch  es 

»'S 
|  5 


■=>   -   -   &  «J   oj  a> 


f  ü  1 

&  9  *i 

*  a  *! 

W    4)  u 

s  *  « 

ojd  Sa  • 

1  -ö 

■    in  es 

X 

2  § 

83    es  2  « 


-r 

es 
CO 


i. 


1« 


S  5  8 


N    N  N 

<V    OJ  CW 

3  5  S 


Beiträge  xur  geschichte  der  deuuchen 


34 


<u 
O 

OD 
*•* 

JS 


■1. 


4> 

6 

öS 


9  in  uins 

'ntrug 
•  &  a  h 

U13AVI 
•JUTTJ 

WIN 

ouuy 
nipoxg 


0d 


<H        CO-rH        ION        "*  CO  lH  CO  •«  CS  Ä 


CM 


04  H 


CM 


CM 


CM  -rH 


CM 


CM 


CM  — 


s 
- 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


507 


»in  mns 

«-4  CO 

CO  CO  Ol  CO 

OS  CO  CO  Ol  th  t-* 

 tH 

•                    •  • 

*H     •     •     •     •  • 

.     .     .     .          .  ,-t     •     •     .  • 

l_  wia 

....   

M  'A  H 

•                      •  • 

•           «           •  • 

H  H     ■     •     •  • 

•                      •  • 

■          ■          •  • 

9J0JJ 

•          ■           ■  ■ 

.     .  ,H     •     •  • 

•           •           •  • 

OJ 

•  tH 

y-l       •       •  • 

•                 •           ....  <iH  

1  1 . '  1 . •  '/. 1 1 1 "  i 

•  tH 

1  uoqj9H 

w  ....   

CO 

■  H  H  vH 

*H     •     •     •  « 

m\s. 

•                      •  » 

(N  «  W 

mm  • 

tH      •      •  -rl 

t            •            •  • 

.            .            .  . 

Od    •  w    •    •  • 

•            •            •  • 

•»-»  

ouuy 

fH     •     •  • 

.   T-t       •        •        •  • 

•           •           •  • 

CM  

= 

o 


o 

(V 

'S 

o 


o 

s 


508 


DEHAGHEL 


P 

53 
«-» 
.-■ 

o 


o> 

OB 

o 

tn 

4-1 


i 


CO  Ci         t-H  ^~ '  OS 


CM 


©J  »H 


h  n  CO 


CM  tH 


■ 

o 


öS 


■«IV 


ouuy 


CO 


(M 


Ol  iH  i-H 


•  CM 


CM 


CM 


CO  -Fi  CO 


CO  -r-i  CM 


CM     •  CM 


t-t     •  CO 


-  z 

'S  | 


»,  - — «  s  v  ^~ « 

ojflSos.JJceoeajos 
P  CM  CO  G  QoT«  £T 


£Tco 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MTID.  PICITTUNG. 


500 


auwiiis 


<M  (M 


CO 


0 
0 

o 


<u 


0- 

o 


M 


00 
0) 

» 

a 

eS 


;ioqj9H 

X91V 


Digitized  by  Google 


510 


BEHAGHEL 


ja 


oj 


u 

CJ 
TS 

O 


ej 


oi  ^ 

if5  i-i  «O  00 

2? 

Ol 

Ol 
!~- 

•  • 

■                ♦  • 

TT 

A  *\\ 

■                •  • 



5 

i 

•                *  • 

-   

OJ  • 

*  * 

•um  l rT 

•  • 

_  _ 

— 

. — . 

Uli  1  \T 

 ,  

-  1 

X 

1  Voll  1 

■  » 

■              •  • 

•  *— 

'IT  •  »  •IT 

JA  a  n 

■ 

•  • 



CO  Ol 

#  # 

»O  ■— 1 

*  - 

•             •  • 



•  * 

-  1 

•  1-1 

*  • 

•              •  « 

- 

—  • 

—   

3 

•  ■ 

•  • 

• 

?> 
öl 

— 

X 

i  ran  1 1  '.i 

•^1  Ol 

i 

■  UM!'  I 

«■4    %  CM  • 

~— 

M(.\ 

— • 

i— i 

ratiioTi 
-■  "i  *  'i 

.    •  Ol 

00  • 

— 

*  > 

■  • 

— 

-M 

— 

•  • 

.                        •  — H  — 

Ol  ■ 

(»cra  v 

• 

*  • 

lO 

»                  •        •        •  " 

o  - 

•  Ol 

teils 

II 


0) 

— • 


1> 
>- r 


1> 
= 

4- 

D 


es 


15/ 
es 

s 

0) 


■8 
s 

J2 


1 1 
■ 

*  I 

|  g 

—  '^ 

dB 


ja  A 

0)   eS    es  * 


P  CT 


01  M 


c 

_£ 

£ 

o 
► 

co 
OJ 

a 

E 


§  | 


B 
B 


SO 

^* 

B 
> 

0J  Oy 

1  g 

0J  OJ 


ej 
C 

a 


P  >  » 


B 

Ts 

» 
— 

a 
B 

w 
K 

0J 

Ä 


ZUR  TECI 


KU 


DER  MHD.  DICHTUNG. 


511 


Vergleicht  man  nun  die  zahlen,  die  hierbei  sich  für  die 
einzelnen  dichtungen  ergeben  haben,  mit  der  zahl  der  verse, 
aus  denen  die  belege  genommen  sind  (s.oben  s.434),  so  gewinnen 
wir  folgende  verhältniszahlen: 


Wiener  Genesis  .  . 

•  •    1  ?5  0  o 

•  1,27% 

■   -     2,1  o/o 

•  1,87% 

.  .  0,57  •/. 

.  1% 

.  •    2,2  o/o 

.  .    2.2  % 

Flore   

■  1,07% 

.  •  0,7% 

Engelhardt  

9  9  0/ 

Rother  

.  .  0,92  °o 

Heinrich  von  Freiberg 

•  1,8% 

.  .  1,91  % 

•  2,75 

.  •  1,32% 

Erinnerung  

•  1,05% 

Eilhart 

•  •    1,9  •'. 

.  1,4% 

.  •  0,9% 

Ms.  F.  (rund  3600  verse)  1,08% 

.  .  0,63  % 

Walther  (rund  2600  verse)  1,04  % 

Die  erkliirung. 

Wenn  man  die  ganze  masse  der  tatsachen  überblickt,  so 
zeigt  sich,  dass  die  widerholung  in  ungemein  verschiedener 
äusserer  form  auftritt.  Aber  auch  die  inhaltlichen  beziehungen 
der  gleichwertigen  Sätze  zu  einander  und  zu  ihrer  Umgebung 
sind  recht  mannigfaltig,  und  endlich  tritt  die  widerholung  an 
ganz  beliebigen  punkten  der  darstellung  auf. 

Es  ist  danach  —  von  einigen  wenigen  stellen  abgesehen, 
etwa  einigen  belegen  aus  dem  Engelhard,  ferner  einigen  bei- 
spielen  aus  der  lyrik,  wie  Ms.  F.  81, 14  und  81,20,  oben  s.  448, 
und  Walther  74, 14,  oben  s.  501  —  ganz  ausgeschlossen,  dass 
wir  es  mit  einem  bewnsst  angewanten  kunstmittel  zu  tun  haben, 
und  wir  müssen  uns  nach  einer  andern  erklärung  der  tat- 
sachen umsehen.  Da  ist  es  nun  von  entscheidender  bedeutung, 
dass  unsere  erscheinung  auch  ausserhalb  der  mhd.  dichtung 
begegnet. 

Dabei  sehe  ich  von  der  älteren  dichtung  der  germanischen 
Völker  ganz  ab,  denn  mit  den  belegen  aus  diesen  würde  nur 
eine  zeitliche  Vorstufe  gewonnen,  die  lösung  um  einen  schritt 
zurückgeschoben  (einzelnes  bei  Heinzel,  Über  den  stil  der 

')  Ich  habe  hier  die  zahl  der  verszeilen  doppelt  genommen,  um  wenig- 
stens einigermassen  einen  vergleich  mit  den  dichtungen  in  kurzzeilen  zu 
ermöglichen. 


512 


BBHAGHBL 


germanischen  poesie  s.  9  ff.  Anz.  fda.  10,  220  und  15, 156,  und 
Beschreibung  der  isländischen  sage,  Wiener  Sitzungsberichte 
bd.  97, 233  und  254;  bei  Ten  Brink,  Beowulf  s.  4;  bei  Behaghel 
Heliand  und  Genesis  s.  33;  bei  Alb.  Hass,  Das  stereotype  in  den 
altdeutschen  predigten  s.  92.  An  der  letztern  stelle  sind  belege 
aus  Otfried  gegeben). 

Ich  möchte  vielmehr  beispiele  von  anderer  art  vorlegen: 
zum  teil  solche  aus  der  deutschen  spräche  der  unmittelbaren 
gegenwart,  teils  solche,  die  uns  über  das  gebiet  des  deutschen 
hinaus,  unter  umständen  in  weite  fernen  führen. 

Allerdings  sind  die  beiden  hauptgruppen  unserer  erschei- 
nung  an  diesen  anderweitigen  belegen  sehr  ungleich  beteiligt. 

Was  die  erste  abteilung,  die  widerholung  mit  weiter- 
führung  betrifft,  so  sind  die  Zeugnisse  für  ihre  weitere  Ver- 
breitung, die  mir  begegnet  sind,  ziemlich  spärlich,  so  dass  es 
sich  nicht  lohnt,  die  beispiele  nach  den  einzelnen  literatnren 
zu  gruppieren.  Ich  ordne  vielmehr  nach  den  sachlichen  Unter- 
abteilungen: 

A.  Weiterführung  des  subjects: 

Chanson  de  Roland  792  Cuntre  lui  vient  sis  cumpaitis  Oliver,  Vint  i 
Gerins  et  U  proz  quens  Gerers,  E  vint  i  Otts,  si  vint  Ber  engers  E  vint 
Sansun  e  Anseis  Ii  veillz.  —  ebda.  1766  Karies  Tentent,  ki  est  as  por; 
jjassant,  Xaimes  Ii  duc  Void,  si  Vescultent  Ii  Franc.  —  Chrestiens  de  Troies. 
Erec  311  (Au  conseil  granz  partie  cort  Des  mellors  barons  de  la  cort.i 
Li  rois  Liers  i  est  alez,  (Jui  premiers  i  fu  apclez.  Apres  Ii  rois  Cadoalanz 
Qui  mout  fu  sages  et  vaillanz.  Keus  et  Girflcz  i  sont  venu,  A  Amau/juins 
Ii  rois  i  fu.  —  Homers  Ilias  1,437  J*  aviol  fiatvov  itü  fay/ilvt  Ira/.äiior,;, 
ix  dl  Xpiot/lq  vtjdc  ß't  novToxoooto. 

B.  Weiterführung  des  objects: 

Chanson  de  Rol.  18  Jo  neu  ai  ost  qui  bataiüe  Ii  dünne,  Xe  ai  ttl 
gent  ki  la  sue  derumpet.  —  ebda.  198  Jo  nos  cunquis  e  Xoples  et  Commt- 
bhs,  Pris  ai  Valterne  e  la  tere  de  l'ine. 

Ein  beispiel  aus  den  stücken  des  Ramayana,  die  Bopp  in 
seinem  Conjugationssystem  übersetzt  hat: 

S.  171  Elephanten,  U(M)  mach'  ich  dir  zum  geschenk  drum,  Goldcntr 
wagen  ferner  . . .  geb'  ich  sogleich  dir  achthundert. 

Gerhart  Hauptmann,  Weber,  s.  84  Sc  han  a  jäger  Moritz  befreit,  a 
vertcalter  gepriegelt  und  fortgejat,  a  schandann  gepriegclt  und  fortgejat.  — 
Aus  mündlicher  deutscher  rede:  (Was  esse  Sie  dann  gern?)  Ei  ich  es^ 
schwei nerippche  gern;  ich  ess'  häring  gern,  und  ich  ess  handkäs  gern. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG 


513 


C.  Wetterführung  des  adverbs: 

Chanson  de  Rol.  1824  Cascun  le  ficrt  IV  colps  de  sun  puitjn,  Ben 
le  batirent  a  fuz  e  a  bastuns.  —  Erec  183  Si  Fa  ferne  A  descovert  sor  la 
main  nue;  Si  la  fiert  sor  la  main  anverse. 

D.  Es  wird  object  und  adverb  zugleich  weitergeführt: 

Erec  327  Qui  de  la  corgiee  ot  ferne  Sa  pxwele  sor  la  main  nue,  Et 
ot  fem  tot  einsimant  Erec  el  vis  mout  leidemant. 

Zum  bewusst  angewanten  stilistischen  kunstmittel  ist  die 
weiterführung  im  serbischen  liede  und  bei  den  Altai -Türken 
geworden: 

A.  Weiterführung  des  subjects: 

Die  gesänge  der  Serben,  von  Siegfr.  Kapper,  Leipzig  1852 
(im  folgenden  als  '  Kapper '  citiert): 

Kapper  1,203  Hingegangen  sind  drei  weisse  tage,  Hingegangen  shul 
drei  dunkle  nachte. 

Proben  der  volksliteratur  der  türkischen  Stämme  Süd-Sibi- 
riens, gesammelt  und  übersetzt  von  W.  Radioff.  1.  Teil.  Die 
dialekte  des  eigentlichen  Altai,  Petersburg  1866  (im  folgenden 
als  'Radloff'  citiert): 

Radioff  25,49  Deine  rippe  ist  noch  nicht  hart  geworden,  Dein  hals- 
tcirbel  ist  noch  nicht  fest  gneorden.  —  ebda.  34, 90  Auf  dem  bette  liegt 
eine  alte,  Liegt  ein  alter. 

B.  Weiterführung  des  objects: 

Kapper  1,19  Küsst  das  knie  ihm,  küsst  ihm  die  händc.  —  ebda.  1,20 
Er  auch  küsst  den  fuss  ihm  und  pantoffel,  Küsst  den  thron,  darauf  der 
Sultan  sitzet.  —  1,20  Gibt  ein  ross  ihm,  gibt  ihm  blanke  »raffen.  —  1,192 
Xitnmt  mit  sich  genossen  viel  und  diener,  Führt  mit  sich  der  hundc  viel 
und  rüden.  —  1, 194  Tut  darein  zwei  herrliche  pistolen,  Tut  darein  auch 
einen  goldnen  handjar.  —  1,  19<>  Iieieh'  ihm  Jieu  und  reich'  ihm  süssen 
hafer.  —  1, 198  Nimmt  den  säbel,  nimmt  die  golddukaten.  —  Radloff 
1,42,358  Der  jüngling  der  alten  äugen  Mit  der  handfhiche  setzte  er  ein, 
J)er  jüngling  des  alten  äugen  Mit  der  ha nd fläche  setzte  er  ein.  —  ebda. 
3f>,  148  Unser  jüngling  Machte  einen  hölzernen  pfeil,  Machte  einen  hölzernen 
bogen.  —  38,  219  Den  mächtigen  schwarzen  bogen  Gürtete  er  sieh  um,  Das 
schwarze  mächtige  Schwert  Gürtete  er  sich  um.  —  53,734  Die  magern 
Kamele  nahm  er  jetzt,  Das  graue  vögelchen  nahm  er  jetzt.  —  1,89,22  Bat 
geinen  vater  um  seinen  segen,  Bat  seine  mutter  um  ihren  segen. 

C.  Weiterführung  der  adverbiellen  bestimmung: 

Berthold  v.  Regensburg  1, 408, 8  Sie  legent  uns  stricke  an  dem  bette, 
da  wir  an  ruouen  sollen;  sie  legent  um  stricke  in  dem  slafe;  sie  legent 
uns  stricke  so  wir  tvachen.  —  Kapper  1, 13  (Ist  sein  altes  glück  mit  meinem 


514 


BBHAGHEL 


rajypen.)  Trägt  er  unversehrt  dich  übers  tcasser,  Trägt  dich  hin  durchs 
G olesch-xcaldgebirge.  —  ebda.  1, 14  Fliegt  dahin  durchs  grasige  gefUde, 
Fliegt  vorüber  an  den  Straten  Jotvans.  —  1, 14  Beitet  grade  an  des 
Stromes  brücke,  Reitet  vor  die  zelte  Stcjesdisch  Jotvans.  —  1, 18  Rückwärts 
eilt  er  über  Belgrads  marktplatz,  Eilet  hin  zu  seinen  dunkeln  Ställen.  — 
1,20  Führt  ihn  nach  der  veste  Stambul,  Führt  zum  sultan  ihn,  zu  Omans 
söhne,  Dass  der  stdtan  ihn  daßr  belohne.  —  Radioff  1, 16, 138  Blieb  so 
bis  zum  abend,  Blieb  so  bis  zum  andern  morgen.  —  ebda.  1, 13,53  Trabte 
dorthin,  trabte  hierher. 

D.  Weiterführung  des  prädicatsverbs  oder  -adjectivs: 

Radioff  1,53,767  Eine  rippe  mit  fett  nahm  Ai-kan,  Eine  rippe  mit 
fett  gab  er  seinem  kinde.  —  ebda.  1,42,367  Ihre  äugen  tearen  sehr  hell, 
Ihre  äugen  waren  sehr  schön. 

E.  Weiterführimg  des  attributs: 

Radioff  1, 13,  3<Jb  Neunfache  fussfesseln  nimm,  Eiserne  fussfesseln  nimm. 
—  ebda.  3(j9  Neunfachen  strick  nimm,  Eisernen  strick  nimm. 

Weit  zahlreicher  ist  die  gruppe  von  erscheinungen  ver- 
treten, in  die  die  Variation  des  mhd.  hineingehört,  die  erschei- 
nung,  dass  der  gedanke  als  ganzes  widerholt  wird.    Wol  hat 
man  schon  hie  und  da  auf  dergleichen  geachtet:  ich  verweise 
auf  die  ganz  allgemein  gehaltenen  darlegnngen  von  K.  Groos, 
Spiele  der  menschen  s.  474,  und  die  freilich  mehr  als  dürftigen 
bemerkungen  von  Bruchmann,  Poetik  s.  189.  Ein  paar  flüchtige 
bemerkungen  hat  Stowasser  hingeworfen,  Wiener  Studien  25.79.'  i 
Auf  die  Chanson  de  Roland  hat  Heinzel  gelegentlich  bezug  ge- 
nommen, Anz.  fda.  15, 150.    Auf  Goethe  bezieht  sich  der  aufsatz 
von  W.  v.  Biedermann,  Die  widerholung  als  urform  der  dichtung 
bei  Goethe,  Zs.  f.  vgl.  lit.-gesch.  n.f.  4, 267—273;  dagegen  kaum 
etwas  hierhergehöriges  bei  Tippmann,  Der  parallelismus  in 
Goethes  dramatischem  prosastil,  Goethe-jahrb.  24, 224.  Bult- 
haupt bemerkt,  Dramaturgie  der  klassiker  1,230:  'Die  spräche 
(des  Don  Carlos)  widerholt  gedanken  und  worte,  eine  imart 
in  die  seihst  der  so  exaete  Lessing  in  seinem  Nathan  verfallen 
ist.'   Für  das  lateinische  wäre  allenfalls  zu  nennen  Frank  Fr. 
Abbott,  The  use  of  repetition  in  Latin.  Studies  in  classical 

')  'Gütternamen  fordern  von  selbst  znr  widerholung  auf."  Wenn  aber 
das  deutsche  Jcsses,  Jesses  mit  ^r.  'Ahl  Zft,  hehr.  Eli  Eli  verglichen  wird, 
so  ist  das  natürlich  falsch,  denn  Jesses  ist  nicht  mehr  anrufung,  sondern 
ist  emptinduugslaut  geworden  und  nicht  anders  zu  beurteilen  als  eia 
ach,  ach. 


ZUR  TECHNIK  DER  MFID.  DICHTUNG 


515 


philology  vol.  3,  s.  67—87.  Ich  kenne  die  abhandlung  jedoch 
nur  aus  Wölfflins  Archiv  12, 429. 

Aber  es  scheint  bis  jetzt  niemand  eine  rechte  Vorstellung 
von  dem  umfang  der  erscheinung  zu  haben.  Ich  beginne 
meinerseits  mit  belegen  für  den  fall,  dass  die  widerholung 
wörtlich  genau  mit  der  ersten  aussage  zusammentrifft. 

Zumeist  ist  diese  art  der  widerholung  das  ergebnis  der 
erregung,  erscheint  sie  in  besonders  lebhafter  äusserung;  in 
der  regel  schliessen  sich  die  identischen  aussagen  unmittelbar 
aneinander  an: 

Goethe,  Clavigo,  "Werkelt,  87  Ich  muss!  ich  muss!  —  Ja  sie  ists,  sie 
ists.  —  Leisewitz,  Julius  v.  Tarent  (Stürmer  und  dränger  1),  s.  320  dessen 
sie  aus,  giessen  sie  aus,  edler  jiingling.  —  ebda.  325,  30  Wie  könnt'  ich 
anders,  wie  könnt'  ich  anders?  —  ebda.  342,24  Ziehen  sie  hin,  [und  lassen 
sie  ihren  vater  in  sßinem  Sterbezimmer  umsonst  nach  seinem  söhne  suchen...] 
Zielten  sie  hin!  [sie  haben  es  noch  nicht  gesehen,  wie  ein  söhn...]  Zielten 
sie  hin!  —  [wahrhaftig,  sie  können  es  noch  nicht  gesehen  haben,  wie  der 
schon  sprachlose  rater  . . .]  —  Ziehen  sie  hin.  —  Schiller,  Räuber  (Werke 2), 
31,4  Nun  merk  ich  —  nun  merk  ich.  -  ebda.  33, 16  Weisst  du  noch,  he, 
iceisst  du  noch?  —  38,4  11  Vis  hat  er.  was  hat  er?  —  Ernst  Elias  Niebergall, 
Dramatische  werke,  hg.  von  G.  Fuchs,  8. 149  Wos  e  unglick,  wos  e  unglick. 

—  ebda.  155  Losse-se  mich  geh,  hcrr  Xochtschadde!  [ich  wahsz,  dass  sie's 
sinn  mit  ihre  zudringlichkeile!!  Losse-se  mich  geh,  ich  kreisch  feier.  — 
Rosegger,  Kunstwart  16,372  Dann  leise  murmelnd:  jetz  hab'  ich  ober  schaden 
tattj  uh  mei,  jetzt  hab'  ich  schaden  tan.  —  ebda.  16,  373  Sappencald,  Hansl, 
das  darf  niht  sein!  nein,  llansl,  das  darf  niht  sein.  Und  noch  lebhafter 
flüsternd:  ich  bitt  dich  um  alles  in  der  weit,  sein  darf»  niht.  —  Anzen- 
gmber,  Kreuzelechreiber  2,  8  (Breuninger)  So  hon  ich  gsagt,  so  hon  ich 
gsagt  —  und  ich  sollt  da  schlafen;  —  ich  sollt  da  schlafen.  —  Aber  g'schicht 
ihr  schon  recht,  g'schicht  ihr  schon  recht.  —  So  tut  s  an  mir,  so  tut  s  an 
mir.  —  B'halts  nur  auf,  Veit,  b'halt's  nur  auf.  -  Hauptmann,  Webers. 42 
Mir  leidas  nimeeh!  mir  leida  s  nimeeh,  mag's  kumma,  wie  s  will.  —  ebda.  46 
Nu  do  satt  ersch,  nu  do  satt  ersch.  —  58  Das  kennt  ma,  das  kennt  ma. 

—  85  's  werd  ernst,  hcrr  Dreissiger,  's  teerd  ernst.  —  86  (Ach,  willst  du 
das  wirklich?)  ieft  will  es,  ich  tcill  es.  —  103  Ich  ha  se  gesahn,  ich  ha  st 
gesahn.  Se  sein  do,  muhme,  se  sein  do. 

Französisch. 

S.Monnier,  Scenes  populaires  (Paris  1846),  1,33  Mais  f  nons  rien  dit, 
mon  juge,  j  n'ons  rien  dit.  —  ebda.  1, 107  Vous  y  regardez  donc,  mam'- 
selle,  vous  y  regardez  donc?  —  108  Ne  pleurez  pas,  mam'selle  Olympe,  ne 
pfatrez  pas.  —  108  Je  l'ignorais,  mam'selle  Olympe,  je  Yignorais.  —  112 
Mais  on  en  dit  une,  de  raison,  madame  Kadoulard;  on  en  dit  une.  — 
113  Iis  ront  rire  . ..  ils  vont  rire,  les  compagnons.  —  113  X'y  a  pas  mal 
a  ca,  Theodore,  n'y  a  pas  mal  ä  ca.  —  162  J  en  finirai,  fen  fxnirai  quand 


516 


DKHAUITEL 


cela  me  plaira.  —  Revue  des  patois  Qallo-romans  1, 105  (fragment  d'nn 
sermon)  Ah,  j'en  tombe  de  mon  haut,  fen  tombe  de  monhaut,  de  voir  tant 
de  chaises  vides  et  puis  si  peu  de  gern  que  cela  autour  de  moi.  —  ebda. 
3, 292  Ah,  raunen,  H  faut  que  je  te  mange,  Ü  faut  que  je  te  mange.  — 
3,301  (Tu  es  sitr,  que  je  te  devore.)  Cest  bon,  c'est  bon;  va,  fou.  ra,  passe 
derant.  —  4, 259  Ah,  mes  enfants,  ce  quon  rit,  ce  quon  rit  —  4,  260 
Songez  un  peu  si  monsieur  le  eure  lui  en  disait,  lui  en  disait. 

Griechisch.1) 

Aristophanes,  Acharner  v.  971  Aötq,  co  eUf<;  tu  ndaa  noU  xov  ypo- 
vtftov  ardya.  —  ebda.  1054  dnoipfg  dnotffoe  xa  xoia.  —  Wolken  787 
qty'tSvj,  vi  ftivtot  tiqwxov  rjv;  xi  nouixov  tjv ;  —  ebda.  1499  dnoXtiq  äno- 
kitf.  —  Wespen  729  m&ov  m&ov  Xöyoioi.  —  Friede  157  r*  nottiq;  xi 
noifiq;  —  ebda.  16(5  cbfoAffg  ft'd7to}.fTg.  —  Vögel  658  ovxoq,  ot  xaXtv,  ol 
xa).ä.  —  ebda.  680  tjXOeg,  !,X&fe,  a*(p&ri<;.  —  Lysistr.  321  nirov,  xixov. 
—  Thesmopb.  295  fvqtjftla  'oxw,  tv<pt)uia  oxw.  —  Frösche  584  o'ifi'  old' 
oxt  Ovfiot.  —  ebda.  1354  daxpvä  rJ  an  ottfulxiov  MßaXov  ißakov.  —  Corai- 
cornm  Atticornm  fragraenta.  ed.  Kock:  1,652  Xaßov  Xaßov  xrjg  zfiob; 
xdxtoxa  fiov.  —  2, 284  nal  nal  xakfto&at  7xaoa  noxov.  —  2,  372  aroty 
avotyf  xijv  &voav.  —  2,471  Jon  6i  r<c  vöwq  idwo.  —  2,518  £ipa,  Zvoa. 

Altindisch. 

Raraayana  (Übersetzung  von  Bopp  in  seinem  Conjngationssystem)  8. 183 
Stehe!  stehe!  so  rief  er  aus. 

Türkisch. 

Radioff  1,39,246  Der  jüngling  fragte  daspferd:  Was  teeisst  du,  Was 
weisst  du,  mein  pferd?  Was  iveisst  du,  Was  weisst  du,  mein  pferd?  — 
ebda.  1,55,818  Verwandt«  dich,  vertcatuUe  dich,  sprach  der  fürst. 

Nur  eine  abart  dieser  erregungswiderholung,  wie  ich  sie 
vielleicht  nennen  darf,  ist  die  widerholung,  die  der  beteuerung. 
bekräftigung  dient,  und  die  etwa  durch  folgende  stelle  aus 
Anzengruber  gut  veranschaulicht  wird:  s.  160  Tic/*  hab1  damals 
an  nix  schlechte  denkt,  der  herrgott  im  himmcl  is  mein  zeug, 
ich  hab  damals  nix?  schlcchts  denkt. 

Wesentlich  hiervon  abweichenden  charakter  zeigt  eiue 
zweite  form  der  identischen  widerholung  —  ich  möchte  sie  die 
malende  widerholung  nennen  — ,  die  die  aufgäbe  hat,  die 
iutensität,  die  dauer  der  handlung  anschaulich  zu  machen: 
liier  schliessen  sich  die  identischen  aussagen  mit  notwendig- 
keit  unmittelbar  aneinander  an:  ich  such'  und  suche  und  kann 

i)  Pie  griechischen  beispiele  verdanke  ich  der  liebenswttrdigkeit  meine« 
collegen  Wünsch. 


ZUR  TECHNIK  DEli  MHD.  DICHTUNG. 


517 


doch  nichts  finden.  Ein  vereinzeltes  beispiel  der  art  ist  mir 
bei  Berthold  von  Regensburg  begegnet:  1, 401, 37  er  seit  unde 
seit  so  bccsiu  dinc.  —  Bei  Anzengmber  heisst  es,  Werke  6,166: 
wie  ich  auf  die  stund'  (fwart  und  g'wart  hab'  die  jähr'  her,  und 
ebda.  187  Schnatterts  und  schnatterts,  dumme  menscher.  — 
Mehrfach  ist  mir  diese  weise  in  den  Bulgarischen  Volksdich- 
tungen (übersetzt  von  Ad.  Strausz,  Wien  und  Leipzig  1895) 
begegnet: 

8.  115  Doch  das  schöne  Weibchen  Stojna  Schweigt  und  schweigt  und 
spricht  kein  wörtchen.  —  ebda.  140  Murho  nimmt  Jurvor  die  flöte,  Bläst 
und  bläst  auf  seiner  flöte.  —  203  (um  zu  ziehen)  Seine  damascenerklinge; 
Zieht  und  zieht  sie,  doch  die  klinge  Bührt  sich  nicJU  aus  ihrer  scheide.  — 
204  Bittet,  bittet  nun  dtr  könig. 

Ganz  gewöhnlich  ist  die  erscheinung  in  der  dichtung  der 
Altaitürken: 

Radioff  1,12,24  W hierum  weinte  er,  weinte  er.  —  ebda.  13,40  Der 
jüngling  nahm  den  bogen,  Spannte  ihn,  spannte  ihn,  sprach.  —  15,119  Sie 
ritt  und  ritt.  —  35, 120  Im  hause  herum  die  kupferne  angel  Zog  er,  zog 
er.  —  45, 452  So  ritten  sie,  ritten  sie.  —  48,  557  Sie  spielten  und  spielten; 
Tastarakai  und  das  mittlere  mädchen  Spielten  und  spielten.  —  58, 894  Mit 
seinen  beiden  gemahlinnen  Täktäbäi  Mtirgän  mit  grauem  pferde  Lebte  und 
lebte.  —  31,88  (Wohin  gieng  Tardanak?)  Er  suchte,  suchte.  —  33,65 
Weinend  gieng  er  fort,  Gieng  und  gieng,  Gieng  und  gieng.  —  33,  69  Was 
klappert  da?  sprach  er,  Sah  nach,  sah  nach,  nichts  war  da. 

Hierher  gehören  wol  auch  einige  beispiele  aus  der  bugi- 
schen1) geschiente  des  königs  Indjilai,  die  Brandstetter  über- 
setzt hat  (Malaio-polynesische  forschungen  4).  Es  heisst  s.  5: 
dass  er  bei  seiner  gaitin,  der  Sitti  Sapia  sass.  Dazu  die  anm.: 
'die  doppelsetzung  drückt  das  »zusammen«  aus'.  —  S.  11  dass 
sie  dieselben  gehörig  lernen.  Dazu  die  anm.:  'das  »gehörig« 
liegt  in  der  doppelsetzung'.  —  Es  wird  also  im  original  heissen: 
sass  sass  und  lernen  lernen.  Dazu  kommt  noch  s.  9,  wo  Brand- 
stetter die  widerholung  für  fehlerhaft  erklärt:  anm.  4  'das  wort 
sehnte  sich  steht  incorrecter  weise  zweimal'. 

Auch  in  den  assyrisch -babylonischen  texten,  die  Jensen 
übersetzt  hat,  scheint  folgendes  beispiel  hierher  zu  gehören: 

Keilinschriftliche  bibliothek  6, 1, 24, 64  Da  laufen  sie  um  ihn  herum, 
laufen  um  üm  herum  die  götter,  laufen  um  ihn  herum  die  götter,  seine 
väter,  laufen  um  ihn  herum  die  götter. 


')  Die  Bugier  sind  ein  volkastamni  auf  Celebes. 


518 


BEHAGHEL 


Diese  beiden  arten  der  widerholung,  die  erregungswider- 
holung  und  die  maleude,  sind  unserem  Sprachgefühl  vollkommen 
geläufig  und  vertraut;  darum  habe  ich  auch  bei  den  deutschen 
beispielen  mich  auf  eine  geringe  anzahl  beschränken  dürfen. 
Anders  steht  es,  wenn  die  widerholung  geschieht,  ohne  dass 
einer  der  zwecke  damit  verbunden  wird,  die  jene  beiden  arten 
verfolgen.  Vereinzelt  findet  sich  derartiges  in  der  epischen 
dichtung  der  Altaitürken: 

Radlon"  1,  63, 71  Zweihundert  hasen  tötete  sie,  Zweihundert  hasen  tötete 
sie,  Den  knaben  ernährte  sie.  —  ebda.  293,227  Hache  tcill  ich  nehmen  an 
Kan  Vudei,  Rache  tcill  ich  nehmen  an  Kan  l'üdei.  —  343.322  .Sem  pferd 
bestieg  er,  Sprengt  davon,  stirbt  nicht,  Sprengt  davon,  stirbt  nicht. 

Sodann  aber  in  assyrisch-babylonischen  texten,  wenn  sich 
auch  die  beiden  identischen  aussagen  nicht  immer  unmittelbar 
aneinander  anschliessen.  So  zweifelhaft  und  unsicher  es  mit 
deren  Verständnis  bestellt  ist,  so  sind  doch  in  unserem  fall 
ihre  belege  einigermassen  beweiskräftig,  denn  ob  aufeinander 
folgende  reihen  von  Schriftbildern  identisch  sind  oder  nicht, 
das  ist  wol  bei  jeglichem  stände  der  auslegungskunst  mit  be- 
stimmtheit  festzustellen.   Es  heisst  also  etwa: 

Keilin8chriftlichebibliothek6,l,20,3  Du  bist  der  geehrteste  unter  den 
grossen  göttern,  dein  Schicksal  ist  ohne  gleichen,  dein  gebot  ist  Anu.  Mar- 
duk,  du  bist  der  geehrteste  unter  den  grossen  göltern,  dein  Schicksal  ist 
ohne  gleichen,  dein  gebot  ist  Anu.  —  46,  8  (unten)  Wie  er  den  vater  der 
götter  sieht,  den  gott  von  Duranki,  fasste  er  gier  nach  der  herschaft  in 
seinem  herzen.  Wie  Zu  den  vater  der  götter  sieht,  den  gott  ton  Duranki, 
fasste  er  gier  nach  der  herschaß  in  seinem  herzen.  —  48,  31  Den  anfuhrer 
riefen  sie,  den  söhn  des  Anu;  Anu  spricfit  zu  ihm,  ihm  den  befehi.  Adad. 
den  anfuhrer,  riefen  sie,  den  söhn  des  Anu;  Anu  spricht  zu  ihm,  ihm  dm 
befehi.  —  54,25  Die  iceise  frau,  die  mutter,  die  hingesetzt,  um  m  tun,  was 
gehörig  ist,  Siris,  die  weise  frau,  die  hingesetzt,  um  zu  tun,  was  gehörig  ist. 

Ausführlicher  gehe  ich  ein  auf  die  erscheinung,  bei  der 
die  widerholung  nicht  genau  mit  der  ersten  aussage  überein- 
stimmt, Ich  wende  mich  zunächst  zum  altfranzösischen. 
Hier  habe  ich  beispiele  gesammelt  aus  der  Chanson  de  Rolland 
v.  1—2000,  aus  dem  Roman  d'Eneas  v.  1—1800,  aus  Chrestiens 
Erec  v.  1—1200;  bei  der  Chanson  de  Rolland  bleibt  die  er- 
scheinung der  sogenannten  doppeltiraden  hier  zunächst  ausser 
betracht. 

A.  Anschliessende  widerholung: 

L  Die  aussagen  decken  sich: 


Digitized  by  Ooogl 


i 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


519 


a)  Die  art  des  Vortrags  ist  die  gleiche: 

1)  Sie  geschieht  in  derselben  satzform: 

a)  Ohne  conjunctionen: 

aa)  Beide  aussagen  sind  positiv: 

Rol.  365  Entret  en  sa  reie,  si  s'est  achiminez.  —  ebda.  1034  Sul  les 
eschehs  ne  poet  il  acunter,  Tant  en  i  ad  que  mesure  n'en  set.  —  Erec  205 
Erec  cele  pari  esperone,  Des  esperons  au  cheval  done.  —  Eneaa  G52  Seiez 
segurs,  mar  criemdreiz  rien.  —  ebda.  1309  Mielz  voil  morir,  que  je  Ii  mente 
Ne  qu'en  altre  niete  m'entente:  Guarder  Ii  voil  et  tenir  foi.  Anceis  parte 
terre  soz  mei  Et  tote  vive  me  transglotc,  0  fem  del  ciel  m'arde  trestote, 
Que  je  altrui  doigne  mamor.  —  1339  Ja  mais  narreiz  nul  bien  dclmort: 
JFaites  del  vif  vostre  deport;  El  mort  na  mais  recovrement:  Eaites  del 
vif  vostre  talent.  —  1383  Bien  ert  la  dame  anceis  esprise,  Et  sa  suer  T a 
en  graignor  mise;  D'amor  esteit  bien  enflamre,  Plus  Ten  a  ceste  entalentee. 
—  1509  (hie  neu  reviestrent  dui  ensemble,  Fors  la  reine  et  Eitras:  QU  dui 
ne  departirent  pas.  —  1512  Li  plus  hardiz  i  fu  coarz,  Li  plus  vasals  de 
paar  tremble.  —  1551  De  molt  petit  fait  asez  grant,  Ele  Vacreist  et  plus 
et  plus.  —  1597  Or  est  mentie  sa  fiance,  Trespasse  est  la  covenance  Qua 
son  ßeignor  aveit  plevie. 

bb)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 
k)  Die  positive  geht  voraus: 

Rol.  1476  Pramiz  nus  est,  fin  2>rendrum  aitant,  Ultre  cest  jurn  ne 
senan  plus  virant.  —  En.  593  Ca  nos  en  a  a  tei  tramis,  Que  seit  segurs 
en  ton  pais,  Qu'Ü  neu  ait  guarde  de  ta  gent.  —  ebda.  611  Segur  seiez,  ne 
dotez  pas.  —  1652  Chascuns  Faler  molt  desirrot,  Ken  i  a  nul  cui  l'ester 
plaise.  —  Erec  1059  Et  eil  resjwnt:  je  te  dirai,  Ja  mon  non  ne  te  celerai. 

s)  Die  negative  geht  voraus: 

En.  1782  Ge  nel  porrai  mit  oblier,  Memberra  m'en  tant  com  vivrai. 

ß)  Mit  conjunetion: 

En.  520  La  deesse  Juno  voleit  Que  Cartage  fust  cliies  del  mont  Et  Ii 
realme  ki  i  sont  A  Ii  fussent  trestuit  acliu.  —  Erec  202  Et  dites  Ii,  Quel 
vatgne  a  moi,  et  nel  lest  mie. 

2)  Sie  geschieht  in  verschiedener  satzform: 

Hol.  1840  De  co  qui  calt?  car  ne  leur  valt  nient. 

b)  Die  art  des  Vortrags  ist  verschieden;  es  wird  einmal 
die  tatsache  selbst,  das  zweite  mal  die  Wahrnehmung  der  tat- 
sache  mitgeteilt: 

Erec  890  Andeus  les  puceles  ploroient.  Chascuns  voit  la  soc  plorer,  A 
den  ses  mains  tandre  et  orcr. 

IL  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

Rol.  4  N'i  ad  castel  ki  devant  lui  remaigne,  Mur  ne  citet  rii  est 


Digitized  by  Google 


520 


BEHAGHEL 


reines  a  fraindre  Fors  Sarraguce.  —  ebda.  1431  C untre  midi  tenebres  i 
ad  gram,  N'i  ad  clartet  se  Ii  ccls  neu  i  fent.  —  Erec  189  Itetornee 
s"an  est  plorant.  Des  yauz  Ii  desrandent  corant  Les  lermes  contreval  la 
face.  —  ebda.  488  (67/  atornoit  an  la  cuisine  Por  le  soper  char  et  oisiaus.) 
De  Tatorner  fu  mout  isniaus.  liien  sot  aparellier  et  tost  Cftar  an  essen, 
oisiaus  an  rost.  —  613  Armes  buenes  et  beles  ai,  Que  colantiers  rot 
presterai.  l<eanz  est  Ii  haubers  tresliz,  Et  ehances  ai  buenes  et  chieres 
Tot  cos  presterai  sanz  dotante. 

Erec  G81    Grant  joie  font  tuit  par  leanz:  ) 
Mout  an  est  Ii  pere  joiatiz,  | 
Et  la  mere  plore  de  joie. 
La  pucele  sist  tote  coie,  \ 
Mes  mout  estoit  joianz  et  liee.  ' 

B.  Widerauf  nähme: 

L  Ein  nebensatz  steht  sachlich  clxd  xoivov  zwischen  zwei 
hauptsätzen,  der  aber  formal  zur  ersten  aussage  gehört: 

Eneas  9:J6  Ja  de  toz  ceh  n issist  uns  fors,  [Sifust  detrenchiez  et  ocis.J 
Ja  uns  Beult  d'els  nen  issist  ris.  —  Erec  87  Et  fu  tant  triam  qua»  nult 
terre  /X'estovoit  plus  bei  de  lui  querre.J  Mout  estoit  biaus  et  preuz  et  janz 
—  ebda.  535  Qui  tant  est  bele  a  mervoiüe  [Qu  an  ne  puet  trover  sa  \>a- 
roille?]  Mout  est  bele,  (mes  vi i aus  assez  Yaut  ses  saroirs  que  sa  biante;'. 

TL  Ein  hauptsatz  steht  axö  xoivov  zwischen  zwei  neben- 
sätzen: 

Eneas  1671  Puis  que  la  reine  le  sot,  [One  puis  cele  ore  repos  not] 
üue  ele  oi  la  t raison. 

HL  Selbständige  aussagen  stehen  zwischen  den  beiden 
identischen  aussagen: 

Rol.  165  Desuz  un  j>/»  en  est  Ii  reis  alez,  Ses  baruns  wandet  pur  sun 
ctuiscill  finer,  [Par  cels  de  France  voelt  il  del  tut  errer  ...J  Li  empererts 
s'en  vait  desuz  un  pin,  Ses  baruns  mandet  jmr  sun  cunseill  fenir.  —  ebda. 
718  Carles  se  dort,  Ii  empereres  riches;  [Sunjat  qu'il  eret  as  greignurs  por: 
de  Sizer,  Entre  ses  poinz  teneit  sa  banste  fraisnine  ...]  Carles  se  dort 
qu'il  ne  s' esveillet  mie.  —  1093  Hollanz  est  proz  e  Oliver  est  sag<, 
Ambedui  unt  mervillus  vasselage;  (Puis  que  il  sunt  as  dievals  e  as  arme*. 
Ja  pur  murir  n'cschiventnt  bataille.J  Hon  sunt  Ii  cunte,  e  lur  paroltf 
kaltes.  —  1090  Dist  Oliver:  Hollanz,  veez  en  alques!  [Cist  nus  sunt  prts. 
Mais  trop  nus  est  loinz  Charles.  Vostre  olifan  suner  vos  ne  rdeigtiaste* . . .] 
Guardez  amunt  devers  les  porz  d'Espaigne.  —  1727  Jamais  Karhm  de 
nus  n'avrat  servise.  [Se  m'creisez,  venuz  i  fust  mi  sire,  Ceste  bataiUe  oh- 
sum  faite  et  prise  ...  7  Karies  Ii  magnes  de  vos  n'avrat  aie.  —  En.  1SS 
A  un  jor  Ii  mut  grant  tempeste.  Ki  molt  forment  connut  la  mer;  [Les  mW 
comencent  a  walcrer,  Tone  et  pluet,  vente  et  esclaire,  Molt  comence  laä 
tens  a  faire,  Chieent  foldres  espressementj  Comeüe  est  la  tners  forment.  — 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


521 


ebda.  195  Si  fait  oscur,  ne  veient  gote,  [Ne  ne  sevent  tenir  lor  rote,]  Ne 
reient  clarte  ne  soleil.  —  196  Nc  ne  sevent  tenir  lor  rote;  [Ne  veient 
clarte  ne  soleil,  Brisent  et  mast  et  governaü . . .  J  Ne  eschipre  ne  esturman 
De  lor  dreit  cor»  n'erent  certan;  11  ne  sevent  quel  part  il  tornent.  —  422 
Li  rjuarel  sont  de  marbre  bis,  De  blatte  et  d'inde  et  de  vermeil;  fPar 
graut  esguart,  par  grant  conseil  I  sont  assis  tot  a  compasj  Tuit  sont  de 
marbre  et  d'adamas.  —  215  Miels  volsisse  que  Achilles  M'eüst  ocis  o 
Titides,  La  o  furent  ocis  tanl  conte  [...]  Molt  se  demente  Eneas,  Mielz 
volsist  estre  en  Troie  ocis  La  o  Hector  et  Friamus  Furent  ocis  et  conte 
et  dus.  —  1357  Toz  les  barons  de  cest  pais  Avez  vos  fait  voz  enentis,  /C'ar 
ne  dsignastes  a  seignor  Home  de  tote  ceste  enor;  Eitz  les  arez  en  vilte.J 
Vor  ce  vos  ont  coillie  en  he.  —  1433  En  tel  travail  et  en  teil  peine  Fu  la 
reine  une  seinaine;  [Ne  nuit  ne  jor  nen  ot  repos,  Ne  por  dormir  nen  ot 
Voil  clos.J  En  dolor  est  et  en  grant  mal  Et  ne  losot  dire  al  vasal.  — 
1(K)1  Molt  a  le  mort  tost  oblie,  [Ja  ne  lavra  si  bien  ame,  Fuis  fait  del 
vif  tot  son  deport;]  En  nonchaleir  a  litis  le  mort.  —  1033  Ne  puet  laissier 
ne  taut  ne  quant  Le  dit  as  deus  ne  lor  comant,  [Et  molt  dote  la  departie 
De  la  dame,  quel  ne  s'oa'e;  Crient  ne  Ii  torl  a  grant  contrairej  Et  neque- 
dcnt  estuet  Ii  faire  Ce  que  ont  eomande  Ii  de.  —  1738  Car  navrai  rien 
ki  tne  confort.  [Se  g'ctisse  de  vos  enfant,  (Jui  vos  semblast  ne  taut  ne  quant 
.  .  .  J  Mais  ce  m'est  vis,  nen  avrai  rien,  Ki  me  face  confort  ne  bien.  — 
1705  A  enviz  faz  la  departie,  Nen  est  par  mei,  nel  cuidiez  mie.  [Bien  sai, 
que  vos  nt'avez  servi  ...]  Se  je  inen  vois  de  cest  pais,  Ce  n'est  par  mei, 
gel  vos  plevis.  —  Erec  1G3  Dameisele,  estezl  fet  Ii  nains,  [Qui  de  felenie 
fu  plains:  Qu'alez  vos  ceste  pari  qucrant?]  ('a  ne  passeroiz  vos  avant.  — 
ebda.  210  Vassaus,  fet  il,  arriers  estezl  [(Ja  ne  sai  je  qu'a  feire  aiiez.J 
Arriers  vos  lo  que  vos  traiiez.  —  709  La  pucele  meismes  lärme  [Lace  Ii 
les  chauces  de  fer,  Hauberc  Ii  vest  de  buene  maille,  ...]  Mout  lärme  bien 
de  chief  au  chief.  —  752  Li  uns  dit  a  lautre  et  conseille;  (Jui  est,  qui  est 
ce  Chevaliers.  Mout  doit  estre  hardiz  et  fiers.  (Jui  la  bele  pucele  an  mahnte? 
[Li  uns  dit  a  lautre  'por  voir,  Ceste  doit  lesprevier  aroir'.  Li  un  la  pu- 
cele prisoient.J  Et  mainz  an  it  ot  qui  disoient.:  Deus!  qui  puet  eil  Cheva- 
liers estre,  (Jui  la  bele  pucele  adestre?  —  827  Bele,  fet  il,  avant  venez! 
[Loisel  a  la  perche  prenez;  Car  bien  est  droiz  que  vos  laiiez.J  Dameisele, 
arant  vos  traiiez.  —  872  (Guerpir  lor  estuet  les  estriers.)  Contre  terre 
unbedui  se  ruient,  [Li  cheval  par  le  chanp  s'an  fuient.J  Cil  resont  tost  au 
piez  saiüi.  —  877  (Les  espees  des  fuerres  traient:  Des  tranchanz  graitz  cos 
8  antredanent,  [Li  hiaume  quassent  et  resonent,  Fiers  est  Ii  chaples  des 
espees.J  Mout  s'antredonent  granz  colees,  (Jue  de  rien  nule  ne  se  faingnent. 
—  1135  Venez  an  as  loges  a  mont  La  ou  vostre  Chevalier  sont.  [D'iluequcs 
venir  le  veimes,  Et  mes  sire  Gauvains  meimes  vos  i  atant.J  Dame,  alons  i. 

In  einzelnen  fällen  wird  der  Zwischenraum  zwischen  den 
beiden  identischen  aussagen  recht  beträchtlich,  so 

Erec  255  Siure  le  me  covient  ades  [...  (270)  J  Sture  m'estuet  le 
chevalier. 

Bciuage  zur  getcbichle  der  deutschen  spräche.    XXX.  35 


Digitized  by  Google 


522 


REHAGHEL 


Noch  grösser: 

Eneas  95  Formet*  aveit  coilli  an  he  Toz  cels  de  Troie  la  cite  Dd 
jugement  que  fisf  Paris;  Por  lui  haeit  tot  U  pais.  [101—178  urteil  des 
Paris  ]  Pallas  et  Juno  s'en  marrirent  Et  cels  de  Troie  enhairent:  Por  seil 
radieison  de  Paris  Hairent  puis  tot  le  pais. 

Für  das  slavische  steht  bei  Miklosich,  Die  darstellung 
im  slavischen  volksepos,  Denkschriften  der  k.  akad.  d.  Wissen- 
schaften bd.  38  so  gut  wie  nichts;  was  er  s.  18  behandelt,  das 
sind  fälle  der  notwendigen  widerholung. 

In  den  von  Kapper  herausgegebenen  gesängen  der  Serben 
findet  sich  nur  weniges,  was  nicht  als  bewusstes  kunstmittel 
erscheint: 

1,8  Höre  mich,  o  höre  SwjesditscJi  Iwan.  —  24  Hüft  herbei  er  seinen 
treuen  diener,  Ruft  herbei  den  treuen  diener  Hussein. 

Mehr  findet  sich  in  den  Bulgarischen  Volksdichtungen, 
übei-s.  von  Strauss,  wenngleich  der  verdacht  der  Stilisierung 
auch  hier  nicht  überall  abzuweisen  ist: 

A.  Die  aussagen  decken  sich: 

112  Iwan  Popow  fuhrt  nun  heim  sie,  Führt  nun  heim  die  Samovila, 
Kuß  von  fern  schon  nach  der  mutter,  Spricht  zur  mutter  aus  der  ferne 
schon.  —  115  (Auf  den  tanzplatz  hin  der  Juda,)  Wo  da,  flink  im  reigcn 
tanzend,  Drehen  sich  die  vielen  Juda's,  Und  sich  drehend,  ringsum  tänzelnd. 
Flink  im  kreise  horo  tanzen.  —  115  Nimmer  härm'  dich,  nimmer  gräm 
dich.  —  125  Wetm  sie  mich  liebt  und  mich  lieb  hat.  —  132  Furcht'  dich 
nicht,  nicht  furcht'  dich,  vater.  —  137  Kehr  doch  um,  du  Dona,  Kehr  doch 
um,  du  liebe.  —  139  Sei  geduldig,  wart  ein  wenig,  (Bis  ich  ein  paar 
groschen  sammle.)  —  196  Voller  schrecken  liest  dies  Jane  Si&man,  Voller 
schrecken  liest  er  diese  nachricht.  —  197  Doch  er  hört  nicht  mehr  auf  seine 
liebste,  Doch  nicht  hört  auf  sie  hehl  Jane  Siiman.  —  201  Schlag  sie  gott, 
er  mög  sie  strafen.  —  203  (Lief  hinab  dann  in  den  keUer,)  Brachte 
neunzig  arün  leinwand,  Bracht'  von  dort  viel  weisse  leinwand. 

B.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

124  In  erfüllung  gieng  ihr  fluch  nun,  Schwerer  fluch  gieng  in  erful- 
lung.  —  126  Euer  car  ein  heer  sich  sammle,  Sammle  sich  dreitausend 
krieger. 

Auch  Homer  bietet  beispiele;  ich  verzeichne  aus  II.  1 — i 
(nur  den  Schiffskatalog  habe  ich  von  der  prüfung  ausgeschlossen): 
A.  Anschliessende  widerholung: 
I.  Die  aussagen  decken  sich: 
a)  Sie  sind  beide  positiv: 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEü  MHD.  DICHTUNG.  523 

II.  1,96  (ov  tjxliitjo3  'Ayafiif/vtov)  oiM'  dniXvof  bvyaxga  xal  ovx 
an  f  6t  tax*  axotva.  —  1,362  xlxvov,  xi  xXahiz;  xl  Si  ae  «poivaq  'ixixo 
niv&oq.  —  1,509  oyo'  av  Axatol  vlbv  t/*bv  xiowoiv,  difiXXwolv  xi  h 
xi/jfi.  —  2,333  Aoyttot  6l  fUy*  i<*Xov>  autpl  vrjtQ  o^fo6aXiov  xovdßTjoav 
ui'oavxwv  V7i  'Ayaiwv.  —  3, 71  onnoxfoog  6t  xe  rixfjo$  xptiaowv  xe 
yh'tjxai.  —  3,318  Xaol  6'  ^Qrjoavxo,  9(oioi  6k  avtoyov.  —  4,170 

ui  xt  9dv$g  xal  ndxftov  uvanXijayg  ßidxoio. 

Eigentümlich  ist  folgende  stelle: 

II.  3,2  oQvt&tg  w$,  tji  xt  7r*(>  xXayyii  ytodviov  niXfi  odoavd&t  nun, 
e«V  ind  olv  xHfitiiva  qvyov  xal  ä&ioyuxov  oftßoov,  xXayyg  xal  ys 
ntxovxat  t*n  'SIxeavoto  Qoatov. 

Der  mit  dhe  relativisch  beginnende  satz  ist  gleichwertig 
mit  dem  übergeordneten  satz;  wir  hätten  also  eine  parallele 
zu  den  oben  s.  474  verzeichneten  fällen.  Aber  der  relativisch 
begonnene  satz  löst  sich  nach  der  einschaltung  sofort  aus  der 
abhängigkeit  los,  wird  zum  hauptsatz  (vgl.  IF.  14,457). 

b)  Eine  der  aussagen  ist  positiv,  die  andere  negativ;  die 
positive  steht  regelmässig  voran: 

U.  1,197  ^av&rjg  61  xopyg  i'Xt  IlijXttwra,  ouo  yaivOftivq,  xwv  6* 
aXXwv  ov  xtg  ooüxo  (ein  seitenstuck  zu  s.  460, 6).  —  1,363  Haida,  fuj 
XtV&l  vdw.  -  3,65  Vtiüv  toixv6t«  6üoa.  ooaa  xev  avxol  6woiv,  txwv 
6'  ovx  av  xi-  YXotxo.  —  3,82  to/jaP,  uij  ßdXXtxt.  —  4,22  tj  xoi  U&qvtUq 
dxiwv  t)v  ov6t  xi  tlntv. 

IL  Die  zweite  aussage  bietet  weniger: 

II.  2,208  (tofoofvovxo  tjxi,)  dtq  öxe  xvpa  noXiufXoloßoto  itaXdooys 
aiytaXiu  fitydXoj  ßoifiexai,  Ofiaoaytl  6i  xe  novxoq. 

III.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

11.  1,468  6alvvvx\  ov6i  xt  Itifib;  i6titxo  6uixbq  tiottq.  —  3,196 
avxbg  61  xxtXog  cSf  txmwXtixat  aiiyaq  uv6oüv  uovtup  fttv  tyioyt  tlaxto 
nriytaifidXXw,  'dg  x'  dtwv  fttya  nwv  6iioyfxat  UQytvvätov.  —  4,397  %va 
otor  i'a  olxdv6e  vtto&af  Malov  doa  rrpoä/xf.  —  4,499  uXX'  vh)v  Uqiu- 
ftoto  vd&ov  ßdXt  Jtjuox6wvxa,  ög  ol  'Aßvöö&tv  q/.iAf ,  ff«?'  'inniav  wxtiumv' 
tOP  {*'  '(J6vofvg  txdooio  xoXwodutvog  ßdXe  601$  xöooiiv. 

B.  Wideraufnahme: 

I.  Ein  einzelnes  Satzglied  steht  der  Sache  nach  iIjto  xoi  vor, 
formal  allerdings  zur  ersten  aussage  gehörend: 

II.  3,60  altl  xot  xoaSirj  [niXtxvg  uj;  taxiv  drtiQrjg,  not*  flotv  6ta 
dovybi  vn  dvioog  .  .  .  ]  <h;  aol  tri  oxTjÜKJOiV  uxdyßrjxos  rooi;  iaxiv.  — 
4,243  xltpÖ'  ovxios  l'oxijxt  xf&rindxes  [qvU  vtßooi,  a"x'  intl  olv  ixtqiov 
noXioi  7it61oio  Siovoat,  toxäo'  .  .  .  ]  wg  vfttig  t'oxtjxe  xtltijnoxts  oi'6t 

35* 


524 


BEHAGHEL 


II.  Ein  nebensatz  steht  dxo  xoivov: 

II.  1,234  xoöt  oxtjnzooi',  to  fxiv  01  noxt  tpvkku  xtä  otovc  <fi'ö(t, 
[Sntl  6rj  Txpona  rofitjv  iv  rpeaat  ktkointv.]  ov\?  ara&qhjofi. 

III.  Eine  selbständige  aussage  steht  ibto  xoivov: 

II.  1,100  fiut'U  xaxwv,  ov  ntu  noxi  ftot  TO  xoqyvov  tlnaf  [aiti  toi 
xa  xüx*  toxi  (fila  <fptoi  fiarxtifo&ai,]  iaQkbv  rf'  ovtt  xi  not  finaz  txo; 
otV  txu.tooaq  —  1, 168  OV  idv  aoi  noxt  toor  t/w  ytaai;.  bnitOT*  Uxaol 
Tpanuv  txntpawo*  evratoptevov  TzxokitUpov  \dkkrt  to  ftlv  nktlov  noix- 
atxoi  Tiotifioto  xf'Cf(J  fV"^  öiinovo',]  aTap  tjv  Tioxe  Mto^toq  ix^xai,  ovi 
t6  yi(?uq  nokv  fittL,ov.  —  3,32  aip  6'  £ra(>ao-  tlq  iirvoq  £y<XL,txo  xftp' 
ukttlvutv.  o'  oxt  ti<;  xs  ipuxorxa  läwv  nakivaooot;  antoxtj  .  .  .  ] 
alxtz  XU&*  oftikov  tdv  Tqwuiv  (iyf»(o/(ov.  —  4, 17G  xai  xi  n$  d>6*  ifiti 
Tqwwv  vnfQijvoptovxtoV  [oi'd'  ovtWQ  inl  näat  %6kov  xtktott  Ayaiit/iraiv 
. . .  ]  <ws-  KOti  ric  ioiet. 

Indisch: 

Ramayana  (in  Kopp,  Conjugationssystem)  s.  172  Ist  doch  jene  mein 
reichtum  auch,  AU'  mein  verwögen  ist  jene.  —  ebda.  1C9  Vür  hundert- 
tausend kühe  werde  die  Sabala  gegeben  mir.  [Eine  perT  ist  sie,  ehr- 
würdiger! —  perl'  ist  teert  sie  des  königs.J  Deshalb  die  Sabala  gib  mir.  — 
173  Sinnend  dachte  sie  da  bei  sich,  die  teeinende,  von  schmerz  erßUt: 
(Wie  denn  bin  ich  vom  einsiedler  verlassen  so  ...]  Also  dachte  bei  sich 
jene  seufzend  wider.  —  188  Wurzeln  essetul,  so  wie  früchte,  vollzog  sehr 
grosse  buss*  er  dort,  Aach  brahmans  würde  stets  strebend  und 
eifernd  stets  dem  heiligen  nach,  [Weil  büsserkraft  des  brahmans 
einst  ihm  obgesiegt, ]  (irosse  busse  vollzog  dort  im  walde  der  büssung  er.  — 
Nal  und  Danmynnti,  übersetzt  von  L.  Koaegarten,  Jena  1820,  s.  10  Sie  ward 
voll  denkens  {und  traurig,  bloss  von  antlitz  und  abgehärmt ;  Damajanli  war 
nunmehr  stets  bangem  seufzen  ergeben  nur;  himmelwärts  blickend.]  roÜ 
sinnen»  wurde  sie,  wie  betört  zu  schaun  (bei  Rückert,  Werke.  Frankfurt 
1ST>CJ,  1x1. 12,11  ist  die  widerbolunj?  versebwunden).  —  20  Und  durch  die 
grosse  macht  dieser  trat  ich  ein  hierselbst  unerblickt;  ah  ich  jetzo  herein- 
gieng  hier,  ward  ich  geschaut  nicht,  noch  gehemmt  (Rückert  s.  17  Durch 
deren  macht  ists  auch  geschehn,  dass  ich  hier  eingieng  ungesehn,  von  nie- 
mand gehindert  einzugehn).  —  61  Ach,  ich  bin  tot!  vertilgt  bin  ich!  ich 
fürchte  mich  im  öden  wald  (Rückert  42  Ich  bin  tot,  von  furcht  vernichtet, 
im  wald,  der  um  mich  sich  verdichtet).  —  64  Den  nun,  durch  dessen  Ver- 
wünschung Kala,  der  leidvoll,  leid  gewann,  Dieses  wesen  ereil  ein  leid, 
welches  grösser  als  unser  leid!  Der  böse,  welcher  den  Xala,  den  nicht  bösen, 
so  weit  gebracht,  Finde  Icidvolleres  als  dies,  lebe  sein  leben  sonder  glück! 
(Rückert  43  Durch  welches  wesens  feindschaft  und  neid  Der  Nischader  fürst 
erfuhr  dies  leid,  Dem  selbigen  wesen  geschehe  Ein  grössres  als  unser  wehe! 
Durch  wessen  bosheit  verwandelt,  Der  schuldlose  so  gehandelt.  Der  leide 
schärfere  schmerzen,  Als  die  in  meinem  herzen).  -  67  Und  Damajanti, 
verstehend  diesen  bösen,  dem  galten  treu,  Ward  erfüllt  mit  heftigem  com 
und  entbrannte  vor  unmut  schier  (Rückert  45  Wie  den  nietlern  begriff  die 


Digitized  by  Google 


ZL'B  TECHNIK  DER  MITD.  DICHTUNG. 


525 


hohe,  Schlug  ihr  aus  den  äugen  des  zornes  lohe,  Und  ihre  tcangen  färbte 
röter  entrüstung  gegen  den  tieretöter).  —  85  Den  von  Nischada  schaust  du 
bald;  ihn,  der  beherscht  Nischadas  land,  Nala,  welcher  den  feind  erschlägt, 
Den  besten  edlen,  Haid  Bhimas,  schaust  du  (Rückert  55  Du  wirst  den 
Nischader  wider  schaun,  Neu  beherscheml  die  vateraun).  —  87  Hast  du 
vielleicht  jenen  furchtlosen  herrn  geschaut,  Nala  genannt,  den  feimlschmettrer, 
Damajantis  geliebten  mann?  Hast  du  geschaut  den  fürsten  Nischadas, 
welcher  mir  so  lieb?  (Rückert  87  Hast  du,  o  blühender  Asoka,  Hier  nicht 
gesehn  den  Punjasloka,  den  Damajantigatten,  Nal,  den  Nischaderfürsten, 
meinen  gemahl?). 

Es  ist  bezeichnend  für  den  modernen  dichter,  dass  Rückert 
die  widerholung  entweder  ganz  beseitigt  oder  die  Übereinstim- 
mung auf  ein  geringeres  mass  zurückgeführt  hat. 

Türkisch: 

Die  belege,  die  ich  mir  verzeichnet  habe,  gehören  alle  in 
das  gebiet  der  anschliessenden  widerholung: 

A.  Die  beiden  aussagen  decken  sich: 

I.  Beide  aussagen  sind  positiv  oder  beide  negativ: 

Radioff  1,24,5  (Zu  den  beiden  Mos  gieng  er;)  Des  Arsylan  jurte 
blieb  leer,  Des  mannes  jurte  blieb  verödet.  —  ebda.  38, 22G  Weshalb  sagte 
er  mir,  Nach  Sonnenuntergang  reite  nicht?  Weshalb  sagte  er  dies?  — 
41,324  Was  für  ein  edler  mensch  Hat  uns  von  der  schwarzen  nacht  be- 
freit? Was  für  ein  edler  mensch  Hat  uns  den  hellen  tag  gezeigt  ?  —  42,365 
Jetzt  standen  der  alte  und  die  alte  auf,  Beide  standen  auf.  —  72,346 
Wie  soll  ich  bei  dieser  fliege  nicht  durchkommen?  Bei  dieser  fliege  werde 
ich  durchkommen.  —  75,450  (Kara  Kula  Mattyr  War  der  grösste  aller 
fürsten,)  Kan  I'üdäi  bekriegte  ihn,  Den  Kara  Kula  Mattyr  bekriegte  er. 

—  70,483  Die  männerjurte  ist  leer,  Die  fürstenjurte  ist  öde.  —  80,625 
Tängäri  Kan  sagte,  ich  soll  dich  holen,  Tängäri  Kan  hat  mich  beauftragt. 

—  88, 861  Als  er  alt  geworden,  Geht  er  jetzt  nicht  mehr  in  den  krieg,  In 
den  krieg  geht  er  nicht.  —  101,406  Das  pferd  kehrte  zurück,  Das  pferd 
kam  zurück.  —  110,708  (Einen  bruder  hund  habe  ich,  sagte  sie,  Einen 
bruder  kater  habe  ich,  sagte  sie.)  Die  brüder  kamen.  Der  kater  und  der 
hund  kamen. 

II.  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 

Radioff  1,  52,  712  Ein  kriegszug  hat  alles  weggeführt,  Nichts  ist  übrig 
geblieben.  —  ebda.  35,  130  Einen  rater  hob'  ich  nicht,  eine  mutter  hab  ich 
nicht.  Eine  waise,  die  ganz  allein  ist,  bin  ich. 

B.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

Radioff  1, 63,  53  Zu  des  Kara  Atta-kan  jurte  floh  sie.  Die  alte  ganz 
allein  Floh  zu  des  Kara  Atta-kan  jurte. 

C.  Die  zweite  aussage  bietet  teils  mehr,  teils  weniger  als 
die  erste: 


526 


BEHAGHKL 


Radioff  1, 47, 543  Vom  pferde  herab  rief  er,  Bief  des  Ai-kan 
mittlere  tochter.  —  ebda.  108,648  Mit  den  vortrefflichen,  mit  den 
vornehmen  Kehrte  der  alte  zurück,  froh  kehrte  er  zurück. 

Bei  manchen  dieser  stellen  kann  man  zweifelhaft  sein,  ob 
sie  hierher  gehören  oder  ob  sie  schon  unter  den  begriff  des 
bewussten  kunstmittels  fallen. 

Aber  die  erscheinung  beschränkt  sich  keineswegs  auf  die 
dichtung;  sie  findet  sich  auch  in  der  literarischen  prosa: 

Einzelne  wenige  beispiele  aus  der  Altdeutschen  predigt 
stehen  bei  Alb.  Hass,  Das  stereotype  in  den  altdeutschen  pre- 
digten s.  36  und  72.  Aus  Berthold  v.  Regensburg  1,  388—441 
habe  ich  selber  folgendes  vermerkt: 

A.  Anschliessende  widerholung: 

I.  Die  aussagen  decken  sich: 

398,  6  Also  gar  blendet  dich  diu  hohvart,  sie  machet  dich  halt  so  gar 
blint,  daz  du  warnest.  —  398,  13  Als  gar  erblendet  dich  diu  hohvart,  da: 
du  des  teilt  warnen,  daz  schände  ere  si  und  daz  sünde  almuosen  si  und 
almuosen  sünde.  . . .  Seht,  als  gar  erblendet  dich  diu  hohvart,  daz  du  des 
alles  samt  tarnen  teilt.  —  425,7  (Unde  teettet  ir  mir  niwan  eine  gäbe 
geben,)  so  teil  ich  mit  der  helfe  unsers  herren  iueh  hiute  leren,  daz  iu  du 
allez  niht  geschaden  mac,  weder  wolf  noch  der  are  noch  der  ber  noch  diu 
nater  noch  diu  krote  noch.  . . .  Xu  seht,  daz  teil  ich  iueh  alle  sament  leren 
mit  der  helfe  des  almeht  igen  gotes,  unde  daz  ir  dannoch  ...  —  432.3  tBehi 
enmitten  in  dem  libe  stet  des  menschen  mage.)  Er  enpfahet  ouch  des  ersten 
daz  ezzen  unde  daz  trinken,  daz  get  des  aller  ersten  in  den  magen. 

Einmal  ist  hauptsatz  und  nebensatz  gleichwertig: 

411,33  i'nde  sint  in  halt  ander  sftnde  vil  unkunt,  daz  sie  dar  umbe 
niht  entnzzent. 

II.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

391,14  Die  habent  übele  koufet,  die  so  übergroze  freude  gebeut  umb 
ein  so  kurzez  freudelin  in  dirre  Werlte:  die  habent  übele  gevarn,  wan  sie 
habent  weder  hie  noch  dort  niht.  392,  8  Daz  daz  war  si,  da:  hat 
uns  der  wäre  sunne  erzöuget :  der  hohe  sunne  hat  ez  unz  erzöuget  an  dem 
nidern  sunnen.  —  398,22  Also  hat  er  uns  erzöuget,  wie  gar  diu  hohvart 
alle  die  gewizzenue  erblende,  diu  an  den  ist,  die  mit  grozer  hohvart  umbe 
gent.  Daz  hat  uns  got  erzöuget  an  dem  künige  Alexander.  —  412,  lb 
Daz  hat  er  iu  under  diu  ougen  geschriben,  an  daz  antlütze,  daz  ir  nach 
im  gebildet  sil.  Da  (1.  daz)  hat  er  uns  rehte  mit  ge florierten  bttoch- 
Stäben  an  daz  antlütze  geschriben. 

B.  Wideraufnahme: 

1.  Ein  hauptsatz  steht  t'tso  xotvov  zwischen  zwei  neben- 
sät zen  oder  ein  nebensatz  zwischen  zwei  hauptsätzen: 


Digitized  by  Google 


ZUB  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG.  527 

389, 13  So  man  malet  die  engele,  [da  seht  ir  teol,]  swa  man  die  engele 
malet,  daz  man  sie  eht  anders  niht  enmalet  tvan  ...  —  393, 8  Im  ist  rehte 
also,  daz  disiu  tcerlt  uf  nihte  strebet  . . .  freht  als  ein  vogel,  der  in  den 
lüften  iezuo  ob  uns  stcebete  utide  reht  an  einer  stat  stille  stüende,]  also 
swebet  diu  werlt  uf  nihte  tcan  uf  der  kraft  unsers  herren.  —  393, 20  Da 
von  irret  uns  daz  ertriche,  daz  wir  hin  ze  naht  die  sunnen  niemer  mer 
gesehen  mügen  unze  morgen,  daz  si  osten  uf  get;  false  her  Solomon  da 
sprichet:  orietur  sol  . . .  /  Und  also  irret  uns  diu  erde  gar  witen  und 
breiten,  daz  wir  des  nidern  sunnen  niht  gesehen  mügen.  —  411,8  Wellet  ir 
iuch  genzliche  vor  disen  vier  stricken  hüeten  unz  an  iuwern  tot,  [so  ist 
nindert  dehein  mensche  vor  minen  ougen,  daz  kristennamen  habe,  daz  cz 
iemer  verlorn  werde,]  ist  daz  ir  iuch  niwan  vor  disen  vier  stricken  behüeten 
wellet. 

II.  Eine  selbständige  aussage  steht  obtö  xoivot: 

414, 4  Ir  (der  frouwen)  ko?me  ouch  halt  VÜ  mere  zuo  dem  himelriche 
dorne  der  manne  wan  der  selbe  strik,  [pfi,  ir  unseligen  tiuvele!]  wie  manic 
tusent  reiner  frouwen  sele  zuo  himelriche  wa?re  iezuo,  wan  der  einige  strik, 
den  ir  den  frouwen  so  listecliche  habet  geleit.  flr  froutcen,  ir  sit  barm- 
herzic  unde  get  gerner  zuo  der  kirchen  danne  die  man  ...  7  iuwer 
würde  gar  vil  behalten,  wan  der  einige  strik.  —  417, 11  So  habent  sie 
gerne  warm  [unde  ligent  gerne  sanfte  unde  gezzent  unde  getrinkent  wolj 
unde  müczent  alle  zit  warm  haben.  —  421,38  Und  also  habent  uns  die 
unsctligen  tiuvel  an  so  manigen  enden  verworren  in  dem  stricke  ufschiu- 
bunge  der  buoze,  daz  man  lützel  ieman  siht,  der  die  ane  grife,  [unde  diu 
werlt  ist  doch  gar  vol  grozer  sünder  unde  sünderinne,]  und  ir  seht  lützel 
einigen  der  die  buoze  ane  welle  grifen.  —  423,11  So  bediutet  der  rappe 
den  tiurel,  [wan  er  ist  swarz  unde  hat  scharpfe  stimme  unde  sin  atem  ist 
gar  unreine,]  unde  davon  bediutet  er  den  tiuvel. 

In  folgendem  fall  schliefst  sich  an  die  widerholung  der 
ersten  aussage  eine  widerholung  des  ano  xoivov  stehenden 
satzes  an: 

390,4  lichte  als  alle  steinen  ir  lieht  von  der  sunnen  nement,  [also 
habent  alle  heiligen  ir  gezierde  und  ir  Schönheit  von  gute  und  engele  und 
allez  himelische  Iter:]  reht  als  alle  die  Sternen  des  himcls,  der  mane  unde 
die  planeten,  die  habent  alle  samt  ir  licht  von  der  sunnen,  diu  uns  da 
liuhtet.  (Und  also  hat  allez  himelische:  her  ...  ir  gezierde  alle  samt  von  der 
angesihte  gotes.) 

Neuhochdeutsch: 

A.  Anschliessende  widerholung: 

I.  Die  aussagen  decken  sich: 

a)  Sie  sind  nicht  durch  conjunetionen  verbunden: 

1)  Beide  aussagen  sind  positiv  oder  beide  negativ: 

Räuber  21,20  Durch  eure  väterliche  ta'htchmung  erwürgt  er  euch, 
mordet  euch  durch  eure  liebe,  —  ebda.  41, 1  Seht,  das  habt  ihr  zu  wählen, 


Digitized  by  Google 


528 


BEB AGHEL 


da  ist  es  beisammen,  was  ihr  wählen  könnt.  —  47,8  Ist  dein  name  nicht 
mensch?  hat  dich  das  weib  nicht  geboren?  —  105,7  Sag  ihnen,  mein  hand- 
werk  ist  widerrergcHung,  räche  ist  mein  gewcrbe.  —  107. 10  Seid  ihr  toll? 
seid  ihr  wahnwitzig?  —  163,4  Sei  wie  du  teilt,  namenloses  jenseits,  bleibt 
mir  nur  dieses  mein  selbst  getreu.  Sei  wie  du  teilt,  teenn  ich  nur  mwh 
selbst  mit  hinübernehme.  —  Gerstäcker.  Die  regulatoren  in  Arkansas  s.  5 
Ein  herrlicher  platz  das  für  vertrauliche  Zusammenkünfte  -  ein  qanz  vor- 
züglicher platz.  —  Fontane,  Effi  Briest  s.  19  Ks  ist  am  ende  das  beste,  du 
bleibst  wie  du  bist.  Ja,  bleibe  so.  —  Mai,  In  den  Cordillercn  s.  172  Jetzt 
habe  ich  es;  jetzt  weiss  ich  es. 

2)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 

Julius  v.  Tarent  337.  3  Mir  für  nichts  feil  als  für  deinen  ersten  morgen- 
kuss  an  unserm  hochzeitstagc,  dafür  kannst  du  ihn  einlösen.  —  Ebner- 
E^chenbacb,  Westermanns  monatshefte  bd.  94,  45  Wenn  das  kind  nicht  hnttt 
sterben  müssen,  trenn  das  kind  noch  da  wäre. 

b)  Sie  sind  durch  conjunetionen  verbunden: 

1)  Durch  und: 

Fontane,  Effi  Briest  s.  73  Und  so  lange  du  den  um  dich  hast,  so 
lange  bist  du  sicher  und  kann  nichts  an  dich  heran.  —  Aus  einer  Prüfungs- 
arbeit: Auf  alle  fälle  hatte  Xotker  die  auswahl  und  konnte  jederzeit  da* 
ihm  zusagetule  wählen. 

2)  Durch  ein  relativpronomen: 

Aus  einer  seminararbeit:  Der  dichter  concentrierte  sich  ausschliesslich 
auf  ein  werk,  auf  das  allein  er  seine  aufmerksamkeit  gerichtet  hielt. 

IL  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

a)  Die  aussagen  sind  nicht  conjunctionell  verbunden: 

Räuber  17, 8  Glaubt  es  nicht,  vater!  glaubt  ihm  keine  silbe.  -  43. 10 
Kimm  dich  in  acht!  nimm  dich  in  acht  vor  dem  dreibeinigten  tiere.  — 
48, 17  Schwöret  mir  treu  und  gehorsam  zu  bis  in  den  tod!  —  schtcurt  nur 
d<ts  bei  dieser  männlichen  rechte.  —  50.  1  Ks  ist  süss,  es  ist  köstlich  tfttt 
—  51,23  Html  du  ihn  selbst  Bähest,  ihn  unter  der  gestalt  sähest.  —  55.10 
Du  kennst  mich  nicht,  Amalia,  du  kennst  mich  gar  nicht.  —  55.  12  O  >rh 
kenne  <lich,  von  itzt  an  kenn  ich  dich.  —  133,  4  Ja  das  sah  ich,  durch  den 
tpiegel  sah  ichs  mit  diesen  meinen  äugen.  —  136,5  Dass  er  sich  rächen 
wolle,  aufs  grimmigste  rächen  wolle.  —  136,9  Dass  er  ihn  liebe,  ungemein 
liebe,  wie  ein  söhn  liebe.  —  139, 18  Ich  tcills  tun,  morgen  tcill  ichs  tun.  — 
145, 10  Die  wirds  nicht  überleben,  die  wird  sterben  vor  freude.  —  180, 4 
Sie  sank,  sank  plötzlich  zum  abgrund.  —  197, 1  Stirb  vater!  stirb  durch 
mich  zum  dritten  mal.  —  Jul.  v.  Tarent  331,35  Weisst  du,  weisst  du  wirk- 
lich? —  ebda.  335,21  Als  ich  weiss,  dass  du  damals  den  himmel  belogst, 
unschuldig  belogst.  —  340,13  Xur  zuweilen  zeigt  mir  ein  entschlusf 
den  ganzen  reichtum  der  menschheit,  zeigt  ihn  mir  auf  einen  äugen- 
blick. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


520 


b)  Sie  sind  durch  und  verbunden: 

Leasing,  Antiquarische  briefe  b.  27  Ich  habe  Christen  gehört  und  ihn 
über  diese  Sachen  selbst  gehört.  —  K.Fischer.  Neue  randschau  1904, 
8.  349  Denn  es  war  doch  sonntag,  und  man  wollte  gern  eitie  stunde  früher 
fertig  sein,  um  doch  wenigstens  etwas  vom  sonntag  tu  haben. 

B.  Wideraufnahme: 

Räuber  142,8  So  seid  ihr  ja  widergekommen,  und  der  alte  herr  ist 
unter  dem  boden,  und  da  seid  ihr  ja  wider.  —  Jul.  v.  Tarent  s.  320  Was, 
sie  stehen  stille!  [die  idee  haben  sie  gewis  zum  ersten  male:]  und  sie  springen 
nicht  auf  wie  ein  rasender.  —  ebda.  320.30  So  stark  war  nie  eine  liebe. 
[Sie  haben  recht.]  ich  kenne  nichts.  —  332, 15  .So  denk  an  diese  Unter- 
redung, [Hörst  du,  Ceeilia,]  an  diese  Unterredung  sollst  du  denken.  — 
337,  14  Sie  liebt  mich!  —  [Sehen  sie,  äbtissin,  das  ist  eine  Versicherung, 
unsrer  liebe  würdig,/  sie  liebt  mich  wahrhaftig.  —  341,14  Wahrhaftig, 
ich  bin  diesen  gesellschaftlichen  einrichtungen  viel  schuldig.  (Sie  setzen 
fürsten  und  nonnen  und  zwischen  beide  eine  kluft.  Beim  himmel'.J  Ich  bin 
der  gesellschuft  viel  schuldig.  —  Fontane,  Effi  Briest  s.  79  Ich  armes  kleines 
ding,  wie  du  mich  verwöhnst.  [Dieser  flügel  und  dieser  tcppich,  ich  glaube 
gar,  es  ist  ein  türkischer,  und  das  bassin  mit  den  fischchen  und  dazu  der 
Blumentisch.]  Verwöhnung,  wohin  ich  sehe.  —  H. Hoffmann,  Stunnwolken, 
^Wiesbadener  Volksbücher  no.  9,  s.  25  Eine  niedertrachtig  schöne  boot,  knurrte 
er.  Nichtswürdig  schön!  [Mit  dem  ding  da  lauf  ich  bei  solchem  Südwest 
an  dem  besten  dumpfer  vorbei.]  Eine  boot  ist  das,  eine  boot!  —  Ebner- 
Eschenbach,  Westennanns  monatshefte  bd.  94,  49  Irh  hasse  ihn,  fwie  iWi  sie 
liebe,]  ich  hasse  ihn,  diesen  verweichlicher  des  rechts,  diesen  billig- 
keitsritter. 

Mundartliche  deutsche  prosa: 

A.  Anschliessende  widerholung: 

I.  Die  beiden  aussagen  decken  sich: 

a)  Die  satzform  ist  die  gleiche: 

1)  Die  sätze  sind  nicht  durch  conjunetion  verbunden: 

a)  Beide  aussagen  sind  positiv  oder  beide  negativ: 

Niebergall  115  Geh  her,  Kallche,  kumm,  mei  herzje.  —  ebda.  123  (Die 
lahft  jetz  glei  iwwerahl  erum  un  kreischt,  ma  dritte  die  purluzig  gehhrie- 
xcebrih  drinke.)  Knippelius:  des  is  mer  ahnerlah!  die  moog  söge,  wos  sc 
will.  —  ICH  Des  wehr  e  kunst  genese,  mein  koff'er  obzuschneide  den  hett 
ich  sehe  meege,  der  des  kunststick  gemocht  hett!  —  1!H)  Mei  dank  werd 
owwer  net  ausbleiue,  uf  barohl,  er  werd  net  ausbleiwe.  —  Anzengruber, 
Werke  5,  95  Ho«  z'  gut  tun  wollt'  ich  mir  auf  euch,  gross  icollt'  ich  mit 
euch  tun.  —  ebda.  6, 132  Möchf  sein,  Burgerlies,  kenn  rielleicht  sein  a 
Wahrheit.  —  f>,  135  D'  Wahrheit  verbrennt  dich  nit  wie  d'  sunn,  teirst  nit 
braun  davon.  —  6,  162  Wann  nur  dös  nit  war,  Eranz,  wanns  nur  dös 
nit  gäbet.  —  Weber  8(i  Ich  weesz  garni,  frau  pastern,  mir  is  a  so  . . .  ich 


530 


UEHAOHEL 


weesz  garni,  wie  mir  zu  mutte  is.  —  ebda.  99  War  tcisz  nu!?  Kar  tcisz  au!? 

—  104  Do  hoot  der  teifel  seine  hand  im  spiele.  Das  iis  satansarbeit,  wa* 
die  macha.  —  US  Kummt  uf  a  platz!  uf  a  platz  suiter  kumma.  — 
Münch,  n.  nachr.  1904,  no.  18,  morgenbl.,  feuill.  8p.  3  Was  hab  i  mi  plag'n 
müass'n,  bis  i  mit  dem,  iras  die  Uut'  buidung  lurisz'n,  fertf  worn  bin.  Sie, 
dös  hat  hit:  kost,  herr  maier. 

ß)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 
aa)  Die  positive  geht  voran: 

Schmeller,  Gramm.  515  (  Wenn  der  e  ding  na  grad  e  bissl  gfaüt,i  da 
get  der  glei  's  mal  t=  w&u\)  ausenander,  bringst  glci's  mal  nimme  zsamm. 

—  Münch,  n.  nachr.  1904,  no.  18,  morgenbl.,  feuill.  sp.  3  Aber  alles  ehrlich 
verdient,  koa  Unrechts  groschl  is  dabei.  —  Korrespondenzblatt  d.  yereins  f. 
siebeubürgische  landeskunde  27,  111  Am  moss  se  viuretn  Gerjendach  Jen 
(vor  dem  Georgentag  fangen),  tco  se  noch  net  esi  angem  sen,  nom  (nach  dem) 
Ger  jendach  kan  em  se  net  mi  fen. 

bb)  Die  negative  fassung  geht  voran: 

Schmeller,  Gramm.  442  (Wescht  aierhänn;)  aber  abtritckle  derfft  er  se 
nit.  Er  müsst  se  von  seihst  truekle  lasse.  —  ebda.  452  Da  seigt  er:  hast 
net  genuegh  mit  en  Hecht?  Most  zwe  liechler  anbrenn.  —  Niebergall  136 
Eritz,  mach  deim  vadda  kahn  blaue  dunst  vor,  gesteh  mer  die  icohrJtcit.  — 
Weber  40  So  bleit's  n  no  ni  amvl,  do  teerd  a  da*  ganza  bissela  schiines 
assa  wider  von  sich  gahn.  —  clxla.  99  Ich  ha  doch  mit  kenn  nischt,  ich 
stih  doch  mit  alla  gutt. 

2)  Die  sätze  sind  durch  conjunetion  verbunden: 

Schmeller,  Gramm.  453  's  ist  em  a  auf  des  di  doppelsichtigkait  brav 
vergange,  und  hat  von  dar  zait  an  di  sach  nur  efach  gsa  (gesehen).  — 
Anzengruber  0,  121  Was  ich  da  sag',  das  gilt,  und  was  ich  sag,  das  wägt. 

b)  Die  satzform  ist  verschieden: 

Weber  103  A  sate  gar:  sa  du's  denn  rater  . . .  iich  seld's  ihn  sahn,  rater. 

IL  Die  zweite  aussage  bietet  mehr  als  die  erste: 

Schmeller,  Gramm.  508  So  segds  es  luedern;  allsam  t  seyds  eso.  — 
Anzcngrnber,  Werke  6,132  Das  taugt  nix,  Burgerlies,  for  ihr  gesehäfi 
taugt  dos  gor  nix.  —  ebda.  C,  MX)  Du  musst  mich  anhören!  du  musst  mich 
auch  anhören,  eh'  du  mich  schlecht  machst.  —  6,162  Ich  hab'  mt 
gwusst,  was  ich  tu,  Eranz,  ich  hab'  damals  nit  g'wusst,  was  ich  tu.  — 
Weber  30  Xu  do  wees  ich  nee!  i erhebt  sich,  bleibt  stehn,  grübelt)  Do  wees 
ich  werklich  nee.  —  ebda.  79  Ecb  iich  das  machte  —  eeb  iich  mich  rer- 
greifa  tat  a  menn  genussa.  —  101  Mach,  mach,  feder  dich!  feder  dich  a  su 
sihr,  wie  de  kannst!  —  104  's  kätna  jitzt  atulre  zeita,  meent'  a.  Jitzt 
thät  a  ganz  andre  ding  warn  mit  ins  wabern.  —  111  End  dass  dr<ch 
teiszt!  dasz  d'rsch  alle  wiszt.  —  Rosegger,  Kunstwart  16,372  Überrascht 
rief  die  Greil  aus:  Der  narrisch,  das  ist  ober  ein  rechter  närrisch.  — 
ebda.  374  Aber  sauber  ist  er,  freilich  wol  rechtschaffen  sauber.  —  Zs. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


531 


f.  hd.  mundarten  2, 30  Des  stickli  isch  halt  deckt  gsii  durch  der  gros  rein 
do,  der  het  der  wint  und  d'  schlösse  abghalte. 

B.  Wideraufnahme: 

L  Das  zwischen  beiden  aussagen  stehende  glied  ist  ein 
nebensatz,  der  sachlich  zu  beiden  aussagen  gehört,  formal 
allerdings  nur  zu  einem  von  beiden: 

Anzengruber,  Werke  6,  166  So  halt'  ich  dich  sehen  woll'n,  vorerst 
allein,  [ehe  noch  die  icelt  dich  so  sieht  —  J  so  wollt'  ich  dich  haben  allein 
vor  mir  —  aug'  in  aug.  —  Weber  65  Dann  wisz  ich  o,  tear  mich  ver- 
klatscht hoot  bei  a  fabrikania,  (dass  iich  kenn  schlaag  arbeit  meh  besah 
.  .  .  J  Ich  wisz,  war  das  iis.  —  ebda.  89  Verlassen  sie  mich  nicht,  sc  machen 
mich  kalt.  [Wenn  se  mich  finden,]  schlagen  se  mich  tot.  —  95  Mir  sein 
arme,  biise  sindhofte  menschakinder,  [ni  waart,  dass  dei  fuss  ins  zertritt,} 
a  su  sindhaftich  und  ganz  verderbt  sein  mir. 

H  Es  stehen  selbständige  aussagen  zwischen  den  beiden 

identischen  aussagen,  zumeist  solche,  die  zu  diesen  in  causalem 

Verhältnis  stehen: 

Niebergall  126  Nah,  lenger  werd  m'  im  esse  jetz  net  mehr  gewort,  [der 
mann  bleibt  e  halb  ewigkeit  aus.]  Ich  rieht  jetz  oh.  —  Rosegger,  Kunstwart 
16, 373  (  Was  wird  er  denn  schreiben?  -  )  Jessas,  jetzt  kann  ich  nicht  lesen! 
[wer  hat?  mirs  denn  gelernt  ?  Dass  so  ein  briefel  kunnt  komen,  auf  so  was 
hätt'  eins  von  klein  auf  gar  keine  gedanken.J  Aber  na,  dass  ich  nicht  lesen 
kann!  —  Zs.  f.  hd.  ma.  1,365  (Das  dr  man  nigs  drfaa  gmerkt  het,)  das 
si  haimlik  eieeng  dicht ik  paebere  (trinken)  düet.  (S'isch  awer  sunscht  e 
brafi  frau  gsi,  um  mer  nit  bal  eini  eso  finde  düet;  i  mecht  nigs  gege  si 
gseit  han.j  Aber  sei  het  si  halt,  eweng  gern  ins  glas  gluegt.  —  ebda.  2,  30 
luin  den  küfer  bikunt  mer  jo  nigs  me  gmacht;  [die  hen  ürwet  hiifcs  wis;J 
's  Kaan  keiner  kei  bschdelik  me  aneme.  —  Jahrbuch  d.  verein«  f.  nd.  Sprach- 
forschung 29,  43  De  annern  wet  ek  nit  me,  fdat  stunn  mal  in'n  bok,J  awer 
ek  häw't  wedder  verjäten.  —  ebda.  29,  43  BCn  Soldaten  sin  ek  nit  jewest, 
[cen  schomaker,  de  wulle  gern  for  mek  derbi,}  da  hlef  ek  hier. 

Dreimal  wird  im  gründe  dasselbe  ausgesagt  in  folgender 
stelle  der 

Münch,  n.  nachr.  1904,  no.  18,  feuill.  sp.  5  (Als  wenn  dos  aa  was  war!) 
Wir  hams  ja;  wir  können' s  ja  tuan;  uns  leid's  dös. 

Das  gleiche  ist  der  fall  in  folgendem  beleg,  in  dem  aber 
zwischen  die  identischen  aussagen  andere  sätze  eingeschaltet 
sind;  die  zweite  einschaltung  zeigt  sodann  ihrerseits  noch  zwei 
belege  der  einfachen  widerholung: 

Rosegger,  Kunstwart  16, 374  Das  schriftlesen,  dasselb'  kannst  nicht. 
(Das  ist  mir  ober  schon  rechtschaffen  unlieb;  jetzt,  was  heb'  ich  an?  Ja 
so,  nur  drucklesen.J  L  ud  schrifilesen,  dasselb'  nicht,  meinst.  [Aber  na,  icJi 


f 


Digitized  by  Google 


532 


BEHAOHEL 


wein»  mir  jetzt  frei  keinen  rat,  Ich  tceiss  mir  keinen  menschen  in  der  gemein 
und  ich  trau  mich  nicht,  freilich  trau  ich  mich  nicht.}  —  Gieng  dir  halt 
nicht  von  statten,  meinst,  das  schriftlesen?  (Wenn  du's  ober  dennoch  tatst 
probieren.) 

Französische  Umgangssprache  und  mundart. 
A.  Anschliessende  widerhol ung: 

I.  Die  beiden  aussagen  decken  sich: 

a)  Sie  geschehen  in  der  gleichen  satzform: 

1)  Sie  sind  nicht  durch  conjunctionen  verbunden: 
«)  Beide  aussagen  sind  positiv  oder  beide  negativ: 

Moimier,  Seines  popnlaires  1,47  Mais  il  m'faut  ma  reste,  je  veux  ma 
veste.  —  ebda.  1.  811  Je  nc  veux  pas  qu'on  boude  . . .  naime  pas  les  boudeun. 
—  1, 88  Kh!  bien,  quoi?  qnest-cc,  quy  a-t-il?  —  1,101  ( (Je  nest  pas  dans 
une  maison  attssi  respectable  que  de  pareils  debats  doirent  avoir  Heu,)  il 
s'agit  de  s'amuser,  nous  sommes  ici  pour  cela.  —  1,125  Je  quitte  cetle 
maison,  mademoiselle;  je  la  quittcrai.  —  1,133  11  parait  que  ces  bons  amit 
sont  fort  occupis  de  leurs  plaisirs,  quils  s'amusement  beaueoup.  —  1, 145 
(Test  impossible,  Mauge,  c'est  impraticable.  1,102  Je  veux  ma  place,  ü 
me  faut  ma  place.  —  1,  199  Uetirez-rous!  Voulez-vous  vous  retirer?  —  1,200 
Varbleu!  si  j'  connais  la  C'oloquinte,  oui  je  la  connais.  —  1,212  Je  ne  le 
connais  pas,  je  ne  connais  pas  de  Bossuet.  —  1,  219  Cest-a-dire  j  NU 
j)ressee,  sans  l'etre,  j  suis  pressee  et  je  ne  la  suis  })as.  —  Revue  des  patois 
Gallo-romans  1,102  Comment  que  nous  ferons?  je  ne  le  sais  pas  encore, 
comment  que  nous  ferons.  —  ebda.  4, 257  ( Voici  un  violon  dont  le  son  sen- 
tend  ä  deux  Heues  ä  la  ronde,)  et  puis  qu'on  est  force  de  danser  quund  on 
l'cnttnd;  quand  vous  la  menercz,  tous  ceux  qui  Venlendront  seront  forces 
de  danser. 

ß)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 

Monnier  1, 109  (Ouf!  je  neu  puis  plus,)  je  suis  lout  en  nage  —  je 
n'ai  pas  un  fd  de  sec.  —  Revue  des  patois  Gallo-romans  1, 135  On  peut  paa 
rester  a  rien  faire  comme  <;a,  quui  que  tu  veux,  faut  bien  s'oecuper  pour 
pas  sennuyer. 

2)  Sie  sind  durch  eine  conjunetion  verbunden: 

Monnier  1,  130  Lause  moi  donc  artieuier,  et  ne  me  coupe  pas. 

b)  Sie  geschehen  in  verschiedener  satzform:  das  eine  mal 
mit  aussagesatz,  das  andere  mal  mit  fragesatz: 

Moimier  1,48  Je  n'lai  pas  fait  expres,  est-ce  que  je  Tai  fait  expres? 

II.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

Monnier  1,7  Eh  Inn!  maurais  sujet  ...  on  n'dit  rien  a  madame  ... 
on  n'souhaite  pas  l'bonsoir.  —  ebda.  1,  31  3Ionsieur  entra  chez  nous  pour 
massacrer  notre  pauvre  mere.  Pauvre  femmel  il  a  voulu  la  massacrer,  le 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


533 


gredin  qu'il  est.  —  1,152  Mais  vous  rous  desolez,  rotts  vous  desesperez 
sans  m'  entendre.  —  Revue  des  patois  Gallo-romans  1,110  (Ccla  vous 
arrange-t-il?  — )  Si  eela  m'arrange,  ce  maitre!  Cest  que  ccla  m'arrange 
excessivement  bien,  au  contraire.  —  1,134  II  roulait  nous  trouver  de 
leau;  ü  en  voulait  trouver,  que  c'aurait  fait  une  riviere. 

III.  Die  zweite  aussage  bietet  teils  mehr,  teils  weniger: 

Revue  des  patois  Gallo-romaus  1,114  11  en  tirait  dans  le  jour  et 
puis  dans  la  nuit;  il  en  tirait  qu'il  ne  pensait  plus  seulement  ä 
manger  ni  dormir. 

B.  Wideraufnahnie: 

Mounier  1, 50  He,  les  militaires,  c'est  pas  la  votre  place,  (rous  netes 
pas  de  Service;  allez-vous  en  donc  <t  la  plaine  de  Grenelle  roir  ros  fusilles 
a  tnort;  ca  ne  vous  regarde  pas,  ca.']  rous  narez  pas  le  droit  de  rester 
la;  non  vous  nai'ez  pas  le  droit  de  rester  lit.  —  1,53  (Jucüe  vielle  horreur! 
(altes  Scheusal!)  feile  embrasse  aussi  son  pretre.  Otez-y  donc  son  bonnet! 
on  ne  guillotine  pas  MM  bonnet;]  oh  qu"  t' es  laide,  vieille  sorcfere.  —  1,54 
T'as  beau  rouler  ies  gros  yeux,  va!  [jouis  de  ton  reste.J  T'as  beau  faire. 
—  1, 171  Je  vous  en  dcmande  un  million  de  pardons,  monsieur;  [c'est  pur 
um  cause  bien  independante  de  via  volonte  que  je  vous  ai  ecrase  le  pied.J 


Je  vous  en  demande  millt  pardons. 

Griechisch. 

Einige  beispiele  habe  ich  mir  aus  Herodot  aufgezeichnet: 
A.  Anschliessende  widerholung: 


xqg  'ixaXltjg  f^de  ZuirdvgiStjc  6* Irnioxyuitog  Zi  ftaotiTjg,  og  inl  n).u 
St)  ihöiii  (ig  avrjo  unixtxo,  xal  Ziolxrjg  Jduaoog  \iu\oiog  xov  ac 
Ityouirov  natg.  oixot  ulv  mb  'Ixallrjg  ft).i>ov,  ix  61  xov  Koknot 
'lovlov  \4u<fluvijOTog  'Enoorooqov  'Entda^nog-  ovxog  öl  ix  xov  % 
xoXnov.  —  7,18  (inel  dl  6aifxovhl  xtg  yivtxai  oouq  ...),  fy£  „fr 
avxog  xgäTiouai  xal  xijv  yvwuqv  utxaxlitenai.  —  7, 16  (f/  <}*  xoi  o 


(i/d  iv  xolrjj  t£  oy  xaxvm  woat. .  .) 

B.  Wideraufnahme: 


zed  by  Google 


534 


BEH  AOHET, 


buolvx;  fj  ov&v  i'aaov  xooxov  tjoav  piaoxvgavrot'  &tüifia  wv  fioi  xaX 
01  noooifitat  rtji'  6taßoh]v,  xovxovz  >'f  avaiti-at  xqv  aanlSa.  —  7.  6 
£cT]?Mi}r]  yag  V7i6  K  Innauyov  xov  Utioioxoaxov  b  '(h'Ofidxottog  t£  A&t;- 
»ttur,  [tn'  avTO<fwQ(p  ctlovc.  vno  Aaaov  xov  ttofxioriog  ifinoiituv  i$  ta 
Movaalov  XQqOßbv. .  .  J  Siu  tSijkaoi  fttr  6  "innapzoc,  ngoxtgov  zQtöptvo; 
xä  nuhoxa. 

Für  das  lateinische  hat  schon  Quintilian  die  erscheinung 

beobachtet:  Instit.  8, 4, 26  Polest  ascribi  amplificaitoni  congeries 

quoque  verborum  ac  sententiarum  idem  significantium.  Als 

beispiel  gibt  er: 

Cicero  pro  Lig.  3, 9  (Juid  enim  tuus  ille,  Tubero,  destrictus  in  ade 
I'harsalico  gladius  agebat?  cuius  latus  iUe  mucro  petebat  ?  qui  sensu*  erat 
armorum  tuorum?  quae  iua  mens:*  oculi?  manus?  ardor  animt?  quid 
cupiebas?  quid  optabas? 

Was  Volkmann,  Rhetorik  der  Griechen  und  Römer,  s.  38n, 
hinzutut,  ist  ganz  verschwindend.  Bei  Gericke,  De  abundanti 
dicendi  genere  Tacitino,  Berl.,  diss.  1882,  handelt  es  sich  wesent- 
lich um  abundantia  einzelner  Wörter,  wobei  nur  ganz  gelegent- 
lich sich  beispiele  ergeben,  die  in  unsern  bereich  fallen,  z.  b. 
s.  43  Hist,  4, 11  civitas  verlernt  se  transtuleratqut. 

Auf  weitentlegene  gebiete,  in  das  semitische,  führt  uns 
die  geschieh tsprosa  des  Alten  testaments,  das  ich  hier  wol  in 
der  deutschen  Übersetzung  citieren  darf: 

A,  Anschliessende  widerholung: 

I.  Die  aussagen  decken  sich: 

a)  Beide  aussagen  sind  positiv: 

Geil.  1,22  Seid  fruchtbar  und  mehret  euch.  —  ebda.  1,27  l'ntl  gott 
schuf  den  menschen  ihm  zum  bilde,  zum  bilde  gottes  schuf  er  ihn.  —  2,3 
l  nd  segnete  den  siebenten  tag  und  heiligte  ihn.  —  3, 3  Esset  nicht  davon, 
ruhrets  auch  nicht  an,  idass  ihr  nicht  sterbet.)  —  3,  IG  Ich  will  dir  rtel 
schmerzen  schaffen,  wenn  du  schwanger  wirst;  du  sollst  mit  schmerzen 
kinder  gebaren.  —  Und  dein  wille  soll  deinem  manne  untencorfen  sein, 
und  er  soll  dein  herr  sein.  —  4,23  Ihr  weiber  Lamech,  höret  meine  rede, 
und  merkt,  was  ich  sage.  —  6,  G  Va  reuet e  es  ihn,  dass  er  die  menschen 
gemacht  hatte  auf  erden,  und  es  bekümmerte  ihn  in  seinem  herzen.  —  6,  i) 
Noah  war  ein  frommer  mann  und  ohne  wamlel,  und  fuhrete  ein  göttlich 
leben  zu  seinen  Zeiten.  —  G,  12  (Da  sähe  gott  auf  erden,)  und  siehe,  sie  war 
verderbet,  denn  alles  fleisch  hatte  seinen  weg  verderbet  auf  erden.  —  6T 17 
(Ich  will  eine  sindflut  mit  wasser  kommen  lassen  auf  erden,)  zu  verderben 
alles  fleisch  unter  dem  himmd.  Alles,  teas  auf  erden  ist,  soll  untergehen. 
—   Richter  11,  35  Ach,  meine  tochter,  wie  beugest  du  mich  und  be- 


« 

Digitized  by  Ooo 


ZUR  TECHNIK  DER  MIID.  DICHTUNG. 


535 


In  folgendem  fall  ist  der  hauptsatz  inhaltsgleich  mit  dem 
zugehörigen  nebensatz: 

Richter  3, 10  Und  der  herr  gab  den  könig  zu  Syrien  in  seine  hand, 
dass  seine  hand  über  ihn  zu  stark  ward. 

b)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 

1)  Die  positive  geht  voraus: 

Richter  2, 17  Wichen  bald  von  dem  wege,  da  ihre  räter  auf  gegangen 
waren,  des  herrn  geboten  zu  gehorchen,  und  täten  nicht  wie  dieselben.  — 
ebda.  8, 28  Also  wurden  die  Midianiter  gedemütiget  von  den  kindern  Israel 
utul  hüben  ihren  köpf  nicht  mehr  empor.  —  ebda.  10,  G  Und  verliessen  den 
herrn  und  dieneten  ihm  nicht. 

2)  Die  negative  geht  voraus: 

Gen.  4, 7  Aber  lass  du  ihr  nicht  ihren  willen,  sondern  hersehe  über  sie. 

II.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

Gen.  2,4  Also  ist  himmel  und  erde  worden,  da  sie  geschaffen  sind, 
zu  der  zeit,  da  gott  der  herr  erde  und  himmel  machte.  —  ebda.  6,5  Da 
aber  der  herr  sähe,  dass  der  menschen  bosheit  gross  war  auf  erden  und 
alles  dichten  und  trachten  ihres  herzens  nur  böse  war  immerdar.  —  ebda. 
6,  21  Und  du  sollt  allerlei  sjjeise  zu  dir  nehmen,  die  man  isset,  und  sollt 
sie  bei  dir  sammlen,  dass  sie  dir  und  ihnen  zur  nahrung  da  sein.  — 
Richter  4,18  Weiche,  mein  herr,  weiche  zu  mir.  —  ebda.  7,3  (Wer  blöde 
und  verzagt  ist,)  der  kehre  um  und  hebe  bald  sich  vom  gebirge  Gilead. 

B.  Wideraufnahme: 

Gen.  2, 1  Also  ward  vollendet  himmel  wul  erde  mit  ihrem  ganzen  heer, 
[Und  also  vollendete  gott  am  siebenten  tage  seine  werke  ...]  also  ist  himmel 
und  erde  worden.  —  ebda.  3, 23  Da  Hess  ihn  gott  der  herr  aus  dem  garten 
Eden,  [dass  er  das  feld  bauete,  davon  er  genommen  ist,]  utul  trieb  Adam 
aus.  —  6, 19  Und  du  sollst  in  den  kästen  tun  allerlei  tiere  von  allem  fleisch, 
je  ein  paar,  männlein  und  fräulein,  dass  sie  lebendig  bleiben  bei  dir.  [Von 
den  vögeln  nach  ihrer  art,  von  dem  vieh  nach  seiner  art  und  von  allerlei 
gewürm  auf  erden  nach  seiner  art  ;]  von  den  allen  soll  je  ein  paar  zu  dir 
hineingehen,  dass  sie  leben  bleiben.  —  Richter  2, 11  (Da  täten  die  kinder 
Israel  übel  vor  dem  herrn)  und  dieneten  Baalim,  und  verliessen  den  herrn, 
ihrer  väter  gott,  und  folgeten  andern  göttern  nach,  und  beteten  sie  an  [und 
erzürneten  den  Jurrn.]  Denn  sie  verliessen  je  und  je  den  herrn  und  dieneten 
Baal  uud  Astharoth.  —  ebda.  3, 1  Dies  sind  die  beiden,  die  der  herr  Hess 
bleiben,  dass  er  an  ihnen  Israel  versuchte,  (die  nicht  wussten  um  die  kriege 
Kanaan;  nämlich  die  fünf  fürsten  der  Philister  und  alle  Cananiter  und 
Sidonier  und  Heviter  . . .;]  dieselben  blieben,  Israel  an  denselben  zu  ver- 
suchen, dass  es  kund  würde. 

Malaio-polynesisch. 

Ich  benutze  die  bugische  geschiente  vom  könig  Indjilai, 
die  R.  Brandstetter  übersetzt  hat,  s.  oben  s.  517.  In  den  an- 


Digitized  by  Google 


586 


NEU AUREL 


merkungen,  mit  denen  er  seinen  text  begleitet,  ist  an  stellen, 
wo  der  Übersetzer  im  text  sich  freier  bewegt,  die  wörtliche 
Übersetzung  mitgeteilt.  In  dieser  quelle  linde  ich  folgende 
widerholungen: 

A.  Anschliessende  widerholung: 

I.  Die  aussagen  decken  sich: 

S.  9  Als  der  körnig  eine  Zeitlang  in  der  herschaft  gewesen  war  und 
regiert  hatte  (von  Brandstetter  abgeändert:  eine  Zeitlang  seine  herschaft 
gefuhrt  hatte).  —  12  Wie  kommt  s,  das*  es  so  lange  gedauert  hat,  bis  du 
dich  zu  mir  verfügt  hast,  Anakoda,  dass  du  jetzt  erst  gekommen  bist?  — 
13  Ich  wünschte  doch,  dass  du  diese  nacht  bei  mir  verweiltest;  wir  wollen 
diese  nacht  noch  beisammen  sein.  —  13  Denn  das  sind  leute,  auf  die  ick 
vertraue  und  mich  verlasse  (von  Br.  abgeändert:  auf  diese  kann  ich  mich 
sicher  verlassen).  —  14  Sie  ankerten  utui  Hessen  das  fahrzeug  landen  (von 
Br.  abgeändert).  —  15  Sie  rief  fortwahrend:  meine  kinder,  es  sind  meine 
kinder.  —  15  Die  beteldosenträger  wollten  die  frau  des  Anakoda  vergewal- 
tigen, sie  muteten  ihr  schandliches  zu.  —  IG  Ein  jeder  von  ihnen  hatte  einen 
andern  Wohnsitz,  eine  besondere  kota  bewohnte  jeder  meister  (von  Br.  ab- 
geändert: hatte  einen  andern  Wohnsitz,  in  einer  andern  kota). 

II.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

S.  6  Sie  rüsteten  sich,  das  land  zu  verlassen;  sie  rüsteten  sich  mit 
ihren  zwei  kindern,  Abcduledjumali  und  Abeduledjulali  (was 
der  herausgeber  für  fehlerhaft,  weitschweifig  erklärt  und  abändert).  —  8  i  Wir 
wollen  den  reichsclephanfcn  loslassen,»  dass  er  uns  jemand  suche,  dass  er 
uns  material  zu  einem  Könige  suche  (von  Br.  abgeändert:  jemantl  suche, 
den  wir  zum  konig  machen  können).  —  10  Vereinige  sie  widerum,  herr,  dass 
sie  wider  bei  vmander  seien  wie  damals,  da  ich  noch  nichts  böses  von  ihnen 
erfahren  hatte  (hier  sind  hauptsatz  und  nebeusatz  einander  gleichwertig). 

B.  Wideraufnahme: 

I.  Ein  hauptsatz  steht  and  xoivov  zwischen  zwei  haupt- 
sätzen : 

S.  U  Wo  unser  vater  hingekommen  ist,  fteissen  wir  nicht, I  wohin  in 
aller  weit  er  gegangen  ist. 

II.  Selbständige  aussagen  stehen  axd  xoivov: 

S.  6  Aber  Abeduledjulali  hörte  nicht  auf  zu  weinen.  {Daher  kletUrte 
der  vater  auf  den  baumj  aus  mitlcid,  da  er  sah,  dass  sein  söhn  den  ganzen 
tag  weinte.  —  13  Ich  beauftrage  euch,  die  frau  des  Anakoda  zu  bewachen, 
{aber  das  lege  ich  euch  ans  herz:  schlaft  mir  nicht,]  wacht  über  die  frau 
des  Anakoda.  —  17  Es  war  eine  zeit  verflossen,  tot  war  der  Wahrsager 
des  Königs,  es  war  eine  zeit,  ein  au f scher .. .  (so  wörtlich  an  der  stelle,  auf 
die  Bich  anm.  9  bezieht,  nach  gütiger  niitteilung  von  herrn  prof.  Brandatetter). 
—  18  (  Wie  kommts  denn,  dass  mein  haus  nicht  golden  wurde?  —)  Das 
ist  so  gekommen,  lierr:  {man  hat  den  Zeitpunkt  nicht  innegehalten,  den  der 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG 


537 


Wahrsager  vorgeschrieben.  .  .  ]  Deswegen  wurde  das  haus  nicht  golden.  — 
19  Sitii  Maemuna  besass  einen  rogel,  der  ihr  sehr  lieb  war.  [Er  frass  nur, 
wenn  Sitti  Maemuna  ihm  selber  zu  fressen  gab.  .  .  So  war  er,  und  so  tat 
er,  immerfort,]  und  darum  war  er  der  Sitti  Maemuna  so  lieb.  —  23  Sie 
Hess  widcrum  den  oben  erwähnten  mann  rufen,  mit  dem  sie  die  nacht  zu- 
zubringen pflegte,  [denn  es  war  ihr  tun  und  treiben,  jede  nacht.]  Also  an 
diesem  nachmittag  Hess  sie  den  mann  rufen,  —  23  Da  nun  getroffen  waren 
die  Veranstaltungen  und  bereit  waren  alle  nötigen  dinge,  da  nun  begab  es 
sich  (so  wörtlich  an  der  stelle,  auf  die  sich  anm.  7  bezieht,  nach  gütiger 
mitteilnng  von  herrn  prof.  Brandstetter). 

Wie  man  sieht,  hat  Br.  in  einer  ganzen  reihe  von  fällen 
unsere  erscheinung  nicht  anerkannt,  sie  in  einer  freiem  Über- 
tragung beseitigt  (vgl.  oben  s.  433).  Das  ist  auch  noch  in 
einigen  anderen  fällen  geschehen,  in  denen  der  genaue  Wort- 
laut nicht  vorliegt: 

S. 3,  anm. 22:  'Hier  ist  der  text  zn  weitschweifig,  indem  »die  turtel- 
taube  sprach«  zweimal  steht.'  —  7,  anm.  9:  'Der  Untergang  der  sonne 
wird  im  folgenden  noch  mehrere  mal  erwähnt,  eine  fehlerhafte  Weit- 
schweifigkeit: 

Babylonisch. 

Nur  mit  grossem  vorbehält  gebe  ich  belege  aus  keil- 
inschriftlichen  texten.  Nicht  nur  verstehe  ich  von  ihrer 
spräche  ebenso  wenig  wie  vom  serbischen,  finnischen,  altaischen, 
bugischen;  ich  weiss  auch  sehr  wol,  wie  ausserordentlich  vieles 
hier  bis  auf  den  heutigen  tag  unsicher  bleibt, 

A.  Anschliessende  widerholung,  bei  der  die  aussagen  sich 
decken: 

Keilinschriftliche  bibliothek  bd.  6,  1, 16,  G3  Mög'  nicht  geändert  werden, 
was  immer  ich  schaffe,  Mög  nicht  zurück  gehn,  nicht  gewandelt  werden  ein 
befehl  meiner  Uppen  (—20,71).  —  18,96  Unter  den  göttern,  ihren  erst- 
gebornen,  die  er  ihr  geschart,  Erhöhte  sie  Kingu,  machte  ihn  gross  unter 
ihnen.  —  26,87  Als  Tiamat  solcftes  hörte,  Ward  sie  wie  wahnsinnig,  verlor 
den  verstand.  —  26, 91  Sie  sagt  einen  Zauberspruch  her  und  wirft  ihre 
formel  hin.  —  26, 94  Zum  kämpfe  vordrangen,  zur  Schlacht  sich  nähern. 
—  28,106  Ward  ihre  Streitmacht  zersprengt,  ihre  schar  zersplittert.  —  38,3 
Alle  meine  geböte  soll  er  überbringen  und  meine  befehle  insgesammt  sull  er 
übertragen.  —  38,28  Fest  ist  sein  wort,  nicht  gewandelt  wird  sein  befehl, 
was  aus  seinem  munde  kommt,  verändert  kein  gott. 

Eine  erscheinung,  die  in  der  deutschen,  französischen  und 
slavischen  literatur,  in  Finnland  und  Griechenland,  in  Baby- 
lonien,  Indien  und  Palästina,  am  Altai  und  auf  Celebes  begegne^ 
in  poesie  und  prosa,  in  alter  und  neuer  zeit,  die  muss  auf 

Beiträge  tur  gewichte  der  deutschen  ipr^che.    XXX.  3(J 


538 


BBHAGBKL 


ganz  allgemeinen  eigensehaften  der  menschlichen  rede  beruhen. 
Und  wenn  wir  sehen,  dass  die  erscheinung  um  so  verbreiteter 
ist,  je  näher  ein  Sprachdenkmal  dem  lebendig  gesprochenen 
wort  kommt:  stürm  und  drang,  mundartlich -deutsche  dialekt- 
erzählung,  Monnier  — ,  so  kann  es  keinem  zweifei  mehr  unter- 
liegen, dass  die  neigung  zu  widerholen,  dasselbe  zweimal  zn 
sagen,  sei  es  im  ganzen,  sei  es  zum  teil,  eine  allgemeine  eigen- 
schaft  des  gesprochenen  Wortes  ist,  aus  diesem  in  die  ge- 
schriebene spräche,  in  die  dichtung  übernommen  wird. 

Ich  darf  mich  auf  die  ganz  allgemeine  erfahrung  eines 
jeden  berufen,  dass  oft  genug  eine  geschiente,  ein  merkwürdiges 
erlebnis,  ein  witz  vom  erzähler,  nachdem  er  kaum  seine  dar- 
stellung  beendet  hat,  sofort  noch  einmal  vorgeführt  wird. 
Einen  derartigen  fall  erzählt  0.  Dietrich  aus  eigener  erfahrung, 
Roman,  forschungen  1,43,  anm.  Mein  zuhörer  Albert  Rausch 
berichtet  mir,  dass  er  in  zeit  von  sechs  wochen  40  beispiele 
solcher  doppelerzählung  beobachtet  hat,  dazu  5  fälle,  in  denen 
dieselbe  geschiente  dreimal  hintereinander  erzählt  wurde. 
Auch  in  der  schönen  literatur  ist  bereits  gelegentlich  auf  diese 
erscheinung  geachtet  worden. 

So  heisst  es  bei  Bölsche,  Mittagsgöttin  2,344  Es  war  der  landbrief- 
trüger.  Kr  wühlte  in  seiner  tasche  und  brachte  mir  einen  brief.  Es  sei 
ein  zufall  eingetreten,  sein  nachen  habe  sich  festgefahren,  deshalb  komme 
er  heute  so  spät.  Er  erzäldte  die  geschichte  zweimal  mit  grosser  geuauig- 
keit.  —  Oder  bei  Lesneur,  Slavische  leidenschaft  (Engelhorn  18,5)  1,20 
])as  hatte  Jean-liaptiste  alles  mit  angcselien.  Hätte  ihn  der  signor  nicht 
plötzlich  verlassen,  so  würde  er  die  beschreibung  wolgemut  noch  einmal 
von  vorne  begonnen  haben.  —  Und  bei  Skowronek,  Das  rote  haus  1,3  Die 
freude  des  ersten  widersefiens  war  vorüber,  aber  die  mutter  konnte  sich 
immer  noch  nicht  beruhigen  utul  erzählte  nun  wol  schon  zum  sechsten  oder 
siebenten  male  haarklein  den  ganzen  hergang. 

Und  wer  aufmerksam  ist,  wird  an  sich  selbst  wie  an 
andern  die  beobachtuug  jeden  augenblick  machen  können,  dass 
auch  die  einzelne  aussage,  der  einzelne  satz,  die  einzelne  satz- 
gruppe  sehr  leicht  widerholung  erfährt.  Der  erkenntnis  von 
der  allgemeinen  Verbreitung  der  erscheinung  steht  freilich  ein 
eigentümlicher  umstand  im  wege:  sie  tritt  bei  einzelnen  per- 
sonen  besonders  auffallend  zu  tage,  und  darüber  werden  die 
fälle  des  allgemein  verbreiteten,  aber  beim  einzelnen  nicht  so 
häufigen  Vorkommens  übersehen.  So  ist  es  namentlich  das  alter, 


D 


ZUR  TECHNIK  DER  MIID.  DICHTUNG. 


539 


das  sich  gern  widerholt:  Anzengruber,  der  im  allgemeinen  di« 
widerholnng  der  mündlichen  rede  nicht  gerade  häufig  (einige 
belege  s.  oben  s.  529  ff.)  nachbildet,  hat  sie  doch  dem  alten  Bren- 
ninger in  den  Kreuzelschreibern  mehrfach  in  den  mund  gelegt: 

2, 8  So  will  man  doch  sein  Ordnung  hab'n  —  no  ja,  sein  Ordnung 
will  der  mensch  doch.  —  Seit  gestert  iss  ans  und  g'schehn!  Aus  iss  und 
g'schehn  is's.  —  Und  er  halt'  nit  amol  was  auf  sie!  Na,  na,  ich  teeiss,  er 
halt'  nix  auf  sie. 

Aber  auch  sonst  bestehen  individuelle  Verschiedenheiten. 

So  schreibt  mir  J.Bernhardt,  er  kenne  einen  heim,  der  ganz 

nach  der  formel  spreche:  ich  habe  vergessen;  ich  habe  nicht 

daran  gedacht.    Und  bei  der  Boy-Ed  heisst  es: 

Deutsche  monatsschrift  2,  342  'Zu  liebe  mit  bedingungen  habe  ich  kein 
vertrauen.  Das  passt  mir  nicht.  Das  ziemt  meiner  tochter  nicht,  sich  be- 
dingungen stellen  zu  lassen.  Nein,  kein  vertrauen  habe  ich  zu  liebe  mit 
bedingungen  —  das  passt  mir  nicht.'  Die  frau  stöhnte  auf.  Sie  ivusste:  er 
klebte  nur  an  zwei,  drei  Worten,  die  ihm  die  bezeichnendsten  schienen,  und 
widerholte  sie  endlos. 

Aus  unmittelbarer  aufzeichnung  des  gesprochenen  Wortes 
kann  ich  freilich  nur  sehr  wenige  beispiele  der  tatsächlich  so 
häufigen  erscheinung  beibringen.  R.  Wustmann  hat  Wunder- 
lichs buch  Ueber  die  satzfügung  unserer  Umgangssprache  den 
vorhält  gemacht,  dass  es  zu  wenig  auf  unmittelbarer  beobaeh- 
tung  des  lebendigen  Wortes  beruhe  (Anz.  fda.  24. 303):  theore- 
tisch gewis  mit  recht.  Aber  wie  die  dinge  liegen,  enthält  der 
Vorwurf  doch  eine  gewisse  Unbilligkeit,  Wir  besitzen  grosse 
massen  von  mundartlichen  sprachproben,  und  wir  haben  es  in 
der  aufzeichnung  des  rein  lautlichen  herrlich  weit  gebracht. 
Aber  an  wirklich  getreuen,  in  jeder  hinsieht  echten  bildern 
der  lebendigen  gesprochenen  rede  fehlt  es  so  gut  wie  voll- 
ständig, und  zwar  nicht  nur  auf  dem  gebiete  des  deutschen: 
der  lebendigen  rede  mit  ihren  widerholungen,  dem  durch- 
einanderlaufen verschiedener  gedanken,  dem  vermischen  meh- 
rerer construetionen,  mit  ihren  anakoluthen,  interjectionen, 
ihrem  zögern,  ihren  unarticulierten  zwischenlauten.  Auch 
unsere  üppig  und  lustig  aufblühende  Volkskunde  denkt  kaum 
daran,  dass  hier  wichtige  aufgaben  liegen.  Unsere  sprach- 
proben sind  fast  durchaus  zurechtgemacht,  stilisiert,  Nicht 
einmal  die  stenographischen  aufzeichnungen  öffentlicher  reden 
lassen  immer  erkennen,  wie  ihr  Urheber  wirklich  gesprochen 

3G* 


Digitized  by  Google 


510 


BEHAGHKI, 


hat;  was  der  Stenograph  von  Unebenheiten  noch  hat  stehen 
lassen,  das  beseitigt  der  corrector  und  der  redner  selbst  l  ud 
zuletzt  kommt  noch  ein  schulmeisterlicher  herausgeber  und 
conjiciert  hinweg,  was  ihm  anstössig  erscheint,  wie  ich  das 
für  Bismarcks  reden  nachgewiesen  habe  (Beihefte  zur  Zs.  des 
allg.  d.  Sprachvereins  17/18, 278).  Und  doch  müsste  es  möglich 
sein,  ohne  allzu  grosse  Schwierigkeiten  stenographische  auf- 
zeichnungen  wirklich  geführter  gespräche  zu  gewinnen,  wie 
sie  für  die  spräche  von  geisteskranken  bereits  vorliegen  (vgl. 
Liebmann  und  Edel,  Die  spräche  der  geisteskranken  nach 
stenographischen  aufzeichnungen,  Halle  1903). 

Das  wenige,  was  ich  an  unmittelbar  aus  dem  leben  ge- 
schöpften belegen  bieten  kann,  verdanke  ich  grösstenteils 
meinem  schüler  Albert  Rausch  aus  Friedberg. 

Gesprochenes  deutsch. 

A.  Anschliessende  widerholung: 

I.  Die  aussagen  decken  sich: 

a)  Sie  sind  ohne  conjuuction  neben  einander  gestellt  : 

1)  Beide  aussagen  sind  positiv: 

Was  liegt  mir  daran?  Ks  ist  mir  ganz  einerlei.  —  Wenn  sie  das  buch 
sehen  wollen,  ich  hab's,  ich  besitz  es.  —  Würden  sie  mir  vielleicht  einen 
grossen  dienst  erweisen?  Ich  habe  eine  grosse  bitte  an  sie,  die  sie  nur 
hoffentlich  erfidlen.  —  Schreib  ihm,  ich  hätte  mich  sehr  über  seinen  besuch 
gefreut,  es  sei  nett  geteesen,  dass  er  den  weg  noch  zu  mir  gefunden  habe 
—  Geben  sie  mir  bitte  löschpupicr  von  dem  dicken,  roten,  was  gut  loscht, 
wissen  sie,  das  starke,  steife,  was  gut  aufsaugt. 

2)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 
a)  Die  positive  geht  voraus: 

Du  kannst  jetzt  gehn;  du  brai4chst  nicht  mehr  hier  zu  bleiben.  — 
Siehst  du,  der  flecken  ist  ganz  verschwunden;  es  ist  gar  kein  flecken  mehr 
zu  sehen.  —  Sie  sind  wirklich  dick  geworden;  sie  sind  bei  weitem  ntehi 
mehr  so  schmal  wie  früher.  —  Komm  nur  bald  heim!  dass  du  mir  ntrk 
zu  lang  bleibst.  —  Bei  dem  situl  auch  die  vorhänge  den  ganzett  tag  ge- 
schlossen; niemals  sieht  man  einen  zurückgezogenen  Vorhang. 

ß)  Die  negative  geht  voraus: 

Gehen  sie  bitte  nicht  so  schnell;  gehen  sie  bitte  etwas  langsamer.  — 
Bleiben  sie  doch  nicht  stehn;  ich  bitte  sie,  setzen  sie  sich  doch.  —  Setze* 
sie  sich  nicJd;  bleiben  sie  stehen.  —  Nein,  ich  gehe  nicht  fort,  ich  Idet^t 
hier.  —  Ich  stehe  doch  nicht  sj)ät  auf;  ich  stehe,  meine  ich,  wirklich  fn>* 
auf.  —  Er  ist  mir  nie  sympathisch  gewesen;  er  war  mir  immer  unangenehm 


Digitized  by  Golk 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


541 


Es  ist  gar  nicht  nass  heute  draussen;  es  ist  ganz  trocken.  —  Die  deutsche 
romantik  ist  doch  mit  der  französisclien  kaum  zu  vergleichen;  sie  ist  doch 
was  ganz  anderes. 

b)  Sie  sind  durch  eine  conjunction  verbunden: 

Ich  dank  auch  vielmals  und  ich  dank  auch  recht  schön. 

IL  Die  zweite  aussage  bietet  weniger: 

(Ja,  man  hat  furchtbar  viel  zu  tun,  wenn  man  es  ernst  nimmt  mit 
dem  erlernen  einer  spräche.  Es  ist  sehr  schwer,  sich  so  ins  innere  einzu- 
arbeiten,) und  kostet  selbst  bei  starkem  talent  eisernen  fleiss!  Ohne  fleiss 
geht's  absolut  nicht! 

III.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

a)  Die  sätze  sind  nicht  durch  conjunction  verbunden: 

Wo  bist  du  denn  gewesen?  wo  hast  du  dich  denn  herumgetrieben  von 
4  bis  7? 

b)  Verbindung  durch  conjunction: 

Wir  schauen  hinaus  und  schauen  hinaus  auf  den  riesigen  kreis 
derer  (aus  einer  commersrede). 

B.  Wideraufnahme: 

Schaffner,  wo  ist  der  durchlaufende  wagen  nach  Amsterdam?  Gehen 
sie  vorn  hin  —  Ganz  vorn  —  [Einer  der  ersten  ist's  —  der  zweitvorderste 
Der  mit  dem  runden  dach  —  neben  dem  Speisewagen  —  steht  ein  schild 
dran  —  Berlin- Amsterdam.  Der  ist's.}  Gehen  sie  nur  vorn  hin  (Sie  werden  s 
schon  sehen.  —  Schaffner,  kann  man  bald  wider  in  seinen  wagen  umsteigen  ? 
(aus  dem  Speisewagen).  Ja,  bald.  fS'  dauert  noch  etwas.]  Aber  s'  geht  bald. 
/.S"  kommt  gleich  'ne  Station.  Da  können  se  noch  nich.J  Aber  nachher,  in 
Güsten,  da  gibt's  neu  auf  tnthalt.  Da  können  se  'raus.  [Se  können  auch 
bis  Berlin  fahren  im  Speisewagen.  Bleiben  se  nur  drin  —  J  Aber  in  Güsten 
können  se  raus. 

In  manchen  fällen  ist  die  aussage  nicht  bloss  einmal,  son- 
dern zwei-,  dreimal  widerholt: 

Mach'  mal  den  rock  sauber,  bürst'  ihn  gut  aus  und  mach'  auch  mit 
benzin  die  flecken  heraus.  Er  muss  gründlich  gesäubert  werden.  —  (Das 
ist  ein  ganz  verfluchter  kerl,  Wissen  sie,  was  der  gemacht  hat?  Die  grösste 
Schufterei  von  der  weit,  die  hundsgemeinigste  nichtsnutzerei :)  seinem  vater 
hat  er  das  geld  aus  der  kasse  gestohlen,  aus  der  kasse  hat  ers  genommen, 
aus  der  ladenkasse  heraus  hat  ers  gegipst.  —  Sie  müssen  sich  vor  allem 
vor  feuchtigkeit  schützen,  [Das  ist  die  erste  bedingung.  Ebenso  vor  über- 
grosser hitze.  Wechseln  sie,  wenn  nötig,  drei,  viermal  die  strumpfe  am  tag, 
wenn  sie  die  geringste  feuchtigkeit  spüren.  Gehen  sie  nicht  allzulange  auf 
den  nassen  cementtrottoirs  spazieren  oder  durch  neblige  niederungen:]  Wenn 
sie  die  feuchtigkeit  möglichst  meiden,  können  sie  ohne  sorgen  sein  —  alles, 
nur  keine  nässe!  —  (Anders  ist  es  auf  weiten  fahrten.)  Wenn  ich  nach 
Berlin  oder  Paris  oder  London  fahre,  fällt  es  mir  im  träume  nicht  ein, 


512 


BEHA(;HEL 


dritte  zu  nehmen.  Solch?  strecken  nehme  ich  immer  zweite,  schon  um  nacht- 
zugc  benutzen  zu  können!  /Was  soll  man  sich  auf  holzbänken  halbtot 
fahren  lassen?)  Nein  —  bei  so  langen  fahrten  reflectiere  ich  auf  die  be- 
qnemliehkeiten  der  zweiten  Hassel  —  Machen  sie  die  tiire  nicfU  auf,  tcenn 
er  kommt;  lassen  sie  sie  fest  zu!  Nicht  aufmachen,  hören  sie?  fest  zu!  — 
(Srhaffncr,  lassen  sie  mich  allein  in  dem  coupe,  icenns  geht,  nicht?  Ja, 
seien  $ie  ganz  ruhig.)  Sie  bleiben  allein  bis  Köln.  Es  kommt  niemand 
mehr  zu  ihnen;  [Sie  können  das  ganze  coupe  in  beschlag  nehmen.  Schlafen 
sie  nur  die  ganze  nacht.  Ich  gebe  acht.J  S'  darf  niemand  herein.  Bis  Kobn 
können  sie  sicher  sein,  dass  niemand  kommt.  —  Ich  hab'sja  gleich  gesagt: 
J)as  musst'  so  komme!  Das  könnt'  gar  net  anners  komme!  (Wenn  mer  tu 
gehaust  hat,  wie  der,}  dann  könnt' 8  gar  net  ausbleiwe,  dass  sei  ganz  krämche 
druff  geht!  [Ich  hab's  schon  lang  gesagt:]  S'  musst  so  komme! 

Schliesslich  werden  die  vorhin  (s.  540)  erwähnten  steno- 
graphischen aufzeichnungen  von  reden  von  geisteskranken 
immerhin  mit  als  Zeugnis  verwertet  werden  dürfen.  Denn  so 
verschiedenartig  auch  die  krankheiten  derjenigen  waren,  deren 
äusserungen  uns  hier  vorliegen,  so  geht  doch  die  erscheinung 
der  widerholiing  durch  weitaus  die  meisten  der  sprachproben 
hindurch  und  uniss  somit  eine  gemeinsame  grimdlage  im  wesen 
der  spräche  besitzen,  wenn  auch  die  häufigkeit  des  auftretens 
mehrfach  durch  das  nachlassen  der  centralen  hemraungen  ge- 
steigert ist. 

Gesprochenes  Französisch. 
A.  Anschliessende  widerholung: 
I.  Die  aussagen  decken  sich: 

a)  Sie  sind  beide  positiv  oder  beide  negativ: 

(J'ai  dormi  dcn.v-heures  —  Tont  le  restc  de  la  nuit,  je  Tai  passe  en 
veillant;  c'est  affreiw!)  De  tu-  hmres  de  sommeil  ce  nest  rien!  Oui,  ee  n'e>t 
rien,  den.n  heures.  —  (  Venise  est  la  ville  la  plus  riebe  qu'on  puisse  ima- 
giner.)  (  'est  de  l'or  et  du  pourpre,  Tont  y  est  trempe  en  or  ou  en  sang. 

b)  Die  eine  aussage  ist  positiv,  die  andere  negativ: 

1)  Die  positive  geht  voran: 

Laissez  donc  ce  crepuscule!  N'allumez  pas  la  lampe. 

2)  Die  negative  geht  voran: 

Nc  me  tourmentez  pas  avec  cette  histoirc.  Laissez-moi  trattqmüe.  — 
(Je  naime  pas  Wiesbaden.  Je  nc  peux  pas  supporter  leclimat.)  On  Hr  peui 
pas  respirer,  ün  ctouffe.  —  L'elui-la?  Oh,  il  nest  pas  laid!  liest  fort  ftran 
garcon.  —  Ne  ferme  pas  la  fenetre!  Laisse-la  ouverte.  —  II  ne  m'a  ;>o.< 
laissr  entrer.  II  m'a  laisse  devant  la  parte.  —  Je  nc  reste  plus  ici.  Je  w  c* 
cais!  Adieu!   —   (Iionjour  man  eher;)  (tu  es  en  retard,  et  tu  sais  po*r- 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


543 


tant,)  que  je  n'aime  pas  cela.  Je  deteste  qu'on  soit  cn  retard!  —  Suivez 
mon  conseil!  Je  vous  dis:  faites  ce  que  je  vous  ai  conseille  de  faire!  Ce 
sera  votre  bonheur!  Vous  verrez,  que  ce  sera  votre  bonheur!  —  Dans  la 
littcraturc  moderne,  il  y  a  une  teile  quantite  de  Lonnes  choses,  quil  est 
impossiLle,  d'employer  encore  les  memes  principes  de  jugement  qu'aupara- 
vant.  II  ne  faut  plus  juger  ees  oeuvres  d'art  comme  on  les  a  jugees  il  y 
a  quarante  ans!  —  Zola  n'a  pas  de  nuanees!  Non!  car,  quoi  qu'il  ait 
vecu  jusqu'a  nos  jours,  il  nest  pas  un  moderne!  C'est  la  grande  erreur 
qu'on  commet  toujours  de  le  prendre  pour  un  moderne!  II  na  pas  Farne 
moderne!  —  Vous  pouvez  me  croire!  Je  dis  la  verite.  Je  vous  ai  raconte 
ces  choses  telles  quelles  sont.  Et  pourquoi  de  reste  ne  devrais-je  pas  vous 
dire  la  verite?  Ai-je  une  raison  de  deguiser  les  choses?  —  Vous  ne  dites  pas 
les  choses  comme  elles  sont,  vous  leur  donnez  des  fourrures  et  des  manteaux 
et  avec  ca,  une  autre  physionomie.  —  O,  quel  parfum!  Mais  je  nai  jamais 
senti  un  parfum  si  fort  que  cela!  Vraiment,  c'est  le  plus  fort  parfum  que 
je  connaisse!  —  Je  n'ai  jamais  aime  ce  genre!  Depuis  ma  jeunesse  j'ai 
deteste  les  gern,  qui  jugent  si  vite  que  cette  femme. 

II.  Die  zweite  aussage  bietet  mehr: 

Vous  n'avcz  pas  Lonne  mine:  Vous  etes  pale,  vous  avez  des  cercles 
sous  les  yeux,  qui  vous  donnent  Yair  Lien  fatigue.  —  (C'est  de  Mllt  de 
Boissier  que  je  veux  vous  dire  quelque  chose,  qui  vom  fera  plaisir:)  Elle 
s'est  fiancee  —  Eüe  sest  fxancee  avec  le  Laron  de  Thymen. 

B.  Wideraufnahme: 

Les  pantalons  ne  sont  pas  Lien  coupes.)  Iis  sont  trop  larges.  [Ca  vous 
fait  des  plis  aux  genoux.  Et  vos  jamLes  semLlent  plus  grosses  quelles  ne 
sont.]  Decidemcnt,  pa  devrait  etre  plus  etroit,  plus  serre.  —  Je  n'etais  pas 
bien  portant,  sans  cela,  je  serais  venu.  Je  n'allais  pas  Lien  du  tout;  [je 
me  suis  fait  mal  au  tennis,  et  etais  forcl  de  rester  chez  moi  quelque  temps.J 
Je  serais  sürement  venu,  si  ce  malaise  ne  m'avait  pas  empeche  de  suivre 
votre  aimaLle  invitation.  —  (Connaissez  vous  les  rers  d'AlLert  Samain?) 
Je  suis  tres  lieureux  que  vous  les  connaissiez,  [car,  quoiqu'il  cn  soit  —  ce 
po'ete  est  peu  lu  par  des  etrangers.J  I'our  cela  je  me  rejouis  doublement 
que  vous  le  connaissiez  et  que  vous  fassiez  une  bonne  exception.  —  Mettcz 
les  tasses  sur  la  petite  table  en  acajou.  [Et  dites  aux  Messieurs  que  le  cafe 
est  servi.  Au  fumoir,  vous  comprenez,  parceque  gcneralement  nous  le 
prenons  dans  le  grand  salon!J  Les  tasses  sur  la  pdite  table!  Pas  sur  la 
grande!  faites  attention!  —  Mais  vous  ne  connaissez  pas  de  tout  la  Si- 
tuation: [Elle  vous  a  ete  aussi  itrangere  qu'n  tous  ccux,  qui  ne  sc  sont 
jamais  occupes  de  l'etat  actuel.f  Non,  Messieurs,  vous  ne  connaissez  pas 
faffaire.  —  Mon  ami  est  aussi  peu  coupable  que  moi.  [Nous  avons  commis 
tous  les  deux  le  mime  faux-pas,  rien  de  plus  — J  mais  nous  sommes 
tous  les  deux  incoupables. 

Drei-  und  mehrfache  fassung  desselben  gedankens  liegt  in 
folgenden  beispielen  vor: 

(Kacontez  moi  cette  histoire  —  j  0,  je  ne  la  suis  plus;  je  Vai  ouLliee. 


544 


HKHAGHEL 


Je  ne  puis  vraiment  plus  dirc  comment  tout  sest  passe.  —  Xous  voulons 
manger  quelque  ehose.  J'ai  faim;  II  faut  que  je  prenne  quelque  chose, 
fallons  au  pavdlon  d '  Armenoville,  nous  mangerons  des  gateaux.  II  y  a 
In  les  bons  guten  tue,  les  rouges,  tu  suis!  O,  ils  soni  si  bonsl  Iis  ont  hh 
goüt  comme  des  cerises.J  Viens,  jai  horriblement  faim!  —  Mon  Uiett, 
Maman,  figure  toi:  Le  Metro  sest  arrete  entre  les  stalions  de  lAlma  et 
de  l'Ftoile,  tont  a  coup  le  train  ne  marche  plus,  s  arrete  brusquement,  et 
nous  ne  pouvons  pas  aller  plus  hin  —  C'etait  horrible!  Touts  les  personnes 
avaient  peur;  des  dames  pleuraient;  nous  avom  tous  pense  que  nous  derions 
mourir!  C'etait  afl'reux,  et  des  dames  pleuraient  —  et  nous  avions  peur  de 
mourir.  —  Oui,  aA,  tnais  oui;  bien  sür;  je  crois  bien!  Ah,  je  vous  ervti 
bien!  Mais  naturellement!  pour  sür!  —  Mon  fils  est  mort  comme  un 
heros;  sa  mort  etait  vraiment  heroiqtte;  sa  mort  etait,  dans  tonte  $a  tristeste 
affreuse  un  acte  grandiose,  fier  et  bcau.  —  Allons,  ne  dites  j)as  ccla! 
Je  vous  en  prie  —  taisez  vous!  Cessez  —  cessez!  (Je  ne  puis  plus  raun 
entendre.)  —  0,  c'est  vous!  Mais  je  suis  charmee,  je  suis  tont  ä  fail  en- 
chantec  de  vous  revoir!  (Juel  plaisir  de  vous  revoir  dans  notre  salon!  — 
Je  traut  e  que  tu  ne  penses  pas  noblement  de  ce  sujet.  Cest  une  facon 
absurde  et  absolument  dctestable  dont  tu  as  parle!  (Je  n'aurais  recliement 
pos  pense,  que  tu  puisses  parier  ahm!]  C'est  tris  laid,  tu  sais?  Kt  pa* 
gentleman-like  du  tout!  —  Viens  chez  moi,  petite,  viens,  vite,  dans  na 
bras;  allons!  viens,  j'ai  les  bras  ouverts,  vois-tu? 

Von  gesprochenem  englisch  stehen  mir  nur  ein  paar 
vereinzelte  beispiele  zu  geböte: 

A.  Anschliessende  widerholung: 

Ii  is  a  beautiful  dag  to  dag  —  Is'nt  it?  A  lorely  day! 

B.  AViderauf  nähme: 

//  am  going  to  Francfort  to  morrow,  I  want  a  suit,  a  very  good-one, 
and  as  it  is  impossible  to  get  it  herc  J,  I  am  obliged  to  go  to  Franc  fort, 
to  Mr  Sureit,  he  is  told  a  good  tailer.  —  2h,  Sir,  tee  eome  from  fkt  South, 
[We  have  becn  three  months  in  Itaig,  first  in  the  South,  at  Roma  and 
Xaples,  after  at  San  ItemotJ  It  is  from  there  we  come. 

0.  Beides  vereint  zu  dreifacher  aussage: 

0,  I  am  very  foml  of  piaging,  I  likc  very  mach  the  spart,  [And  ira< 
a  great  sporisman  when  I  was  young,  now,  I  am  too  old,J  bat  I  hart 
kept  a  great  intcrest. 

Zu  den  widerholungen  der  mündlichen  rede  verhält  sich 
nun  die  geschriebene  spräche,  die  literatur,  in  dreifacher  weise. 
Entweder  sie  werden  beibehalten,  wie  das  eben  das  mhd..  das 
altfranz.  ja  tun,  oder  sie  werden  zurückgedrängt,  wie  das  im 
allgemeinen ')  in  den  neueren  literaturen  Westeuropas,  aber 

l)  Ich  sage  'im  allgemeinen';  denn  z.  b.  bei  Schiller  spielt  die  wider- 


i 

Digitized  by  Google 


ZUK  TECHNIK  DER  MIID.  DICHTUNO. 


545 


auch  in  der  griechischen  und  lateinischen  geschehen  ist,  oder 
aber  sie  werden  zum  ausgangspunkt  für  bewusst  rhetorisch- 
poetische  stilmittel.  So  ist  die  einfache  wörtliche  widerholung 
geradezu  zum  grundverfahren  primitiver  dichtung  geworden. 
Ich  verweise  auf  den  wenig  beachteten  aufsatz  von  W.  von 
Biedermann,  Zur  vergleichenden  geschiente  der  poet.  formen, 
Zs.  f.  vgl.  lit.-gesch.  N.  f.  2, 415,  ferner  auf  Norden,  Lat.  kunst- 
prosa2, 813.   Es  heisst  also  z.  b.  in  einem  Indianergesang: 

(14*1»  Annual  Report  of  tbe  Bureau  of  Ethnology,  part2,  1054):  Xebcl, 
nebel,  Blitz,  blitz,  Wirbelwind,  Wirbelwind.  -  Oder  1055  Die  felsen  wider- 
hallen, Die  felsen  widerhallen,  Die  felsen  widerhallen,  Sie  widerhallen  in 
den  bergen,  Sie  widerhallen  in  den  bergen,  Sie  widerhallen  in  den  bergen. 

Ich  möchte  jedoch  bezweifeln,  dass  diese  form  der  wider- 
holung jemals  in  längeren  dichtlingen  angewant  worden  ist; 
was  mir  davon  bekannt  geworden,  das  sind  nur  kleinere  poetische 
erzeugnisse. 

In  höher  stehenden  literaturen  ist  dann  die  Variation 
als  bewusstes  kunstmittel  gehandhabt  worden:  so  in  dem  be- 
kannten parallelismus  membrorum  der  hebräischen  poesie,  z.  b. 

Psalm  2,  1 — 5  Warum  toben  die  heiden,  und  die  leute  reden  so  ver- 
geblich? die  könige  im  lande  lehnen  sich  auf,  und  die  Iwrren  ratschlagen 
mit  einander  wider  den  herm  und  seinen  gcsalbeten:  lasset  uns  zerreissen 
ihre  bände,  und  von  uns  werfen  ihre  seile.  Aber  der  im  himmel  wohnet, 
lachet  ihr,  und  der  fierr  spottet  ihr.  Kr  wird  einst  mit  ihnen  reden  in 
seinem  zorn,  und  mit  seinem  grimm  wird  er  sie  schrecken. 

Die  erscheinung  ist  zuerst  ausführlich  erörtert  worden  von 
dem  englischen  bischof  Lowth  (De  sacra  poesi  Hebraeorum 
praelectiones,  Oxford  1753)  und  hat  sodann  die  aufmerksamkeit 
Herders  auf  sich  gezogen:  Vom  geiste  der  hebr.  poesie,  Suplian 
11, 235  ff.  Weiteres  bei  Bleek,  Einleitung  in  das  Alte  testa- 
ment,  3.  aufl.  von  Kamphausen,  s.  81  ff.  Ueber  seine  entstehung 
sind  gelegentlich  sonderbare  anschauungen  geäussert  worden; 
der  anmerkung  Kamphausens  s.  81  entnehme  ich,  dass  Ley 
diesen  parallelismus  aus  der  alliteration  herleiten  will:  wenn 
man  die  sache  umdreht,  wird  sie  ungefähr  richtig  werden. 

Ebensowenig  kann  ich  mich  mit  einer  andern  weitverbrei- 
teten anschauung  der  hebraisten  befreunden.  Aus  dem  zusammen- 


holung eine  nicht  unbeträchtliche  rolle.  Beispiele  habe  ich  gegeben  Bei- 
hefte zur  Zs.  des  allg.  deutschen  Sprachvereins  26, 184. 


546 


HEHAGHEL 


hang,  in  den  durch  unsere  darstellung  der  hebräische  paralle- 
lismus  gerückt  wird,  ergibt  sich,  dass  es  nicht  richtig  ist,  wenn 
man  ihn,  wie  das  schon  Herder  tut,  als  eine  erscheinungs- 
form  des  rhythmus  betrachtet:  er  ist  lediglich  ein  rhetorisch- 
stilistisches  hilfsmittel,  das  mit  der  metrik,  dem  rhythmus  so 
viel  oder  so  wenig  zu  tun  hat  wie  metapher  und  gleichnis. 
wie  die  aposiopese,  der  poetische  Wortschatz.  Ob  daneben  noch 
ein  fester  musikalischer  rhythmus  besteht,  ist  eine  frage  ganz 
für  sich:  der  parallelismus  ist  ebensowenig  ein  ersatz  für  diesen, 
als  die  stehenden  epitheta  und  die  gleichnisse  Homers  ein 
ersatz  für  den  hexameter  sein  könnten.  Das  finnische  zeigt 
uns  ganz  unmittelbar  das  nebeneinander  von  festem  metrum 
und  von  parallelismus. 

Dieser  parallelismus  kehrt  dann  auch  wider  im  ägyptischen, 
vgl.  Erman,  Aegypten  2,  527.  Genaueres  jedoch  über  den  um- 
fang und  die  art  seines  auftretens  in  der  ägyptischen  literatur 
ist  mir  nicht  bekannt  geworden. 

Weiter  zeigt  sich  dann  der  sogenannte  parallelismus  — 
es  ist  das  eigentlich  eine  wenig  glückliche  bezeichnung  —  in 
der  finnischen  dichtung,  wenn  auch  nicht  in  der  durch- 
greifenden weise  wie  im  hebräischen.  Comparetti  in  seinen 
umfangreichen  Untersuchungen  über  den  Kaiewala  begnügt 
sich,  mit  wenigen  Worten  die  tatsache  im  allgemeinen  festzu- 
stellen, Atti  della  accademia  dei  Lincei,  ser.  4,  vol.  8,  s.  (33. 
Ich  entnehme  daher  der  Schief nerschen  Übertragung  —  das 
original  ist  mir  nicht  zugänglich  —  folgende  belege  der  satz- 
variation,  die  in  den  510  versen  der  zehnten  rune  ent- 
halten sind: 

47,  7  Schlug  das  ross  mit  seiner  gerte,  Liess  die  perlenreiche  tonen. 
Hasch  enteilt  das  ross  des  xceges,  Machte,  dass  der  teeg  entsc?twindet, 
Heftig  lärmt  des  Schlittens  kufc,  Und  es  knarrt  das  trockne  Krummholz.  — 
2t  Sprach  dort  worte  solcher  weise,  Liess  sich  selber  so  vernehmen:  Frist, 
o  wolf,  den  träumegucker,  Tot,  o  Krankheit,  jenen  Jxippen.  —  35  DiS  zum 
himmcl  reicht  der  wipfcl,  llagt  gerade  ins  gewölke,  In  die  lüfte  gehen  du 
zweige,  Dehnen  sich  bis  in  den  himmel.  —  VA  O  du  alter  Wäinamöinrn. 
Wo  hast  du  so  lang  gestecket,  Bist  so  lange  du  gewesen?  —  75  Spraih 
der  schmieder  Ilmarinen,  Itedet  worte  solcher  weise  (=  289).  —  83  Eine 
jungfrau  ist  im  Nordland,  Die  sich  keinem  freier  fuget,  Die  den  besten 
mann  verschmähet.  —  151  Sprach  die  führ1  mit  goldnem  wipfel,  Sprach 
die  führ'  mit  schöner  kröne.  —  ltil  Sang,  dass  starker  Sturmwind  brauste, 
M'ild  der  wind  die  luft  bewegte,  liedet  worte  soklver  weise,  Liess  auf  diese 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DER  MHD.  DICHTUNG. 


547 


art  sich  hören:  Ximm,  o  wind,  ihn  in  dein  fahrzeug,  Trage  ihn  mit  deinem 
böte  Bäsch  daron  ...  Es  erbraust  ein  starker  Sturmwind,  Wild  durch- 
wühlet er  die  lüfte.  —  19G  Bin  füncahr  nicht  hergekommen,  Dass  die 
Hunde  mich  hier  schänden,  Diese  wollschwanzträger  schaden  An  den  un- 
bekannten türen,  Bei  den  fremden  eingangs}) f orten.  —  231  Schon  gekommen 

er  uns  den  sampo  schmiede,  i  ns  den  bunten 
decket  hdmmre.  —  255  Sättigt  dort  den  mann  mit  speisen.  Gibt  ihm  auch 
genug  zu  trinken  Und  bewirtet  ihn  gar  trefflich.  —  323  I  m  zuzuschauen, 
Was  wol  aus  dem  feuer  käme,  Aus  der  flamme  sich  erhöbe.  —  343  Aus 
dem  feuer  drang  ein  nachen,  Drang  ein  bot  mit  braunem  scheine.  —  405) 
llmarinen,  er  der  schmieder,  Schmiedet  mit  behenden  Schlägen,  Klopfet  mit 
gar  kräffgem  hammer.  —  417  Frisch  geschmiedet  mahlt  der  sampo,  Schau- 
kelt hin  und  her  der  deckel.  —  4fi7  Fing  nun  an  zu  überlegen,  Hielt  gar 
lange  es  im  köpfe,  Wie  er  sollt'  nach  hause  reisen.  —  488  Lies*  den  wind 
dann  kräftig  wehen,  Liess  den  nordwind  heftig  blasen.  —  508  Sprach  der 
schmieder  llmarinen,  Selber  redete  der  meister:  Ja,  schon  mahlt  der  neue 
sampo,  Schicingt  sich  hin  und  her  der  deckel. 

Im  serbischen  liede  sind  zwei  ganz  bestimmte  formen 
der  widerholung  zum  viel  angewanten  kunstmittel  geworden. 
Auf  der  einen  seite  stehen  die  fälle,  in  denen  die  zweite  aus- 
sage um  ein  glied  erweitert  erscheint: 

Kapper  (s.  oben  s.  513)  1,8  Ich  indessen  will  zurück  ihn  halten,  Will 
ihn  halten,  drei,  vier  teeisse  tage.  —  ebda.  1, 10  Einen  brief  geschrieben 
hat  die  königin,  Einen  brief  gesant  an  Swjesdit sch  Iwan.  —  1,*14  Führt 
mit  sich  die  schöne  Ikonta,  Führt  sie  grade  zur  Buschitzakirche.  — 
1,  15  Buft  dann  aus  und  ruft  aus  weisser  kehle.  —  1,  19  Fielen  ein  die 
Türken  schon  in  Belgrad,  Fielen  von  vier  seifen  in  die  veste.  —  1,33 
Drinnen  wohnt  der  beiden  Jakschitsch  schwester,  Wohnt  darin  bei  jenem 
Arup- Aga.  —  1,33  Tränkt  die  wandrer  alle,  die  da  wandern,  Tränkt 
sie  auf  das  wohl  der  beiden  brüder.  —  1,34  Da  er  ankommt  vor  des 
hofes  tore,  Buft  er  also,  ruft  mit  heller  stimme.  —  1,35  Geht  der 
Dmitar,  geht  zum  schänken  Jowo.  —  Bibliothek  slaviseher  poesien  in 
deutscher  Übertragung,  Prag  1876,  1,  152  Unaufhörlich  stürmet  er  und 
stürmet  Früh  vom  morgen  bis  zum  grauen  abend. 

Dabei  kann  es  geschehen,  dass  in  der  erweiterten  aussage 
einzelne  teile  der  ursprünglichen  aussage  anwiderholt  bleiben : 

Kapper  1,8  Kommen  ist  um's  mädchen  Jakschitsch  Todor,  Ist  mit 
seinen  hundert  Staaten  kommen.  —  ebda.  1,15  Fliegt  dahin  ilurchs 
grasige  gefilde,  Fliegt,  den  Knaben  Stjepan  an  der  seite.  —  1,  17 
Horch,  da  ruft  die  Wila  schon  hernieder  Aus  dem  grünen  waldgebirg 
Avala,  Buft  hernieder  in  das  feste  Belgrad,  Bufet  zu  den  beiden 
brüdern  Jakschitsch.  —  1,22  Halt  den  Sklaven  er  zu  seiner  rechten, 
Hält  ihn,  wie  das  haupt  er  hält,  das  eigne.  1,31  Sieh,  da  kommt 
den  brüdern  zu  ein  schreiben,  Kommt  aus  Belgrad,  aus  der 
weissen  Veste. 


Digitized  by  Google 


548 


BEHAGHEL 


Auf  der  andern  seite  geschieht  es,  dass  die  widerholung 
gedrängter  ist  als  die  erste  aussage,  und  dann  ist  entweder 
bei  der  widerholung  ein  teil  der  glieder  weggelassen,  oder 
lediglich  das  begriffswort  durch  das  anaphorische  pronomen 
oder  adverb  ersetzt.  Diese  art  findet  sich  niemals  am  schluss 
einer  gedankenreihe,  sondern  stets  wird  noch  ein  weiteres  glied 
oder  weitere  glieder  der  erzählung  angereiht: 

Kapper  1, 9  (Als  sie  nun  durchs  fehl  von  Budim  reiten,)  Lenkt  sein 
ross  der  köw'g  hin  zu  Todor,  Lenkt  es  hin  und  redet  tu  ihm  leise.  — 
ebda.  1,18  Reitet  hin  zu  Jakschitsch  Todor  grade,  Reitet  hin,  erzählt 
dem  bruder  alles.  —  1,18  Nieder  sitzt  er  an  der  Jaorika,  Sitzet  nieder, 
rastet  an  dem  w asser,  Rastet  aus  und  redet  zu  sicli  selber.  —  1,21 
Heissl  er  ihn  auch,  ihm  zur  seite  sitzen,  Heisst  ihn  sitzen,  spricht  zu  ihm 
die  tcorte.  —  1,29  Um  die  lenden  schnallt  den  sübel  Stjepan,  Schnaitt 
ilen  säbel,  Rufet  zu  dem  mädchen.  —  1,32  SucJicn  dort  drei  jähre  lang 
die  Schwester,  Suchen  beide,  keiner  kann  sie  finden.  —  1,  34  In  den 
höfen  höret  ihn  die  Schwester,  Hört  ihn  und  erkennt  sogleich  den  bruder. 

—  1,190  Halt  zurück  ihn  an  des  turmes  treppe,  Hält  zurück  ihn,  hält 
ihn  fest  und  fragt  ihn.  —  1,192  Weitum  jagt  drei  tage  lang  das  Türk- 
lein, Jagt  umher  uml  kann  doch  nichts  erjagen.  —  1,193  Lauter  aber 
lacht  die  junge  ehefrau,  Lacht,  und  geht  hinaus  zum  neuen  markiplatz.  — 
1,294  In  die  rechte  nimmt  Komnen  den  becher,  Nimmt  den  beeher, 
zeichnet  mit  dem  kreuz  sich,  Danket  gott.  —  Bibl.  slav.  poesien  L,  149 
Bonus  '/ring  schaut  es  (das  beer)  von  der  veste,  Schaut  das  heer  und 
spricht  zu  sich  die  worte.  —  Kapper  1, 19  Anschaut  der  vesire  den  ge- 
fangenen, Schaut  ihn  an  und  sieliet,  wie  er  schön  ist.  —  1,31  Weh,  zum 
Imsen  sitzt  ihr  bruder  Jakschitsch,  Sitzt  zum  bösen,  Trinket  kühlen  roticein. 

—  1,37  Gibt  ihm  das  Araberkind  die  Schwester,  Gibt  es  ihm  —  und  Jak- 
schitsch Dmitar  nimmt  es.  —  1,227  Fasst  ins  aug  den  alten  Keiwan-Aga, 
Fasst  ins  aug'  ihn,  gibt  der  pfanne  feuer,  (Trifft  ihn  links  graa"  in  die 
Unke  seite.)  —  Bibl.  slav.  poesien  1, 166  Liest  das  schreiben,  lieset  es  und 
lächelt. 

Beiden  gattungen  der  widerholung  ist  es  gemeinsam,  dass, 
wenn  man  von  den  gliedern  absieht,  die  in  erweiterung  oder 
zusammendrängung  einander  gegenüber  stehen,  die  übrigen 
glieder  wörtlich  einander  gleich  sind,  hier  keine  Variation 
stattfindet.  ») 

»)  Aucb  die  anakolnthische  widerholung,  auf  die  ich  als  allbekannt  — 
vgl.  z.  b.  meine  Heliandsyntax  s.  575  —  bei  der  darstellnng  des  mhd.  keine 
rücksicht  genommen  habe,  ist  im  serbischen  xum  bewussten  kuustmittel 
ausgebildet  :  Kapper  1,28  Reicht  Harikunan,  reicht  ihr  beide  hände,  Nimmt 
dem  pascha,  nimmt  ihm  seinen  säbel.  —  ebda.  1,32  Lass,  o  Bogdan,  o  ge- 
liebter bruder,  Lass  uns,  bruder,  scheiden  unsre  wege.  —  1, 195  Dränget 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEU  MHD.  DICHTUNO. 


549 


Die  beiden  typen  des  serbischen  liedes  kehren  auch  in  der 
bulgarischen  dichtung  wider.  Die  belege  entnehme  ich  den 
Bulgarischen  Volksdichtungen,  übersetzt  von  Ad.  Strauss,  Wien 
und  Leipzig  1895. 

Einerseits  begegnet  hier  der  fall,  dass  bei  der  widerholung 
ein  glied  mehr  geboten  wird  als  bei  der  ersten  aussage: 

112  Fasst  das  haar  der  Samovila,  Fasst  ihr  haar  mit  starken  händen. 

—  112  Und  die  fee,  sie  blieb  gefangen,  Blieb  gefangen  drei  der  jähre.  — 
114  Und  die  Schwiegermutter  glaubt,  Glaubt  so  treu  dem  feenworte.  — 
122  Ja,  den  Imech,  den  liebte  Stojna,  Liebte  ihn  mit  grosser  liebe.  — 
125  Und  des  euren  diener  giengen,  Giengen  zu  der  beiden  jung  fr  au.  — 
127  Und  es  kommt  die  hehlenjung frau,  Kommt  auf  dem  beschwingten  rosse. 

—  128  Und  gesättigt  war  held  Branko,  War  gesättigt  nicht  von  kühnheit, 
War  gesättigt  von  dem  rausche.  —  130  Da  nun  schreit  der  kämpe  Branko, 
Schreit  mit  aller  kraft  der  stimme.  —  130  Gift'gc  schlänge,  ihm  gewährt 
es,  Gifige  schlänge  mit  drei  köpfen  Ihm  gewährt  es,  dass  er  rede.  — 
133  Führ'  du  alle,  führ  sie  alle,  Führ  sie  hin  zu  dem  bazare.  —  198  Ich 
vernichte  alle,  Ich  vernichte  all'  die  Türkenhorden.  —  200  Und  da  strau- 
chelt bald  sein  stolzes  kampfross,  Strauchelt  dort  bald  in  den  scharfen 
klingen. 

Anderseits  begegnet  der  fall  der  gedrängten  widerholung: 

111  Kehr  doch  um,  o  Ivan  Fopov,  Kehr  doch  um  und  geh'  nicht 
pflügen.  —  121  Utid  dein  lieber  brtider  Bidit  in  ihrem  schösse,  Buht  in 


jeden,  der  ihr  in  den  weg  tritt,  Dränget  jeden  aus  dem  wege  seitwärts,  (Bis 
sie  ankommt  in  der  weissen  veste.)  —  1, 197  Fiele  einer  von  den  goldnen 
ballen,  Die  an  meinem  oberkleide  hangen,  Fiel'  er  dir,  o  Türklein,  an  die 
sclüäfe.  —  1, 198  ScJtaff  zur  stell'  mir,  Boitschitsch  Alija,  Schaff  zur  stelV 
ein  ross  für  den  haiduken.  —  1, 230  Tötet,  dass  er  mit  dem  tod  nicht  ringe, 
Tötet  vollends  mit  des  Schwertes  schärf  ihn.  —  Ein  gleichartiges  beispiel 
in  den  Bulgarischen  Volksdichtungen,  übers,  von  Strauss  s.  123  Führe,  Mine, 
führ'  den  rentier.  —  Im  vorbeigehen  sei  hier  noch  eine  merkwürdige  form 
der  durch  Unterbrechung  verursachten  widerholung  erwähnt.  Die  wider- 
holung geschieht  ja  in  der  regel  in  folge  des  umstandes,  dass  der  redende 
durch  eine  einschaltnng,  die  er  macht,  von  der  normalen  Vollendung  des 
satzes  abgelenkt  wird.  In  einer  novelle  von  Hermine  Wild  (Eure  wege 
sind  nicht  meine  wege,  Heyses  novellenschatz  22, 1)  bin  ich  aber  auf  sätze 
gestossen,  wo  der,  der  das  anakoluth  durch  seine  einschaltnng  veranlasst, 
nicht  der  redende  ist,  sondern  der  erzähler,  der  sein  verbum  des  sagens 
dazwischen  wirft:  z.  b.  8.37  Ks  sind  diese  nacht  dinge  vorgefallen,  sagte  er 
mit  einem  tiefen  ausdruck  von  ernst,  trauer  und  besorgnis,  es  sind  dinge 
vorgefallen,  die  zu  verhindern  seit  jähren  mein  stetes  bemühen  war.  — 
62  Ja,  er  hat  mich  lieb,  sagte  sie  sich,  und  ihr  blick  weilte  sinnend  auf 
ihm,  er  hat  mich  sehr  lieb.  —  110  Ja,  er  liebt  mich,  dachte  sie,  er  liebt  mich. 


/ 


Digitized  by  Google 


550 


HEHAGHEL 


ihrem  schösse,  Spielt  mit  ihren  locken.  —  123  Kömmt  ihr  töchterlein  die 
Grunka,  Kämmt  und  (licht  icol  ihre  haare.  —  125  Und  mit  ihr  dann  aho 
redet,  Aho  redet,  also  fragt  sie.  —  128  Magdalena  aber  dachte.  Dachte 
nach,  tat  ein  gelübde.  -~  120  Dass  du  bisher  nie  gefragt  hast,  Xic  gefragt 
mich,  und  nun  fragst  du.  —  130  Wie  sie's  hört,  80  sträubt  *ic  sich  auch. 
Sträubt  sich  und  beginnt  zu  pfauchen.  —  ebda.  Einholt  ihn  die  gift'ge 
Schlange,  Holt  ihn  ein  und  fängt  ihn  sich  ab.  —  135  Xun  gar  bitter 
klag*  nd  klagt  Schön-Petka,  Klagend  klagt  sie,  geht  auch  nicht  zur  hochzeit, 

—  196  Wird  auch  unser  reich  entzwei  sich  teilen,  Wird  entzwei  sich  teden 
und  dann  stürzen  —  198  Suchen  wir  den  Michael  Vasilic,  Suchen  wir  und 
retten  wir  ihn  freunde.  —  210  Sassen  da  die  händler  vor  den  buden, 
Sassen  vor  den  buden,  sprachen  also.  —  ebda.  Kann  herab  nicht  ron  dem 
flügelrosse.  Kann  herab  nicht,  kanns  dann  nicht  besteigen.  —  211  Und  die 
maid  von  Sidim  schöpft  ihm  wasser.  Schöpft  ihm  wasser  und  sie  reicht  es 
dar  ihm.  —  215  Und  sie  giengen  und  sie  setzten  Hin  sich  an  den  tisch  der 
beiden,  Setzten  sich  und  assen,  tranken. 

Mehrere  formen  der  Stilisierung  finden  sich  wider  bei  den 
Altai-Türken:  zunächst  eine,  die  genau  der  ersten  serbischen 
form  entspricht:  die  form,  dass  die  zweite  aussage  ein  oder 
auch  mehrere  glieder  weiter  enthält  als  die  erste,  im  übrigen 
aber  mit  dieser  identisch  ist: 

Radioff  1,13,37  Einen  eisernen  pfeil  sah  der  Jüngling,  An  den  tür- 
p fasten  angelehnt  sali  er  ihn.  —  ebda.  22,357  An  der  Wasserstelle  stand 
ein  kästen,  Stantl  ein  kästen  mit  goldener  schrift.  —  29,36  Tardanak 
sprach,  Sprach  zu  den  Kindern  des  Jelbegen.  —  37,205  Es  zurück- 
bringend, band  er  es  an,  An  die  eiserne  pappel  band  er  es  an.  — 
54,764  lies  Tastarukai  köpf  schlug  sie.  Mit  der  rippe  schlug  sie  ihn.  - 
60,159  Eine  sehne  machte  er,  Für  seinen  gelben  mächtigen  bogen 
Machte  er  eine  sehne.  —  62,  38  Das  weisse  vieh  fing  er  ein  und  trieb  es 
fort.  Zu  des  Kara  Kula  jurte  trieb  er  es.  —  63,48  Kara  Kula  Mattyn 
sagte,  Zu  seinen  sieben  Wölfen  sagte  er.  —  67,194  L'nd  band  sie  fest. 
Mit  einem  stock  sie  durchstossend  band  er  sie  fest,  An  den 
schwan:  des  kalbes  band  er  sie  fest.  —  71,324  Den  Kan  Püdai  icill 
ich  durchstossen,  Wenn  Kan  Püdäi  kommt,  Werde  ich  ihn  mit  dieser 
pappel  durchstossen.  —  75,439  Sein  Schimmel  wurde  wie  ein  füllen,  Sein 
Schimmel  wurde  wie  ein  räudiges  füllen.  —  90,57  Dn\  jüngling  Hess  die 
weisse  schlänge  nicht  vorbei,  Ihren  köpf  biegend,  Hess  ihn  die  weisse 
schlänge  nicht  vorbei.  —  94,  186  Den  Ai  Kan  und  mein  volk  hatte  ich 
geschickt.  Mit  einem  beere  habe  ich  sie  zum  Karany  Attu  Kan  ge- 
schickt. —  98,318  Dies  ist  branntwein,  Dies  ist  starker  branntwein.  — 
107,628  Die  brautwerber  giengen  werben,  Zu  des  Sarg  Kan  jurte  giengen 
sie  werben.  —  108,670  Liegen  blieb  er,  ohne  besinnuug  blieb  er  liegen. 

—  113,826  Dort  tötete  er  sie,  Alle  mit  einander  tötete  er. 

Aber  auch  zu  der  zweiten  serbischen  form,  der  gedrängten 


Digitized  by  vflBlc 


ZUR  TECHXIK  PER  MHD.  DICHTUNG. 


an 


EU 


551 


form,  wie  ich  sie  nennen  mvhte.  findet  sich  das  seitenstück, 
wenn  auch  nicht  stark  vertreten: 

Radioff  1,42.362  Der  <ohH  rttr  seite  de*  />«<r*  Setzte  sich  mit  ge- 
kreuzten beinett,  Setzte  *ieh  und  ramrhie  tatoi.  —  eUl».  1« >T.  022  Die  biren 
traten  zuerst  ein.  Die  baren  traten  ein  und  fras-vn  das  rott  utul  da<  ri<h. 

Nahe  damit  verwant  sind  auch  noch  stellen  wie  die  folgende 
(s.  u.),  wenngleich  das  merkmal  der  gedrängtheit  fehlt: 

Radioff  1,08,213  Vom  rieh,  das  sich  aufgehalten,  Waren  die  spuren 
vorhanden,  Die  spuren  waren  da,  aber  das  rieh  nicht.  Von  menschen,  die 
dort  gevcohnt  hatten.  Die  aufgerichteten  jurten  Karen  da.  Die  aufgerichteten 

Auch  der  fall,  dass  die  beiden  aussagen  sich  decken,  hat 
Stilisierung  gefunden: 

A.  Anschliessende  widerholung:  der  grüsste  teil  der  aus- 
sage kehrt  bei  der  widerholung  wörtlich  wider,  nur  einzelne 
glieder  weichen  ab: 

Radioff  1,15,99  Offner  felsen,  Oeffne  dich,  Ich  will  meinen  einzigen 
bruder  hineinlegen.  Fester  felsen,  Spalte  dich,  Ich  will  den  einzigen  bruder 
hineinlegen.  Der  offene  felsen  Oeffneie  sich,  Sie  legte  den  einzigen  bruder 
hinein,  Der  feste  felsen  Spaltete  sich,  Sie  legte  den  einzigen  bruder  hinein. 
—  ebda.  19,237  Offner  felsen,  Oeffne  dich,  Den  einzigen  bruder  will  ich 
herausnehmen,  Fester  felsen,  Spalte  dich,  Den  einzigen  bruder  will  ich 
herausnehmen.  Der  offne  felsen  Oeffncte  sich,  Den  einzigen  bruder  nahm 
sie  heraus,  Der  feste  felsen  Spaltete  sich,  Den  einzigen  bruder  zog  sie 
heraus.  —  19.255  In  ihres  bruders  Handfläche  Schrieb  sie  eine  weisse 
schrift:  Des  Ai  Kan,  des  Kün  Kan  Beider  Kane  mittlere  töchter  Habe  ich 
in  unser  haus  gebracht,  Als  ein  weisser  hase  bin  ich  zum  ufergebüsch  ge- 
laufen. In  des  bruders  handfläche  Schrieb  sie  eine  weisse  schrift:  Ach, 
bruder!  zwei  weiber  hab  ich  dir  gebracht,  Ein  weisser  hase  seiend,  bin  ich 
ins  ufergebüsch  gelaufen.  —  34,103  Goldener  napf,  von  selbst  fidle  dich! 
Goldene  schale,  von  selbst  fülle  dich!  —  04,  103  Auf  den  hohen  berg  steige, 
Den  schlaf  eines  herrn  scJdafc,  sagte  er,  Auf  den  schwarzen  berg  steige, 
Den  scJdaf  eines  fürsten  schlafe,  sagte  er.  —  79,505  Nachdem  du  Kalap 
bekriegt,  Kehre  du  mit  deiner  frau,  wenn  auch  morgen,  zurück!  Nach- 
dem du  Kalap  bekriegt,  Kehre  mit  deiner  frau  auch  morgen  zurück.  — 
220  O  Myrat  mein,  Myrat  mein,  Ein  meer  wird  kommen,  Wie  kommst 
du  dort  hinüber?  An  seinem  säume  wohnt  ein  rolk,  Wie  kommst  du  dort 
hindurch?  0  Myrat  mein,  Myrat  mein,  Eine  Wasserfläche  wird  kommen, 
Wie  kommst  du  dort  hinüber?  An  ihrem  ufer  wohnt  ein  volk,  Wie  kommst 
du  dort  hindurch? 

Sehr  merkwürdig  ist  aber  eine  nebenform,  bei  der  in  der 
widerholung  ein  glied  x  durch  ein  glied  y  vertreten  wird,  das 


Digitized  by  Google 


552 


BEHAGHEL 


mit  dem  glied  x  sachlich  im  Widerspruch  steht;  oft  handelt 
es  sich  dabei  um  eine  Steigerung: 

Radioff  1, 16,  141  Meine  band,  die  nur  den  fingerhut  gehalten,  Hierhin, 
dorthin  bieget  nicht!  Meine  band,  die  nur  die  nadel  gehalten.  Hierhin, 
dorthin  bieget  nicht.  —  ebda.  27, 130  Alles  volk  versammelte  er,  Lies* 
sechzig  Stuten  schlachten,  Das  rolle  des  landes  versammelte  er,  Liess 
siebenzig  Stuten  schlachten.  —  53, 743  Sechzig  stufen  tötete  er,  Ein  gast- 
mahl  richtete  er  aus,  Siebenzig  Stuten  tütete  er,  Ein  gastmald  richtete  er 
aus.  —  10H,  051  Seclizig  junge  stulen  schlachtete  er,  Alles  volk  versammelte 
er,  Siebenzig  junge  stufen  sclüachtete  er,  Alle  auf  der  erde  wohnende 
menschen  versammelte  er.  —  221  O  Myrat  mein,  Myrat  mein,  Auf  einem 
bäum  sind  tausend  zweige.  Meinst  du  die  abzuschneiden'!'  Gegen  dich  einen 
sind  tausend  menschen,  Meinst  du  mit  ihnen  zu  kämpfen?  ü  Myrat  mein, 
Myrat  mein,  Auf  einem  bäum  sind  hundert  zweige,  Meinst  du  die  abzu- 
schneiden? Gegen  dich  einen  sind  hundert  menschen,  Meinst  du  sie  zu  be- 
kriegen? 

B.  W  iderauf  nähme:  hier  kann  die  widerholung  eine  völlig 
identische  sein,  oder  sie  kann  kleine  abweichungen  zeigen: 

Radioff  1, 12, 8  (Als  der  jüngling  so  einhergegangen,  MaclUe  er  sich 
einen  hölzernen  pfeil,  Machte  sicli  einen  hölzernen  bogen,)  Gieng  jagen, 
[Die  jüngere  Schwester  machte  eine  spindel  Und  spann  hau  f.]  Her  bruder 
gieng  jagen,  (Schoss  mit  dem  hölzernen  pfeile.)  —  15, 116  Sie  ritt  und  ritt. 
[Dass  es  icinter  war,  merkte  sie  am  bereiften  kragen,  Dass  es  sommer  tear, 
merkte  sie  am  erhitzten  Schulterblatt.)  Sie  ritt  und  ritt.  (Als  sie  so  dahin 
ritt  ...)  —  21,325  Hie  beiden  weiber  giengen,  Traten  ins  ufergebüsch  und 
kamen  schreiend.  [Altain  Sain  Salam  stellt  sich  auf  die  lauer,}  Heide 
weiber  kamen  schreiend:  Der  weisse  hose  lief  zum  Altain  Sain  Salam.  — 
52,090  Ritt  Ai-Kan  mit  den  sieben  Saisanen  am  ufer  entlang,  Nirgetuis 
fanden  sie  eine  fürt.  [ Aufwärts  ritten  sie,  Abwärts  ritten  sie,]  Nirgemls 
fanden  sie  eine  furt.  ('Pastarakai  mit  kahlem  pelze.)  —  63, 54  Xichts 
lebendes  tear  da,  [Nach  Sonnenaufgang  trabte  sie,  Nach  Sonnenuntergang 
trabte  sie,]  Nichts  lebendes  war  da.  —  101,420  Hieser  unser  vater  ist  be- 
trunken, [Er  hat  mit  dem  Sary  Kan  viel  branntwein  getrunken,]  Jetzt  ist 
er  betrunken,  sagte  er,  Morgen  wird  er  lebendig  sein,  sagte  er.  —  105,  549 
Morgen  früh  komme!  [An  jedes  blatt  binde  eine  silberne  glocke  Dies 
sei  meiner  tochter  angebinde!]  Morgen  früh  komme!  [Den  branntwein 
schaß"  herbei!  Mein  kind  will  ich  herausgeben,  sagte  er,]  Morgen  früh 
komme.  —  27, 100  Als  Kan  Püdäi  gesproclten,  Packte  er  die  beiden  Müs 
beim  kragen  und  beim  köpf,  [  Die  beiden  Mos  fassten  ihn  auch.  Heide 
beiden  rangen,  Sechs  monate  vergiengen  . . .  J  Kan  Püdäi  fasste  sie  beim 
köpf  und  kragen,  Am  bogen  des  himmels  entlang  ScJdug  er  sie  auf  einen* 
flachen  stein  herab.  —  39,272  San  eisengraues  pferd  Zu  einer  grauen 
krähe  machte  er;  [Dorthin  schüttelte  er  es;  Hierhin  schüttelte  er  es;]  Sein 
graues  eisenpferd  Zu  einer  grauen  krähe  machte  er.  —  64,  85  Wider  heulten 
die  sieben  wölfe:  [Können  wir  dein  einziges  kind  essen,  Können  wir  deine 


Digitized  by  Google 


Zt'R  TECHNIK  DER  MttD.  DICHTUNG, 


553 


eine  Jcvh  essen?]  So  heulten  die  sieben  wölfe.  —  74,429  Schwarzes  Wald- 
gebirge, meine  felsenburg,  gib  deinen  segen!  [Mein  fliessendes  und  nicht 
fliessendes  felsenmeer,  gib  deinen  segen.]  Meine  eiserne  felsenburg,  gib 
deinen  segen. 

Wider  anderer  art  ist  die  Stilisierung,  die  in  den  so- 
genannten doppeltiraden  des  altfranzösischen  epos  vorliegt, 
vgl.  A.  Tobler,  Zs.  f.  völkerpsych.  4, 164—172  und  Otto  Dietrich, 
Ueber  die  widerholungen  in  den  altfranzösischen  chansons  de 
geste,  Rom.  forsch.  1,  1 — 48. 

Es  ist  mir  nicht  zweifelhaft,  dass  auch  die  alliteration 
aus  der  widerholung  sich  entwickelt  hat.  Wenn  die  mit 
einander  gleichwertigen  sätze  auch  gleichartig  gebaut  sind, 
so  ergibt  es  sich  ganz  von  selbst,  dass  die  einander  ent- 
sprechenden glieder  synonym  sind:  es  ist  aber  im  allgemeinen 
neigung  der  spräche,  sachlich  identisches  auch  in  einem  laut- 
lich übereinstimmenden  körper  zum  ausdruck  zu  bringen  (vgl. 
meine  Deutsche  spräche3  s.  154).1) 

Endlich  möchte  ich  der  Vermutung  ausdruck  geben,  dass 
auch  Strophe  und  antistrophe  des  griechischen  chors  ursprüng- 
lich nichts  anderes  als  Variationen  eines  und  desselben 
themas  sind. 

Wenn  die  widerholung  ihren  sitz  in  der  mündlichen  rede 
hat,  so  ist  also  das  auffallende,  das  zur  erklärung  zunächst 
herausfordernde  eigentlich  nicht  sowol  das  auftreten  der  wider- 
holung in  der  literatur,  als  vielmehr  die  tatsache,  dass  sie  an 
andern  orten  fehlt.  Will  man  jedoch  das  zurückdrängen,  die 
negation  der  widerholung  psychologisch  begreifen,  so  wird  man 
zuerst  fragen  müssen:  welches  sind  die  positiven  gründe  ge- 
wesen, denen  die  widerholung  der  mündlichen  rede  ihr  dasein 
verdankt? 

Man  hat  hier  zwischen  verschiedenen  gattungen  zu  scheiden. 
Ueber  die  widerholung  mit  weiterführung  hat  W.  Vogt  sich  im 
wesentlichen  zutreffend  geäussert  (s.  55).  Es  handelt  sich  um 
eine  gewisse  trägheit  und  bequemlichkeit:  man  erledigt  erst 
die  eine  Vorstellung,  dann  die  zweite,  vielleicht  die  dritte,  man 
nimmt  nicht  alle  pakete  auf  einmal  auf,  um  sie  vereint  fort- 

*)  Ein  merkwürdiges  beispiel  dafür  gewährt  die  bugische  geschichte 
vom  könig  Indjilai  (s.  oben  s.  517),  wo  die  drei  henker  des  küuigä  die  nanien 
Muhalike,  Mukatile  und  Mutaine  führen  («.  IG). 

Beiträge  xur  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXX.  37 


Digitized  by  Google 


BKHA.GHEL 


zutragen,  sondern  man  nimmt  erst  eins  und  trägt  es  fort, 
dann  kommt  man  zurück  und  holt  ein  zweites  u.s.  w.  Es 
vemät  sich  darin  eine  gewisse  Schwerfälligkeit  des  denkens, 
die  einer  verhältnismässig  niedern  bildungsstufe  angehört. 
So  kommt  es.  dass  in  der  mhd.  dichtung  es  hauptsächlich  die 
älteren  kunstloseren  denkmäler  sind,  die  belege  der  erscheinung 
bieten,  und  dass  in  anderen  literarischen  quellen  die  belege 
verhältnismässig  so  selten  sind. 

Die  wörtliche  widerholung  einer  ganzen  aussage  ist  etwas 
ganz  anderes,  ist  zumeist  ausfluss  eines  erregungszustandes; 
dem  einmal  vorhandenen  reiz  ist  mit  einer  einmaligen  aus- 
lösung  nicht  genügt;  er  erfordert  weitere  betätigung.  Ich  er- 
innere an  die  bekannte  tatsache,  dass  oft  genug,  wenn  wir 
kindern  etwas  verbieten,  doch  die  verbotene  handlung  zunächst 
noch  weiter  geht,  nicht  in  folge  einer  Ungezogenheit,  sondern 
in  einfacher  nachwirkung  des  einmal  gegebenen  anstosses. 
Die  psychologen  reden  da  von  circulärer  reaction,  vgl.  Groos, 
Spiele  der  menschen  s.  41.  474  f.  Ueberhaupt  ist  ja  die  wider- 
holung ein  urphänomen  der  spräche:  daher  die  grosse  rolle, 
die  die  reduplication  in  der  Wortbildung,  in  der  flexion  spielt; 
vgl.  Pott,  Doppelung,  Lemgo  1862,  und  Wundt,  Völkerpsycho- 
logie 1.578:  Wortbildung  durcli  lautverdoppelung;  merkwürdiger- 
weise wissen  aber  beide  gar  nichts  von  der  satzwiderholung, 
so  wenig  wie  Fr.  Schultze,  Völkerpsychologie,  Berlin  1900.  Auch 
Laura  Bridgman  hat  gern  in  reduplicationen  gesprochen;  vgl 
W.  Jerusalem,  Laura  Bridgman2  s.  45.») 

Aus  solcher  widerholung  in  der  erregung  erklärt  sich  nun 
ganz  einfach  das  auftreten  der  widerholung  in  der  primitiven 
dichtung,  die  ja  durchaus  ergebnis  eines  erregungszustandes, 
eines  spannungszustandes  ist. 

Das  scheint  für  den  artikulierten  text  der  arbeitslieder,2) 
die  ja  auch  vielfach  die  widerholung  zeigen,  nicht  zuzu- 
treffen. Hier  liegt  aber  die  sache  wol  folgendennassen.  Eine 

')  Diese  tatsache  ist  mit  ein  grund,  weshalb  ich  mich  der  anschauung 
von  Baldwin  und  Groos  nicht  anscbliessen  kann,  nach  der  (Groos  a.  a.  o. 
8. 474)  das  akustische  resultat  der  ersten  aussage  zugleich  wider  den  anreii 
für  die  widerholung  abgäbe. 

»)  Demgegenüber  überhaupt  m.  e.  die  ganze  Büchersche  ableitung 
versagt. 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DSU  M1ID.  DICHTUNG. 


555 


Spannung  kann  auf  doppelte  weise  ausgelöst  werden.  Einmal 
durch  Verstärkung  des  druckes.  Das  ist  die  regel,  wenn  die 
poetische  erregung  über  den  menschen  kommt,  wenn  das  gefülil 
des  Zusammenseins  mit  der  masse,  wenn  religiöse  begeisterung 
oder  erotische  regungen  ihn  treiben.  Die  Veränderung  des 
spannungszustandes  kann  aber  auch  bestehen  in  einer  Ver- 
minderung der  hemmung:  das  ist  zum  teil  der  fall  bei  der 
begeisternden  Wirkung  des  alkohols,  und  sodann,  wie  ich  raeine, 
beim  arbeitslied:  die  arbeit  ist  so  fest  eingeübt,  geschieht  so 
wenig  bewusst,  dass  die  seelische  tätigkeit  des  menschen,  die 
sonst  durch  äussere  Verrichtungen  in  anspruch  genommen  Ist, 
frei  wird  und  in  anderer  richtung  wirken  kann. 

Solche  widerholungen  der  erregung  vollziehen  sich  in 
unserer  spräche  noch  heute  jeden  augenblick,  und  solche  fälle 
liegen  denn  auch  in  den  s.  515  f.  gesammelten  beispielen  wol 
ausschliesslich  vor.  In  der  mhd.  literatur  allerdings  spielen 
sie  fast  gar  keine  rolle,  abgesehen  von  jenen  wenigen  bei- 
spielen aus  dem  Ring  Heinrichs  von  Wittenweiler  (s.  oben  s.448), 
denn  im  allgemeinen  herscht  eine  kühle  akademische  ruhe 
über  den  reden  unserer  mhd.  dichtung;  das  gleiche  höfische 
gewand  deckt  alle,  wie  ja  überhaupt  die  verschiedenen  reden 
nur  sehr  wenig  individuelle  prägung  zeigen. 

Die  stärke  des  innern  reizes  wirkt  auch  mit  beim  Zustande- 
kommen der  malenden  widerholung  (oben  s.  51G).  Ks  wird 
gewissermassen  der  gesammtvorgang  in  kleinere  abschnitte, 
der  stärkere  reiz  in  eine  summe  von  gleichartigen  kleineren 
zerlegt;  vergleichen  lässt  sich  die  bezeichnung  des  langen 
vocals  durch  doppelsetzung  des  Zeichens  für  den  kurzen  vocal. 
Auch  in  einheitlichen  formen  der  spräche  selbst  kommt  es 
vor,  dass  die  reduplication  die  dauer  oder  die  stärke  der 
handlung  andeutet;  s.  Pott,  Doppelung,  z.  b.  s.  299. 

Wenn  in  der  mhd.  dichtung  diese  form  nicht  vertreten 
ist,  so  hängt  es  wol  damit  zusammen,  dass  die  ausdrucksweise 
noch  zu  vulgär,  noch  nicht  hoffähig  geworden  ist. 

Auch  bei  der  widerholung,  die  nicht  eine  genau  wörtliche 
ist,  spielt  zweifellos  das  bedürfnis  eine  rolle,  einen  einmal  vor- 
handenen reiz  voll  auszuleben,  oder,  wie  es  Herder  poetischer 
ausdrückt  (11,237):  'sobald  sich  das  herz  ergiesst,  strömt  welle 
auf  welle,  das  ist  parallelismus.   Es  hat  nie  ausgeruht,  hat 

37* 

Digitized  by  Google 


556 


BKHAUHEL 


immer  etwas  neues  zu  sagen.  Sobald  die  erste  welle  sanft 
verfliesst  oder  sich  mächtig  bricht  am  f eisen,  kommt  die  zweite 
welle  wider.' 

Aber  es  kommt  hier  noch  etwas  anderes  hinzu.  Wir 
haben  nach  dem  aussprechen  eines  satzes  sehr  häufig  die 
emphndung,  dass  die  widergabe  nicht  genau  das  geboten  habe, 
was  wir  eigentlich  sagen  wollten.  So  macht  eine  widerholung 
den  versuch,  mit  anderen  Worten  der  Vorstellung  besser  bei- 
zukommen, und  oft  ist  die  widerholung  deutlicher,  bestimmter, 
ausführlicher,  enthält  mehr  glieder  als  die  erste  aussage. 
Damit  stimmt  die  tatsache,  dass  in  unsern  Sammlungen  die 
rubrik,  in  deren  belegen  die  zweite  aussage  mehr  bietet  als 
die  erste,  eine  recht  grosse  rolle  spielt,  während  das  um- 
gekehrte, dass  die  zweite  aussage  weniger  bietet  als  die  erste, 
weit  seltener  oder  überhaupt  nicht  belegt  ist. 

Mit  der  erscheinung,  dass  bei  der  widerholung  gern  mehr, 
gern  deutlicheres,  bestimmteres  geboten  wird,  darf  man  auch 
noch  eine  weitere  tatsache  in  Verbindung  bringen:  weun  die 
eine  aussage  positiv,  die  andere  negativ  gehalten  ist,  so  steht 
in  unseren  altdeutschen  beispielen  die  positive  fassung  36  mal, 
die  negative  45  mal,  also  erheblich  öfter,  voran.  Ein  ähn- 
liches Verhältnis  zeigt  sich  in  den  deutschen  mundartlichen 
texten:  die  positive  aussage  3  mal,  die  negative  5  mal  voraus, 
und  in  den  belegen  aus  der  gesprochenen  deutschen  rede  5  mal 
gegen  8  mal.  In  den  beispielen  für  das  gesprochene  französisch 
steht  die  positive  fassung  sogar  nur  2  mal  vor,  aber  12  mal  nach. 

So  hat  also  die  Bleeksche  einleituug  in  das  Alte  testa- 
ment3  zum  teil  wenigstens  das  richtige  getroffen,  wenn  s.  83 
gesagt  wild:  'diese  art  des  parallelisnius  erklärt  sich  aus  der 
ungekünstelten  einfalt  und  kindlichkeit  der  hebräischen  poesie. 
Wer  des  ausdrucks  noch  nicht  recht  mächtig  ist,  wird  leicht 
veranlasst,  den  eben  ausgesprochenen  gedanken,  aus  besorgnis 
ihn  nicht  bestimmt  und  deutlich  genug  ausgesprochen  zu  haben, 
mit  etwas  andern  worten  zu  widerholen;  und  von  diesem 
streben  ist  der  parallelismus  in  dieser  form  ursprünglich  wol 
ausgegangen,  welche  dann  in  der  poesie  als  rhythmische  form 
offenbar  mit  bewusstsein  festgehalten  ist'  Nur  ist  dabei  die 
bedeutung  der  poetischen  erregung  für  die  widerholung  noch 
ganz  verkannt,  und  anderseits  das  auftreten  der  widerholung 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEU  MI1D.  DICHTUNG, 


557 


irriger  weise  auf  den  beschränkt,  der  des  ausdrucks  noch  nicht 
recht  mächtig  sei. 

Die  ausführungen  des  Bleekschen  buches  aber  haben  schon 
einen  Vorgänger  gehabt  in  der  nüchternen  äusserung  des  Herder- 
schen Alciphron,  die  freilich  von  der  überlegenen  Weisheit  des 
Eutyphron-Herder  nicht  anerkannt  wird  (Werke  11.  235):  'wer 
jede  sache  zweimal  sagen  muss,  zeigt  damit  nur,  dass  er  sie 
zum  ersten  mal  halb  und  unvollkommen  sagte.' 

In  dem  fall,  dass*  die  zweite  aussage  ein  oder  mehrere 
glieder  weiter  bietet  als  die  erste,  dürfte  freilich  auch  die 
bequemlichkeit,  die  trägheit  eine  gewisse  rolle  spielen:  man 
trachtet  danach,  zunächst  einmal  die  tatsache  im  allgemeinen 
festzustellen;  nachdem  diese  anstrengung  geleistet  ist,  wird  es 
leichter,  unter  widerholung  des  bereits  erreichten  ergänzungen 
vorzunehmen.  Hierher  gehört  namentlich  die  erste  serbische 
form  (s.  s.  547)  und  das  seitenstück  dazu,  das  das  altaische 
bietet  (s.  550).  Ich  bemerke,  dass  auch  in  der  behandlung 
einzelner  Satzglieder  sich  diese  weise  bemerkbar  macht: 

Kapper  1, 192  Macht  sich  auf  ein  Türklein  von  Ubdina,  Von  Ubdina, 
jener  Mut  gen  landscltaft.  —  ebda.  194  Setzt  aufs  haupt  sich  einen  prächtgen 
kalpak,  Einen  kalpak  mit  agraffen  sieben.  —  Bulgarische  Volksdichtungen 
s.  111  Dass  ich  Sticht  dich  an  mein  rösslein  binde,  An  den  schweif 
des  schnellen  rössleins.  —  125  Blickt  herub  von  ihrem  söller,  Von  dein 
schmucken,  holten  söller.  —  130  Schlag'  dich  gott,  du  gift'ge  schlänge, 
Gift'gc  schlänge  mit  drei  köpfen.  —  209  In  der  Stadt  von  Ofen  ruft 
ein  herold.  In  der  Stadt  von  Ofen  auf  dem  markte.  —  ebda.  Kauft 
sogleidi  dies  rösslein  mit  sechs  flügeln,  Mit  sechs  flügeln  und  mit  goldnen 
mahnen. 

Verwant  damit  ist  die  erscheinung,  die  ich  bei  Veldeke 
beobachtet  habe:  z.  b.  Senat.  2,  2839:  in  dit  eilende  neder,  in 
dit  eilende  end  artnoede,  vgl.  die  einleitung  meiner  ausgäbe 
s.  cxxv  und  die  weitern  belege  in  R.  M.  Meyers  artikel  über 
H.  von  Veldeke  in  der  Allg.  d.  biographie. 

Schliesslich  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  bisweilen 
jemand  eine  widerholung  mit  bewusstsein  vornimmt,  eingedenk 
des  Sprichworts:  'doppelt  genäht  hält  besser',  in  fällen,  wo 
man  es  mit  einem  publicum  zu  tun  hat,  dessen  neigung  oder 
fähigkeit  zur  aufnähme  von  erscheinungen  oder  Wahrheiten 
vielleicht  nicht  über  alle  zweifei  erhaben  ist.  Das  mag  bei 
ermahnungen  an  kinder  oder  bei  dem  lehrvortrag  der  predigt 


558 


BEHAGHEL 


zutreffen.  Aber  sicher  tritt  dieses  bewusste  handeln  gegen  die 
andern  gründe  der  widerholung  stark  zurück. 

Mehr  unbewusst  wirkt  das  streben,  recht  eindringlich  zu 
sein,  bei  der  widerholung,  die  der  beteuerung  gewidmet  ist. 
Natürlich  aber  ist  auch  hier  die  erregung  immer  stark  mit 
im  spiele,  und  man  kann  öfters  im  zweifei  sein,  ob  eine  wider- 
holung lediglich  der  erregung  entspringt,  oder  ob  sie  der  Ver- 
sicherung dienen  will.  Das  letztere  ist  gewis  der  fall  bei 
Anzengruber  6,  137:  aber  a  testamcnt  war  auch  da  —  es  war 
eins  da,  dagegen  kann  die  beurteilung  zweifelhaft  sein,  wenn 
es  s.  144  heisst:  ich  kann  nit.  Jakob,  ich  kan  nit. 

Man  kann  also  im  allgemeinen  sagen:  je  naiver  der  mensch 
spricht,  je  mehr  er  sich  vom  antrieb  des  augenblicks  bestimmen 
lässt,  je  weniger  sorgsam  der  mensch  seine  aussage  vorher 
überlegt,  desto  leichter  wird  er  zu  widerholungen  veranlasst 
weiden.  Umgekehrt,  je  kunstmässiger  die  rede  wird,  je  mehr 
reflektiert,  je  mehr  sie  in  den  bann  des  schulgerechten  deukens 
gerät,  desto  mehr  wird  die  widerholung  zurückgedrängt  werden. 
So  möchte  ich  glauben,  dass  an  dem  verschwinden  der  wider- 
holung in  unserer  neueren  literatur  das  eindringen  der  neueu 
humanistischen  bilduiig  erheblichen  anteil  besitzt.  Und  wenn 
die  mhd.  dichter  in  dem  masse,  in  dem  sie  widerholungen  zu- 
lassen, von  einander  abweichen,  so  hängt  das  zum  teil  mit 
einem  verschiedenen  grade  der  künstlerischen  Schulung,  der 
verstandesmässigen  erwägung  zusammen,  daneben  natürlich  mit 
der  neigung  zu  grösserer  oder  geringerer  knappheit  des  aus- 
drucks.  Aber  es  kommt  wol  noch  etwas  anderes  hinzu.  Schon 
Firniery  hat  bemerkt,  Notes  critiques  s.  111:  'Gottfried  amplifie 
dans  les  memes  cas  que  Hartmann,  c'est-ä-dire  dans  les  discours 
et  les  monologues.'  Und  von  den  von  mir  oben  verzeichneten 
beispielen  der  widerholung  aus  dem  Iwein  gehören  nur  fünf 
den  partien  an,  in  denen  der  Schriftsteller  selbst  erzählend 
das  wort  führt,  dagegen  einundzwanzig  der  betrachtung  des 
dicliters  oder  der  rede  der  von  ihm  eingeführten  personen,  ein 
Verhältnis,  das  zweifellos  nicht  dem  allgemeinen  Stärkeverhältnis 
dieser  partien  entspricht.  Die  Ursachen  dieser  Verteilung  liegen 
einerseits  wol  darin,  dass  bei  der  schlichten  erzählung  des 
Schriftstellers  die  erregung  eine  geringere  rolle  spielt  als  bei 
den  reden  seiner  personen.  Anderseits  wird  man  auch  an- 


Digitized  by  Google 


ZUR  TECHNIK  DEK  MHD.  DICHTUNG. 


559 


nehmen  dürfen,  dass  es  leichter  ist,  tatsachen  zu  schildern, 
als  empfindungen  und  denkvorgängen  ausdruck  zu  verleihen. 
Es  wird  also  auch  eher  gelingen,  eine  erzählung  gleich  beim 
ersten  versuch  zutreffend  zu  gestalten,  als  eine  gefühlsäusse- 
rung,  eine  betrachtung. »)  Auch  erzählen  wir  häufig  das  weiter, 
was  wir  von  andern  erzählen  hörten;  es  wird  uns  also  die 
mühe  einigermassen  erspart,  die  das  suchen  der  sprachlichen 
form  bereitet. 

Wenn  also  etwa  das  Annolied,  der  Alexander,  Herbort, 
der  Lanzelet  besonders  wenig  widerholungen  aufweisen,  so 
spiegelt  sich  darin  wol  einfach  die  tatsache  wider,  dass  beide 
dichtungen  sich  hauptsächlich  in  schlichter  erzählung  bewegen 
und  reden  oder  betrachtungen  nur  wenig  eintritt  gestatten. 

Aber  freilich  ist  dieser  unterschied  zwischen  erzählenden 
abschnitten  und  partien  der  rede  kein  durchgreifender,  sind 
jene  gründe  nicht  überall  gleich  wirksam.  Auf  die  5200  verse 
des  Rother,  aus  denen  ich  48  belege  der  widerholung  ver- 
zeichnet habe,  kommen  rund  2200  verse  der  directen  rede. 
Danach  würden,  wenn  die  Variation  überall  gleichmässig  ein- 
träte, 28  fälle  aus  den  erzählenden  partien  und  20  fälle  aus 
den  partien  der  rede  einander  gegenüber  stehen.  Tatsächlich 
sind  es  nur  21  fälle  der  erzählung  und  27  fälle  der  rede.  Die 
bevorzugung  der  rede  ist  also  deutlich,  aber  freilich  viel  ge- 
ringer als  im  Iwein. 

Gerade  beim  Anno  wäre  allerdings  noch  zu  erwägen,  ob 
nicht  etwa  der  Verfasser  stärker  unter  dem  einfluss  der  lat, 
bildung  stand  als  andere  unserer  altdeutschen  dichter.  Wenig- 
stens zeigt  er  in  dem  kurzem  räume  von  noch  nicht  900  versen 
auch  sonst  ganz  auffallend  starke  Wirkung  der  lateinischen 
spräche.  Ich  nenne  zwei  belege  eines  nach  lat,  muster  ge- 
stalteten prädicativen  nomens:  Anno  109  Ze  Kolne  was  her 
gewihet  bischof;  57  Die  zua  gescephte,  die  her  gescuoph  die 
hczziste,  ferner  die  merkwürdige  participialconstruction  303 
Daz  Ulixes  mit  spiezin  wol  gerach,  Duor  slafinde  imi  sin  ougc 
uz  stach.    Wenn  es  647  heisst:  Ni  avir  diu  michil  ere  Iewiht 


')  Pas  ist  vielleicht  auch  ein  grund,  warum  unsere  mundart proben 
verhältnismässig  wenig  belege  der  widerholung  liefern,  denn  sie  sind  ja 
überwiegend  erzählender  natur. 


Digitized  by  Google 


500 


BEHAGHKL 


wurre  sinir  selin,  So  dede  imi  got  also  dir  goltsmid  duot,  so 
begreift  sich  das  nur  als  nachbildung  eines  lat.  absichtssatzes, 
der  mit  ne  eingeleitet  ist  Im  deutschen  ganz  unerhört  ist 
die  Wortstellung  341  Cciner  sprachin,  die  zi  vridin  si  gelobit 
havitin,  und  423  Duo  zi  Borne  her  bigondi  nahan,  die  sich  nur 
erklärt  bei  jemand,  der  an  die  freiheit  der  lat.  Wortstellung 
gewöhnt  ist. 

Man  könnte  noch  an  einen  andern  fremden  einfluss  bei 
diesem  oder  jenem  denkmal  denken.  Die  Exodus  war  eines 
der  ersten  gedichte,  die  ich  auf  unsere  erscheinung  durchlas: 
da  schien  es  mir  zulässig,  eine  ein  Wirkung  des  hebr.  paralle- 
lismus  zu  vermuten.  Die  Wahrnehmung  aber,  dass  gedichte 
wie  die  Genesis,  die  Exodus,  das  Rolandslied  in  bezug  auf 
unsere  erscheinung  keineswegs  eine  Sonderstellung  einnehmen, 
zwingt  uns,  eine  solche  annähme  ohne  weiteres  von  der  band 
zu  weisen;  sie  gestattet  nicht  einmal,  an  eine  begünstigung 
durch  das  orientalische  vorbild  zu  glauben. 

Eine  eigentümliche  Stellung  nimmt  jene  figur  des  serb. 
liedes  ein,  in  der  die  zweite  aussage  einen  gedrängten  auszug 
der  ersten  darstellt.  Dass  hier  die  zweite  aussage  der  Ver- 
deutlichung der  ersten  diene,  davon  kann  natürlich  keine  rede 
sein.  Aber  auch  das  nachklingen  der  erregung  kann  wenig- 
stens nicht  die  allein  ausschlaggebende  rolle  spielen:  denn  die 
zweite  aussage  hat  überhaupt  keiue  engere  beziehung  zur 
ersten:  wie  schon  die  rhythmische  gliederung  zeigt,  ist  sie  gar 
nicht  rückwärts  gewallt,  sondern  vorwärts,  gehört  eng  zu- 
sammen mit  den  folgenden  teilen  der  erzählung.  Die  saehe 
verhält  sich  wol  folgendermassen:  das  erste  mal  wird  die  tat- 
sache  um  ihrer  selbst  willen  ausgesprochen,  das  zweite  mal 
um  des  folgenden  willen,  als  grundlage,  als  Sprungbrett  für  die 
weitere  erzählung,  als  hintergruud,  als  folie,  als  gegenstüek 
für  weitere  tatsachen.  Es  nähert  sich  also  in  ihrer  wurzel 
diese  form  jener  form  der  notwendigen  widerholung  (s.  oben 
s.  438):  'er  tat  das.  Als  er  das  getan  hatte,  geschah  folgeudes.' 

Unter  den  mhd.  beispielen  sind  einige,  die  sich  mit  dieser 
serb.  weise  vergleichen  lassen,  wie  Nib.  74, 4  und  H.  v.  F.  1070 
(oben  s.  466)  und  W.  Gen.  519  (oben  s.  468);  ferner  gehören 
hierher  gewisse  fälle  der  wideraufnahme:  diejenigen,  in  denen 
die  fortsetzung,  die  auf  die  zweite  der  identischen  aussagen 


Digitized  b^tJHB^Lc? 


ZUR  TECHNIK  DER  MIID.  DICHTUNG. 


5G1 


folgt,  sachlich  eine  weiterführung  der  variierten  tatsache  bildet, 
s.  s.  481.  485—493.  Bezeichnen  wir  die  erste  aussage  mit  a, 
die  einschaltung  mit  b,  die  fortsetzung  der  widerh ölten  aus- 
sage mit  c,  so  würde  ohne  die  widerholung  die  folge  der  ge- 
danken  sein:  a-b-c;  c  würde  seinen  anschluss  an  a  also  nur 
durch  ein  überspringen  der  beziehung  über  b  hinweg  gewinnen. 
Wird  aber  a  nach  b  widerholt,  so  lenkt  die  rede  nach  dem 
Seitensprung  b  wider  auf  den  hauptweg  ein,  der  dann  die 
erörterung  weiter  leitet:  es  ist  also  wie  im  serb.  die  wider- 
"  holung  zu  einem  guten  teile  dem  folgenden  zu  liebe  da. 

Natürlich  stellt  sich  eine  solche  wideraufnahme  —  auch 
da,  wo  sie  nicht  der  zurücklenkung  zur  eigentlichen  erzählung 
dient  —  um  so  leichter  ein,  je  enger  das  band  ist,  das  zwischen 
der  anschauung  a  und  der  anschauung  b  besteht.  So  kommt 
es,  dass  unter  den  fällen  der  wideraufnahme  diejenigen  beson- 
dere zahlreich  sind,  in  denen  der  zwischengedanke  mit  den 
umschliessenden  aussagen  in  causaler  Verknüpfung  steht. 

Aber  auch  ausserhalb  des  mhd.  begegnen  fälle,  die  ver- 
wantschaft  mit  der  gedrängten  form  des  serb.  zeigen,  so  im 
französischen:  vgl.  die  oben  gegebenen  beispiele  aus  dem 
Roman  d'Eneas  1433  (oben  s.  521),  aus  Chrestiens  Erec  535  (s. 
oben  s.  520).  Auch  unter  den  sogenannten  doppeltiraden  des 
altfranz.  befinden  sich  fälle,  die  als  Seitenstücke  des  in  rede 
stehenden  serb.  Verfahrens  bezeichnet  werden  können:  'dass, 
nachdem  in  einer  tirade  die  erörterung  bis  zu  einem  gewissen 
punkte  fortgeführt  ist,  wo  zwar  nicht  ein  hauptabschnitt,  wol 
aber  eine  kurze  pause  schicklich  eintritt,  die  folgende  tirade 
die  fortsetzung  bringt,  aber  erst,  nachdem  in  kürze  die  läge 
der  dinge,  von  welchen  die  fortsetzung  ausgeht,  noch  einmal 
dargestellt  worden  ist'  (Ad.  Tobler,  Zs.  f.  völkerpsych.  4, 170). 
Ferner  neufranzösisch  (mündlich): 

Je  suis  desolee  ma  ch'ere  Ivonne  de  ne  pouvoir  vous  offrir  la  meme 
marque  que  la  derniire  fois.  [II  ma  ctc  tout  a  fait  impossible  de  f avoir; 
C'est  si  desagreable!  fest  unc  autre  marque,  quon  dit  aussi  bonnc,  eile  ne 
Vest  pas  —  —  non,  non,  non,  non  eile  ne  Vcst  pas;  eile  est  moins  doucc.J 
Je  suis  vraiment  dcsolee,  vous  Vaimiez  tant,  V autre! 

Auch  einiges  andere  von  dem  im  vorstehenden  aufgeführten 
lässt  sich  als  gleichartig  mit  dem  zuletzt  erwähnten  ansprechen: 
Ilias  4,243  (oben  s.  523  u.).  Radioff  1,21,325.  201,420.  27,100 


Digitized  by  Google 


5G2 


BEHAGHEL 


(oben  s.  552).  Und  schliesslich  auch  neuhochdeutsches  und 
deutschmundartliches: 

Julius  v.  Tarent  325,4  (Verdient  ich  nicht,  dass  sie  mit  mir  reden?) 
Ich  kann  reden,  Prinz,  ich  kann  reden,  aber  Sie  können  nicht  hören.  — 
ebda.  335,  32  Da  nehmen  sie  ihr  bildnis  zurück  —  [es  ist  das  einzige,  kos 
mir  von  unsrcr  liebe  noch  übrig  ist  — J  Nehmen  sie,  ich  darf  das  bddnis 
eines  mannes  nicht  haben.  —  Ebner-Eschenbach,  Westcrnianns  monatshefte 
94, 47  Ich  tue  es  nicht,  trenn  ich  ihnen  sage:  teerden  sie  meine  frau  —  ieh 
tue  es  nicht,  es  hat  sich  selbst  getan.  —  Niebergall  135  Lasse  se  mich  geh, 
herr  Xochtschadde.  [Ich  wahsz,  dass  sic's  sein  mit  ihrer  Zudringlichkeit!  —] 
Losse  sc  mich  geh,  ich  kreisch  feier.  —  Anzengruber,  Werke  G,  153  Ward 
schon  drauf  kümma,  Franzi!  kimm  schon  noch  drauf,  lass  dich  vorerst  nur 
recht  anschaun. 


Die  erscheinungen  der  widerholung,  die  ich  beleuchtet 
habe,  sind  zweifellos  ein  stück  von  dem,  was  man  als  epische 
breite  bezeichnet;  für  sie  gilt  also  jedenfalls  kaum  die  erklä- 
rong  der  epischen  breite,  die  Scherer,  Lit.-gesch.  s.  166  ge- 
geben hat:  'der  gefühlvolle  anteil  an  menschen  und  dingen 
wird  die  quelle  der  epischen  breite'.  Freilich  gehört  zur 
epischen  breite  noch  gar  manches  andere;  sie  zeigt  sich  ins- 
besondere in  der  art,  wie  ein  Vorgang,  der  eine  einheit  dar- 
stellt, oder  doch  sich  als  solche  fassen  lässt,  in  eine  summe 
von  einzelvorgängen  zerlegt  und  in  all  seinen  einzelheiten 
geschildert  wird.  Wo  wir  sagen  würden:  wenn  der  herr  ein- 
schläft, oder:  er  tearf  sich  dem  leimig  zu  füssen,  heisst  es  in 
Diokletians  leben: 

314  So  unser  herre  teil  slaffcn  gan  In  dem  tage  ah  er  pfliget  Vnd 
nider  an  das  bette  geliget  Vnd  er  entslajfet  schiere.  —  1133  Bacillus  ruorte 
sin  ros  basz  Und  Ute  zuo  dem  palast.  Ab  stuont  er  gar  snelle  zuo  hant, 
Zuo  dem  palasz  er  in  gie  Und  viel  nider  uf  die  knie. 

In  einer  franz.  gerichtsverhandlung  will  der  angeklagte 
dem  richter  sagen:  kümmern  sie  sich  nicht  um  meine  Privat- 
angelegenheiten; das  wird  jedoch  in  folgenderweise  auseinander- 
gelegt: 

Je  me  permets  de  vous  rappelcr,  que  vous  parlez  au  vicomte  . . .  Vous 
n'avez  aueun  droit  de  vous  meler  de  mes  affaires  privees.  Je  vous  le  defends. 
Uela  surpasse  les  droits  de  votre  fonetion  de  juge.  Je  suis  pour  vous  un 
simple  numero,  que  vous  avez  ä  juger,  mais  U  vicomte  ...  im  vous  connait 
pas.  Je  vous  prie  de  ne  plus  oublier  ceia. 


Digitized  by  Google 


Z!~£  TECHNIK  ZZ2.  1CET-.  r-IC'äl^ 


Aach  hi-rr  Usztl  das  T-rfalren  Irr  ü:^  a=f  einer 
uranfänirlichen  rizri^:lar;  irr  ^ervLILlta  darsuü;2£9- 
weäseM-.  auch  hier  iririr  wer-lrer  m  trauren  sein:  wie  is:  die 
erschein  ung  anfgek yzjL+z?  als:  wie  in  sie  allziihlioh  zur?. k- 
gedrängt  worirn? 

Doch  davon  TicIIeidt  ein  arlrr  naL 

Nachträge  nzi  beri : -ez-  Eii  tri!  v;s  i:;:s*!:  ist  da-Iurvh 
notwendig  geworden,  da»  t.s  ke  ies  tei:es  eire  zweite  evrrevtur. 

auf  die  ich  gtwime  nAclpr^frrr*»  »^^1  *n  litt*  mir  in  (v'.gt  eines  Ver- 
sehens nicht  m-^iL_-rn  i-:. 

8.432  und  514:  zu  der  I:!er*rarl>  >:*ht  sind  folgende  ervrterungen 
nachzutragen,  die  l-is  auf  die  erste  erst  Li  h  ahschlass  meiner  alhandlung 
erschienen  sind:  Bruno  Baamrarten.  Stili-t:^ he  Untersuchungen  zum  deutsch. 
Rolandsliede.  Halle  IS**.*,  s.  5>.  —  Juüz*  Wiegand.  Stilist,  Untersuchungen 
zum  könig  Rother.  Breslau  19»~»4.  §-  4»«.  —  J:h.  BetLmann,  Untersuchungen 
üIkt  die  mhd.  dicbtung  vom  srrafen  Rudolf  &  IS'J.  —  Fries,  Es  ist  mir  «re- 
glückt uod  gelungen  (bei  Schiller;.  Srcdien  zur  vcnrl.  lit.-gesch.  5.  ergänz.-h. 
8.311.  —  F.  G.  Huhbard .  Repetition  and  Parallrli-m.  Pubücatious  of  the 
Mod.  Lang.  Assoc.  of  America  20.3»».  —  S.  435.  s. 6  von  oben:  der  titel 
der  zweiten  Schrift  von  Fritz*<be,  die  auf  der  hiesigen  bihliothek  läugerc 
zeit  nicht  aufzufinden  war.  lautet:  Die  widerholungen  l>oi  Horaz  (aus  dem 
naehlass  herausgegeben).  —  S.  439,  tegiun  des  dritten  ahsatzes:  vor  die 
worte  4 in  der  regel  stimmen '  ist  ein  A.  zu  setzen,  dem  das,  B.  s.  446 
entspricht.  —  8.430,  beginn  des  vierten  absatzes:  vor  die  worte  'gewöhn- 
lich liegt  die  Sache  so'  ist  ein  L  zu  setzen,  dem  das  II.  auf  s.  445  ent- 
spricht. —  S.440.  z.  23  v.u.:  statt  Anno  427  1.  Anno  429;  in  der  folgenden 
zeile  lies:  Rumiti  romitcJu'u  hu».  —  S.  444.  z.  19  v.o.:  das  beispiel  W.  gast 
465  gehört  nicht  hierher,  sondern  auf  s.  440  an  den  schluss  des  ersten  ab- 
schnitts.  —  S.  449,  z.  6  v.  o. :  das  beispiel  Exod.  1275  ist  zu  tilgen.  -  S.  44«), 
z.  12  v.o.:  Rother  6  gehört  zu  s.  4*11,  a.  1,  «.  —  S.  451,  z.  18  v.o.:  Engelh. 
290  gehört  zu  s.452,  dd,  X.  —  S.455,  z.  12  v.u.:  W.Gen.  1078  gehört  auf 


')  Das  gleiche  gilt  m.  e.  von  einer  erseheinung,  für  die  Bolte  neuer- 
dings beispiele  gesammelt  hat  (Deutsche  lit.-zeit.  Iit04,  sp.  1125  und  Herrigs 
Archiv  112, 2(55),  von  jener  eigentümlichen  redefignr,  die  in  der  ind.  poetik 
als  yathasainkhya  bezeichnet  wird,  wo  eine  reihe  von  verben  mit  einer 
reihe  von  snbjecten  oder  objeeten  in  Verbindung  gebracht  wird,  während 
tatsächlich  jedes  der  verben  nur  zu  einem  subject  oder  objeet  beeng  hat, 
also  z.  b.  Die  karossen,  die  nachiwächtcr,  die  trommeln,  das  hart  nicht  auf 
zu  rasseln,  zu  schreien,  zu  wirbeln,  oder  Waither  9,  68  Da  ich  gehörte  und 
gesach,  swaz  ieman  tet,  swa:  ieman  sprach.  Derartiges  ist  in  naiver  rede 
ganz  geläufig;  so  wurde  mir  dieser  tage  erzählt:  Wir  bekamen  da  einen 
ausgezeichneten  kucJien  und  einen  köstlichen  kajfee,  davon  haben  wir  tüchtig 
gegessen  und  getrunken. 


564     BEHAGHEL,  Z.  TECHN.  D.  MHÜ.  DICIIT.  —  IIOFFM ANN-KRAYER. 


die  folgende  Reite,  zu  cc,  X.  —  S.  4f>7.  z-4:  Exod.  1279  gehört  auf  ? .453. 
nach  zeile  4.  —  S.  472,  z.6  v.  o.:  Piukl.  223  gehört  auf  die  vorhergebende 
seite,  zu  cc,  K.  —  S.  478,  z.8  v.u.:  tilge  Kehr.  10804.  —  S.491,z.  13  v.o.: 
tilge  Ms.  F.  Gl,  9.  —  S.  503  ff.:  hei  den  zahlen  der  tabelle  sind  die  im  vor- 
stehenden bezeichneten  abiiudcningen  bereits  berücksichtigt.  —  S.  518,  z.  10 
v.  o. :  das  beispiel  293,  227  gehört  doch  wol  zur  erregungswiderholung.  — 
S.  52^,  z.  G  v.  o.  streiche  das  beispiel  ans  Gerstäcker.  -  -  S.  530,  z.  1  v.  u. 
streiche  Rosegger  374.  —  8.543,  z.  1  v.o.:  das  beispiel  Suivez  ff.  gehört 
zu  s.  542,  A  I  a.  —  ebda.  z.  3  v.  o.:  das  beispiel  Dans  la  littcraturc  gehört 
zu  s.  542,  A  I  b  1. 

GIESSEN.  0.  BEHAGHEL. 


ZWEI  COXJECTUREN  ZU  WALTHER. 

34,  2S.  K  daz  was  ir  lere  bi  den  werken  reine  haben 
beide  hss.,  A  und  C.  E  daz  ist  von  den  erklärern  mit  recht 
beanstandet  worden.  Pfeiffer  conjiciert  etwas  gewalttätig 
tdes  dö  was.  Viel  einfacher  und  natürlicher  wäre  e  daz  was, 
was  ir  lere  In  dm  werken  reine. 

TS,  21.  Die  dort  den  borgen  dingen  ist  schon  mehrfach 
besprochen,  aber  noch  nicht  genügend  erklärt  worden.  Ich 
möchte  dingen  in  der  bedeutung  'mit  Zuversicht  erwarten, 
hoffen'  fassen,  borge  im  sinne  von  'bürge,  Sicherheit  leistender'. 
Wenn  der  acc.  wegen  mangelnder  analogica  Schwierigkeiten 
macht.  Hesse  sich  statt  den  des  einsetzen.  Der  sinn  wäre 
dann:  'die  dort  auf  ihren  bürgen  (Christus)  harren'. 

BASEL,  märz  1005.        E.  HOFFMANN-KRAYER. 


Digitized  by  Googl 


ALTHOCHDEUTSCHES 


L  Irmindeot 

In  dem  von  Herzberg-Fränkel  in  den  Mon.  germ.  necrolog. 
2,  1890—1904  herausgegebenen  Salzburger  verbrüderungsbuch 
sind  von  einer  band  des  9.  jh.'s  ein  dutzend  namen  eingeschrieben 
worden:  9,  15,  18  Uuetti,  Paldric,  19  Mülheim,  Somrih,  17, 15 
Pemhart,  18,8  Utteidheri,  9  SatoU,  10  Lantrat,  11  Irmindeot, 
19,  1  Arnolt  pbr,  2  Jacob,  3  Engiipirin,  4  Deotpurc;  dazu 
kommt  vielleicht  noch  14,  8 2  Engilfrid  ep.  s.  die  ausgäbe  s.  4. 
Dass  der  Schreiber  ein  Baier  war,  geht  aus  dem  sprachlichen 
Charakter  der  namen,  die  er  eintrug,  und  aus  der  art  der 
anläge  des  Verbrüderungsbuches  hervor.  Er  war  mutmasslich 
in  der  ersten  hälfte  des  9.  jh.'s  an  der  hs.  tätig;  man  vergleiche 
das  ö  in  Sömrih  und  die  form  deot  in  Deotpurc;  nach  850 
hätte  man  mit  Wahrscheinlichkeit  Suomrth  zu  erwarten,  vor 
800  Thcot  oder  Teot. 

Irmindeot  wäre  als  name  nur  hier  sicher  belegt;  Förste- 
mann führt  im  Namenbuch  1 2,  483  ausser  dieser  form  auch 
einen  beleg  aus  einer  Fuldaer  Urkunde  von  792  an:  Irmin- 
teotes  (gen.)  Dronke  no.  103,  bei  Schannat  laute  aber  der  name 
Irminteos.  Er  ist  ohne  zweifei  derselbe  zeuge,  der  791  Irmin- 
theo  (Dronke  no.  99)  genannt  wird,  das  erweist  ein  vergleich 
beider  Urkunden,  die  beide  nach  Kossinna,  Ueber  d.  ält.  hfrk. 
sprachdenkm.  s.  9  nicht  voll  verlässlich  sind.  Aber  auch  sonst 
stünde  der  name  Irmindeot  vereinzelt  da,  weil  namenbildungen 
mit  deot  als  zweitem  gliede  vollständig  fehlen;  die  einzige  bei 
Förstemann  ausserdem  angeführte  form  Verdeot  des  Salzburger 
vb.  93, 9,  welche  die  ausgäbe  s.  745  ins  9.  jh.  setzt,  ist  offenbar 
verderbt  und  kann  keinen  nachweis  von  namen  mit  -deot  als 
zweitem  teile  bilden.1) 

l)  Anders,  aber  nicht  überzeugend,  Socin,  Mbd.  nb.  s.  221. 


Digitized  by  Google 


566 


SCHATZ 


So  darf  man  sicher  annehmen,  dass  hier  das  im  ahd.  nicht 
belegte  wort  irmindcot  des  Hildebrandsliedes  vorliegt,  über  das 
zuletzt  W.  Braune  in  diesen  Beitr.  21, 2  f.  gehandelt  hat  Die 
erklärung  dafür,  wie  dies  wort  unter  die  namen  des  vb.  kommt, 
scheint  mir  einfach:  der  Schreiber  wollte  nebst  den  personen, 
deren  namen  er  verzeichnete,  auch  die  gesammte  menschheit, 
das  ist  irmindcot,  ins  gebet  für  die  Salzburger  verbrüderten 
eingeschlossen  wissen;  man  vergleiche  die  kurzen  gebete  in 
der  hs.  s.  6, 1, 19  memorare  digneris  dominc  famulos  et  famulas 
quique  sc  nobis  sacris  orationibus  vel  confessionibvs  commcn- 
darunt  ...  s.  42,  103,  35  dignare  dominc  in  memoriam  sempi- 
ternam  commemorare  et  refrigerare  animabus  quas...  migrart 
iussisti  und  besonders  die  eintragung  s.  44  nomina  fralrum  de 
Svarzaha,  wo  es  nach  der  auf  Zählung  der  57  namen  heisst: 
o  m  n  tu  m  in  im  icoru  m. 

Dass  irmindeot  im  9.  jh.  auf  bairischem  boden  noch  lebendig 
war,  erscheint  mir  demnach  erwiesen. 

2.  Adalporo. 

Die  Salzburger  Arnonischen  güterverzeichnisse,  bekannt 
unter  der  bezeichnung  Tndiculus  oder  Notitia  Arnonis,  die  jetzt 
von  W.  Hauthaler  neu  herausgegeben  worden  sind enthalten 
7,  6  Tradidit  ipsc  dux  (der  bairische  herzog  Theodbertus,  wie 
4, 2  ausweist  ,  der  am  anfang  des  8.  jh.'s  lebte,  Riezler,  Ge- 
schichte Baierns  1,  79)  in  ipso  pago  in  toco,  qui  vocatur  Hai, 
ad  sal  coquendum  fornaecs  Villi,  tres  sunt  vestitas  et  VI  apsas; 
et  hoc  decrevit  censum  dare  unusquisque  homo,  qui  in  Hai  ha- 
bitaret,  quod  barbarice  dicitur  adalporo,  tarn  hii  qui  in 
Nana  et  Mona  manerent,  quam  et  Uli  qui  in  ipsas  Salinas 
manermt,  a  medio  mense  madio  usque  ad  festum  saneti  Martini 
omni  ebdomata  in  feria  VI  modium  de  sale  dari  deberent,  ex- 
eepto  quatuor  manentes.  Das  sonst  unbelegte  wort  adalporo 
kann  hier  nur  die  deutsche  bezeichnung  für  census  sein,  also 
ursprünglich  die  zum  erbgut  gehörende  abgäbe;  poro  ist  als 
masculinum  zu  fassen  wie  ahd.  klobo,  slito  u.  ä.,  vgl.  Wilmanns. 
Gramm.  22,  §  152;  der  bedeutung  nach  gehört  es  zu  ahd.  ga- 
burien,  nhd.  gebühren.    Weder  in  Schindlers  Bair.  wb.  noch  in 

»)  Programm  des  Borromtiums  in  Salzburg  1898  =  Salzlmrger  Urkunden- 
buch  l.heft. 


Digitized  by  Google 


ALTHOCHDEUTSCHES. 


567 


Heinzens  ausgäbe  des  Indiculus  Amonis  (München  1869)  findet 
sich  adalporo  erörtert 

3.  Hanl 

Dass  zumal  die  ahd.  Überlieferung  altbairischer  eigennamen 
deren  lautfonn  sicher  bestimmen  lässt,  geht  aus  den  erörterungen 
über  namen  des  Salzburger  Verbrüderungsbuches  (Zs.fda.43, 1  ff.) 
hervor;  wie  nun  in  namen  wie  ahd.  Arindrttd,  Madalhaid,  Kacr- 
lind  das  d  auf  vorahd.  ]>  zurückgeht,  so  ist  auch  bei  hard  'wald' 
die  form  mit  -rd  die  ursprüngliche,  nicht  hart,  wie  spätahd. 
belege  auftreten  und  nach  ihnen  unsere  Wörterbücher  ansetzen 
(nur  M.  Heyne  hat  im  DWb.  4, 509  ahd.  hart  und  hard).  Das 
erweisen  urkundliche  namen:  aus  Meichelbecks  Hist.  Frising. 
no.  123  v.  j.  806  Iiichhart  tradidit  ...  in  loco  qui  dicitur  Stein- 
hardt no.  379  v.  j.  819  ad  Steinhardt  so  auch  no.  570.  no.  821; 
ferner  no.  313  v.  j.  814  tu  loco  naneupato  Otmarcshard;  no.  361 
v.j.818  in  loco  nuncupante  Otmarcshard;  no.297  v.  j.  814  Harad- 
husun;  no.667  v.  j.  849  ad  Hardhuson;  no.  838  nach  850  ad  Hard* 
husun;  aus  den  Monseer  Urkunden  no.  105  v.  j.  819  in  loco  qui 
dicitur  ad  Purhchard  (Ilg,  Zs.fda.46,297);  bei  Kauffmann,  Gesch. 
d.  schwäb.  ma.  s.  213  v.  j.  882  Hardhusa;  Mon.  boica  28, 2,  no.90 
v.  j.  887  Fazouahard.  Formen  mit  d  im  inlaut  Hardc,  Hardts, 
Hardi,  Harden  im  Urkundeubuch  von  Oberösterreich  1852  ff. 
1,136.  144.  782.  2,742.  Gegen  diese  verlässlichen  nachweise 
können  spätahd.  Schreibungen  mit  t  keinen  beweis  abgeben, 
dass  hart  und  nicht  hard  die  normale  form  sei  (Braune,  Ahd. 
gr.i  §  167, 6  und  Zs.  fda.  43,  25).  In  den  Ahd.  glossen  finde  ich 
das  wort  nur  1, 605, 66  aus  Clm.  18140  lucus  :  hart  l  loch  (das 
t  undeutlich);  Clin.  19440  hat  hier  hdrc.  Vergleiche  dagegen 
bei  Graff  4, 1026  aus  einer  Urkunde  von  995  lucum  quem  vul- 
gares hard  nominant;  die  verschiedenen  belege  bei  Schmeller 
1, 1169  lassen  deutlich  die  form  hard  erkenuen.  Ich  führe 
noch  als  sichern  beleg  für  d  aus  den  gedichten  Oswalds  von 
Wolkenstein  10, 10  an  in  dem  hard,  wo  die  drei  hss.  sicher  rt 
hätten,  wenn  es  der  spräche  gemäss  vorhanden  gewesen  wäre; 
in  Tirol  ist  das  wort  jetzt  nicht  mehr  lebendig;  was  Schöpf 
an  der  von  Heyne  a.a.O.  angezogenen  stelle  anführt,  bezieht 
sich  auf  den  beleg  beim  Wolkensteiner;  im  Tiroler  idiotikon 
s.  245  ist  auch  nur  dieser  verwertet. 


Digitized  by  Google 


568  SCHATZ,  ALTHOCHDEUTSCHES. 

4.  Gaskciti. 

Der  beleg  abhinc  ad  uerticem  (gcskeite)  tnontis  im  Urkunden- 
buch  von  Oberösterreich  1,607,  no.  32  um  1140  (=  Mon.  boica 
4, 22,  do.  14)  lässt  es  zweifelhaft,  ob  diese  Verdeutschung",  die, 
soweit  ich  sehe,  unbeachtet  geblieben  ist,  ein  ahd.  collectiv 
gaskcit  oder  gaskciti*)  voraussetzt;  denn  gcskeite  kann  auch 
dativ  im  sinne  einer  deutschen  satzbildung  mit  zc  sein.  Wahr- 
scheinlich aber  liegt  hier  der  nom.  acc.  eines  ja-neutrums  vor; 
in  der  gleichen  Urkunde  ist  in  einer  Verdeutschung  der  acc. 
verwendet:  ad  giganteam  viam  (antisken  uck).*)  Der  abstam- 
inung  nach  gehört  das  wort  eng  zu  ahd.  sceitüa  (vcrtcx)  und 
bedeutet  das  gleiche  wie  nhd.  'scheitel  des  beiges';  mit  nihd. 
gescheit,  oder  gescheide,  mit  dem  es  stammverwaut  ist,  dürfte 
es  nicht  vereinigt  werden. 

»)  Wilmanns,  D.  gramm.  2a,  §  100.  189  f. 
»)  Schindler  l 103. 

INNSBRUCK,  2.  fe.br.  1905.  J.  SCHATZ. 


Digitized  by  Google 


ZU  BEITRÄGE  30,  334. 


In  dem  bestreben,  parallelen  zu  einer  mnl.  gebrauchsweise 
von  licver  zu  finden,  ist  J.  Franck  geneigt,  in  verschiedenen 
fällen  ein  adv.  anzunehmen,  wo  ich  in  meiner  Mhd.  grammatik 
ein  adj.  angesetzt  habe.  Ich  glaube  mit  unrecht.  Zweifellos 
ist  zunächst  die  auffassung  in  fällen  wie  ez  ist  in  scrc  guot 
gelesen  Tristan  172.  Hier  kann  guot  nur  adj.,  also  prädicat, 
und  gelesen  prädicatives  attribut  sein.  Andere  beispiele  mit 
guot  bei  Grimm.  Ebenso  sind  die  mit  bezzer  aus  dem  älteren 
mhd.  zweifellos.  Demgegenüber  führt  Grimm  allerdings  auch 
zwei  beispiele  mit  baz  in  ähnlichem  sinne  an  (daz  ist  baz 
verhorn  und  ez  ist  ein  sehedel  baz  verhorn),  aber,  was  Franck 
gegenüber  hervorgehoben  werden  muss,  ohne  dativ.  Sonstige 
analoge  fälle,  in  denen  wir  genötigt  wären,  neben  dem  pari 
perf.  das  adv.  anzunehmen,  sind  mir  nicht  bekannt.  Franck 
meint  allerdings,  dass  diese  auffassung  ebenso  möglich  wäre 
Gregor  G86  si  sprächen,  ditz  scluvne  Jcindelin  daz  weere  schede- 
lich  verlorn,  und  er  beruft  sich  darauf,  dass  die  hs.  J  sched- 
lichcn  habe.  Dagegen  möchte  ich  bemerken,  dass  man,  wenn 
schedelich  präd.  wäre,  den  satz  wol  als  angäbe  einer  voll- 
zogenen tatsache  fassen  müsste,  was  nicht  angeht.  Meine 
auffassung  für  alle  diese  fälle  wird  dadurch  bestätigt,  dass 
auch  sätze  vorkommen,  in  denen  das  präd.  ein  subst,  ist  (daz 
ist  tu  ere  getan  'das  ist  für  euch  eine  ehre  als  etwas  getanes', 
d.h.  'wenn  ihr  es  tut')  oder  ein  verbum  (waz  touc  diu  rede  gc- 
lenget?). 

AVenn  nun  partieipia  so  als  prädicatives  attribut  gebraucht 
werden  können,  werden  wir  den  nämlichen  gebrauch  auch  bei 
andern  adjectiven  erwarten  dürfen.  Ein  sicheres  beispiel  ist 
Tristan  1004  so  weere  er  maneges  bezzer  tot  (vgl.  Franck  343 '), 
weil  bezzer  nicht  adv.  sein  kann.  Nun  ist  aber  gar  nicht  ein- 
Beiträge zur  geschickt«  der  deutschen  spräche.  XXX.  38 

Digitized  by  Google 


570 


ZU  BEITR,  30, 334- 


zusehen,  warum  wir  an  der  ganz  analogen  stelle,  von  der 
Franck  ausgeht,  A.  Heinrich  755  (daz  ich  tu  lieber  wcere  tot) 
die  construction  anders  auffassen  sollen.  Der  tadel  gegen 
Wackernagel,  der  bemerkt  'wenn  ich  tot  wäre',  ist  unberech- 
tigt. Auch  an  der  stelle,  von  der  Franck  s.  338 1  spricht, 
Freid.  15G,  12  (in  ist  ein  heiden  lieber  bi  dan  zteene  kristen 
oder  dri)  ist  lieber  nicht  adv.,  sondern  adj.  und  präd.,  dagegen 
fungiert  bi  als  prädicatives  attribut,  und  in  gehört  nicht  zu 
bi,  wie  Franck  meint,  sondern  zu  lieber.  Diese  auffassung 
wird  bestätigt  durch  die  von  mir  in  der  Mhd.  gramm.  an- 
geführte und  auch  von  Franck  erwähnte  stelle  MF.  128,37 
der  ist  leider  su  cere  bi  (die  hs.  C  hat  steere,  nicht  etwa  swäre), 
zu  der  ich  noch  eine  vollkommen  analoge  hinzufügen  kann, 
Liecht.  443,  27  mirst  der  spiegcl  su  cere  bi.  Wenn  endlich 
Franck  (s.  343)  bemerkt,  dass  die  fügung  mit  dem  adv.  liebe 
an  sich  keinem  zweifei  unterliege,  so  muss  ich  erwidern,  dass 
mir  ist  liebe  nur  unpersönlich  gebraucht  wird,  also  in  analogie 
zu  mir  ist  wol,  wc  steht,  die  auch  in  der  heutigen  spräche 
üblich  sind.  Aus  dem  mhd.  lassen  sich  keine  belege  beibringen, 
die  zu  dem  von  Franck  angezogenen  gebrauch  von  mnl.  liever 
vollkommen  stimmten. 

MÜNCHEN,  april  1905.  H.  PAUL. 


Digitized  by 


ZU  SALMAN  UND  MOROLF. 


Von  dem  Spielmannsgedichte  Salman  und  Morolf  waren 
bisher  nur  zwei  handschriften  bekannt,  die  ehemals  in  Eschen- 
burgs  besitz  befindliche,  jetzt  verschollene  (E)  und  eine  in 
der  kgl.  privatbibliothek  zu  Stuttgart  (S)  (eine  im  jähre  1870 
verbrannte  Strassburger  hs.  ist  nie  wissenschaftlich  verwertet 
worden).  Hierzu  gesellt  sich  jetzt  eine  dritte,  die  kürzlich 
von  der  kgl.  off.  bibliothek  zu  Dresden  erworben  worden  ist 
(Mscr.  R  52 um,  4),  von  der  aber  leider  nur  eine  anzahl  nicht 
zusammenhängender  bruchstücke  vorliegen,  die  anscheinend 
aus  einem  bucheinband  abgelöst  sind.  Dieses  Dresdener  mscr. 
ist  von  einer  der  mitte  des  15.  jh.'s  angehörenden  band  sauber 
auf  papier  geschrieben  und  enthält  auf  12  blättchen  folgende 
(am  Schlüsse  der  verse  häufig  durch  zerschneiden  verstüm- 
melte) teile  des  gedichtes:  v.  218, 3  — 220, 4.  228,4  —  229,3. 
236,2  —  238,4.  249,5  —  252,1.  272,1—5.  312,1  —  314,3.  328, 
1—7.  340,1—5.  384,2—385,2.  393,5— 394a,  1;  ferner  nur  ein- 
zelne worte  aus  v.  243, 2  —  245, 2.  400, 1  —  401, 3. ')  Jeder 
vers  beginnt  mit  einem  rot  durchstrichenen  buchstaben.  Dass 
auch  hier  wie  in  den  anderen  hss.  und  im  Strassburger  drucke 
von  1499  bilder  sich  befanden,  ergibt  sich  aus  drei  noch  teil- 
weise erhaltenen  rubriken:  auf  der  rückseite  des  ersten  blätt- 
chens, das  v. 218, 3  — 220, 4  enthält:  ...  wise  mit  der  kunigin 
Salome  ...  reit  (zu  ergänzen:  Als  Morolft'  in  bilgemis  wise 
mit  der  kunigin  Salome  spielte  in  dem  schoffczabclbrett,  vgl. 
v.  d.  Hagen,  Deutsche  gedieht e  des  mittelalters  1,  Salomon  und 
Morolf  s.  72  zu  v.  1168);  auf  der  rückseite  von  bl.  4,  enthal- 
tend v.  249,  5  —  252,1:  ...  ie  iuden  hut  abe  vor  der  kunigin 
. ..  nnen  (vgl.  v.  d.  Hagen  1,  73  zu  v.  1377:  Hie  stot  Morolff 
by  der  kiingin  vor  dem  schock  zabel  hret  vnd  zoch  die  luden 
hiit  abe  vnd  gab  sich  der  kiingin  zu  erkennen),  und  nach 
v.  328, 7:  Also  kunig  Vore  einen  siner  ...  sin  frotve  vnd  in 
der  cappel ...  (=  v.  d.  Hagen  zu  v.  1736?).   Doch  ist  von  den 

»)  Die  verszählung  nach  der  ausgäbe  Friedrich  Vogts,  Die  deutscheu 
dichtungen  von  Salomou  und  Markolf  bd.  1  (Halle  1880). 


Digitized  by  Google 


572 


SCHMIDT 


bildern  selbst  keine  spur  mehr  vorhanden.  Die  fassung  des 
Dresdener  textes  steht  der  des  drackes  am  nächsten;  ein 
directes  abhängigkeitsverhältnis  zwischen  beiden  besteht  jedoch 
nicht;  vielmehr  ist  die  erstere  mittelbar  oder  unmittelbar  aus 
der  dem  drucke  und  der  Stuttgarter  hs.  zu  gründe  liegenden 
gemeinsamen  quelle  (von  Vogt  s.  x  mit  Y  bezeichnet)  ge- 
flossen. Ich  gebe  nun  im  folgenden  eine  collation  des  Dres- 
dener textes  mit  der  ausgäbe  Vogts. 

v.  2 IS,  3  wol  üf  eilender]  Sit  sprach  icoluff  du  eil . . .  —  4  ril  wonder- 
baldej  schnelle  vtid  baldc.  —  5  frouwenj  frotecn.  —  219,  1  Von]  Oder;  bist 
du/  hisiu.  —  2  her]  edelr.  —  3  fremde]  fromde.  —  4  höret J  horte;  frouwej 
fron  e.  —  5  si  enmag  dir:  lenger  nitj  sü  teil  dir  es  nit  lenger.  —  220,1 
sprach  derj  sprach  Morolff  der.  —  3  läz  mich  rxtn  bitz  tnomj  nü  losse 
mich  rügen  bitz  morne.  —  4  fruutce  gerne  fremde]  froxce  gerne  fromde.  — 
22^,4  nü  züchj  sü  sprach  nü  züch.  —  5  kanst]  könnest.  —  229,  1  —  4  Er 
sprach  froice  schöne  küui[gin]  \  was  setzesttt  an  das  houbet  min  |  drissig 
Marth  goldes  soitu  zu  w  ...    —   23(5,2  DU  iungfroice  gm  uff  das  b  ... 

—  3  nü  züch]  sü  sprach  nü  züch.  —  237, 1  Nü  züche  du  stoltzer  degen 
gut.  —  2  valschc]  valschcn.  —  3  als]  also.  —  4  obe]  ob.  —  5  teil]  icolte. 
23H,  1  im]  in.  —  2  Morolfj  Morolff  (und  sonst);  hüten]  gehieten.  —  3  Uezj 
lies.  —  250,  1  Mit}  M  grosser  roter  anfangsbuebstabe;  —  freuden]  froiden; 
obe]  ab;  bretej  brette.  -  2  schou  e  die]  horte  der.  —  3  bit  sie]  bitz  sü; 
schtchzabelsteinej  schoffczabelstein.  —  4  da  mit]  do  mitte;  dazj  das.  — 
5.  6  Er  gewänne  eines  lotcen  mute  \  ffur  der  künigin  hette  er  kurtzeicil. 
251,  i   Kr  sprach  froice  ist  dir  das  spiel.  —  2  het  nü  der  eilende  n.  8.  w. 

—  3  Morolff  hüp  rff  vnd  sang  sin  st ...  —  4  da]  do.  —  5  freudej  froide; 
harte]  hart.    —   252,1  baz]  bas;  dan]  danne.  —  272,1  Er  sprach  nü 
müsse  got  miner  n.s.w.  —  2  nach  dir  der]  nocJt  dir  Solomon.  —  3  der 
dich  so  ungerne  verloren.  —  4.  5  müfs  er  mich  nü  ouch  verlieren  |  so  mag 
gm  niemer  werden  r  ...    —   312, 1  ez]  es.  —  2  sü  drunckent  rast  nid 
vielcnt.  —  5  er  gm  sin  houbet  abe  ...  —  313, 1  Er  sprach  das  soltit  . . . 
boiten.  —  4  bi  dem  har]  bg  dem  höre.  —  5  sie]  sü;  zwelfften]  zwölfften. 
314,  1  gevilde]  gewilde.  —  3  da:  tal]  das  tal.  —  328,  3  sneit]  schneide.  — 
4  scharsas]  schar  (?)  sach.  —  328,5  im]  dem  kunifge].  —  6  wis  ein]  bistu. 
:*4G,  1  Morolff  der  Iis  ...  —  3  Was  wiltu  enbietten  künig.  —  4  faren  gon 
Iherus  . . .  —  5  daz  laz]  das  losse.  —  384, 2.  3  Solomon  lieber  bruder  ...  I 
disen  stgg  den  soitu  rff  gatu  —  5  das  duncket  mich  reht  (!)  vnd  ...  — 
385, 1  dar  in]  drin;  wagen]  wegen.   —   2  so  gesiehestu  Salome  din  vil 
wunderschönes  ...  —  394, 1  Solomon  sprach  wise  ...  —  2  Morolff  teari 
der  reden  geha  ...  —  3  er  spraclt  war  hastu  din  sgnn.  —  5  da  von]  den 
wechtern.  —  394  a,  1  helten]  hedden.  —  400,3  der  meide]  der  meigede.  — 
6  her  in  die  heidenschafft  gegan. 


DRESDEN. 


LUDWIG  SCHMIDT. 


Druck  von  Ehrhardt  Karras,  Halle  a.  8. 


■ 

Digitized  by  OooBle 


Verlag  von  Max  Niemeyer  in  Halle  a.  d.  S. 


Hermaea.    Ausgewählte  Arbeiten  aus  dem  germanischen  Seminar  iö 
Halle  herausgegeben  von  Philipp  Straneh.    gr.  8. 

1.  Freitag,  Otto,  Die  sogenannte  Chronik  von  Weihenstephan.  Ein 
Beitrag  znr  Karlssage.    1H05.  .Ji  5,— 

2.  Zuc  Ii  hold,  Hans,  Des  Nikolaus  von  Landau  Sermone  als  Quelle 
tlir  die  Fredigt  Meister  Eekharts  und  seines  Kreises. 

In  Vorbereitung. 

S.  Kegel.  Ernst,  Die  Verbreitung  der  mittelhochdeutschen  erzählenden 
Literatur  in  Mittel-  und  Niederdeutachland,  nachgewiesen  auf  (irnnd 
von  Personennamen. 

In  Vorbereitung. 


* 

Baumann.  Friedrich.   Sprachpsychologie  und  Sprachunterricht.  Eine 
kritische  Studie. 

In  VortxTrituiig. 

Benoist-Hanappier.  Louis,  Die  freien  Rhythmen  in  der  deutschen 
Lyrik,  ihre  Rechtfertigung  und  Entwicklung.    8°.  .#.2,40 

Eckerth,  W.,  Das  Waltherlied.   Gedieht  in  mittelhochdeutscher  Sprache. 

Jk  1,- 

Geiger,  Emil,  Beitrage  zu  einer  Aesthetik  der  Lyrik.    8".      »4t  3,— 

Geiger,  Eugen,  Haus  Sachs  als   Fastnachtsspieldichter  im  Verhlltnifl 
ZU  seinen  Quellen  betrachtet.     8°.  10,— 

Heck,  Philipp.  Heiträge  zur  Geschichte  der  Stände  im  Mittelalter.  8". 
II.    Der  Sachsenspiegel   und  die  Stände   der  Freien   im  Mittel- 
aller.    Mit   sprachlichen   Heilagen  von  Dr.  Albert  Hfirk. 

.4  22,- 

Heldmann.  Karl,  Die  sogenannten  Kolandsbilder  Deutschlands  in  drei- 
hundertjähriger Forschung  und  nach  den  Quellen.   8".    „4(  4, — 

Piur,  Paul.  Studien  zur  sprachlichen  Würdigung  Christian  Wulffs.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  nhd.  Sprache.    8°.  Jk  3,— 

Rouge.  J.,   Erläuterungen   zu   Friedlich  Schlegels  Lucinde.    gr.  8°. 

Jk  4, — 

4 

Triloff.  Hermann.  Die  Traktate  und  Predigten  Veghes.    8°.  .^8,— 


Digitized  by 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google